Titel: Die Chemische Industrie auf der Columbischen Weltausstellung im J. 1893.
Autor: Otto Mühlhäuser
Fundstelle: Band 290, Jahrgang 1893, S. 185
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Die Chemische Industrie auf der Columbischen Weltausstellung im J. 1893. Von Dr. Otto Mühlhäuser. (Fortsetzung des Berichtes S. 159 d. Bd.) Die Chemische Industrie auf der Columbischen Weltausstellung im J. 1893. V.Fabrikation der Kunstmal- und Anstrichfarben, Lack- und Firnissfarben, Glas- und Porzellanfarben. Zu Kunstmal- und Anstrichfarben werden in Wasser unlösliche, luft- und lichtechte Farbstoffe verwendet. Voran die Mineralfarben, dann die in Wasser unlöslichen Verbindungen mancher Metalloxyde mit organischen Farbstoffen, die Farblacke. Die in der Natur sich findenden oder durch chemische Umsetzung erhaltenen Farben werden durch Pulvern, Malen, Zerreiben, Schlämmen in einen dem Gebrauche angemessenen, mehr oder weniger feinen Vertheilungszustand übergeführt. Die mit Wasser, Oel oder Leimwasser angeriebenen Pigmente kommen als Wasser-, Oel- oder Leimfarben zur Verwendung und dienen den Zwecken der Kunst- und Decorationsmalerei, zum Anstreichen bezieh. Bedecken von Flächen und Gegenständen. Die Bereitung der Malerfarben ist seit Jahrhunderten eine in Italien, Frankreich, England und Deutschland geübte Kunst und haben namentlich die in letzterem Lande erzeugten Präparate immer hohen Ruf genossen. In Amerika und Russland fabricirt man seit neuerer Zeit ebenfalls grosse Mengen Farben und verwendet sie zum Bedecken der Holz- und Backsteinhäuser. Das geschieht oft nur in einer Farbe, so dass eine Stadt nach den Ausübungen der Maler den Namen bekommt. So führt Chicago den Beinamen the White City. Für Firnisse und Lacke gebraucht man die in Spiritus und Weingeist löslichen Theerfarbstoffe. Als Glasfarben verwendet man die Oxyde der Schwermetalle, welche im Glasflusse gefärbte Silicate erzeugen. Porzellan wird mit durchsichtigen oder opaken Gläsern bemalt und unterscheidet man, je nachdem die Farbe auf das fertige glattgebrannte Porzellan oder aber auf den Scherben – unter der Glasur – aufgetragen wird, zwischen Emailfarben und Unterglasurfarben. An der Ausstellung betheiligen sich Amerika, Belgien, Deutschland, England und Frankreich. Die deutsche Ausstellung zeichnet sich durch Vielseitigkeit, durch Mannigfaltigkeit der Fabrikate, dann auch namentlich durch Vorführung neuer Producte und Methoden aus. Aussteller. Amerika. 1) Eugen Arnstein in Chicago. Ausstellung von Farben zum Anstreichen von Metallgegenständen. 2) International Ultramarin Works in New York. Ausstellung von Ultramarinblau. 3) H. W. John's Mfg. Co. in Chicago. Farben für Lacke und Firnisse in allen Nuancen. 4) John W. Masury and son in New York. Ausstellung von Lackfarben. 5) Heath and Milligan Mfg. Co. in Chicago. Ausstellung von Farblacken. 6) Rubber paint Co. in Chicago. Ausstellung von Farben für Farblacke. 7) The Rössler and Hasslacher Chemical Co. in New York. Ausstellung von Email- und Schmelzfarben für Porzellan-, Glas- und Thonwaaren und für Metalle, Materialien für Emaillirwerke, Unter- und Oberglasurfarben: Maron, Rosa, Purpur, Grün, Blau, Braun, Gelb; Metalloxyde für keramische Decorationszwecke: Silber-, Cobalt-, Zinn-, Eisen-, Kupferoxyd. 8) Henry Wood's sons Co. in Boston. Ausstellung von Chromgelb, Chromroth und anderen Pigmenten. Belgien. 1) Felix Mommen in Brüssel. Ausstellung von Kunstmalerfarben. 