Titel: Neuerungen in der Gasindustrie.
Autor: Leybold
Fundstelle: Band 288, Jahrgang 1893, S. 282
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Neuerungen in der Gasindustrie. (Schluss des Berichtes S. 162 d. Bd.) Mit Abbildungen. Neuerungen in der Gasindustrie. Ueber Coze-Oefen und deren Beschickung von J. Anzböck. Der Coze'sche Ofen hat eine Neigung der Retorten von 30°; die automatische Beschickung besteht darin, dass auf einem auf dem Ofen liegenden Gleise kleine Wagen mit zwei oder drei Mulden verschoben werden können. Jede Mulde enthält die Ladung für eine Retorte und ist so gelagert, dass sie mittels Hebels in ihrer Längenachse zum Kippen gebracht werden kann. Die Retorten haben am höher gelegenen Ende eine gusseiserne senkrechte Verlängerung bis zur Ofenoberkante, in welcher Höhe der Verschluss angebracht ist. Beim Beschicken wird der Wagen mit den Mulden zur geöffneten Retorte geführt und eine Mulde gekippt. Die Kohle gleitet in die Retorte und lagert sich in derselben in gleicher Schichthöhe. So können zwei oder drei Retorten kurz nach einander geladen werden. Dann müssen die Wagen zu einem in der Gleishöhe befindlichen Kohlenreservoir geführt und wieder gefüllt werden. Man benöthigt zu dieser Ofenconstruction nur die Hälfte Arbeiter als bei der früheren Art. Ein Mangel ist die schlauchartige Verlängerung der Retorten nach oben, welche auch häufig undicht wird; bei der Entleerung des Koks kann nicht von oben nachgeholfen werden. E. Drory in Wien änderte die Verlängerung um, indem er nur ein kurzes Morton-Mundstück ansetzte; über den Ofen stellte er ein Kohlenreservoir mit einem Fassungsraume für die Verarbeitung von 24 Stunden. Unter dem Retortenhause steht ein Kohlenbrecher, welcher die Kohle in Stücke bricht; dieselbe fällt direct in einen Elevator und wird durch denselben über die Kohlenreservoire gehoben. Ueber letzteren ist ein wagerechter Transporteur angebracht, welcher die Kohle von dem Elevator aufnimmt und in der ganzen Länge in dem m Reservoir vertheilt. In jedem Transporteurgerinne sind in gewissen Entfernungen Schieber angebracht, durch deren Oeffnen die Kohle direct in das Reservoir fällt. Das Kohlenreservoir hat an seinem Boden zwei Oeffnungen für jeden Ofen, welche mittels Schieber verschliessbar sind. Unter dem Reservoir führen Schienen der ganzen Ofenreihe entlang; auf diesen hängen auf Rollen Füllkästen mit je einer Retortenladung Inhalt, unten mit einem Schieber versehen. Zur Verbindung derselben mit der Retorte dient ein Blechschlauch, welcher beweglich an dem Füllkasten hängt; für jede Retortenlage braucht man einen eigenen Blechschlauch, also drei verschiedene Längen. Man wendet deshalb drei Füllkästen mit verschieden langen Schläuchen an; jeder derselben bedient mehrere Oefen. Soll eine Retorte beschickt werden, so fährt man den Füllkasten unter die nächste Reservoiröffnung und füllt, indem man den Schieber öffnet. Dann rollt man den Kasten zu der Retorte, bringt den Blechschlauch mit Hebel in die Retortenmündung, öffnet den Kastenschieber, und die Kohle gleitet in die Retorte. Der Schlauch wird gehoben und das Mundstück geschlossen. Wegen der Verschiedenheit der Fallhöhe ist der Winkel, unter dem der Blechschlauch von der Verticalen in die Retorte gelangt, für jede der drei Retortenlagen ein anderer. Um zu verhindern, dass die Kohle in das untere Mundstück fällt, wird ein Blechschirm eingestellt, der die Kohle zur Stauung bringt. Bei dem Entleeren der Retorten