Titel: | Fortschritte und Neuerungen auf dem Gebiete der Fabrikation von Stärke, Dextrin, Traubenzucker u.s.w. |
Autor: | J. Brössler |
Fundstelle: | Band 287, Jahrgang 1893, S. 232 |
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Fortschritte und Neuerungen auf dem Gebiete der
Fabrikation von Stärke, Dextrin, Traubenzucker u.s.w.
Von J. Brössler.
Fortschritte und Neuerungen auf dem Gebiete der Fabrikation von
Stärke, Dextrin, Traubenzucker u.s.w.
Ueber Stärkezucker und seine Verwendung zur
Weinverbesserung.
Seit ungefähr 10 Jahren wurde die Verwendung von Stärkezucker des Handels zur
Weinverbesserurig fast in allen Ländern verboten.
Notorisch wird fester Stärkezucker beinahe nur noch für Brauereizwecke in England
verwendet, wohin 9/10 des in Deutschland producirten Quantums exportirt werden.
Nachdem der im Handel vorkommende Stärkezucker ein Product von sehr variabler
Zusammensetzung ist und neben (eigentlicher) Dextrose bald mehr, bald weniger, bis zu 30 Proc. sogen.
unvergährbare Bestandteile enthält, deren Natur noch nicht aufgeklärt und deren
Gesundheitsschädlichkeit oder Unschädlichkeit noch bis jetzt keineswegs endgültig zur Entscheidung gebracht wurde, so musste
das Gesetz gegen die Verwendung eines solchen Products zur Herstellung von Nahrungs-
und Genussmitteln entscheiden.
Diese grosse Schädigung eines nicht unbedeutenden Industriezweiges musste naturgemäss
die industrielle Technik anspornen, die Herstellungsmethoden des Stärkezuckers zu
verbessern. Wie wir weiter unten sehen werden, haben diese Bestrebungen bereits
Erfolge aufzuweisen.
In Rücksicht auf die allgemeine Alimentation hat das sogen. Gallisiren schwacher und
saurer Weine und insbesondere das Gallisiren mit Zusatz von Stärkezucker eine
hervorragende volkswirtschaftliche Bedeutung.
Das Ziel des Dr. Gall in Trier 1825 war darauf
gerichtet, den Säuregehalt der Weine durch Zusatz von Wasser zu vermindern und den
Alkoholgehalt durch Zusatz von Stärkezucker zum Moste (vor der Gährung) zu erhöhen.
Diese Methode der Weinverbesserung in rationeller Weise gehandhabt, kann unter allen
Umständen nur von grossem Nutzen sein; denn nicht nur der Wein schlechter Jahrgänge,
sondern überhaupt der Wein kälterer Klimate bedarf stets dieser Verbesserung.
Der Most aus Trauben, in kälteren Himmelsstrichen gewachsen, enthält zwar alle
constituirenden Bestandtheile des Weines in den entsprechenden Mengenverhältnissen,
mit Ausnahme des Zuckers, welcher darin nur in sehr
geringen Quantitäten enthalten ist. Für solche Weine ist es von hoher Bedeutung, sie
mit einer entsprechenden Menge von Zucker vor der
Gährung zu versetzen, um denselben einen Alkoholgehalt von 10 Proc. zu sichern. Ohne
diese Veredelungs- oder Verbesserungsmaassregel bekommen solche Weine schon nach
kurzer Zeit einen Stich, werden sauer und ungeniessbar
und können dann nur zur Destillation Verwendung finden.
Nicht nur dass durch das Gallisiren während der Gährung des Mostes Alkohol in
Gegenwart der constituirenden Bestandtheile des Weines gebildet wird, so entstehen
auch noch in Folge der Einwirkung der Säuren auf den Alkohol während der Gährung
jene Aetherarten, welche den Weinen erster Klasse den so hoch geschätzten angenehmen
Geschmack und Geruch verleihen.
Durch das Gallisiren werden ferner die Weine haltbar und liefern ganz vorzügliche
gewöhnliche Tischweine.
Dass aber hauptsächlich Stärkezucker zu diesem Zwecke empfohlen und angewendet wurde,
lag nicht allein in der Billigkeit desselben gegenüber dem Rohr- oder Rübenzucker,
sondern weil diese beiden letztgenannten Zuckerarten dem Weine einen unnatürlichen,
süsslichen Geschmack ertheilten und auch dabei ein Product resultirte, welches man
leer nannte, welches keinen Körper, kein Schmalz hatte.
