Titel: Ueber ein für Wärmestrahlen undurchlässiges Glas.
Autor: Richard Zsigmondy
Fundstelle: Band 287, Jahrgang 1893, S. 18
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Ueber ein für Wärmestrahlen undurchlässiges Glas.Abdruck ohne Genehmigung nicht gestattet. Von Richard Zsigmondy. Mit Abbildung. Ueber ein für Wärmestrahlen undurchlässiges Glas. Schon öfter haben Glasdachziegel zu Feuersbrünsten Veranlassung gegeben; oft haben die Augen der Arbeiter zu leiden unter der versengenden Glut der Wärmestrahlen, die aus den Schmelzöfen unserer Hütten hervordringen; mancher Leser sitzt am Schreibtisch und weiss keinen Schutz gegen die Wirkung der strahlenden Wärme der Gaslampe, welche auf seinem Tische steht. Diesen und so manchen anderen Uebelständen, die wir nicht fühlen, weil alltägliche Gewohnheit unseren Sinn abgestumpft hat gegen ihre Empfindung, könnte leicht abgeholfen werden, wenn wir ein Glas besitzen würden, das mit voller Durchsichtigkeit die Eigenschaft, die das Licht stets begleitenden dunklen Wärmestrahlen in sich aufzunehmen, vereinen würde. Dass ein derartiges Glas möglich sei, war mir alsbald klar; um den Gedankengang, der mich bei meiner Betrachtung und bei den darauf folgenden Versuchen geleitet hat, auch jenen Lesern verständlich zu machen, die mit physikalischen Lehren weniger vertraut sind, sei es mir gestattet, einige Thatsachen aus der Optik und Wärmelehre ins Gedächtniss zurückzurufen. Bekanntlich wird der weisse Lichtstrahl durch ein Prisma in die sieben Spectralfarben Roth, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo, Violett zerlegt. Das farbige Bild, Spectrum genannt, kann auf einem Schirme aufgefangen werden. Es umfasst jedoch nicht die Gesammtheit der Strahlen, in welche das weisse Licht bei seinem Durchgang durch ein Prisma zerlegt wird, vielmehr lassen sich jenseits der Grenzen Roth und Violett noch Strahlen nachweisen, und zwar sind jenseits der Grenze des Violett noch stärker brechbare Strahlen anzutreffen, die ultravioletten, kenntlich durch ihre Wirkung auf photographisches Papier, jenseits des Roth die ultrarothen Strahlen durch empfindliche Thermometer, noch besser durch ihre Wirkung auf die Thermosäule nachweisbar. Dem Wesen nach sind die ultrarothen Strahlen von den Lichtstrahlen nicht verschieden; sie sind wie diese Aetherschwingungen, jedoch von grösserer Wellenlänge. Diese Strahlen grösserer Wellenlänge, den Strahlen der Sonne und irdischer Lichtquellen stets beigemengt, sind es in erster Linie, die sich dem Gefühle durch Wärmewirkung bemerkbar machen. Es enthält somit der unsichtbare Theil das Maximum der Wärmewirkung, die sich, an Intensität abnehmend, noch über einen Theil des sichtbaren Spectrums erstreckt. Was wir am sichtbaren Theil des Spectrums beobachten, können wir in den meisten Fällen direct auf den unsichtbaren Theil übertragen. Schalten wir in den Gang des weissen Lichtstrahls gefärbte Lösungen ein, so wird das Spectrum ein wesentlich anderes sein. Die schöne, bisher continuirliche Reihe der Spectralfarben wird dunkle Stellen aufweisen, Bänder oder Streifen, die das farbige Band unterbrechen, theilweise sogar ganz aufheben. Die gefärbte Lösung hat einen Theil der in sie eindringenden Strahlen zerstört – absorbirt, lässt andere jedoch ungeschwächt hindurch. Aehnlich verhalten sich gefärbte Gläser. Es ist eine seit längerer Zeit bekannte Thatsache, dass die Absorptionsspectra der durch Metalloxyd gefärbten Glassorten ähnlich sind den Absorptionsspectren der wässerigen Lösungen der betreffenden Metallsalze. So absorbirt Kupfervitriol – in Wasser gelöst – hauptsächlich das rothe Ende des Spectrums, ausserdem das Violett. Das Gleiche lässt sich von mit Kupferoxyd blau gefärbtem Glase sagen. – Eine Lösung von Urannitrat zeigt einen Absorptionsstreifen bei F, einen zweiten zwischen F und G und absorbirt ausserdem den