Titel: Neuere Dampfkessel.
Fundstelle: Band 282, Jahrgang 1890, S. 203
Download: XML
Neuere Dampfkessel. Mit Abbildungen. Neuere Dampfkessel. A) Neue Normen für den Bau, Wahl der Blechstärke, Statistisches. In der 20. Delegirten-Versammlung des Internationalen Verbandes der Dampfkesselüberwachungsvereine, welche am 18. und 19. Juli d. J. in Danzig stattfand, wurden neue Vorschläge für die Berechnung der Materialstärken neuer Dampfkessel angenommen. Diese Vorschläge „Hamburger Normen“ sind dazu bestimmt, die Würzburger Normen zu ergänzen, welche sich im Laufe der Zeit als der Erweiterung bedürftig herausstellten; bei der Wichtigkeit dieser neuen Normen lassen wir dieselben in der Hauptsache nach der Zeitschrift des Internationalen Verbandes der Dampfkessel-Ueberwachungs-Vereine Nr. 8 hier folgen. Hamburger Normen 1891.Diese neuen „Hamburger Normen“ sind für 25 Pf. pro Stück, excl. Porto, durch den Norddeutschen Verein zur Ueberwachung von Dampfkesseln in Hamburg zu beziehen. Sie enthalten ausser dem Texte eine Menge tabellarisch zusammengestellter Rechnungswerthe der betreffenden Formeln. I. Zulässige Materialspannung, Die Wandstärken neuer Dampfkessel sind so zu bemessen, dass die Zugspannung des Bleches an der schwächsten Stelle nicht mehr als ⅕ der Zugfestigkeit des Materials beträgt. Bei Anwendung doppelt gelaschter Nähte darf eine Zugspannung bis zu 1/4,5 der Zugfestigkeit des Materials gestattet werden. II. Material. Für die Anforderungen an die Qualität der zum Baue von Dampfkesseln zur Verwendung kommenden Materialien sind die von dem Internationalen Verbände der Dampfkessel – Ueberwachungs – Vereine festgestellten „Grundsätze für die Prüfung der Materialien zum Baue von Dampfkesseln“ (abgeänderte Würzburger Normen 1890) massgebend. Für Kupfer, dessen Festigkeit mit zunehmender Erwärmung abnimmt, kann eine Zugfestigkeit von 22 k pr. qmm bei einer Beanspruchung bis zu k Dampfdruck 21 6 20 über 6 hinaus angenommen werden. III. Vernietung. Die Nietnähte sollen stets so ausgeführt werden, dass die Widerstandsfähigkeit der Nieten gegen Abscheeren nicht geringer als die in Rechnung zu ziehende Festigkeit des Bleches in der Nietnaht ist. Bei Laschennietung sollen die Laschen aus Blechen von mindestens gleicher Güte als die der Mantelbleche geschnitten werden. Die Festigkeit gut und mittels Ueberlappung geschweisster Nähte kann bei Schweisseisen zu 0,7 der Festigkeit des vollen Bleches in Rechnung gesetzt werden. IV. Schrauben und Verschraubungen. Es ist zu unterscheiden zwischen Schrauben, welche für bearbeitete, und solchen, welche für unbearbeitete Flächen zur Verwendung kommen. Ist P = Gesammtdruck auf die gedrückte Fläche in k p = den auf einen Schraubenkern entfallenden Theildes Gesammtdruckes P in k, b = Beanspruchung des Schraubenkerns in k pr. qcm, d = Durchmesser des Schraubenkerns in cm, dann ist b=1,27\,\frac{p}{d^2} und ferner, gleichviel ob die Schrauben aus Schweisseisen oder aus Flusseisen hergestellt sind 1. bei guten Schrauben, guter Bearbeitung der Flächen und weichem Dichtungsmaterial d = 0,045√p + 0,5; 2. wenn den unter 1 genannten Anforderungen weniger vollkommen entsprochen ist d = 0,055√p + 0,5; Schrauben aus Flusseisen sollen kein scharfes, sondern abgerundetes Gewinde erhalten. Bei der Berechnung der Belastung der Schrauben kann man annehmen, dass, sofern r = geringster Abstand der Schrauben vom Schwer-punkte der gedrückten Fläche in cm c = Schraubentheilung in cm ist, dann die am stärksten belastete Schraube den Druck p=\frac{P\,.