Trotz der bekannten Unreinheit des käuflichen Stärkezuckers wurde derselbe daher eine
grosse Reihe von Jahren hindurch in ausserordentlich grossen Quantitäten zum
Gallisiren der Weine verwendet. Wenn somit die ungemein verschieden
zusammengesetzten unreinen Producte eine so bedeutende Anwendung erfuhren, so
spricht dieser Umstand um so mehr für den ausserordentlichen Werth eines wirklich reinen Stärkezuckers für die Zwecke der
Weinveredlung.
Bevor wir zur Besprechung der neuesten Verbesserungen in der Erzeugung von
reinem Stärkezucker übergehen, wollen wir zur genaueren Charakterisirung des sogen.
Kartoffelzuckers oder Stärkezuckers des Handels, dessen Haupteigenschaften und
Erzeugungsweisen kurz betrachten. Die mittlere Zusammensetzung der käuflichen
Stärkezucker ist nach vielfachen Untersuchungen:
Deutsche und österreichischeFabrikate:
AmerikanischeFabrikate:
Dextrose
64,3 %
73,4 %
Unvergährbare (?) Stoffe
18,0 „
9,1 „
Wasser
17,0 „
17,6 „
Asche
0,7 „
0,7 „
So verschieden wie seine Zusammensetzung sind auch dessen Erzeugungsweisen. Im
Allgemeinen wird Kartoffelstärke (Maisstärke nur in wenigen Fällen) mit Salz- oder
Schwefelsäure in verschiedenen Verdünnungsverhältnissen der Stärke in Wasser und
unter den verschiedensten Dampfdrucken behandelt bis zum Verschwinden der sogen.
Dextrinreaction. Nachdem die angewendete Stärke die verschiedensten Grade der
Reinheit hat und nachdem unter den verschiedensten Verhältnissen verzuckert wird,
müssen auch die verschiedensten fertigen Producte entstehen. Die Natur der bei der
Behandlung der Stärke mit Säuren unter Druck entstehenden Zwischenproducte zwischen
Stärke und Zucker ist bis auf den heutigen Tag noch nicht genau festgestellt.
Noch viel eher ist deren chemische Natur erforscht als die physiologische Wirkung
derselben nach dem Genüsse.
Wenn man die Unreinheit der angewandten Roh- und Hilfsmaterialien bei der Erzeugung
des Stärkezuckers in Betracht zieht und wenn man ferner bedenkt, dass der
Stärkezucker mit den Alkalien und alkalischen Erden Verbindungen eingeht, welche
selbst bei gewöhnlicher Temperatur wenig beständig sind und bei erhöhter Temperatur
sich fast momentan zersetzen und das fertige Product färben und verunreinigen, und
wenn man ferner in Erwägung zieht, dass bei den verschiedenen Kochmethoden wiederum
ganz verschiedene Verbindungen und Zersetzungen sich vollziehen, so wird man
begreifen, dass die sogen. fremden und bis in die
neueste Zeit als unvergährbar bezeichneten Körper, im
käuflichen Kartoffelzucker enthalten, so schwer studirt werden konnten.
C. Neubauer, der sich ungemein viel und in der
gründlichsten Weise mit der Untersuchung solcher Weine beschäftigte, welche mit
Kartoffelzucker versetzt waren, spricht in der Deutschen
Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege, Bd. 11 S. 7, von
diesen dextrinartigen Körpern, dass sie das polarisirte Licht stark nach rechts drehen und in dem fertigen Weine nach beendeter
Gährung zurückbleiben und ihm den Körper ersetzen, der
durch die Verdünnung der normalen Weinbestandtheile mit Wasser zum Theil verloren
gegangen war.
Wenn es nur gestattet sein soll, ganz reinen Stärkezucker zum Gallisiren der Weine zu
verwenden, in welchen dann jene fremden dextrinartigen Körper nicht enthalten sein
werden, so ist die Frage zu beantworten, ob solche Weine auch jenen Körper besitzen können, den man verlangt.
