Titel: Bemerkungen über neue Kriegswaffen.
Fundstelle: Band 288, Jahrgang 1893, S. 50
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Bemerkungen über neue Kriegswaffen. (Fortsetzung des Berichtes S. 25 d. Bd.) Mit Abbildungen. Bemerkungen über neue Kriegswaffen. Nach einer Veröffentlichung des Archiv für Artillerie- und Ingenieurofficiere des deutschen Heeres von October/November 1892 ist die Frage aufgeklärt, wie sich der Flug eines geschossförmigen Körpers mit kleiner Umdrehungsgeschwindigkeit gestaltet. Der Körper zeigt ganz eigenthümliche Schwankungen seiner Achse, die sich nach einer gewissen Anzahl von Einzelumdrehungen zu wiederholen scheinen; hierbei gelangt dafür einzelne Augenblicke die Geschosspitze stark unter die Flugbahn. Es ergibt sich mit Sicherheit daraus, dass ein fliegender geschossförmiger Körper mit einer kleinen Umdrehungsgeschwindigkeit seine Lage nicht so fest hält, wie mit einer grossen. (Der eben berührte Versuch wird weiter unten etwas genauer beschrieben werden. Unter günstigen Umständen lassen sich ähnliche Erscheinungen mit geworfenen, schwach rotirenden Körpern zeigen.) Wie sich ein geschossartiger Körper ohne Rotation in der Luft verhält und unberechenbare Schwankungen macht, ist 1891 281 207 dargelegt. Wenn man annehmen darf, dass die zuerst erwähnten Erscheinungen geschossartiger Körper bei den Geschossen mit grossen Umdrehungsgeschwindigkeiten auch stattfinden, so erklärt sich die Einwirkung des Luftwiderstandes gegen das Fallen bei den Flugbahnen der österreichischen 12 cm- und Feldkanonen (mit 442 m v0) in einfacher Weise. Beim Verlassen der Mündung bildet die Projection des Geschosses auf die zur Bahntangente senkrechte Ebene einen Kreis – der Luftwiderstand braucht nur mit dem Durchmesser des Geschosses zu rechnen. Nach kurzer Zeit hört genannte Projection auf, ein Kreis zu sein, sie verlängert sich in senkrechter Richtung; der Luftwiderstand gegen die Vorwärtsbewegung wird ein grösserer, aber durch seine schräge Richtung gegen den unteren Geschosstheil vermindert er die Fallkraft und gleichzeitig wirkt er gegen die Drehung des Geschosses, die Winkelgeschwindigkeit verringernd. Durch letztere Einwirkung wird möglicher Weise die Fähigkeit des Geschosses, seine Lage bei einem wahrscheinlich sehr grossen Winkel zwischen Achse und Flugbahn beizubehalten, so schwach, dass die mit einer kleinen Winkelgeschwindigkeit verbundenen schwankenden Bewegungen der Geschossachse bis weit unter die Flugbahn eintreten. Hierbei wird wahrscheinlich ein Luftwiderstand erzeugt, der viel geringer ist als bei einem Geschoss mit starrerer Achslage (und grosser Umdrehungsgeschwindigkeit). Damit wäre eine Wiedervermehrung der Fallkraft erklärt. (Einfache Vergleiche von Geschwindigkeitsmessungen aus Schiessversuchen mit Geschützen verschiedenen Dralles würden darüber Gewissheit verschaffen.) Wenn nun aber bei kleinen Winkelgeschwindigkeiten eine schwankende Geschossachse mit geringem Luftwiderstand vorhanden ist, bei grossen aber eine starrere mit bedeutend vermehrtem, so lässt sich daraus in einfacher Weise das wunderbare Wachsen des letzteren erklären, wenn die Geschwindigkeiten von 300 auf 400 m steigen (Fig. 9 BC). Bei den Geschützen geht nämlich dicht vor der Mündung die Vergrösserung der Umdrehungsgeschwindigkeiten gleichzeitig mit der der Vorwärtsbewegung vor sich. Der Knick BC der Fig. 9 würde dann also nicht einem neu auftretenden Zusammenpressen von Lufttheilchen, sondern einem starreren Verhalten der Geschossachse in Folge einer grösseren Umdrehungsgeschwindigkeit zuzuschreiben sein. (Mit anderen Worten würde danach das auffallende Verhalten des Luftwiderstandes zunächst eine Function der Umdrehungsgeschwindigkeit und diese dann eine Function der Geschwindigkeit der Vorwärtsbewegung sein.) Aus den festgestellten Schwankungen bei Geschossen mit kleiner oder mit fehlender Drehgeschwindigkeit ergibt sich noch ein wichtiger Schluss auf Treffähigkeit. Bei den Versuchen zur Ermittelung des Fluges rotationsloser Geschosse (Archiv für die Artillerie- und Ingenieurofficiere, 1890 S. 428) wurde festgestellt, dass mit der Richtungsänderung der Geschosspitze auch eine Veränderung der Geschossbahn eintritt. Mit wenig berechenbaren Schwankungen müssen auch wenig berechenbare Abweichungen in Verbindung stehen. Wenn nun die geringe Abnahme oder die Wiedervermehrung der Fallkraft eines Geschosses (österreichisches Feldgeschütz 6375 