Titel: Elektrisch stellbare Weichen von Siemens und Halske.
Fundstelle: Band 289, Jahrgang 1893, S. 281
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Elektrisch stellbare Weichen von Siemens und Halske. Mit Abbildungen. Elektrisch stellbare Weichen von Siemens und Halske. Textabbildung Bd. 289, S. 281Elektrisch stellbare Weichen von Siemens und Halske. Die aus dem Wiener Werke von Siemens und Halske hervorgegangenen elektrisch stellbaren Weichen, welche auf der Frankfurter Ausstellung 1891 zu den wichtigsten, interessantesten und aufsehenerregendsten Neuheiten zählten, haben bereits gelegentlich unseres Berichtes über die auf der genannten Ausstellung vorhandenen Eisenbähneinrichtungen an dieser Stelle (vgl. 285 * 298) nähere Betrachtung erfahren; weitere Mittheilungen über die zu solchen Weichen anlagen gehörigen Stell- und Controlvorrichtungen brachte späterhin das Illustrirte österreichischungarische Patentblatt, Jahrg. 1893, Nr. 9, S. 114. Darnach steht die mit Hilfe eines Elektromotors stellbare und mit einem Verriegelungsmechanismus versehene Weiche mit dem Stellorte und mit der Elektricitätsquelle durch drei Leitungen in Verbindung, wovon eine den Weg für jenen Strom, der den Motor von rechts nach links antreibt, die zweite den Stromweg im entgegengesetzten Sinne und die dritte für beide Fälle die Rückleitung bildet. Gleichzeitig dient von den zwei erstgenannten Leitungen die jeweilig freie, d. i. die nicht vom Arbeitsstrom durchflossene, als Controlleitung. Die schematische Anordnung der betreffenden Stromwege erhellt aus Fig. 1 und 2, und zwar zeigt Fig. 1 die Apparate in einer Ruhestellung, wogegen Fig. 2 die Lage der Apparate bei einer Weichenumstellung kennzeichnet, welche der obigen Ruhelage nachfolgt. Bei A sind die Stellvorrichtung nebst den Controlapparaten ersichtlich gemacht, welche am Centralweichenstellwerke Platz finden; B ist ein gewöhnlicher, wahrscheinlich nur zur Vornahme von Leitungsuntersuchungen oder zur gelegentlichen Wegschaltung der Elektricitätsquelle dienender Ausschalter, der durch eine Feder stets sich selbst wieder einschaltet, Q bezeichnet die Elektricitätsquelle und C sind die elektrischen Theile der Weiche. Am Centralstellwerke A bildet ein zweispangiger Umschalter a, dessen Handhabe (Stellhebel) nach Art der zu Drahtzügen oder Rohrgestängen gehörigen Weichenstellhebel jedes gewöhnlichen Centralstellwerkes mit den in dasselbe sonst einbezogenen Weichen- oder Signalstellhebeln nach Bedarf gekuppelt, d.h. durch Verriegelungen in Abhängigkeit gebracht ist. Je nachdem die Handhabe des Umschalters a von links nach rechts oder von rechts nach links umgelegt wird, erfolgt dadurch die Umstellung der Weiche von der Geraden auf die Abzweigung und umgekehrt. Anschliessend an a ist ein aus zwei kreuzweis angeordneten Elektromagneten bc und de gebildeter Controlapparat eingeschaltet, dessen vier Spulen mit dünnem Draht bewickelt sind; zwischen den vier Polen ist der drehbare, oben mit einer Signalscheibe versehene Anker f so angebracht, dass er nach rechts bezieh. nach links liegt, solange durch de bezieh. durch bc Strom fliesst, sich aber gerade stellt, wenn beide Elektromagnete stromlos werden. Ein zweiter Neben apparat ist der elektrisch-selbsthätige Umschalter g, nämlich ein mit Spulen aus dickem Draht versehener Elektromagnet, dessen Anker bei Stromlosigkeit der Leitung oder ebensowohl bei vorhandenem schwachen Ruhestrom die Mittellage einnimmt und dadurch die metallische Verbindung der Klemme K11 mit K12, sowie der Klemme K13 mit K14 herbeiführt. Schliesslich befindet sich in A noch ein dritter