\,e}{2\,\pi\,.\,r} erhält. Wenn Biegungsspannungen zu befürchten sind, wie namentlich bei unbearbeiteten Flächen, Durchbiegen der Flantschen, einseitig liegenden Dichtungen etc., ist diesen bei der Bemessung der Schrauben besonders Rechnung zu tragen. Schwächere Schrauben als solche von 16 mm äusserem Durchmesser sind thunlichst zu vermeiden; unter 13 mm äusserem Durchmesser sind solche nicht zulässig. V. Anker und Stehbolzen. Die Beanspruchung soll bei geschweissten eisernen Ankern und Stehbolzen 3,5 k/qcm ungeschweissten 5 flusseisernen 6 kupfernen 3 nicht überschreiten. Anker und Stehbolzen aus Flusseisen dürfen nicht geschweisst werden. Bei hohem Drucke (10 k und höher) empfiehlt es sich, die mit Muttern versehenen Längsanker sowohl als auch die Ankerröhren mit Gewinde in die Stirnplatten, bezieh. Rohrplatten, einzuschrauben, ausserdem erstere innen und aussen mit Unterlegscheiben und auch innen mit Muttern zu versehen; die Ankerröhren dagegen sind aufzuwalzen und umzubördeln. Die Länge der Eckanker soll so gross als irgend möglich sein. Es empfiehlt sich, in Flammrohrkesseln die untersten derjenigen Nieten, welche die Eckanker mit der Stirnplatte verbinden, mindestens 20 cm vom Flammrohrumfange abstehen zu lassen. Der Querschnitt der Eckanker soll im Verhältnisse ihrer Neigung zur Kesselachse grösser werden, als derjenige der Längsanker. Die zur Befestigung der Eckanker dienenden Bolzen und Nieten sind den wirksamen Kräften entsprechend reichlich zu bemessen. Erfolgt die Versteifung ebener Stirnwände durch Aufnieten von ⌶-Trägern und dergl., so sollen diese ihre Belastung möglichst unmittelbar auf den Kesselmantel übertragen. VI. Bügel- oder Decken-Träger für Feuerbüchs-Decken. Die freitragenden, nicht aufgehängten Träger sind wie folgt zu berechnen. Ist p = grösster Dampfdruck in k/qcm, w = Weite der Feuerbüchse in cm, d = Entfernung der Stehbolzen von einander in cm, e = Entfernung des Trägers von einander in cm, l = Länge des Trägers in cm, h = Höhe    „       „        „   „ b = Dicke   „       „   bezieh. Gesammtdicke derTrägerbleche in cm, c = 420, wenn 1 Stehbolzen im Träger, c = 630, wenn 2 oder 3   „      „       „ c = 720,    „  mehr als 3   „      „       „ sich befinden; dann ist b=\frac{p\,.