Diese Frage hat allerdings weniger die Gesetzgebung und Hygiene zu beschäftigen als
vielmehr die Weintechnik, und es ist zu hoffen, dass die letztere diese Frage in
zufriedenstellender Weise beantworten wird. Es kann gar keinem Zweifel unterliegen,
dass der reine Stärkezucker dem damit behandelten Weine nur gute Eigenschaften
ertheilen wird.
Nach Neubauer zeigen mit Kartoffelzucker behandelte
Weine noch nach Jahren eine starke Rechtsdrehung der Polarisationsebene und sind an
diesem charakteristischen optischen Verhalten stets als kartoffelzuckerhaltige Weine
zu erkennen.
Neubauer erklärte die dextrinartigen unvergährbaren
Bestandtheile des käuflichen Stärkezuckers noch nicht direct für
gesundheitsschädlich, sondern begnügte sich damit, zu bemerken, dass es nicht
ausgeschlossen ist, dass bei der Gährung eines kartoffelzuckerhaltigen Mostes Fuselöl sich bildet, und dieses ist thatsächlich
gesundheitsschädlich.
Auch das Reichsgesundheitsamt sprach sich in den „Materialien zur technischen
Begründung des Gesetzes gegen die Verfälschung der Nahrungs- und
Genussmittel“ wiederholt gegen die Verwendung des im Handel vorkommenden
Traubenzuckers aus.
Auf die Versuche von Schmitz (Beiträge zur diätetischen Beurtheilung des gallisirten Weines,
Inauguraldissertation aus dem pharmakologischen Institute der Universität Bonn, Köln
1878) sich stützend, erklärte dieses Amt die Anwendung des käuflichen Stärkezuckers
zur Weinbereitung für bedenklich und bemerkt zugleich,
was entsprechend der Herstellungsmethode des flüssigen Stärkezuckers oder Syrups
nicht in allen Fällen ganz richtig ist, dass diese flüssigen Kartoffelzucker oder
Syrupe weit mehr unvergährbare, gesundheitsschädliche Stoffe enthalten als der feste
Stärkezucker.
Allerdings enthalten die Syrupe in den allermeisten Fällen viel mehr unvergährbare
Bestandtheile als die festen Stärkezucker, ob aber dieselben mehr gesundheitsschädliche Stoffe enthalten, ist keineswegs bewiesen
worden.
Ja, man kann sogar behaupten, dass es im Handel weit mehr reinere Syrupe gibt als feste Stärkezucker1) . Um ganz
wasserhellen sogen. Capillairsyrup zu erzeugen, muss sowohl der Convertirungsprocess
als auch das Abstumpfen der überschüssigen Säure, das Filtriren und Entfärben der
Säfte mit viel mehr Sorgfalt betrieben werden, als wenn es sich darum handelt, festen Stärkezucker zu erzeugen. In dem wasserhellen
Syrup darf weder überschüssige Säure, noch überschüssiger Gyps, noch auch dürfen
färbende Bestandtheile enthalten sein, da in allen diesen Fällen trübe, bitter
schmeckende und farbstichige Producte resultiren.
In dem festen Stärkezucker hingegen sind zumeist alle jene Unreinigkeiten vorhanden,
weil er trotz seiner Unreinheit fester Stärkezucker bleibt. Insolange man von einem
technisch reinen Stärkezucker oder von einem festen Stärkezucker schlechtweg nicht
verlangen wird, dass er einen bestimmten Procentgehalt an Dextrose enthalten muss, so lange wird die Fabrikation dieses Zuckers
nicht radical verbessert werden.
Was den Gehalt an Fuselöl anlangt, welchen mit Kartoffelzucker behandelte Weine
enthalten sollen, so muss darauf hingewiesen werden, dass, wie auch v. Mering (Deutsche
Vierteljahrsschrift für öffentliche Gesundheitspflege, Bd. 14 S. 325), der
sich gegen die von Schmitz gefundenen Resultate und die
daraus gezogenen Folgerungen über die Gesundheitsschädlichkeit der unvergährbaren
Bestandtheile des käuflichen Stärkezuckers wendet, bemerkt, in gährenden
Getreidemaischen in der Regel grössere Mengen von Fuselöl entstehen als in
Kartoffelmaischen. Es hat ja auch dieser Umstand dazu beigetragen, dass die
Verarbeitung von Getreide auf Spiritus, welche man in Deutschland fast überall
betrieb, beinahe völlig durch die von Kartoffeln verdrängt worden ist.