violetten Theil des Spectrums. Dasselbe Bild zeigt auch das Absorptionsspectrum des Uranglases, nur sind die Linien etwas gegen das rothe Ende hin verschoben. Die sehr charakteristischen Absorptionsstreifen wässeriger Didymlösungen finden sich im Spectrum eines didymhaltigen Glases wieder. Es liessen sich noch andere Beispiele anführen, doch mögen diese genügen. Wenn nun eine derartige Analogie zwischen den Spectren der Metallsalze und der damit gefärbten Gläser besteht – und eine solche ist ja nach den angeführten Beispielen als erwiesen zu erachten – so ist der Weg, ein für Wärmestrahlen undurchlässiges Glas zu finden, durch diese Beobachtung bereits gegeben. Man braucht nur die Reihen der auf Diathermansie untersuchten Metallsalze durchzugehen, daraus ein für dunkle Wärmestrahlen besonders undurchlässiges zu wählen und das Oxyd des betreffenden Metalls in Glas aufzulösen. Ein solches Glas wird, übereinstimmend mit dem betreffenden Metallsalze, ein Absorptionsband im ultrarothen Spectrum aufweisen, d.h. es wird für einen Theil der Wärmestrahlen undurchlässig sein. Nun kennen wir seit Melloni's klassischen Untersuchungen den Alaun als ein besonders wärmeundurchlässiges Salz, das mit der Eigenschaft, die dunklen Wärmestrahlen in beträchtlichem Maasse in sich aufzunehmen, noch den Vortheil vollkommener Farblosigkeit vereinigt. Diese Substanz, von den Lehrbüchern der Physik unter den für strahlende Wärme besonders undurchlässigen, durchsichtigen Körpern neben dem Eise an erster Stelle genannt, zog sofort meine volle Aufmerksamkeit auf sich; lag doch der Gedanke nahe, dem wesentlichen Bestandtheile desselben, dem Aluminiumoxyd, die Eigenschaft hervorragender Wärmeabsorption zuzuschreiben. Denn wären die Thonerde und ihre Salze für ein Auge, welches die ultrarothen Strahlen sehen könnte, gefärbte Körper, dann müsste ein Glas, in dem Thonerde gelöst ist, für ein solches Auge die gleiche Farbe zeigen, dann würden im Absorptionsspectrum dieses Glases die dunklen Wärmestrahlen fehlen, d.h. das Glas wäre für Wärmestrahlen undurchlässig. Dass diese Vermuthung den Thatsachen nicht entsprach und weshalb sie ihnen auch nicht entsprechen konnte, werden die folgenden Untersuchungen lehren. Meine erste Aufgabe war es, ein Glas mit hohem Thonerdegehalte herzustellen. Das Verhalten der Thonerde zum Glase war mir von früheren Arbeiten her und aus der Literatur bekannt; ich fand sogar in meiner Sammlung ein Stück thonerdehaltigen Glases vor, das als Glas Nr. 21 in meiner Abhandlung über Kryolith und seine Stellvertreter in der GlasindustrieD. p. J. 1889 27138. beschrieben ist. Das Glas meiner Sammlung war durch eine Spur Kobalt bläulich gefärbt und ich bat daher Herrn Camillo Haller, Chemiker in der Glasfabrik Gross-Ullersdorf in Mähren, den Satz 70 dg Sand, 25 dg Kaolin, 34 dg Soda nochmals abzuschmelzen. Herr Haller, der so freundlich war, meinem Wunsche sogleich nachzukommen, hat grosse Sorgfalt auf die Herstellung des gewünschten Glases verwendet, und war genöthigt, da er den Satz in kleinen Tiegeln von etwa 2 k Inhalt abschmolz, nicht weniger als 6 Schmelzproben anzustellen, um ein Glas von entsprechender Reinheit zu erhalten. Die Schmelzdauer beim letzten Versuch betrug 18 Stunden und die Läuterungszeit 8 Stunden.Ein anderer Versuch, thonerdehaltiges Glas durch Zusammenschmelzen gleicher Theile Feldspath und Kali-Natronglas zu gewinnen, war gescheitert; trotz 12stündiger Schmelze waren die beiden Materialien nur zusammengefrittet. Das Glas war nicht ganz schlieren frei; es enthielt stellenweise noch kleine Luftbläschen eingesprengt; doch war es nicht schwer, aus dem Probestück eine kleine Platte von 7,65 mm Dicke herausschleifen zu lassen, die, vollkommen fehlerfrei, allen Anforderungen der Untersuchung entsprach. Eine leichte Grünfärbung, ähnlich der alter Tafelgläser, in Folge geringen