\,(w-d)\,e\,l}{c\,h^2} Werden die Deckenträger aufgehängt, dann sind dieselben den veränderten Belastungsverhältnissen entsprechend besonders zu berechnen. Textabbildung Bd. 282, S. 204Feuerbüchsdecke.VII. Mannlöcher und sonstige Ausschnitte. Im Allgemeinen sollen die ovalen Mannlöcher mindestens 30 × 40 cm weit sein; hiervon ist nur dann abzuweichen, wenn die Anbringung derartig bemessener Mannlöcher mit Schwierigkeiten verknüpft ist. Die geringste zulässige Weite ist in diesem Ausnahmefalle 28 × 38 cm. Die in den Dampfdom führenden Oeffnungen sind stets so zu bemessen, dass das Innere des Doms, zwecks Untersuchung seiner Deckel- und Randkrempen, bequem zugänglich bleibt. Es empfiehlt sich, die Verwendung von Gusseisen zur Herstellung von Mannlochdeckeln oder Mannlochhüten (Rahmen) zu vermeiden. Die Ränder der Mannloch- und der sonstigen Ausschnitte sind stets dann wirksam zu versteifen, wenn durch das Einschneiden der Löcher eine unzulässige Verschwächung des Bleches gegenüber dem beabsichtigten Druck eintritt, oder wenn ein Durchspannen des Bleches durch das Anziehen der Mannloch-Bügel u. dergl. zu befürchten steht. VIII. Berechnung der Blechdicken cylindrischer Dampfkessel-Wandungen mit innerem Druck. Ist s = Blechdicke in cm, d = innerer Durchmesser in cm, p = höchster Ueberdruck in k pr. qcm, x = 5 bezieh. bis 4,5 (siehe I), K = Zugfestigkeit des Materials in k pr. qcm, z = Festigkeit der Niehtnaht im Vergleiche mitder Festigkeit des vollen Bleches, dann ist s=d\,\frac{p\,x}{2\,K\,z},\mbox{ oder }p=K\,\frac{2\,s\,z}{d\,x} Die Blechdicke darf indessen nie geringer als 7 mm genommen werden. Es ist zu erwägen, ob je nach den örtlichen Betriebseinflüssen ein Zuschlag zu machen ist; nothwendig ist ein solch er, wenn die Rechnung eine Blechdicke unter 1 cm ergibt. IX. Berechnung der Blechdicken von Dampfkessel-Flammrohren mit äusserem Druck. Bezeichnet d den inneren Durchmesser des Flammrohres in Milli-metern, l die Länge des Flammrohres, zutreffenden Fallesdie grösste Entfernung der wirksamen Versteifungenvon einander in Millimetern, – als wirksameVersteifungen gelten neben den Stirnplatten diemit Flacheisen, Winkel-, U- und ⊺-Eisen, die Ab-kröpfungen jedoch nur unter der Voraussetzung,dass die Abkröpfung nicht weniger als etwa 50 mmbeträgt –, p den grössten Betriebsdruck in k pr. qcm. In ausführlichen Tabellen, die wir hier übergehen, sind in den Hamburger Normen Zahlenwerthe berechnet, deren Grundlage die Bach'sche Gleichung s=\frac{p\,.\,d}{2000}\,\left(1+\sqrt{1+\frac{a}{p}\,.\,\frac{1}{1+d}}\right)+c bildet, worin s = Blechstärke in cm, p = grösster Betriebsüberdruck in k pr. qcm, d = innerer Flammrohrdurchmesser in cm, l = Länge des Flammrohres, bezieh. grösste Ent-fernung der wirksamen Versteifungen von ein-ander in cm, a = 100 für Rohre mit überlappter Längsnaht, a =   80         „      „   gelaschter oder geschweiss-ter Längsnaht, mit dem Zuschlage c = 0,15 cm wenn p bis 5 k pr. qcm c = 0,1 cm p 6 c = 0,5 mm p 7 c = 0 mm p über 7 beträgt und mit entsprechenden Abrundungen. Die Länge 1 derjenigen Rohrstrecken, welche von Quersiedern durchdrungen werden, kann man wie folgt annehmen: bei der Rohrstrecke a l = l1 + 0,5 l2 sofern l1 die grössere Strecke, bei der Rohrstrecke b l = l1 + l2, sofern l1 grösser als l3, andernfalls tritt l3 an die Stelle von l1, bei der Rohrstrecke c l = l1 + l2, bei der Rohrstrecke d l = l1 + l3, bezieh. l = l3, bezieh. + l4. Textabbildung Bd. 282, S. 205Flammröhren. Sind mit Rücksicht auf die Grösse, die Befestigungsweise, den Durchdringungsort des Querrohres etc. Zweifel vorhanden, ob dasselbe in ausreichendem Masse versteifend einwirkt, so ist es räthlich, für 1 die volle Länge einzusetzen, also von einer rechnungsmässigen Berücksichtigung der versteifenden Wirkung der Quersieder abzusehen. Wellrohre und gerippte Rohre, letztere mit 9'' engl. Rippenentfernung sind nach s=\frac{p\,.