Bei jeder geistigen Gährung bilden sich doch neben den anderen bekannten
Gährungsproducten immer kleine Mengen von Fuselöl, welches insbesondere Amylalkohol
enthält.
Bei der Gährung des Traubensaftes sowohl wie auch bei jener der Bierwürze tritt also
auch Fuselöl auf, und es wird doch nicht behauptet werden können, dass Wein und Bier
deshalb gesundheitsschädlich seien.
v. Mering bezweifelt ganz entschieden, dass die sogen.
fremden und unvergährbaren Bestandtheile des Kartoffelzuckers gesundheitsschädlich
seien.
Nessler, der früher die Anwendung des käuflichen
Stärkezuckers nicht für schädlich hielt, änderte später seine Ansicht, indem er auf
Grund seiner in Gemeinschaft mit Dr. Barth angestellten
Versuche die gesundheitsschädlichen Eigenschaften von mit Kartoffelzucker
behandelten Weinen constatirt zu haben glaubte.
Auch gegen diese Versuche Nessler's wendete sich v. Mering und behauptete seinerseits ebenso entschieden
das Gegentheil; die Polemik der genannten Forscher hat aber trotzdem keine
endgültige Entscheidung der Frage herbeigeführt.
Was nun die chemische Natur der fremden, unvergährbaren Bestandtheile des käuflichen
Kartoffelzuckers anlangt, so hat C. Schmitt (Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft, 1884
Bd. 17 S. 1000 bis 1015) aus denselben einen Körper isolirt, welchen er Gallisin nannte und von dem er behauptet, dass nach den
an der chemisch-physiologischen Abtheilung in Berlin vorgenommenen Versuchen von
einer directen oder indirecten gesundheitsschädlichen Wirkung dieses Körpers nicht
die Rede sein könne.
Nach Scheibler und Mittelmeier ist das Kohlehydrat in
dem unvergährbaren Theil des Stärkezuckers kein einheitlicher Körper; es enthält
eine Zuckerart, welche sie für identisch halten mit der von E. Fischer (Berichte der deutschen chemischen
Gesellschaft, Bd. 23 S. 3687) aus Glucose dargestellten Isomaltose (auch
Bd. 24 S. 301 derselben Berichte).
Damit sind aber die Studien über die chemische Natur der fremden Stoffe noch
keineswegs abgeschlossen.
In Rücksicht auf die Vergährbarkeit der genannten Stoffe behauptete Soxhlet schon im J. 1884, dass die durch Einwirkung von
Säuren auf Stärkemehl entstehenden Säuredextrine sich von den durch Diastase
erzeugten Malzdextrinen dadurch wesentlich unterscheiden, dass sie vergährbar sind,
allerdings so langsam, dass sie für die Praxis als unvergährbar gelten können.
Die Frage über die Vergährbarkeit dieser Dextrine glauben L.
Medicus und C. Immerheiser (Zeitschrift für analytische Chemie, 1891 Bd. 30 S. 665)
entschieden zu haben. Die genannten Forscher haben Versuche über die Vergährbarkeit
der Dextrine des käuflichen Kartoffelzuckers angestellt und gefunden, dass dieselben
bei Zusatz von stärkefreier Presshefe vollkommen
vergährbar sind.
Um festzustellen, ob wirklich die Rechtsdrehung der mit
Kartoffelzucker versetzten Weine durch weitere Gährung unter Hefezusatz zum
Verschwinden gebracht werden könne, wurden mit den Weinproben Gährversuche mit
Zusatz von stärkefreier Presshefe vorgenommen und von Zeit zu Zeit die Polarisation der
weiter vergohrenen Weine beobachtet.
Es wurden vier Proben vorgenommen. Bei Probe I war die Rechtsdrehung nach 35 Tagen
verschwunden, bei Probe II, III und IV nach 38 Tagen, nachdem man nach 35 Tagen, wo
noch schwache Drehung vorhanden war, etwas Hefe neuerdings zusetzte. Damit wurde
erwiesen, dass die Rechtsdrehung auf Zusatz von Presshefe, nach Einleiten einer
energischen Gährung, verschwindet.
Nach Medicus und Immerheiser liegen hier unzweifelhaft Dextrine vor, die nachträglich in Dextrose verwandelt wurden.