werden beiderseits die Mundstücke geöffnet und der Koks vom oberen aus durch einen Stoss in den untergestellten Kokskarren gestossen. Das Entleeren und Füllen einer Retorte erfordert nur 45 Secunden. Die Steigrohre sind am unteren Ende der Retorte angebracht; Versuche, dieselben oben anzubringen, scheiterten, weil der Theer oben festbrannte und das Eingleiten der Kohlen hemmte. Die Leistungsfähigkeit ist bei gleicher Ofen tiefe 30 Proc. höher als bei gewöhnlichen Oefen, weil die Retorten in Folge ihrer geneigten Lage grösser werden. Der erforderliche Arbeitslohn beträgt die Hälfte gegen die gewöhnlichen Oefen. Die Baukosten sind etwa 1¾mal höher, als bei gewöhnlichen Rostöfen, als Generatoröfen gebaut sind sie billiger als gewöhnliche Generatoröfen. Zwei Oefen dieses Systems sind im Gaswerk Erdbergin Wien im Gang. (Vortrag auf der Versammlung des Gasindustriellen-Vereins zu Wien; Gastechniker, 1892 Bd. 18 S. 148.) Die Intze'sche Seilführung für Gasbehälterglocken. Von E. Blum. Die radiale Führung der Gasbehälter ist in der jetzigen Art noch keine vollkommene, indem bei einseitig auftretenden Kräften nur einzelne Rollen wirklich anliegen, während die anderen von den Führungen entfernt werden. Die unteren Rollen sind meist am untersten Rand der äusseren Glocke angebracht, so dass sie stets unsichtbar unter Wasser liegen. Wesentlich günstiger gestaltet sich das Wirken einseitiger Kräfte bei freistehenden Behältern mit Seitenführung (Tangentialführung). Professor Pfeifer in Braunschweig hat zuerst die Seitenführung so angeordnet, dass alle Rollen über Wasser liegen. Die Rollen für die äusserste Glocke sind an dem Bassinrand gelagert und führen sich an Schienen, welche an der Glocke angebracht sind. Eine solche Seitenführung bietet grosse Sicherheit gegen Schiefgehen der Glocke; allerdings ist in der tiefsten Stellung der inneren Glocken die Gefahr des Kippens vorhanden, weil die Entfernung zwischen den oberen Rollenböcken und denjenigen in der Ebene des Bassins in der Richtung der Verticalen sehr gering ist. Die Parallelführung hat vor diesen beiden Arten der Führung den grossen Vorzug, dass ein Kippen in Folge der geraden Führung ausgeschlossen bleibt. Der geringsten Neigung zum Schiefgehen wird durch sofortige Anspannung der entgegenwirkenden äusseren Zugorgane begegnet. Die Seilführungen von Pease sind als Parallelführung ausgebildet; dieselben haben hauptsächlich Anwendung gefunden, wo zwei- oder dreifache Behälter um eine Glocke erhöht werden sollen. Die vorhandenen Führungsgerüste können hierbei ohne Erhöhung bestehen bleiben. Pease führt Seile über die Glocken, und es stehen dieselben in einem derartigen constructiven Zusammenhang, dass Beschädigungen an einzelnen Seilen leicht die ganze Construction in Frage stellen können. Professor Intze hat eine Reihe von Seilen um die Glocke herum angeordnet, von denen schon zwei genügen, um den ganzen, auf die Glocke entfallenden Sturmdruck aufzunehmen. Die Seile wechseln in ihrer Anordnung so, dass jedes Seil ein dem vorhergehenden entgegengesetztes Kraftmoment aufnehmen kann. Die Beanspruchung mag daher kommen, von welcher Seite sie will, so werden stets die Seile der entsprechenden Anordnung den Druck aufnehmen. Durch entsprechende Ausbildung von Versteifungen in der Glocke ist ferner Fürsorge getroffen, dass alle im Oberring auftretenden Kräfte von diesem nach dem Unterring übertragen werden. In Fig. 8 auf nachfolgender Seite sind zwei solcher Seile angegeben, wie