\,d}{1000}+c zu berechnen, worin c bis 0,3 cm zu nehmen ist. Die Blechdicke darf nie geringer als 7 mm genommen werden. X. Berechnung der Blechdicken ebener Flächen. Die folgenden Formeln geben Werthe, welche bewährten praktischen Ausführungen entsprechen. Ist s = Wandstärke in cm; p = grosster Betriebsüberdruck in k per qcm; e = Abstand der Stehbolzen oder Anker von ein-ander in cm; K = Zugfestigkeit des Materiales in k per qcm; c = 1,47, wenn die Stehbolzen oder Anker in diePlatten eingeschraubt und vernietet sind; c = 1,146, wenn dieselben in die Platten ein-geschraubt und aussen mit einer Mutter ver-sehen sind; c = 1,085, wenn dieselben in die Platten ein-geschraubt und innen und aussen mit Mutternund Unterlegscheiben versehen sind, derenDurchmesser wenigstens 0,4mal der Ent-fernung zwischen den Stehbolzen oder Anker-reihen gleich kommt. Die Dicke der Unter-legscheiben muss dann mindestens ⅔ derPlattendicke betragen und ist noch zu erhöhen,wenn der Durchmesser der Scheiben mehrals 1½mal den über die Ecken gemessenenDurchmesser der Muttern beträgt. c = 0,962, wenn die Stehbolzen oder Anker zubeiden Seiten der Platte mit Muttern undUnterlegscheiben versehen sind und die äussereUnterlegscheibe mit der Platte vernietet ist,ihre Dicke mindestens ¾ der Plattendickeund ihr Durchmesser wenigstens 0,6mal derEntfernung zwischen den Stehbolzen oder Anker-reihen gleichkommt; d = Durchmesser einer runden Platte in cm, dann ist 1. wenn die Platten an der einen Seite mit den Heizgasen, an der anderen Seite mit dem Wasser in Berührung stehen, s=0,15+e\,\sqrt{\frac{p\,c}{e}},\mbox{\ oder }p=\frac{(s-0,15)^2\,K}{e^2\,c}; 2. wenn die Platten an der einen Seite mit den Heizgasen, an der anderen Seite mit dem Dampfe in Berührung stehen, ohne dass die Platten durch Flammbleche geschützt sind, s=0,3+e\,\sqrt{\frac{p\,.\,c}{0,9\,K}}\,\mbox{ und }p=\frac{(s-0,3)^2\,.\,0,9\,K}{e^2\,c}; 3. wenn die Platten von den Heizgasen nicht berührt werden, z.B. Domböden, freiliegende Stirnplatten etc., s=e\,\sqrt{\frac{p\,c}{K}}\,\mbox{ und }p=\frac{(s^2\,.\,K)}{e^2\,c}; 4. für nicht feuerberührte, runde Platten, flach aufgenietete oder eingeschweisste Domböden etc. ist s=0,7\,d\,\sqrt{\frac{p}{K}}\,\mbox{ und }p=\frac{(s^2\,.\,K)}{0,49\,d^2}; 5. für nicht feuerberührte, gekrempte Domböden ist s=0,6\,d\,\sqrt{\frac{p}{K}}\,\mbox{ und }p=\frac{s^2\,.\,K}{0,36\,d^2}; XI. Berechnung der Blechdicke gewölbter Böden. Wirkt der Druck im Innern der Wölbung und ist s = Blechdicke in cm; p = grösster Betriebsüberdruck in k per qcm r = Halbmesser des Wölbungskreises in cm; k = zulässige Belastung des Materials in k perqcm; und zwar bis zu 400 k per qcm für Schweiss- und Flusseisen, 250 Kupfer, \mbox{dann ist }s={\frac{p\,r}{2\,k}}\,\mbox{ und }p=\frac{2\,s\,k}{r}. (Fortsetzung folgt.)