m) mit solchen Schwankungen verbunden ist, so kann aus diesen Thatsachen unmittelbar auf das Eintreten einer grossen Treffunsicherheit geschlossen werden. (Da für die Berechnung der Fallhöhen die Flugzeiten maassgebend sind, so darf vielleicht auch aus der Art der Zunahme der letzteren die Treffähigkeit beurtheilt werden.) Vielleicht hängt die auffallende Annäherung der Treffähigkeit des österreichischen Gewehrs auf grossen Entfernungen an die des Gras-Gewehrs zusammen mit einem grossen Verbrauch an Umdrehungsgeschwindigkeit. Das fliegende österreichische Geschoss ist sicher 5 mm, d.h. um ⅕ länger als das Gras-Geschoss; schon hieraus (ganz abgesehen von den Trägheitsmomenten) würde sich der grosse Verlust an Winkelgeschwindigkeit mit seinen Folgen erklären lassen. Die schwankenden Bewegungen bei Geschossen mit kleiner Drehgeschwindigkeit machen sich wahrscheinlich auch bei der Kaliberverminderung der Gewehre bemerklich; denn die Abnahme der Kraft der Geschosse, sich zu drehen, hängt sicherlich mit der Grösse ihres Durchmessers zusammen. Die auffallende Abnahme der Trefffähigkeit auf 1800 m beim 8 mm-Gewehr (verglichen mit der vom 11 mm-Gewehr), auf welche eingangs aufmerksam gemacht wurde, wäre demnach lediglich der Verkleinerung des Kalibers, nicht etwa einer fehlerhaften Construction zuzuschreiben. Der Gedankengang: sehr kleines Kaliber – grosser Verlust an Drehgeschwindigkeit – unberechenbar schwankende Bewegungen – keine Treffähigkeit auf grösseren Entfernungen bewog zu der Vermuthung, dass die Verkleinerung des Kalibers unter 6,5 mm nicht unbegrenzt fortgesetzt werden könne. Die Wirkung der neuesten langen Geschütze mit 1000 m Anfangsgeschwindigkeit wird wahrscheinlich recht erheblich mit der Verminderung der Drehgeschwindigkeit der Geschosse durch den Luftwiderstand zu rechnen haben. Man mag noch so sehr Gegner des weiten (Bombardements-) Schiessens gewesen sein, die Möglichkeit wird man in Betracht nehmen müssen, dass ein Schiessen selbst mit geringer Treffähigkeit auf Entfernungen über 20 km eine grosse, nicht unwichtige Neuerung in der Kriegführung bedeutet. Nach der obigen Entwickelung kann der Fall gedacht werden, dass ein Artilleriegeschoss unter grosser Erhöhung (z.B. 35°) mit einer Geschwindigkeit von 1000 m verschossen worden ist und im absteigenden Ast auf 25 km 1 km hoch eine so geringe Umdrehungsgeschwindigkeit besitzt, dass jede Regelmässigkeit der Achsenbewegung aufgehört hat. Damit ist nicht nur jede Treffähigkeit, sondern auch die sichere Erreichung einer grösseren Schussweite abgeschnitten; soll diese eintreten, so muss das Verhalten des Geschosses ein anderes werden. Also ist vielleicht hier nicht so sehr die Erhöhung der Geschwindigkeit als ein Studium und eine Verbesserung der Geschossbewegung Vorbedingung. Die schwankenden Bewegungen eines fliegenden rotirenden geschossartigen Körpers sind, wie schon erwähnt, durch einen Versuch des Prof. Neesen gezeigt worden (Archiv für die Artillerie- und Ingenieurofficiere des deutschen Heeres, October/November 1892). In einem solchen Körper waren diametral gegenüber stehend kleine Oeffnungen angebracht, in seiner Mitte, senkrecht zur Verbindungslinie derselben, lichtempfindliche Platten, welche mit der Rückseite gegen einander lagen. Wurde der Körper während des Sonnenscheins verschossen, so musste einfallendes Sonnenlicht Streifen auf den Platten erzeugen und zwar bei jeder Umdrehung auf jeder Platte einen; nach dem Niederfallen und Aufnehmen des Geschosses wurden dann die Linien, welche zusammenzupassen schienen, zusammengelegt und als Ergebniss einer Umdrehung betrachtet. Da jede Platte eine grosse Menge von Linien enthielt, denn es geschahen vermuthlich bis zu 100 Umdrehungen in der Sonne, so scheinen die Zusammenstellungen Schwierigkeiten gemacht zu haben. Nichtsdestoweniger wurde es möglich, festzustellen: 1) dass die Längenachse des geschossförmigen Körpers durchaus nicht in der Flugbahn lag, sondern lebhaft Ausschläge machte und sich die Spitze bisweilen tief unter die Flugbahn senkte; 2) dass sich annähernd dieselben Bewegungen innerhalb einer gewissen Reihe von Umdrehungen (10 bis 12) wiederholen. Letztere Erscheinung zeigt eine auffallende Aehnlichkeit mit einer Thatsache, die mit einfachen Mitteln anderweitig dargestellt werden kann. Lässt man einen rotirenden geschossähnlichen Körper von Holz frei fallen, so drehtsich bei einer Umdrehung jeder Punkt um eine gewisse