Elektromagnet i (nicht bezeichnet, in den Figuren der unterste), dessen Spulen gleichfalls mit starkem Draht bewickelt sind, und dessen Anker mittels einer kräftig gespannten Abreissfeder so eingestellt wird, dass er nur dann aus seiner Ruhelage gebracht und angezogen werden kann, wenn der durch die Spulen gehende Strom eine gewisse, besondere Stärke erreicht. Der Anker stellt dann einen Kurzschluss zwischen den beiden Leitungen 8 und 9 her, wodurch der Strom über eine Widerstandsrolle w in die Windungen des Elektromagnetes eines Alarmapparates P (z.B. ein Läutewerk) gelangt und diesen thätig macht. An Stelle des Elektromagnetes i kann übrigens auch nur eine gewöhnliche Bleisicherung in Verwendung kommen. Der in C, d. i. an der Weiche angebrachte Elektromotor a ist mit einer mechanischen Vorrichtung gekuppelt (vgl. 1892 285 * 298), mittels welcher die Weiche für das eine oder für das andere Gleise eingestellt und in der erlangten richtigen Lage verriegelt wird. Mit dieser Vorrichtung sind weiters ein einarmiger, in der Ruhelage stets unterbrochener Umschalter β und ein zweiarmiger, in der Ruhelage stets contactgebender Umschalter γ derart verbunden, dass β bei jeder Weichenumstellung gleich beim Beginn der Entriegelung, je nach der Seite derselben, auf die Klemme K1 oder auf K2 gelegt wird und hier so lange verbleibt, bis die Weichenumstellung richtig erfolgt ist, worauf wieder die Unterbrechungslage eintritt; erst unmittelbar danach erfolgt die Umlegung des Umschalters γ, der während der ganzen Dauer der Weichenumstellung seine vorher innegehabte Lage beibehalten hat. Solange sich die Weiche nicht genau in ihrer Endlage befindet, d.h. solange die Zunge der Weiche nicht anliegt, bleibt für alle Fälle in β der Strom weg über K1 oder über K2 hergestellt. An den beweglichen Theilen der ganzen Stromweganlage lassen sich vier Hauptlagen unterscheiden. Die erste davon ist die in Fig. 1 dargestellte Ruhelage, welche eingenommen wird, solange die Weiche normal (zur Fahrt auf die Gerade) steht. In diesem Falle geht der Strom der Elektricitätsquelle Q durch die Leitungen 1, 2 über den Anker des Motors α, ferner über die Leitung 3, die Klemme K4, dann über 4, durch den Motorelektromagnet, über die Klemme K3 die Leitung 5, Klemmen K6, K7, die Elektromagnetspulen b, a, die Klemmen K11, K12, den Elektromagnet i, die Klemmen K15, K16, K14 und die Leitung 6 zu Q zurück. Dieser Strom wird zufolge des grossen Widerstandes, die ihm die dünndrähtigen Elektromagnetspulen bc darbieten, nur schwach und nicht im Stande sein, die Ingangsetzung und den Betrieb des Elektromotors a zu bewirken oder die Anker der Elektromagnete g und i aus ihrer Ruhelage zu bringen, wohl aber reicht der in Frage kommende Ruhestrom hin, den Anker f mit der Signalscheibe nach links abzulenken. Soll nun die Weiche auf Abzweigung gestellt werden, so hat zu diesem Ende der Centralweichenwärter in A die Handhabe des Umschalters a umzulegen, wodurch dieser die in Fig. 2 gezeichnete Lage erhält. Der Strom findet dann von Q über 1, 2, durch den Anker des Elektromotors α, über 3, K4, 4, durch die Windungen des Motorelektromagnetes, ferner über K3, 5, K8, K9, g, K12, i, K15, K16, K14 und 6 seinen Weg zu Q zurück. Dieser Strom ist wegen des geringen Widerstandes, den er in seinem Schliessungskreise vorfindet, kräftig genug, den Motor α so thätig zu machen, dass dieser die Umstellung der Weiche auf Abzweigung durchführt. Der kräftige Strom verursacht auch gleich im ersten Momente seines Auftretens eine Ablenkung des Elektromagnetankers bei g aus der normalen Mittellage, wodurch die zwischen K11 und