Eisengehaltes erschien mir anfangs unbedenklich; konnte man ja durch passenden Zusatz von Pyrolusit das Glas leicht entfärben. Die chemische Analyse ergab das folgende Resultat: SiO2 74,6 Proc. Al2O3   8,4 Fe2O3 Spur Na2O 15,4 CaO   0,9 Das Glas enthielt also mehr als 8 Proc. Thonerde. Zur Untersuchung eines Glases in Bezug auf seine Wärmeabsorption stehen eine Reihe von Methoden zur Verfügung. Zunächst kann man dieselbe mittels sehr empfindlicher, berusster Thermometer ausführen. Es geschieht dies, indem man den Thermometerstand bei voller Bestrahlung des Instrumentes durch die Wärmequelle abliest, dann abwechselnd einen Holzschirm und das zu untersuchende Glas zwischen die Wärmequelle und das Thermometer einschaltet und jedesmal den Thermometerstand beobachtet. Diese Methode würde aber sehr zeitraubend und ausserdem mit allerlei Fehlerquellen behaftet sein; wir besitzen viel genauere Instrumente, welche uns befähigen, mit grosser Schärfe die durch verschiedene Glassorten hindurchgehende Wurme zu bestimmen: das Bolometer und die Thermosäule in der von Melloni gegebenen Form. Ich führte Versuche mit beiden Instrumenten aus, welche übereinstimmende Resultate ergaben; doch erwies sich das Flächenbolometer als viel empfindlicher als die Thermosäule und wurde mit Vorliebe angewendet, um ein besseres Abblenden und Einstellen bestimmter Theile der Flamme zu erreichen. Schon die ersten Versuche zeigten mir, dass ich ein Glas von überraschend hoher Absorptionsfähigkeit für dunkle Wärmestrahlen vor mir hatte. Während Spiegelglas von 8 mm Dicke 54 bis 60 Proc. der strahlenden Wärme eines Argandbrenners hindurchlässt, liess mein Thonerdeglas 17 bis 19 Proc. der Wärme durchstrahlen. In der nachstehenden Tabelle habe ich die Resultate der Vorversuche mit verschiedenen Wärmequellen angeführt, aus welchen zur Genüge ersichtlich ist, dass in allen Füllen das neue Glas Wärme in hohem Maasse absorbirt. Wärmequelle Durchgelassene Wärme in Procenten dertotalen Strahlung Mein Glas 7,6 mm Spiegelglas 8 mm dick Argandbrenner     17 bis 19 Proc.     54 bis 60 Proc. Stearinkerze 12   „   14   „ 40   „   41   „ Gasflamme (Schmetter-    lingsbrenner) 11   „   12   „ 37   „   39   „ Die in der Tabelle angeführten Werthe sind Grenzwerthe, die verschieden ausfallen, je nachdem man die Flamme einstellt. So wird von den Strahlen des nichtleuchtenden Theiles der Flamme von beiden Gläsern ein grösserer Procentsatz absorbirt, als von den Strahlen des leuchtenden Theiles. Beim Argandbrenner kommt viel darauf an, ob man die Wärmestrahlen des Cylinders abblendet oder nicht. Einen gewissen Einfluss auf die Resultate übt auch die Zusammensetzung des Leuchtgases, die keineswegs constant ist. Manchmal brennt dieselbe im Schmetterlingsbrenner schön weiss, hell leuchtend, manchmal matt und gelblich; in letzterem Falle, wenn das Leuchtgas also ärmer an hell brennenden Kohlenwasserstoffen ist, ergeben sich immer kleinere Werthe. Auf diese Verhältnisse werde ich später noch ausführlicher zurückkommen. Aus den Zahlen der obenstehenden Tabelle ist ersichtlich, dass Spiegelglas 3- bis 4mal so viel Wärme hindurchlässt, als mein Glas Nr. 21, ferner, dass von meinem Glase überhaupt nur 11 bis 19 Proc. der gesammten, von der Wärmequelle ausgesandten Strahlen durchgelassen werden. Ich habe noch eine Reihe anderer Glassorten des Handels untersucht, deren Wärmeabsorption sich jedoch nicht direct mit der meines Glases vergleichen lässt, da sie in anderer Dicke verwendet wurden; in keinem Falle fand ich – selbst bei intensiv gefärbten Gläsern – auch nur annähernd die starke Absorption meines Glases. Von Wichtigkeit war es mir, ein Glasstück, das in Folge geringen Eisengehaltes eine ähnliche Färbung aufwies wie mein Glas, aber frei von Thonerde war, in den Rahmen meiner Untersuchung zu ziehen, da ich hierdurch den Einfluss der Grünfärbung