Linie; diese dreht sich wieder um eine andere, sowie der Luftwiderstand eine bestimmte Stärke erreicht hat (z.B. von 10 m Falltiefe ab). In beiden Fällen setzen also Reihen von Einzeldrehungen wieder eine andere Drehung zusammen. Der Versuch des Prof. Neesen gibt noch einen anderen wichtigen Fingerzeig. Die grossen Ausschläge der Achsen seiner fliegenden geschossartigen Körper beweisen, dass sich die Lagen eines wirklichen fliegenden Geschosses durch Durchschläge durch Papier ermitteln lassen, wie das bei 18 mm-Versuchsgeschossen bei Geschwindigkeiten bis 400 m gezeigt worden ist (1891 281 207; oben genanntes Archiv von 1890 S. 427 u. ff.). Daraus würde sich der besondere Vortheil ergeben, dass man mit wirklichen Geschossen, auch bei grösseren Geschwindigkeiten Achslagen bestimmen kann (die Geschwindigkeiten des photographirenden Körpers waren dem Anscheine nach nur klein). Dann aber würde es möglich sein, einzelne Punkte der Geschosse aus den Durchschlägen so festzulegen, dass man die Lage derselben in Bezug auf ein Coordinatensystem im Raume so bestimmen könnte, wie es für mathematische Betrachtungen erforderlich ist. Es würden dann also nicht nur die Drehbewegungen, sondern auch die durch den Luftwiderstand und die Achsenschwankungen hervorgerufenen Verschiebungen sichtbar gemacht. Wahrscheinlich würde es dann auch durch Gewichtsvertheilung in den Geschossen möglich, den Einfluss einer unsymmetrischen Belastung und endlich die Bewegungen eines Geschosses während einer einzigen Umdrehung darzustellen und damit den nothwendigsten Ausgangspunkt aller Flugbahnbetrachtungen zu gewinnen. Der Versuch des Prof. Neesen hat in theoretischer Beziehung noch einen recht bemerkenswerthen Einfluss. Bei der Erörterung der Wirkung der Luft gegen das Geschoss wurde bisher der Gedanke festgehalten, dass die Längsachse stets in der Flugbahn läge, darauf hin wurde dann mathematisch bestimmt, welche Geschosspitzenform die beste sein müsse. Mit der Thatsache, dass die Geschossachse die vermuthete feste Lage nicht hat, werden diese Rechnungen werthlos und die Frage der besten Spitzenform, welche vielfach als gelöst betrachtet wurde, wird wieder eine unbeantwortete. Um durch die weiter oben gegebene Berechnung des Fallens bei Geschossen keinen Irrthum zu erregen, sei hervorgehoben, dass die Angaben der Schusstafeln, welche benutzt wurden, Flugzeiten und Abgangswinkel, recht dunkle Grössen sind. Die Flugzeiten sind meist nicht unmittelbar ermittelt, sondern errechnet, sie sind also mit einem zwar nothwendigen, aber nicht natürlichen „Ausgleichungscoefficienten“ des Rechners behaftet. Der Abgangswinkel wird durch das Geschoss im Anfange des Fluges mit der Wagerechten gebildet. Er unterscheidet sich von dem Winkel, den die Waffe vor dem Schusse hatte (der „Erhöhung“) durch den Abgangsfehlerwinkel (= Vibrationswinkel, = Erhebungswinkel, = angle de relèvement). Der letztere entsteht während der Bewegung des Geschosses im Rohre und zwar bei Geschützen der Landarmee durch ein Nachgeben der Schildzapfenlager (wobei der hintere Auflagepunkt der Rohre dieselbe Höhe behalten kann) und dann durch Drehen des ganzen Geschützes um den Laffetenschwanz (Archiv für die Artillerie- und Ingenieurofficiere, 1890 S. 433 und 1892 S. 513). Bei geringen Erhöhungen pflegt dieser Winkel ermittelt zu werden; er wird dann als maassgebend für die ganze Schusstafel, also für alle Erhöhungen, häufig auch für alle Ladungen angeführt. Dies ist unbedingt anfechtbar; wahrscheinlich ändern sich diese Abgangsfehlerwinkel recht bedeutend und ihre genaue Feststellung wird auch die Zahlen für das Fallen der Geschosse beträchtlich beeinflussen. (Um Missverständnissen vorzubeugen, sei hervorgehoben, dass die Schusstafeln der österreichischen Waffen hier mit Vorliebe benutzt wurden, weil sie von den zugänglichen vielleicht am gewissenhaftesten und zuverlässigsten ausgeführt sind, und wenn Bemerkungen zu machen waren, so sind dieselben durch die Neuheit des Zusammenbringens von Flugzeit und Abgangswinkel hervorgerufen und dürfen nicht als Tadel betrachtet werden; mit manchen Schusstafeln ist überhaupt solche Rechnung gar nicht aufzustellen, weil sie zu fehlerhaft angefertigt sind, – was aus der zweiten Differenzenreihe der Flugzeiten zu entnehmen ist.) Verbesserung der Rotationsbewegungen. Textabbildung Bd. 288, S. 51 Fig. 10.Offenes und geschlossenes Lager zum Ankreiseln unsymmetrischer Kreisel und zur