K12, sowie zwischen K13 und K14 bestandene leitende Verbindung unterbrochen wird. Aber auch dieser Strom ist noch immer nicht kräftig genug, den Anker des Elektromagnetes i aus seiner Ruhelage zu bringen. Bei Beginn der Weichenumstellung versetzt sich der Umschalter β in die in Fig. 2 mit vollen Strichen dargestellte Lage, geht jedoch nach Beendigung der Weichenumstellung wieder in die gestrichelt dargestellte Lage zurück; unmittelbar darauf wechselt auch γ mit seinen beiden Contactspangen von K3 und K4 auf K4 und K5 und verbleibt so bis zur nächsten Weichenumstellung. Es ist nunmehr die zweite Ruhelage eingetreten, welche sich von der ersten, in Fig. 1 dargestellten, dadurch unterscheidet, dass die Umschalter a und y ihre zweite Contactlage einnehmen. Ein schwacher Ruhestrom kreist nun wieder von Q über 1, 2 durch α, über 3, K4, 4, durch den Motorelektromagnet, über K5, 7, K8, K10, de, K11, K12 (der Anker von g liegt wieder in der Mittellage, wie es Fig. 1 zeigt), i, K15, K16, K14 und 6 zu Q zurück. Da jetzt der Elektromagnet de erregt wird, hat sich die Signalscheibe des Ankers f nach rechts gelegt. Soll die Weiche schliesslich wieder in die ursprüngliche Lage zurückgebracht werden, so bringt der Centralweichenwärter die Handhabe des Umschalters a in die Normallage zurück. Ein ungeschwächter Strom findet dann seinen Weg von Q über 1, 2, durch den Motoranker, über 3, K4, durch die Windungen des Motorelektromagnetes, über K5, 7, K8, K9, g, K12, K14 und 6 zu Q und macht den Motor thätig. Es erfolgt die Weichenumstellung und Verriegelung, und dann tritt endlich aufs Neue jene Apparatlage ein, wie sie in Fig. 1 dargestellt ist. Würde während einer der beiden Ruhelagen die Weiche etwa durch Aufschneiden verschoben, so erfolgt dadurch die Umlegung der Contactspange des Umschalters β aus der Unterbrechungsstellung auf die Klemme K1 oder auf K2, und in diesem Falle gelangt der volle Strom von Q mit Umgehung des Motorelektromagnetes, nämlich über 1, 2, 3, K4, β, K2, K5, 7, K8, K9 bezieh. über 1, 2, 3, K4, β, K1, K3, 5, K6, K9 in die Elektromagnete g und i. Durch diesen Strom wird der Motor α natürlich in keiner Weise beeinflusst, wohl aber der Anker von g umgelegt und dadurch die Signalleitung S unterbrochen, sowie gleichzeitig der Anker des Elektromagnetes i angezogen, demzufolge der Alarmapparat P in Thätigkeit geräth. Vermöge der vorstehend geschilderten Anordnung leistet also die Siemens und Halske'sche elektrische Weichenstelleinrichtung nebst dem Weichenumstellen und Verriegeln noch Nachstehendes: Erstens wird durch den Controlapparat a regulär angezeigt, in welcher Lage sich die Weiche jeweilig befindet, zugleich aber auch das etwaige Auftreten einer Strom- oder Leitungsstörung unverzüglich signalisirt, indem sich die an f angebrachte Signalscheibe selbsthätig in die Mittellage stellt. Zweitens wird, wenn die Weiche etwa durch Aufschneiden verschoben würde, dieser Umstand durch das oben erläuterte Thätigwerden des Alarmapparates P kundgegeben. Schliesslich erfolgt während jeder Weichenumstellung und ebenso, wenn die Weiche aufgeschnitten würde, in früher dargelegter Weise die Unterbrechung der Leitung S. Diese letzte Anordnung ist vorwiegend in Hinblick auf österreichisch-ungarische Verhältnisse getroffen, nämlich unter der Voraussetzung, dass ein elektrisch betriebenes Distanzsignal (das bei Ruhestrom Frei, bei stromfreier Leitung Halt zeigt) mit der Weiche in Verbindung steht, oder dass zur Weiche ein Einfahrtsignal gehört, das mit der Siemens und Halske'schen elektrisch-selbsthätigen Rückstellvorrichtung (vgl. 1892 283 266) versehen ist.