sie in grösserer Zahl um den Behälter herum angeordnet sind, aa ist die Oberkante des Bassins. Die Seile laufen mit dem nöthigen Zwischenraum von der Glocke wie folgt: Das Seil links ist an dem Oberring in entsprechendem Abstand befestigt, führt über die Rolle 2, welche ebenso wie die Rolle 3 am Bassin gelagert ist und führt dann nach unten zu 4 an den Unterring, wo es in gleichem Abstand befestigt ist, wie am Oberring. Da die Lage der Rollen 2 und 3 unverändert bleibt, so verkürzt sich beim Niedergang der Glocke das obere Seilende um ebenso viel, als sich das untere Seilende verkürzt. Ebenso führt das zweite Seil von oben über die beiden Rollen nach unten. Ausser diesen Seilrollen sind am Bassinrand Radialrollen angebracht, die den Radialdruck aufzunehmen bestimmt sind. Alle diese Rollen liegen leicht zugänglich am Bassinrand. Textabbildung Bd. 288, S. 284 Fig. 8.Intze's Gasglocke. Eine so ausgerüstete Glocke im Intze-Bassin ist in der Gasanstalt Sprottau in Schlesien in Ausführung. Bei doppelt ausziehbaren Behältern ist die Anordnung so zu treffen, dass die Rollen für die inneren Glocken auf dem äusseren Tassenrand gelagert sind, während die Rollen für den äusseren Mantel am Bassin gelagert werden (Fig. 8). (Gastechniker, 1892 Bd. 18 S. 269.) Ueber Fabrikation von Oelgas. Von E. Lecomte. Die Oele, deren sich die französischen Eisenbahnen für die Herstellung von Oelgas bedienen, sind von Schiefer- und Bogheadkohlen aus Schottland und Frankreich abdestillirt; ihre Haupteigenschaften sind in folgender Tabelle angegeben. HellesschottischesOel BraunesschottischesOel Oel von Autun(Saône etLoire) Oel vonBruxière(Allier) Spec. Gew. 0,86–0,87 0,865–0,87 0,89–0,90 0,89–0,90 Entflammungs-    punkt. 100–105° 100–105° 88–90° 88–90° Gasausbeute,    cbm aus 100 k 54–58 54–58 43–44 43–44 Die Vergasung geschieht in den Retorten bei einer Temperatur von 750 bis 800° C; die Retorten haben aussen 850 bis 900° C. Man erhält im Mittel 50 bis 52 cbm auf 100 k von der drei- bis vierfachen Leuchtkraft gewöhnlichen Steinkohlengases. In der Oelgasfabrik des Westbahnhofes zu Paris hat das Oelgas bei einem stündlichen Verbrauch von 22 bis 25 l im Manchesterbrenner eine Leuchtkraft von 6,5 Kerzen, auf 10 at comprimirt 4,5 Kerzen. Der Preis des Oels frei in Paris im Waggon von 5000 k in Fässern ist M. 18 die 100 k im Mittel. Für eine Production von täglich 80 cbm stellt sich der Herstellungspreis des Gases wie folgt: 150 k Oel zu M. 18 M. 27,00 Brennmaterial, 3 k Koks auf 1 cbm.   4,40 Holz, Reinigung, Putzwolle   1,20 Unterhaltung, Reparaturen   0,80 Arbeit, 11 Stunden für 1 Mann   5,28 –––––––––– Gesammt M. 38,68 Davon gehen ab 50 k Theer M. 1,80 1 leeres Fass                        „   1,80   3,60 –––––––––– Rest M. 35,08 Auf den Cubikmeter treffen somit 44 Pf. Hierzu kommen aber noch Verzinsung und Amortisation desCapitals. Nach einem anderen Beispiel, welches Verfasser angibt, sind die Kosten für 1 cbm bei 200 cbm täglicher Production 29,6 Pf. Mit allen Kosten zusammen kann man rechnen, dass die Selbstkosten des Cubikmeters sich zwischen 52 und 64 Pf. bewegen, in kleinen Anstalten dagegen zwischen 52 und 88 Pf. Lecomte's Schrift wendet sich besonders gegen die elektrische Beleuchtung der Waggons. Wenn man bei guten Brennern auf 22 l Oelgas 1 Carcel Leuchtkraft erhält, so kostet die Carcelstunde nicht mehr als 2,4 Pf., was bei elektrischer Beleuchtung nicht erreicht werden kann. (Revue industrielle, 1892 S. 397.) Leybold.