Untersuchung unsymmetrischer Körper. Die Rotation ist ein Thema, welches in der letzten Zeit mehr und mehr in den Vordergrund getreten ist. Die Verbesserung dieser Bewegungen wird nicht nur bei Geschossen, sondern auch bei allen anderen rotirenden Körpern, wie z.B. bei Eisenbahnrädern, Schwungrädern, Schiffsschrauben, Armaturen für elektrodynamische Maschinen erstrebt und zwar sowohl in der technischen Literatur, wie durch besondere Einrichtungen. So sind ein D. R. P. Nr. 68959, ein franz. Pat. Nr. 223923 ertheilt, welche das Auswuchten rotirender Körper aller Art zum Zwecke haben (unter „Auswuchten“, „Ausbalanciren“ wird das Beseitigen einer unsymmetrisch zur Achse liegenden Massenvertheilung verstanden). In den Apparat ist die Achse des in Drehung versetzten Körpers so gelegt, dass sie mit einem Ende sich frei bewegen kann; ein besonderer Stift bezeichnet auf dem Umfange des Körpers die Stelle, welche bei der Rotation die grössten Kreise beschreibt, und durch Wegnahme von Material an diesem Punkte oder Hinzufügen von Material an einem diametral gegenüberliegenden soll dann die Symmetrie hergestellt werden. Der Apparat ermöglicht es, mit wagerechter, beliebig geneigter und senkrechter Achse zu arbeiten. In letzterer Stellung soll nicht eine grosse, sondern eine kleine Umdrehungsgeschwindigkeit, also gewissermaassen das Widerstreben der Achse eines rotirenden Körpers gegen Umfallen ausgenutzt werden, um die kleinste unsymmetrische Belastung aufzufinden. Die Einrichtungen der Lager des Apparates ergeben sich offenes und geschlossenes aus Fig. 10; diese stellt eine Vereinfachung dar, welche benutzt werden kann, um sehr stark unsymmetrische Kreisel für wissenschaftliche Zwecke in Rotation zu versetzen (1892 285 121). (Man muss sich die Schraubenzwinge Fig. 10 auf den Kopf gestellt oder auf den Rücken gelegt denken, um die Stellungen der Lager beim vorhin beschriebenen Apparat zu haben. Eine umgewickelte Schnur hält den Kreisel ineiner bestimmten Lage fest während des Abziehens; wenn das geschehen, sinkt der Körper und zeigt die durch seine Unsymmetrie hervorgerufenen Ausschläge). Die obige Einrichtung bietet einen Ersatz für ein amerikanisches Patent Nr. 216228 von 1879, welches nicht auf freier Kreiselbewegung, sondern auf Ermittelung der Ausschläge basirt, welche ein in einem Rahmen rotirender Körper mit der Einschliessung zugleich ausführt (Princip der Bohnenberger-Ringe). Nach dem Engineer, 16. December S. 529, letzter Absatz, wird in England eine Achse mit Eisenbahnrädern in zwei offenen Lagern ausgewuchtet. Die Wichtigkeit des Gegenstandes entschuldigt vielleicht, einige Bemerkungen darüber anzugeben, weshalb in der neueren Zeit ziemlich plötzlich die Nothwendigkeit hervorgetreten ist, die Körper in Bezug auf Symmetrie zur Achse, um welche sie sich drehen, zu untersuchen. Die Zunahme der Drehgeschwindigkeiten dürfte eine Hauptursache sein. Die Peripheriegeschwindigkeiten von Eisenbahnrädern und von Maschinentheilen steigen bis auf 27, vielleicht auf 45 m; bei den Geschossen kommen jetzt ganz ungeheuere Zahlen vor. Wenn die französische Regierung ihr 90 Kaliber langes 16 cm-Geschütz mit 25 Kaliber Enddrall versehen lässt, so ergeben sich peripherische Geschwindigkeiten beim Geschosse von weit über 100 m. Dass bei solchen Geschwindigkeiten kleine Uebergewichte ganz bedeutende Wirkungen erzeugen müssen, ergibt sich aus einer Berechnung. Aus obiger Betrachtung bei fliegenden Geschossen mit gering gewordener Winkelgeschwindigkeit lässt sich aber auch vermuthen, dass ein kleines einseitiges Uebergewicht bedeutenden Einfluss auf die Achsenschwankungen ausüben muss. Eine Verbesserung des Funktionirens der Zeitzünder in Geschossen mit grossen Flugzeiten würde sicher durch eine Verbesserung der bisher zu wenig beachteten unsymmetrischen Geschossverhältnisse zu erzielen sein und damit eine erhebliche Steigerung der Geschützwirkung herbeigeführt werden. Bei den rotirenden Körpern der Technik wird die „kinetisch-unsymmetrische“ Beschaffenheit vielleicht eine ähnliche Wichtigkeit haben, wie sie vor 70 Jahren Bessel der zur Bestimmung der Zahl „g“ benutzten Pendelkugel zuschrieb. Vielleicht lediglich dieser Einsicht des berühmten Astronomen verdanken wir ein genaues Ergebniss. Leider scheint nicht immer der natürlichen Unsymmetrie dieselbe Wichtigkeit beigelegt worden zu sein. Von den daraus entstandenen Missverständnissen mag Folgendes hervorgehoben werden: Die Euler-Lagrange'schen Bewegungsgleichungen lassen sich auf Kreisel anwenden, die zur Achse symmetrisch sind; sie machen es möglich, ganz eigenthümliche Bewegungen dieser Achse zu errechnen (danach beschreibt z.B. die freie Spitze guirlandenartige Linien auf einer gedachten Kugelfläche). Bei Berührung dieses Gegenstandes beziehen sich nun Physik werke und zwar auch neue, sowie die Mathematischen Annalen, Bd. 19 S. 150, auf Versuche, welche in Programmen des Gymnasiums zu Seehausen i. A. von 1874 angeführt sind, und es wird behauptet, dass diese praktischen Versuche die Richtigkeit der Berechnungen für symmetrische Kreisel dargelegt hätten. Das ist bei genauerem Zusehen gar nicht der Fall. Der Versuchskörper war ein Kreisel, in dem die Achse drehbar war (wissenschaftlich auch „Gyrostat“ genannt; die „choral singing tops“ genannten Spielzeuge gehören zur selben Klasse). Da der äussere Kreiselkörper 150 Umdrehungen erzielte, so muss er einen Spielraum mit der Achse gehabt haben; aus letzterem und einer grossen Gewichtsmasse im äussersten Rand ergibt sich, dass der Körper schon constructiv unsymmetrisch war. Ihn als symmetrisch ohne weiteres anzunehmen, war schon nicht einwandfrei. Nun erzeugte dieser frei rotirende Kreisel tiefe, nicht genau bestimmbare Töne, und es wird behauptet, diese bewiesen das Vorhandensein der berechneten feinen Achsenbewegungen. Diese Behauptung kann aber gar nicht aufrecht erhalten werden, weil eine Kreiselscheibe mit Leichtigkeit durch eine kleine Unsymmetrie auf Töne von der Höhe des Stimmgabel-A gebracht werden kann. Es ist schade, dass der Kreisel vor dem Versuche nicht gewogen worden ist, sonst würde vielleicht der Spielraum und die Unsymmetrie gefunden und andere störende Rechen- und Druckfehler vermieden worden sein; vielleicht wäre dann der Versuch ganz ausgefallen und die Betrachtung über die Bewegungen des symmetrischen Kreisels auf die Mathematik beschränkt geblieben, für die sie wohl immer einen Werth behalten wird. Die Wiederholung eines derartigen Irrthums ist wohl von jetzt ab ausgeschlossen. Die Untersuchung eines Kreisels auf Unsymmetrie bei schwacher Umdrehungsgeschwindigkeit in senkrechter Stellung ist eine so einfache geworden, dass derjenige, welcher wissenschaftliche Versuche mit rotirenden Körpern machen will, sich zuerst selbst davon überzeugen wird, welchen Grad der Unsymmetrie dieselben haben. Für die Beurtheilung der heutigen Kenntnisse über die Rotation gibt der Engineer vom Mai bis 5. August und vom 30. September 1892 einen erwähnenswerthen Aufschluss in Briefen an den Herausgeber über das Gyroskop. Von dem regen Interesse und Verständniss, welches die Engländer für alle physikalischen Fragen hegen, geben diese Briefe ein Bild, aber zugleich auch eine Andeutung von dem Dunkel, welches über den Gegenstand noch gebreitet ist. Zieht man nun das Endergebniss aus diesen Ansichten über die Rotation und aus denjenigen, welche im letzten Jahre anderweitig veröffentlicht worden sind, so darf man vielleicht schliessen: der Rotation symmetrischer Körper ist man bis jetzt nachgewiesenermaassen physikalisch noch nicht näher getreten; der Rotation der Körper ist man analytisch noch nicht nahe getreten, wenn Reibung oder Unsymmetrie vorausgesetzt wurde. Während hierin vielleicht Physik und analytische Mechanik neue Aufgaben finden, hat die Technik durch die Kreiselbewegung in irgend einer Form die Mittel in der Hand, die Unsymmetrie der vorkommenden rotirenden Körper zu untersuchen und abzustellen. Panzerplatten. Am 1. November 1892 hat die englische Regierung einen Panzerschiessversuch bei Portsmouth ausführen lassen, welcher durch die Widerstandsfähigkeit der Platte grosses Aufsehen erregte. An diesen Versuch und an einigen anderen in Frankreich, Russland und Nordamerika ausgeführten knüpft sich die Aussicht auf eine grosse Umwälzungin der Panzerung der Schiffe und vielleicht auch der Landbefestigungswerke. Nachdem während des Krimkrieges die Franzosen Panzerplatten als Schutz für die Seiten ihrer Schiffe angewandt und nachdem die Unionsstaaten von Nordamerika den Werth einer Panzerung bei ihrem „Monitor“ kennen gelernt hatten, wurden allgemein die Wände der Schlachtschiffe gepanzert. Die Fabrik Gruson in Buckau bei Magdeburg stellte einige Jahre nach dem deutsch-französischen Kriege Panzerkuppelthürme für Landbefestigungen aus Hartgusseisen her. Diese Kuppeln ragten über ihre Umgebung wie ein liegendes