Titel: Cochenillecarmin.
Fundstelle: Band 286, Jahrgang 1892, S. 20
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Cochenillecarmin. Cochenillecarmin. Obwohl der Cochenillecarmin noch heute zu den schönsten und kostbarsten Körperfarben gehört, so war über seine chemische Zusammensetzung lange nichts bekannt, und noch heute ist. seine Constitution nicht ganz sicher festgestellt. Auch die Bereitungsweise des Carmins ist nur wenigen bekannt, da dieselbe als Geheimniss streng gewahrt wird. Auf Veranlassung von Prof. Donath unternahm es nun Dr. Sigmund Feitier die Zusammensetzung des Carmins näher festzustellen und die bekannten Vorschriften zur Darstellung des Farbstoffes einer Prüfung zu unterziehen. Dass der Carmin wegen seines hohen Aschengehaltes nicht den reinen Farbstoff der Cochenille darstellen konnte, war lange bekannt. Allein erst Liebermann ermittelte, dass der Carmin ein Thonerdekalklack ist, der ausserdem noch eine Proteïnverbindung als wesentlichen Bestandtheil enthält. Das Verhältniss der Thonerde zum Kalk und zur Magnesia ist 1 : 2. Liebermann wies schon auf die Aehnlichkeit des Carmins mit dem Türkischrothfarblacke hin, da im letzteren der Ricinusölschwefelsäure dieselbe Rolle zufällt, wie den Proteïnsubstanzen im Carmin. Auch das Verhältniss zwischen Thonerde und Kalk ist bei dem Türkischrothfarblack nach E. Kopp und Rosenstiehl ein bestimmtes, nämlich ebenfalls 1 : 2. Von sechs als Carmin bezeichneten Handelssorten waren nach der Analyse drei verfälscht, d.h. überhaupt keine Carmine. Die erhaltenen Zahlen stellt Verfasser in den folgenden Tabellen zusammen, indem er die Angaben von Liebermann und Lafar mit in Betracht zieht: Cochenille-carmin echtLiebermann Cochenille-naccaratLafar CarminfeinstNaccarat Carminfeinst echt Carminfeinst echt Wasser 17 15,50 20,48 13,15 15,69 Asche   7   6,87   7,09   9,18   7,24 Stickstoffhaltige Substanz 20 23,26 27,00 25,19 20,31 Farbstoff (a. d. Diff.) 56  54,37   45,43 52,48 56,36 Auf wasserfreie Substanz umgerechnet, ergibt sich folgendes Resultat: Asche   8,1   8,14   8,91 10,57   8,59 Stickstoffhaltige Substanz 24,7 27,6 23,95 29,00 24,09 Farbstoff 67,2 64,26 57,14 60,43 67,32 [Wachs] (?), Fett Spuren   0,92(Feitler)   3,15   1,18   2,53 Desgleichen erhält man durch Zusammenstellung der Aschenanalysen die folgende tabellarische Uebersicht: Cochenille-carmin echtLiebermann Cochenille-naccaratLafar CarminfeinstNaccarat Carminfeinst echt Carminfeinst echt CuO Spuren   0,35   0,45   0,24   1,15 SnO2   0,67   0,14   0,62   0,08   1,35 Al2O3 43,09 40,48 35,45 25,95 43,18 Fe2O3 Spuren Spuren Spuren Spuren Spuren CaO 44,85 44,20 44,98 31,29 36,76 MgO   1,02   0,61   0,81   2,76   1,11 Na2O   3,23   5,40   5,71 16,24 n. best.* K2O   3,56   3,20   3,21   1,96 n. best.* P2O5 3,20   2,71   8,31   6,12   1,80 SiO2 Spuren   0,60   0,51   1,65 n. best.* CO2   2,31(a d.Diff.)   8,11 n. best.* SO3   5,14 Cl   0,41 Al2O3 : (CaO     + MgO) = CaO 1 : 1,972 1 : 2,044 1 : 2,377 1 : 2,435 1 : 1,618 * Aus Mangel an Material. Wie aus dieser Zusammenstellung ersichtlich ist, findet sich bloss in den feinsten, als Carminnaccarat bezeichneten Sorten Thonerde und Kalk in dem Verhältniss wie 1 : 2, bei den anderen Carminsorten ist dieses Verhältniss um 0,4 Einheiten grösser, in einem Fall um ebenso viel kleiner. Auch der Aschengehalt ist bei manchen Carminen auffallend gross, doch ist er stets bei den feinsten Producten am kleinsten. In den untersuchten Sorten schwankt er von 8,1 bis 10,57 Proc. Kupfer und Zinn sind in verhältnissmässig geringen Mengen vorhanden. Bloss in einem Falle wurde der Kupfer und Zinngehalt relativ gross gefunden. Wenn auch der Zinn- und Kupfergehalt aus den Gefässen, in welchen die Cochenille gekocht wurde, stammen dürfte, wie dies Liebermann mit Recht annimmt, so ist doch, wie die späteren Versuche zur Darstellung des Carmins zeigten, der nicht beträchtliche Zinngehalt wesentlich nothwendig, um dem Carmin den charakteristischen Farbenton zu geben. Der Zinngehalt schwankte zwischen 0,08 Proc. und 1,35 Proc. Sehr gross und innerhalb weiter Grenzen sich bewegend wurde der Phosphorsäuregehalt der Asche gefunden. Die Werthe schwanken von 1,80 bis 8,31 Proc. Liebermann meint, dass die phosphorsauren Alkalien aus der Cochenille herrühren dürften, deren Asche nach Dietrich zu ⅘ aus phosphorsauren Alkalien bestehen soll. Um die Aschenmengen zu erfahren, die aus der Cochenille in den wässerigen Auszug übergehen, wurde die Aschenmenge einer Cochenille-Zaccatila bestimmt. Dieselbe betrug 12,98 Proc. Alsdann wurde aus 10 g fein zerriebener Cochenille unter Anwendung von 3 1 Wasser ein Auszug hergestellt. Derselbe wurde vorsichtig eingedampft und schliesslich im Vacuumtrockenschrank bei möglichst niedriger Temperatur bis zur Gewichtsconstanz getrocknet. Es wurden so 36,76 Proc. Extract und 55,95 Proc. Rückstand erhalten. Die ursprüngliche Cochenille besass demnach einen Wassergehalt von 7,29 Proc. Die Veraschung des Extractes ergab 6,2 Proc. oder auf Cochenille umgerechnet 2,27 Proc.; während die des Rückstandes 19,66 Proc. betrug, auf Cochenille umgerechnet 11 Proc. Es wurde somit gegenüber der directen Aschebestimmung 0,25 mehr gefunden. In der Asche des Extractes wurde Phosphorsäure, Thonerde und Kalk bestimmt. Das Verhältniss der Thonerde zum Kalk war hier 1 : 1. Ob dasselbe für alle Cochenillesorten constant ist, ist nicht ermittelt worden. Verf. suchte dann weiter festzustellen, ob der im Carmin vorhandene Farbstoff mit dem in der Cochenille ursprünglich vorhandenen, der Carminsäure identisch sei. Die Untersuchung stützte sich auf die Angaben von Hlasiwetz und GrabowskiAnnalen, 141 329., wonach die Carminsäure ein Glykosid ist, das unter Wasseraufnahme in Carminroth und Zucker zerfällt. Allein Verf. konnte bei keinem der untersuchten Carmine eine Spaltung des Farbstoffes wahrnehmen, noch mit Fehlingscher Lösung eine Zuckerreaction erhalten. Auch Liebermann war diese Spaltung nicht gelungen. Verf. prüfte nun Cochenille und verfuhr dabei genau nach Vorschrift von Hlasiwetz und Grabowski. Er erhielt so eine Flüssigkeit, welche Fehling'sche Lösung reducirte, sich qualitativ überhaupt ganz nach den Angaben der erwähnten Autoren verhielt. Es scheint also der Farbstoff in der Cochenille wirklich in Form eines Glykosids vorhanden zu sein, während im Carmin dasselbe bereits zerlegt ist. Wodurch diese Zersetzung veranlasst wird, ist nicht bekannt. Verf. ist geneigt sie Mikroorganismen zuzuschreiben. Was die verschiedenen Vorschriften zur Darstellung des Carmins anbelangt, so gelang es Verf. nicht, ein nur annähernd dem käuflichen gleichkommendes Präparat zu erhalten. Ueber die Art der Darstellung scheint man nur das annehmen zu können, dass die feinsten, als Naccaratcarmin bezeichneten Sorten durch Abfiltriren des Niederschlages gewonnen werden, während man die minderen Sorten durch Eintrocknen des in der ganzen Flüssigkeit sich absetzenden Productes, von welchem man den grössten Theil der Flüssigkeitsmenge abgegossen hat, darstellt. Darauf scheint der geringere Aschengehalt der feineren Carminsorten, die geringere Wachsmenge und namentlich der geringere Phosphorsäure- und Alkaligehalt derselben hinzudeuten. (Nach Zeitschrift für angewandte Chemie, 1892 S. 136.)