Es bleibt nunmehr die Frage nach der bisher räthselhaften Vergährbarkeit der
Kartoffelzuckerdextrine zu beantworten.
v. Raumer hatte schon 1890 (Zeitschrift für angewandte Chemie, 1890 S. 421) nachgewiesen, dass sich
die verschiedenen Hefearten, Wein-, Bier- und Presshefe, gegen Dextrine bezüglich
ihrer Gährwirkungen verschieden verhalten und dass die Dextrine des Kartoffelzuckers
durchaus nicht ganz widerstandsfähig gegen Presshefe sind, indem eine theilweise
Vergährung herbeigeführt werden könne.
Von Medicus und Immerheiser
wurden zur weiteren Lösung dieser Frage directe
Gährversuche angestellt, um zu ermitteln, ob es unter geeigneten Bedingungen nicht
gelingen könne, den käuflichen rohen Kartoffelzucker und die daraus durch Alkohol
gefällten Dextrine zur völligen Vergährung zu
bringen.
Versuch I. Es wurden zwei Proben des ordinärsten rohen
Kartoffelzuckers verwendet, wie sie im Handel zu haben waren. Von jeder Sorte wurden
40 g in Wasser gelöst und auf 250 cc gebracht. Den Lösungen wurden hierauf je 2,5 g
primäres Kaliumphosphat und ebenso viel primäres Ammoniumphosphat zugesetzt. Die
jeweiligen Volumina der Gährlösungen wurden vor und nach den Polarisationen
berücksichtigt. Am 26. Juni wurden jeder Zuckerlösung 2 g stärkefreier Presshefe
zugesetzt.
Am 9. August betrug die Rechtsdrehung bei Probe I + 1,1°, bei Probe II 0,94°. Die
Arbeit wurde hier unterbrochen, weil die Lösungen zu weiteren Versuchen nicht mehr
ausreichten.
Versuch II. Es wurden dieselben Zuckerproben genommen
wie bei Versuch I. 40 g Zucker wurden mit Wasser auf 250 cc gebracht. Jeder Lösung
wurden am 17. Juli 10 g Presshefe beigemischt ohne jede weitere Nährstofflösung.
Die Gährversuche wurden bis 23. Juli bei Zimmertemperatur, von da ab bei 30° C.
vorgenommen.
Polarisation
am
23.
Juli
bei
Probe
I +
3,35°,
„
„
II +
3,30°,
„
„
28.
„
„
„
I +
1,9°,
„
„
II +
1,9°,
Am 31. Juli wurden die Lösungen filtrirt und mit je 8 g frischer Hefe versetzt.
Polarisation
am
9.
August
bei
I
0,55°,
„
„
9.
„
„
II
0,25°.
Am 9. August wurde filtrirt und nochmals mit frischer Hefe versetzt.
Polarisation
am
18.
August
bei
I
± 0°,
„
„
18.
„
„
II
± 0°.
Versuch III. Bei diesem Gährversuch wurden die durch
Alkohol aus Kartoffelzuckerlösung abscheidbaren Dextrine verwendet. Dieselben
wurden aus denselben Zuckersorten dargestellt wie bei den ersten beiden
Versuchen.
200 g Stärkezucker wurden in 200 g Wasser gelöst, diese Lösung mit Alkohol so lange
versetzt, bis aller Zucker gelöst und alles Ausfällbare ausgeschieden war. Die
Fällung wurde mit 90 Proc. Alkohol vorgenommen. Der Niederschlag wurde mit viel
Alkohol nachgewaschen und der Rückstand in 30 cc Wasser aufgenommen, mit 0,22 g
primärem Kaliumphosphat und 0,35 g primärem Ammoniumphosphat als Nährstofflösung
versetzt.
Es wurden wieder zwei Proben genommen.
Polarisation der Probe I vor der Gährung
am 30. Juni
= + 2,5°,
jene der Probe II
= + 1,65°.
Polarisationen am 5. Juli:
Probe
I
= + 1,9°,
„
II
= + 1,5°.
Beide Proben wurden am 5. Juli mit frischer Hefe versetzt.
Am 28. Juli ergaben sich folgende Polarisationen:
Probe
I
= + 1,8°,
„
II
= + 0,2°.
Beide Proben wurden am 31. Juli filtrirt, nochmals mit 8 g Hefe versetzt und bei 30°
C. stehen gelassen.
Am 9. August ergab
Probe
I
= + 0,2°,
und
„
II
= ± 0°.