hervor, sie bestanden aus schweren segmentartigen Blöcken, welche neben einander lagen und einfach durch ihr Gewicht zusammenhielten (etwas phantastisch könnte man diese Kuppeln als „nach Art der Cyclopenbauten zusammengesetzte Dächer von Jahrmarktscarrousels“ bezeichnen). Wenn auch ein feindlicher Schuss zufällig nicht durch die Form der Kuppel abprallen, sondern Risse verursachen sollte, so würden die Stücke doch liegen bleiben und weiter Widerstandskraft entwickeln, nahm man an. Durch die Härte des Materials (in Schalen gegossenes, gekühltes Eisen) sollte eine Wirkung des Geschosses aufgehoben werden. Ihres Gewichtes wegen wurden diese Thürme nur bei Landbefestigungen angewandt. Wie bei der belgischen Maasbefestigung gezeigt wurde (1892 285 76), werden seit einigen Jahren auch Panzerthürme mit flach gewölbten Decken aus gewalztem Eisen oder Stahl gebaut. Bei Schiffen ging man zur Panzerung mit sogen. Compound-(Verbund-) Platten über, welche in zwei Arten (1876 und 1880) hergestellt wurden. Das Princip dieser Platten besteht darin, auf eine angewärmte Platte von Schmiedeeisen eine Gusstahlschicht zu giessen. Die Hitze des Gussstahls und sein Gehalt an Kohlenstoff bringen die nächstgelegene Schicht Schmiedeeisen zum Schmelzen und zur Verbindung mit dem Stahl. Der Stahl sollte dann die Aussenseite bilden, um durch seine Härte ein Eindringen des Geschosses in die Oberfläche (also ein Anritzen) zu verhindern und ein Zerschellen des letzteren herbeizuführen. Das weiche Eisen sollte durch seine Zähigkeit das weitere Spalten durch ein mit der Spitze schon eingedrungenes Geschoss und die Bildung von Rissen verhüten. Besonders in England herrschte Vorliebe für Compoundplatten, während in Frankreich reine Stahlplatten mehr versucht wurden. Versuche in Ochta (bei St. Petersburg) und in Annapolis (Nordamerika) 1890 brachten eine wichtige Entscheidung über den Werth der Compoundplatten. Es wurden letztere zum Vergleich mit reinen Stahlplatten und mit Nickelstahlplatten gestellt. Diese, bezogen von Schneider in Creuzot, ergaben eine grosse Ueberlegenheit über eine Compoundplatte (von Cammell und Co. in Sheffield) und ein besseres Verhalten als eine reine Stahlplatte (auch von Schneider geliefert). Der Stahlbelag der Compoundplatte brach vollständig herunter. Auf Grund dieser Resultate wurden nun Nickelstahlplatten in Nordamerika angefertigt von den Eisenwerken zu Bethlehem (Pennsylvanien) und von Carnegie-Phipps und Co. zu Pittsburg, und es fand am 14. November 1891 ein grosser Versuch der Marineverwaltung in Indian-Head (Maryland) statt, wobei sechs Platten zur Untersuchung kamen, solche von reinem Stahl, von Nickelstahl mit verschiedenem Kohlenstoffgehalt und von verschiedener Härte der Oberfläche. Zur Herstellung der Nickelstahlplatte scheint das nordamerikanische Patent Nr. 415655 von Schneider in Creuzot benutzt worden zu sein. Nach demselben wird zuerst durch Zusammenschmelzen eine nickelreiche Gusseisenlegirung gebildet (z.B. 30 Proc. Nickel, 63 Proc. Eisen, 3 Proc. Kohle, 2 Proc. Mangan und Silicium), dann gekleint, mit Eisen und den zur Stahlbereitung noch nöthigen Stoffen gemischt und diese Masse endlich eingeschmolzen. Die Platten von Indian-Head hatten einen Nickelgehalt von 2,5 bis 2,67 Proc. (es wurden indessen auch anderwärts Legirungen mit 3 und selbst 5 Proc. dargestellt). Das Härten der Vorderseite der Platte (d.h. der Auftreffseite des Geschosses) geschah nach einem von dem Amerikaner Harvey erfundenen Verfahren (Nordamerikanische Patente Nr. 376194 und Nr. 460262). Es besteht zunächst in einer Vermehrung des Kohlegehaltes der Oberfläche. Zu dem Zwecke wird in einem Herde auf die zu härtende Seite der Platte kohlehaltiges Material und darauf feuerfeste Ziegelsteine zur Erzeugung eines Druckes gelegt, der Herd geschlossen und erhitzt, bis das Metall nächst der Oberfläche Kohle in der gewünschten Weise aufgenommen hat. Es scheinen dazu bei den verwandten Platten (von etwas über ¼ m Dicke) mindestens 5, vielleicht aber auch 14 Tage nöthig gewesen zu sein; der Gehalt an Kohle wurde dann bei einer sonst 0,35 Proc. kohlehaltigen Platte auf 1 Proc. bis zu einer Tiefe von 7,5 cm gebracht. Nach dieser Arbeit soll sich die Platte bis auf Dunkelrothglühhitze langsam abkühlen unter dem aufliegenden Material, dann aber wird letzteres schnell entfernt und nun die Platte mit Strömen kalter Flüssigkeit besprengt oder in solche (wahrscheinlich Oel) getaucht