durch Eisen auf die Wärmedurchlässigkeit der Gläser zu erkennen hoffte. In der That konnte ja die beträchtliche Absorption meines Glases sowohl auf Rechnung eines Gehaltes an Thonerde, als auch an Eisen gesetzt werden. Nun sind derartige Gläser im Handel heute in einigermaassen dickeren Stücken kaum mehr zu erhalten, da Fenster- und Spiegelglas nur mehr mit sehr reinen Materialien abgeschmolzen werden. Ich war daher froh, in der Sammlung des Physikalischen Instituts in Berlin, woselbst die vorliegenden Versuche angestellt wurden, ein gewiss sehr altes Stück Crownglas von 16 mm Dicke zu finden, das durch Eisen gelblich grün und in seiner ganzen Dicke etwas intensiver gefärbt war, als das 7,6 mm dicke Stück des Glases Nr. 21. Dieses Crownglas liess 17 bis 18 Proc. der strahlenden Wärme des Schmetterlingsbrenners und 28 bis 30 Proc. der des Argandbrenners durch – also trotz seiner Dicke und intensiveren Färbung bedeutend mehr als das thonerdehaltige Glas. Die letzten Bedenken, der Eisengehalt könnte die Absorption meines Glases allein bewirken, schienen nun zerstreut: Wenn die Grünfärbung auch an der Absorption Antheil nimmt, so konnte ich aus meinen Versuchen schliessen, dass die Hauptwirkung dem Aluminiumoxyd zuzuschreiben sei. Drei Argumente sprachen dafür: die geringe Wärmedurchlässigkeit des Alauns, das hohe Absorptionsvermögen meines Glases für strahlende Wärme und endlich der Vergleich meines Glases mit einem noch stärker eisenhaltigen. Und doch war die Annahme eine irrige, doch war die Absorption nicht durch die Thonerde bewirkt worden, sondern durch die Spur Eisen, welche wohl grösstentheils als Oxydul (vielleicht in ganz bestimmter Modification) dem Glase einen Stich ins Bläulich-Grüne ertheilt. Ich erkannte dies jedoch erst viel später und hielt zunächst an meiner ersten, wie es schien durch Versuche bestätigten Ansicht fest, dass die hohe Absorption meines Glases durch einen Gehalt an Thonerde allein bedingt sei. Ein Erfinder geht nur ungern von seiner Ueberzeugung ab, liegt ja in der Verfolgung einer Idee bis in die äussersten Consequenzen das Hauptgeheimniss des Erfolges. So erging es auch mir; ich überlegte nicht erst alle Einwände, die man möglicher Weise noch machen könnte, sondern richtete mein Hauptaugenmerk darauf, möglichst thonerdereiche und eisenfreie Gläser zu erhalten, suchte die einschlägige Literatur durch, machte Notizen, ordnete dieselben, verglich damit eigene Erfahrungen und veranlasste endlich Glasindustrielle, mir solche Gläser abzuschmelzen. Damit hatte es aber seine guten Wege, denn wenn man nicht selbst am Ofen steht, ist es sehr schwer ein Stück Glas zu erhalten, das den strengen Anforderungen einer wissenschaftlichen Untersuchung Genüge leistet. Ausserdem war ich stark mit anderen Arbeiten überhäuft, so dass ich erst im Juni 1892, etwa ein Jahr nach meinen ersten Versuchen, die vorliegende Untersuchung wieder ernstlich in Angriff nehmen konnte. Textabbildung Bd. 287, S. 19Fig. 1. Mein Interesse war zunächst auf die Grundlagen meiner Arbeit gerichtet und ich begann, eine Reihe von Metallsalzlösungen auf ihre Fähigkeit zu untersuchen, die strahlende Wärme zu absorbiren. Da ergab sich denn zunächst die überraschende Thatsache, dass Alaunlösungen die strahlende Wärme ebenso gut durchlassen wie WasserSpäter fand ich in Melloni's Thermochrose die Zahlen 11 und 12 für die durch Wasser und Alaunlösung gedrungenen Wärmemengen in Procenten der totalen Strahlung ausgedrückt., dass dagegen Eisenoxydullösungen für jene beinahe undurchlässig sind. So liess eine etwa 0,9 cm dicke Schicht Wasser zwischen planparallelen, geschliffenen Glasplatten, in einem Gefäss von obenstehender Form untersucht, 13,12 Proc. der strahlenden Wärme eines ArgandbrennersDas leere Gefäss lässt unter gleichen Verhältnissen 59 Proc. der strahlenden Warme durch. hindurch; eine concentrirte