Auf Grund dieser Versuche mussten Medicus und Immerheiser die Annahme der Unvergährbarkeit der
Dextrine des rohen oder gewöhnlichen Kartoffelzuckers als unhaltbar betrachten.
In den Mittheilungen aus dem chemischen Laboratorium des
Prof. Dr. R. Fresenius zu Wiesbaden veröffentlichte W. Fresenius eine Arbeit: Zur Kenntniss der
kartoffelzuckerhaltigen Weine (Zeitschrift für
analytische Chemie, 1891 Bd. 30 S. 669), in welcher die Beobachtungen und
Resultate von Medicus und Immerheiser bestätigt werden. Fresenius fasst
seine Beobachtungen in zwei Punkten zusammen:
1) Die sogen. unvergährbaren Bestandtheile des käuflichen Kartoffelzuckers sind durch
Presshefe völlig vergährbar, während sie gegen Bierhefe
widerstandsfähig sind.
2) Diese „unvergährbaren“ Stoffe können durch die Einwirkung des Kahmpilzes
völlig zerstört werden und somit aus dem Weine verschwinden.
Aus den angeführten Beobachtungen und den daraus gezogenen Schlüssen sehen wir nur,
dass die Frage nach der chemischen Natur der sogen. fremden und unvergährbaren
Bestandtheile der Lösung näher geführt wurde. Eine Entscheidung, welche unanfechtbar
genannt werden könnte, ist aber doch noch nicht herbeigeführt, weil es ja nicht
erwiesen ist, ob diese „fremden“ Bestandtheile
des käuflichen Kartoffelzuckers wirklich aus Dextrinen allein bestehen.
Es hat denn auch ein ebenfalls namhafter Forscher auf diesen Gebieten, C. J. Lintner (Zeitschrift für
angewandte Chemie, 1892 S. 328), die von Medicus und Immerheiser constatirte
Vergährbarkeit der „Dextrine“ des Kartoffelzuckers bestritten. Nach Lintner sind diese Versuche nicht beweiskräftig, da die
beiden Forscher nicht mit reinem Dextrin und ebenfalls nicht mit reiner,
bakterienfreier, rein gezüchteter Hefe arbeiteten. Es
wurde vielmehr ordinärster, roher Stärkezucker und aus diesem dargestelltes Dextrin,
sowie Presshefe verwendet. Nach Lintner ist es ferner
noch gar nicht
erwiesen, ob der Nichtzucker des käuflichen Stärkezuckers aus Dextrinen, nämlich Spaltungsproducten des
Stärkemoleküles besteht. Die Presshefe enthält meist eine sehr grosse Anzahl
verschiedener Hefearten und Spaltpilze. Weiter ist das Verschwinden des
dextrinartigen Rückstandes jedenfalls auf das Zusammenwirken von Spaltpilzen und
Hefepilzen zurückzuführen, welchem durch die lange Versuchsdauer von 5 bis 8 Wochen
genügend Spielraum gewährt wurde. Es kann nämlich durch solche symbiotische
Gährungen auch die Stärke vergohren werden.
Nach der Ansicht Lintner's sind die Dextrine durch
Saccharomyces cerevisiae nicht vergährbar und seine
Versuche beschränken sich vorläufig auf die aus Stärke durch Diastase entstandenen
Malzdextrine. Nach Lintner dürften sich die aus Stärke
durch Säuren erhaltenen Säuredextrine in gleicher Weise verhalten.
Die sich so vielfach widersprechenden Angaben über die Vergährbarkeit der Dextrine
lassen sich nach Lintner damit erklären, dass die Einen
mit isomaltosefreiem, die Anderen mit isomaltosehaltigem Dextrin arbeiteten. Wir
sehen somit, dass sowohl die Frage bezüglich der chemischen Natur wie auch jene
bezüglich der Gesundheitsschädlichkeit der sogen. fremden und unvergährbaren (?)
Bestandtheile des käuflichen Stärkezuckers noch bis heute den Gegenstand
fachmännischer Erörterungen bildet, ohne dass diese Fragen endgültig von Seiten der
Wissenschaft nach der einen oder anderen Seite zur Entscheidung gebracht worden
wären.