und in Bewegung gehalten, bis sie kalt ist. (Dem umständlichen Verfahren entsprechen die Preise. Der mittlere Preis pro Tonne (englisch) der Nickelstahlplatten ist 2412 M., das Härten (nach Harvey) kostet pro Tonne noch 224 M.) Bei dem Versuche wurden die vor einer Holzhinterlage befestigten Platten von 25,5 cm Dicke, 2,44 m Höhe und 1,83 m Breite (Fig. 11 und 12) mit je 4 bis 15,2 cm-Chromstahlpanzergranaten von Holtzer in Junieux, Loire, und einer 20,3 cm-Panzergranate entweder von Firth in Sheffield oder von Carpenter in Reading, Pennsylvanien, beschossen, von letzterer als mittelstem Schuss (vgl. Fig. 12). Die ersteren vier Geschosse hatten 633 m Auftreffgeschwindigkeit und ungefähr 50 k Gewicht, die entsprechenden Zahlen bei letzterem waren entweder 549 m und 99 k oder 518 m und 123 k. (Die Chromstahlgranaten zeichnen sich durch besondere Härte und Haltbarkeit aus. Chromstahl scheint in ähnlicher Weise wie Nickelstahl durch Herstellung einer stark chromhaltigen Eisenlegirung [z.B. von 49 bis 60 Proc. Cr] und Verschmelzen dieser mit dem nöthigen Zuschlag hergestellt zu werden; die Geschosse selbst haben 1¼ bis 2 Proc. Cr; Iron vom 2. December 1892, sowie vorhergehende Nummern bringen Näheres über die Fabrikation.) Durch den Schiessversuch wurde als beste Platte eine von Nickelstahl mit hohem Kohlenstoffgehalt erwiesen, deren Aussenfläche nach dem Harvey-Verfahren gehärtet war. Die zweitbeste Platte war von derselben Zusammensetzung, aber nicht besonders gehärtet; beide Platten waren von den Bethlehemwerken geliefert. Die beste Widerstandsfähigkeit wurde darin gefunden, dass die Spitze einer 15 cm-Granate nur 18 cm tief eindrang, während derübrige Geschosstheil in Splittern zurückflog; die Spitze schien dabei vollständig mit dem Plattenmetall verschmolzen zu sein (Fig. 11c). Beide Geschosse der rechten Seite der besten Platte (vgl. Fig. 12) zeigten diese Eigenschaft. Als geringer wurde die Widerstandsfähigkeit betrachtet, wenn die Granate tief eindrang und dann zurückprallte (Fig. 11b), für zu gering natürlich, wenn die Platte durchschlagen wurde (Fig. 11a, Stahlplatte von geringem Kohlegehalt). Durchgehende Risse schlimmer Art wurden in zwei Platten erzeugt, die der Fig. 12 wurden nicht für gefährlich erachtet. Die 20,3 cm-Granaten vermochten auch nicht die besten Platten zu durchschlagen. Die amerikanische Commission erklärte die beiden besten Platten für überlegen der 1890 in Annapolis beschossenen Nickelstahlplatte der Creuzotwerke. Textabbildung Bd. 288, S. 53 Fig. 11.Panzerschiessversuche. a Vollständig durchgeschlagenes Geschloss; b Einschlag eines zurückprallenden Geschosses; c Bestes Ergebniss. Geschosspitze in dem Panzer eingeschmolzen; rückwärtiger Geschosstheil in Splitter zerstreut. Diesen Platten ertheilte vielleicht der Stahl Elasticität, der Nickelzusatz die Zähigkeit; merkwürdig ist, dass sie durch das Harvey-Verfahren eine grosse Härte bekamen, ohne Neigung zur Rissebildung zu zeigen. Man kann vielleicht sagen, dass die beste Platte eine verbesserte Ausführung des den Compoundplatten zu Grunde gelegten Gedankens ist: vorn hart, um das Anritzen zu erschweren, hinten weich und zähe, um das Spalten bezieh. Weiterreissen zu verhüten; die Elasticität ist dabei noch eine besonders günstige Zugabe. Textabbildung Bd. 288, S. 53 Fig. 12.Vorder- und Rückseite der besten Panzerplatte des Versuchs in Indian Head (hochkohlenstoffhaltige Nickelplatte nach dem Harvey-Verfahren gehärtet.) In Portsmouth wurde am 1. November 1892 eine den besten gleiche (von Brown und Co. in Sheffield gelieferte) Platte in ähnlicher Weise von 3 bis 15 cm-Holtzer-Chromstahlpanzergranaten und von 2 bis 15 cm-Palliser-Panzergranaten beschossen (letzteres sind Granaten mit Hartgussspitzen). Letztere zerschellten vollständig; erstere drangen mit den Spitzen ein, verschmolzen diese mit dem Plattenmaterial und zerschellten mit dem Hintertheile (s. Fig. 11c); kein Riss wurde bemerkbar. Mitte November 1892 fanden Schiessversuche in Ochta bei St. Petersburg statt, in welchen eine von Brown und Co. gelieferte, durch ein besonderes Tresidder-Kühlverfahren gehärtete Compoundplatte vollständig unterlag. Die Platte hielt die vorgeschriebenen sechs Schuss nicht aus, sondern scheint schon durch fünf zerstört worden zu sein; was das Schlimmste war, sie zeigte Blasen und eine ungleichartige Beschaffenheit; hieraus und aus dem Verhalten der Annapolis-Compoundplatte musste