Alaunlösung, in demselben Gefäss untersucht, 13,05 Proc. und eine concentrirte Eisenvitriollösung 0,95. Wurde letztere mit Schwefelsäure angesäuert (und dadurch beinahe farblos gemacht), so liess sie 1,27 Proc. der strahlenden Wärme des Argandbrenners hindurchgehen, also nur 1/10 der durch das Wasser gegangenen Wärmemenge. Nun enthält wegen der geringen Löslichkeit des Alauns in kaltem Wasser eine Alaunlösung bei gewöhnlicher Temperatur nicht viel mehr als 1 g Thonerde in 100 g Wasser, so dass, wenn zufällig das Absorptionsspectrum der Thonerdesalze mit dem des Wassers übereinstimmen sollte, was ja sehr wahrscheinlich war, das erstere durch letzteres verdeckt werden konnte. Als aber auch eine concentrirte Chloraluminiumlösung nicht weniger als 13 Proc. der Wärmestrahlen hindurchliess, begann ich zu zweifeln, dass der Thonerde in ihren Verbindungen eine besonders hohe Absorptionsfähigkeit für dunkle Wärmestrahlen zukomme, und dass die Thonerde es sei, die dem Alaun und meinem Glase die Eigenschaft kräftiger Absorption ertheile. Eine einwandfreie Entscheidung dieser Frage konnte aber erst durch Untersuchung eines thonerdehaltigen, vollkommen eisenfreien Glases getroffen werden. Es wäre mir nun schwer möglich gewesen, ein solches zu beschaffen, wenn nicht Herr Dr. O. Schott, Director der rühmlichst bekannten Glashütten in Jena, die grosse Freundlichkeit gehabt hätte, mir zwei Glasstücke abzuschmelzen, die nicht nur den Anforderungen meiner Untersuchung vollkommen entsprachen, sondern auch alle Erwartungen in Bezug auf Thonerdegehalt weit übertrafen. Glas Nr. 161''' enthält nicht weniger als 12 Proc. Thonerde, Glas Nr. 164''' sogar 17 Proc., wohl das thonerdereichste Glas, das je erschmolzen worden war. Die chemische Zusammensetzung der beiden Gläser ist die folgende: Nr. 161''' Nr. 164''' K2ONa2O 26 Proc. 28 Proc. Al2O3 12   „ 17   „ SiO2 62   „ 55   „ Wie man sieht, ist die Einverleibung so bedeutender Mengen von Thonerde nur möglich auf Grund beträchtlicher Vermehrung des Alkaligehaltes über das normale Maass. Es stimmt dies überein mit einer Beobachtung, die ich schon in meiner citirten Abhandlung 1889 271 38 hervorgehoben habe. Beide Gläser waren vollkommen farblos und eisenfrei. Die Wärmedurchlässigkeit der beiden Gläser für Strahlen des Argandbrenners, verglichen mit Spiegelglas, war die folgende: Durchgelassene Wärme inProcenten der totalenStrahlung Spiegelglas (7,52 mm dick)    62,5 Proc. Glas Nr. 161''' (12 Proc. Al2O3) 62,1    „    „    „   164''' (17    „        „   ) 58,9    „ Mein Glas Nr. 21 (8,4 Proc. Al2O3) 20,9    „ Grünes Crownglas (16 mm dick) 30,7    „ Glas Nr. 161''' ist etwas dicker als das Spiegelglas (8,0 mm dick), dürfte daher in gleicher Dicke die Wärme noch besser durchlassen als letzteres; Nr. 164''', 7,6 mm dick, liess etwa 3 Proc. weniger Wärme durch als ersteres. Ich glaube, dass dieser kleine Unterschied nicht auf Rechnung höherer Absorption zu setzen, sondern den Verunreinigungen dieses Glases (kleine Steinchen und Luftblasen) zuzuschreiben ist, die man leicht an ihrem Schatten erkennen konnte, wenn man das Licht einer Kerze auf ein Stück Papier fallen liess und das Glas dazwischen hielt. Nr. 161''' und das Spiegelglas waren beide nahezu fehlerfrei. Mit diesen Versuchen war nun zur Evidenz erwiesen, dass die Thonerde, selbst in grossen Mengen im Glase aufgelöst, die Absorption der ultrarothen Strahlen nicht zu begünstigen vermag, dass also den Salzen der Thonerde wahrscheinlich gar keine specifische Absorption jener Strahlen zukommt. Das besondere Vermögen des krystallisirten Alauns, strahlende Wärme in grossen Mengen zu absorbiren, dürfte nun auf seinen bedeutenden Wassergehalt (bekanntlich enthält 1 Mol. Alaun 24 Mol. Krystallwasser) zurückzuführen sein. Vielleicht trägt auch der complicirte Bau der Alaunmolekel dazu bei. Es bleibt nunmehr