Dass in ganz vereinzelten Fällen im käuflichen Stärkezucker Arsen gefunden wurde,
kann den Stärkezucker im Allgemeinen nicht treffen, denn in diesen Fällen wurde
unreine Schwefelsäure zur Verzuckerung benutzt, was sehr leicht vermieden werden
kann. Solcher Stärkezucker müsste selbstredend von jedem Verkaufe ausgeschlossen
werden.
Bei der Unsicherheit, welche in Bezug auf die Zusammensetzung der dextrinartigen
Bestandtheile des käuflichen Stärkezuckers sowohl, wie auch in Bezug auf deren
chemische und physiologische Natur obwaltet, musste mit vollem Rechte die Verwendung
von Stärkezucker des Handels zur Bereitung von Nahrungs- und Genussmitteln verboten
werden.
Dieses fast in allen Ländern erlassene Verbot hat nach längerer Zeit denn auch seine
guten Früchte getragen, indem bereits grössere Quantitäten von fast reinem oder sogen. technisch reinem Stärkezucker
erzeugt werden.
Als technisch reinen Stärkezucker bezeichnet das „Gesetz, betreffend den Verkehr
mit Wein, weinhaltigen und weinähnlichen Getränken vom 20. April 1892“ einen
Stärkezucker von nahe an 100 Proc. Zucker. Ein derartiges Erzeugniss ist zwar noch
nicht als chemisch rein, wohl aber als technisch rein
anzusehen.
Gegen die Verwendung desselben kann, wie es in dem Gesetze heisst, vom
gesundheitspolizeilichen Standpunkte aus ein Bedenken nicht erhoben werden.
Demgemäss heisst es im § 3 des oben genannten Gesetzes: „Als Verfälschung oder
Nachmachung des Weines im Sinne des § 10 des Gesetzes, betreffend den Verkehr
mit Nahrungsmitteln, Genussmitteln und Gebrauchsgegenständen vom 14. Mai
1879“ (auch Reichsgesetzblatt S. 145) ist nicht
anzusehen: .... Punkt 4): der Zusatz von technisch reinem Rohr-, Rüben- oder
Invertzucker, technisch
reinem Stärkezucker, auch in wässeriger Lösung
u.s.w.
Damit ist der Stärkezuckerindustrie der Weg gezeigt, den sie gehen muss, um zu
prosperiren. Die Herstellung von reinem Traubenzucker muss das Ziel aller
Stärkezuckerfabriken sein, da auch diese Waare nach dem Zuckergehalt im Handel
taxirt werden wird und da zur Herstellung von Nahrungs- und Genussmitteln,
insbesondere aber zur Weinverbesserung und für die Zwecke der Bierbrauerei nur
Stärkezucker von höchstem Zuckergehalt zugelassen wird, so muss und darf nur solcher
erzeugt werden.
Die sogen. Oenoglycose, ein Stärkezucker von 80 bis 82 Proc. Dextrosegehalt, wird
schon seit längerer Zeit in Frankreich zur Weinbereitung verwendet, welcher aber
auch noch die Mängel des gewöhnlichen Kartoffelzuckers, wenn auch in geringerem
Maasse, besitzt.
Einer allgemeineren Anwendung wird aber nur der reine
Stärkezucker fähig sein, da derselbe auch auf manchen Gebieten dem Rübenzucker mit
Erfolg Concurrenz machen kann. Allerdings, und dies ist das wichtigste Moment der
Concurrenzfähigkeit des Stärkezuckers, kann dies nur dann mit Erfolg geschehen, wenn
derselbe zu viel billigeren Preisen erhältlich sein
wird als der Rübenzucker.
Zum Versüssen der Speisen, sowie zur Erzeugung der eingemachten Früchte wird der
reine Stärkezucker den Rohr- oder Rübenzucker nie ganz ersetzen können, nicht nur
wegen seiner geringeren Süssigkeit, sondern hauptsächlich wegen der hohen
Krystallisationsfähigkeit des reinen Stärkezuckers. Hingegen kann der reine
Stärkezucker in der Bierbrauerei, in der Weintechnik, Liqueur- und Essigfabrikation
dem Rohr- oder Rübenzucker mit sicherem Erfolge den Rang streitig machen, und auf
diesem Gebiete ist ihm eine bedeutende Anwendung gesichert.
Das Gallisiren und Petiotisiren wird dadurch mit grossem Nutzen geübt werden
können.
(Schluss folgt.)