der Schluss gezogen werden, dass eine zuverlässige, einwandfreie Herstellung der Compoundplatten nicht möglich ist und dass dieselben in der Zukunft kaum noch in Betracht gezogen werden dürfen. (Es wurden bei diesem Versuche noch andere Platten beschossen, von Cammell in Sheffield und von den Werken in St. Chamond; die Ergebnisse waren besser, haben aber jetzt kein Interesse mehr.) Am 13. December 1892 wurde in Ochta eine dritte Nickelstahlplatte mit gehärteter Aussenseite und 25 cm Dicke versucht (also gewissermaassen eine Wiederholung der Versuche von Indian Head und Portsmouth vorgenommen). Mit 4 bis 15 cm-Holtzer-Chromstahlgranaten ergab sich ein gleich günstiges Ergebniss wie früher (Fig. 11 und 12, Schuss c), kein Riss entstand, Um weiteren Aufschluss zu gewinnen, wurde die Platte noch mit 2 bis 22,9 cm-Granaten von 183 k Gewicht beschossen. Die erste derselben mit 505 m Auftreffgeschwindigkeit erzeugte ernstliche Risse in der Platte, aber kein Stück fiel herunter, kein Befestigungsbolzen brach. Der zweite Schuss geschah mit gleichem Geschoss, aber mit 576 m Auftreffgeschwindigkeit; hierbei brach das ganze Ziel, Platte nebst Hinterlage, zusammen; es wurde indess festgestellt, dass das Geschoss das Innere des Schiffes nicht beschädigt haben würde. Nachdem so der Werth der Nickelstahlplatte mit gehärteter Aussenseite von 25 cm Dicke endgültig festgestellt ist, soll demnächst (nach Iron) ein Versuch in Deutschland mit einer solchen von 31 cm Dicke stattfinden. Ein ungemein interessanter Versuch hat bei Portsmouth am 17. Jan. d. J. gegen eine nach Harvey gehärtete Stahlplatte (Dicke 26 cm) stattgefunden, um festzustellen, ob die Steigerung der Auftreffgeschwindigkeit der Geschosse erheblich die Durchschlagskraft vergrössert. Es zeigte sich, dass ein 15 cm-Holtzer-Geschoss mit 553 m Auftreffgeschwindigkeit nicht durchschlug, wohl aber dann, wenn es 598 m hatte. In Folge dieses Ergebnisses müssen alle Formeln für das Durchschlagen von Panzerungen erheblich verändert werden. Ein ähnlicher Versuch fand in Nordamerika am 2. Febr. gegen eine nach Harvey gehärtete Nickelstahlplatte von grösserer Dicke (35,6 cm) mit 25,3 cm-Chromstahlgranaten von 247 kg Gewicht statt. Es geschahen 4 Schuss mit 449, 567, 598 und 628 m Auftreffgeschwindigkeit, Durch die letzten Schüsse wurden Risse erzeugt und frühere erweitert, die Platte in Stücke geschlagen, ein vollständiger Durchschlag aber nicht erzielt. In Nordamerika und in Frankreich sind auch dünnere Platten von 7,6 bezieh. 7,2 cm Dicke versucht worden, die wahrscheinlich meist dazu dienen sollen, das Deck der Schiffe gegen die fürchterliche Wirkung der Schnellfeuerkanonen zu schützen. Leider sind die Schiessversuche so verschieden ausgeführt worden, dass sie keine Schlüsse gestatten. Die amerikanischen Platten hatten feste Holzhinterlage, die französischen waren in einem Holzrahmen befestigt, ohne Hinterlage. Diese Befestigungsweisen hatten jedenfalls Einfluss auf die Widerstandsfähigkeit; man kannindessen noch gar nicht bestimmt sagen, welchen. Wahrscheinlich aber waren die etwas elastisch befestigten französischen leichter zu durchschlagen (Versuche mit Handfeuerwaffen gegen Blechplatten und andere zurückweichende Gegenstände haben das bewiesen, vielleicht auch die Thatsache, dass man einen Nagel in die hohlliegende [federnde] Stelle eines Brettes nicht einschlagen kann, während er ganz leicht hineingetrieben wird, wenn die Auftreffstelle feste Hinterlage hat). Versuche darüber würden werthvollen Aufschluss geben und vielleicht dazu führen, diese Art von Schutzplatten so zu befestigen, dass sie beim Auftreffen eines Schusses etwas federnd nachgeben. (Zur Besprechung der „Panzerplatten“ wurden benutzt: Stahl und Eisen, Engineer und Engineering, Iron und besonders ein Aufsatz von Garrison im Journal of the Franklin Institution vom Juni und Juli 1892.) Wenn ein Nickelzusatz wirklich eine ungeahnte Verbesserung der Zähigkeit des Stahls herbeiführen sollte, so drängt sich nach diesen Panzerergebnissen die Frage auf, sollte nicht der Nickelstahl ein Material sein, was das unelastische Gelbmetall für die Patronenhülse der Gewehre ersetzen könnte? Vielleicht dürfte die Verminderung einer solchen Patronenhülse um 3 g in ihren Folgen ebenso wichtig für die Kriegführung sein, wie die Neupanzerung einiger Schlachtschiffe, für die gesammte Eisenindustrie würde sie wahrscheinlich dauernd von grösserer Bedeutung sein.