noch das eigenthümliche Verhalten meines thonerdehaltigen Glases Nr. 21 zu erklären, das eine weitaus stärkere Absorption für ultrarothe Strahlen zeigte als das stärker gefärbte und doppelt so dicke Kronglas. Der Gehalt an Thonerde konnte dieses Verhalten nicht bedingen, wie wir oben gesehen haben. Einen Schlüssel zur Lösung dieser Frage gab der Unterschied in der Nuance der Grünfärbung: Das Grün meines Glases spielte etwas ins Bläuliche, das des Kronglases ins Gelbe. Diese Beobachtung legte den Gedanken nahe, dass mein Glas das Eisen der Hauptmenge nach als Oxydul, das Kronglas aber als Oxyduloxyd oder als Oxyd enthalte. Für diese Annahme sprach in hohem Maasse das Verhalten wässeriger Eisenlösungen. Während eine Lösung, die 2,8 Proc. Eisen als Chlorür enthält und in 1 cm dicker Schicht so gut wie farblos ist, 4,06 Proc. der auf sie fallenden Energie hindurchlässt, gestattet eine gleich dicke Schicht der dunkelgelb gefärbten Lösung derselben Menge Eisen als Chlorid den Durchgang von 11,2 Proc. der auf sie fallenden Wärmestrahlen. Die Oxydullösung absorbirt ultrarothe Strahlen sehr beträchtlich, die Oxydlösung kaum besser als Wasser. Warum sollte sich das Eisen, im Glase gelöst, anders verhalten? Ich habe ja zu Beginn dieser Abhandlung auf die Analogie der Absorptionsspectra gefärbter Gläser und wässeriger Lösungen hingewiesen. Wenn Eisenoxydulsulfat die ultrarothen Strahlen beinahe vollständig vernichtet, warum soll Eisenoxydulsilicat nicht das Gleiche thun? Wenn Eisenoxyd, in verdünnter Salzsäure gelöst, Wärmestrahlen kaum besser absorbirt, als die Säure selbst, so war das Gleiche auch von einer Lösung von Eisenoxyd in Silicaten vorauszusetzen.Ich will mich hier auf die Frage, ob Eisenoxyd im Glase beständig sei oder in eine niedere Oxydationsstufe übergeht, nicht weiter einlassen. Ich hege keinen Zweifel, dass unter gewissen Umständen Eisenoxyd im Glase nicht beständig ist. Die Zusammensetzung des Glases kann hierauf ebenso sehr von Einfluss sein, als die Temperatur, bei welcher es abgeschmolzen wurde. War dieser Schluss richtig, dann musste man durch Vermehrung des Eisenoxyduls im Glase die Absorption dunkler Wärmestrahlen beinahe ins Unbegrenzte steigern können. Sowohl um mich zu überzeugen, ob dem wirklich so sei, als auch angespornt durch die Erwartung, mein Ziel bald zu erreichen, ging ich sogleich daran, derartige Gläser, die schon seit längerer Zeit in meinem Besitze waren, zu untersuchen. Ich kann nicht umhin, Herrn Director Heinecke für die grosse Bereitwilligkeit, mit welcher er einen Muffelofen der königl. Porzellan-Manufactur Charlottenburg zu diesem Zweck zur Verfügung stellte, sowie den Herren der königl. Porzellan-Manufactur, die bei diesem Versuche behilflich waren, meinen aufrichtigsten Dank auszusprechen. Drei Glassätze mit Eisenzusätzen waren gleichzeitig abgeschmolzen worden bei einer Temperatur, die der des Scharffeuers in Porzellanöfen nahekam. Die Glassätze erhielten Zusätze von Eisenoxyd und Reductionsmittel. Das Feuer wurde reducirend gehalten. Ich will die drei Gläser mit den Buchstaben A, B und C bezeichnen. Der Satz von A enthielt einen Zusatz von 1 Proc. Eisenoxyd, B einen Zusatz von 2 Proc. und C einen solchen von 4 Proc. Eisenoxyd. Durch Reductionswirkung war das Oxyd in Glas A wohl ziemlich vollständig in Oxydul übergegangen, wenigstens sprach die Farbe dafür; bei B und C ist mir dies zweifelhaft. Analysirt habe ich die Gläser noch nicht, da ich mir das Studium des Verhaltens von Eisen zu Glas für eine spätere Arbeit vorbehalten will. Glas A ist entschieden blau gefärbt mit einem Stich ins Grüne. Es hat etwa die Farbe, welche Kupferoxyd dem Glase ertheilt. B dagegen ist grün gefärbt, C dunkelgrün. Die Intensität der Färbungen lässt sich nicht gut beschreiben; auch habe ich keine Farbscala zur Hand, mit der ich sie vergleichen könnte. Doch war die Färbung der Gläser weniger intensiv ausgefallen, als man nach ihrem Eisengehalt erwarten konnte. Es hat den Anschein, als ob Eisenoxyduloxyd dem Glase die unangenehme, flaschengrüne Färbung ertheile, das reine Oxydul dagegen, in gleicher Menge im Glase enthalten, eine viel schwächere, dem Auge sehr angenehme Blaufärbung bewirke, die nichts gemein hat mit der ordinären Farbe, welche Eisen dem Glase sonst ertheilt. Ich liess 8 bis 8,5 mm dicke Platten aus diesen Gläsern schleifen. Leider waren die Stücke nicht ganz fehlerfrei; das Glas, in Chamottekapseln abgeschmolzen, enthielt stellenweise kleine Steinchen und Schlieren, doch sind dieselben ohne erheblichen Einfluss auf das Resultat der Prüfung, wie ich mich bei anderen Gläsern überzeugen konnte. Durch die 8,5 mm dicke Platte des Glases C konnte ich ganz deutlich die Schrift auf gut beleuchtetem Papier lesen. Glas C liess – durch das Spectroskop betrachtet – nur einen Theil des Roth, dann Gelb, Grün und Blau durch, ebenso Glas B, aber in viel weiterer Ausdehnung, während man bei A in 8 mm dicker Schicht bloss eine geringe Schwächung des Violett und Absorption einer kleinen Partie Roth (bei der Frauenhofer'schen Linie C) beobachten konnte; die übrigen Farben gingen beinahe ungeschwächt hindurch. In 2 mm dicker Schicht war B hellgrün, A ganz schwach bläulich gefärbt. Die Absorption dieser Gläser für Wärmestrahlen übertraf alle meine Erwartungen. In der nachstehenden Tabelle ist die Wärmedurchlässigkeit der Eisenoxydulgläser zusammengestellt mit der Durchlässigkeit von Spiegelglas und mehreren anderen, meist gefärbten Glassorten. Benennung des Glases Dicke derGläser inmm Durchgelassene Wärmein Procenten der totalenStrahlung Schmetter-lings-brenner Argaud-brenner Spiegelglas   7,52   42,2 62,5 Dunkelrothes Kupferlasurglas 2,1   41,7 51,5 Gelbes Eisenoxydmanganglas   1,75 38 53,5 Blaues Kobaltglas 2,0   28,2 Dunkelgrünes Chromglas 3     22,2 30   Thonerdeglas Nr. 21   7,65 14 20,2 Eisenoxydulglas A 2,3 13,6                          B 2,2   9,2                          A 8,3     0,4     0,72                          B 8,5     0,0   0,0                          C 8,5     0,0   0,0 Man ersieht daraus, dass die Gläser A, B, C in dickerer Schicht für dunkle Wärmestrahlen überhaupt undurchlässig sind. Die Versuche wurden theils mit der Thermosäule, theils mit dem Bolometer ausgeführt; mit der Thermosäule erhielt ich für das Glas A (8,3 mm) immer höhere Werthe als mit dem BolometerGanz gegen die Regel, da ich Cylinderstrahlung bei letzterem besser abhalten konnte und daher bei anderen Versuchen mit dem Bolometer meist höhere Werthe erhielt. und kann als einzigen Grund dieser Erscheinung nur die Verschiedenheit der Anordnung der Versuche annehmen. Die Lichtquelle stand der Thermosäule viel näher und das Glas konnte leicht selbst etwas durchwärmt werden und gegen die Säule hin strahlen. Tafelglas lässt etwa so viel Wärme wie Spiegelglas durch; je nach seiner Dicke und Reinheit etwas mehr oder weniger, käme also in der Tabelle zu oberst zu stehen. Ich habe ausser den angeführten noch einige 20 Gläser des Handels verschiedener Färbung untersucht, die ich in einem Nachtrag noch behandeln werde. Hier ist nur die Wärmedurchlässigkeit einiger recht lebhaft gefärbter Gläser mit der meiner Eisenoxydulgläser verglichen. Interessant ist die Absorption des stärkst absorbirenden Handelsglases meiner Versuchsreihe eines 3 mm dicken Chromglases, das in Bezug auf Intensität der Färbung zwischen den 8,5 mm dicken Gläsern B und C standDas betreffende Glas lässt überhaupt nur den grünen Theil des sichtbaren Spectrums durch und absorbirt alle anderen Farben. In vorstehender Tabelle ist dieses Glas nicht angeführt., also in gleicher Dicke wohl undurchsichtig gewesen wäre. Dasselbe liess 21,1 Proc. der Wärmestrahlen des Argandbrenners hindurch, also mehr als das Doppelte der durch das 2,2 mm dicke hellgrüne Glas B dringenden Wärme. Man ersieht daraus, sowie aus den Zahlen der Tabelle, dass die Farbe keinen hervorragenden Einfluss auf die Wärmeabsorption des Glases ausübt; es kommt eben darauf an, ob das Absorptionsband im sichtbaren oder im ultrarothen Theile des Spectrums liegt. Im ersten Falle wird das Glas gefärbt sein und wenig Wärme absorbiren; im zweiten Falle sieht es ungefärbt aus, absorbirt aber jene unsichtbaren Strahlen, welche das Maximum der Wärmewirkung bedingen. Für Strahlen des Drumond'schen Kalklichtes habe ich fast dieselben Werthe, wie für die Strahlen des Argandbrenners gefunden. Durchgelassene Wärme inProcenten der totalenStrahlung Spiegelglas (7,52 mm dick)    59     Proc. Thonerdeglas Nr. 21 (7,65 mm dick) 20,8     „ Glas A (8,3 mm dick)         0,73   „ (als   Mittel mehrerer   Versuche) Ganz andere Werthe ergeben sich, wenn man als Wärmequelle directes Sonnenlicht verwendet. Der Grund für diese Abweichungen ist wohl darin zu suchen, dass das Sonnenlicht zwar reich an leuchtender Energie, aber arm an dunklen Wärmestrahlen ist. Die Sonnenstrahlen haben, bevor sie zu uns auf die Erde kommen, eine breite Schicht atmosphärischer Luft zu durchdringen. Kohlensäure und Wasser der Atmosphäre haben eine ganz beträchtliche Absorptionsfähigkeit für ultrarothe Strahlen. Sie absorbiren gerade jene Theile der Sonnenenergie, die bei ihrem Durchgange durch gewöhnliches Glas von diesem zurückgehalten werden würden. Die Folge davon ist, dass die Sonnenstrahlen verhältnissmässig reich an leuchtender Energie sind, dagegen arm an Strahlen, welche von Glas aufgenommen werden. Damit stimmen auch die Beobachtungen ganz gut überein. Leider habe ich meine Versuche mit Sonnenlicht zu einer Zeit angestellt, wo die äusseren Verhältnisse entschieden nicht günstig waren. Die Intensität der Sonnenstrahlen und ihre Zusammensetzung schwankt selbst an wolkenlosen Tagen sehr bedeutend; ausserdem wird die Thermosäule durch Luftströmungen bei offenem Fenster fortwährend irritirt. Die Resultate schwanken darum auch ganz beträchtlich: Wärmequelle: Sonne Durchgelassene Wärmein Procenten dertotalen Strahlung DurchschnittmehrererBeobachtungen Spiegelglas (7,52 mm)     83 bis 89 Proc. 86 Glas Nr. 21 (7,65 mm) 33   „  44   „ 37 Grünes Crownglas (16 mm) 50 Proc. 50 Glas A (8,3 mm)     10 bis 14 Proc. 12    „   B (8,5 mm)   4   „   8   „   6    „   C (8,5 mm) nicht messbar Ungefähr 10 Proc. der Strahlen werden von der Vorder- und Rückfläche der Gläser reflectirt. Berücksichtigt man dies, so stellt sich die Absorption von Spiegelglas im Durchschnitt auf 4,4 Proc., die des Glases Nr. 21 auf 59 Proc., des Glases A auf 87 Proc. und des Glases B auf 93 Proc. Das absorbirende Glas wurde bei diesen Versuchen immer senkrecht zur Richtung der Sonnenstrahlen gehalten; fallen die Strahlen schräg zur Ebene des Glases auf, wie dies gewöhnlich geschieht, so wird viel weniger Wärme als im Falle senkrechter Incidenz durchgelassen und zwar aus zwei Gründen: Zunächst wird in diesem Falle ein weit grösserer Bruchtheil der auffallenden Energie dem Glase durch Reflexion entzogen, dann aber auch von der in das Glas eindringenden Wärmemenge selbst ein grösserer Bruchtheil (des längeren zurückzulegenden Weges wegen) absorbirt. Dieses Increment der Absorption hat bei Spiegelglas kaum etwas zu bedeuten, wohl aber bei jenen Gläsern, welche für strahlende Wärme wenig durchlässig sind. Da es nicht unwahrscheinlich ist, dass dem die strahlende Wärme in hohem Maasse absorbirenden Glase späterhin praktische Bedeutung zukommen wird, so möchte ich, um unzweckmässigen oder unsinnigen Bezeichnungen, auch um Fremdwörtern vorzubeugen, für dasselbe in Anbetracht seiner Verwendbarkeit als Schirm gegen strahlende Wärme das Wort Wärmeschirmglas oder kurz: Schirmglas vorschlagen. (Fortsetzung folgt.)