2) G. Botelberge in Melle. Ausstellung von Ultramarinfarben: blaue, grüne und rosa Marken. Canada. The Canada Paint Co. Ltd. in Montreal. Ausstellung von Farben zum Anstreichen und Bemalen von Holz, Stein, Metall, Lackfarben, Antirostfarben, Tapetenfarben, Farben für lithographische Zwecke, Kunstmalerfarben. Deutschland. 1) G. Bormann Nachfolger in Berlin. Die 1832 gegründete Firma wurde 1844 mit der damals rühmlichst bekannten Fabrik von J. Steiner verschmolzen. 1869 wurde die Firma vom jetzigen Inhaber Herrn Max Otto angekauft. Arbeitskräfte: 1 Inhaber, 26 Arbeiter. Die Firma erzeugt und stellt aus: Kunstmalerfarben, Buch- und Steindruckfarben, flüssige unverwaschbare farbige Ausziehtuschfarben, technische Farben. 2) Deutsche Gold- und Silberscheideanstalt vormals Rössler in Frankfurt a. M. Kapital: 5 Millionen Mark. Ausstellung von Glasur- und Emailfarben, Lustres, Cobaltoxyd, Uranoxyd und anderen Metalloxyden, Platinchlorid, flüssige Gold-, Silber- und Platintincturen u.s.w. 3) Gademann und Co. in Schweinfurt a. M. Arbeitskräfte: 2 Inhaber, 100 Arbeiter. Betriebskräfte: 3 Dampfkessel mit 120 2 Wasserkraftmaschinen. Die Fabrik wurde 1792 gegründet und befasste sich mit der Herstellung von Blei- und Kremserweiss. Später gesellten sich dazu Chrom- und Lackfarben. Die Fabrik verarbeitet: Blei und Zink, Zinksalze und bereitet daraus die verschiedensten Pigmente, welche zum Theil auch ausgestellt sind: Lithoponweiss (Zinksulfid), Baryt-, Blei-, Kremserweiss, Chromgrün und -gelb, Zinkgrün, Schweinfurter Grün, Farblacke, Permanentvictoriagrün als ungiftiger Ersatz für Schweinfurter Grün, Glanzgold und keramische Farben. 4) Dr. Graf und Co. in Berlin. Die 1889 gegründete Firma befasst sich mit Herstellung von Schuppenpanzerfarbe und einer Anzahl pharmaceutischer Artikel. Als Specialität wird die sogenannte Dr. Graf'sche Schuppenpanzerfarbe fabricirt. 5) Hemelinger Chemische Industrie, Dr. Aug. Behrens und Co., in Hemelingen. Arbeitskräfte: 2 Inhaber und 20 Arbeiter. Die 1881 begründete Firma stellt neben anderen Artikeln auch Farblacke dar. Letztere werden ausgestellt. 6) Dr. Emil Jacobsen in Berlin. Laboratorium und Fabrikation für chemisch-technische Specialitäten. Gegründet 1864. Ausstellung eines neuen Malmittels genannt „Aquolin“. Dasselbe verleiht, wenn zu Tempera-, Quache- und Aquarellfarben zugesetzt, erhöhte Dauerhaftigkeit und Leuchtkraft. Wird gleichzeitig „Aquolin fixativ“ angewendet, so lassen sich eigenartige Effecte hervorbringen, welche die Vorzüge der Tempera- und Oelbilder ohne deren Nachtheile zeigen. Die Eigenart der Aquolinmalerei wird vorgeführt durch Bilder u.s.w. Ausgestellt sind ferner: Cascinfirniss, Aquarellfarben, waschechte Zeichenfarben in Roth und Schwarz, Farben zum Färben künstlicher Massen. 7) Käst und Ehinger in Stuttgart. Die in Feuerbach bei Stuttgart gelegene Fabrik wurde 1865 gegründet und befasst sich mit Herstellung von Buch- und Steindruckfarben aller Art u.s.w. Arbeitskräfte: 3 Chemiker, 17 Beamte und 50 Arbeiter. Ausgestellt sind die Farbstoffe der Fabrikation. Sehr reiche Ausstellung. 8) Bruno Lampel in Cöln-Ehrenfeld. Die Fabrik erzeugt mit einem Personal von 45 Arbeitern Erd- und Mineralfarben, sowie chemische Farben aller Art. Ausgestellt sind: Chrom- und Zinkfarben, Zinnoberersatz, schwarze Farben, Erdfarben, Oxydfarben. 9) Michel und Morell in Eppstein im Taunus und Höchst a. M. Die 1840 begonnene Fabrikation ging 1846 auf die jetzige Firma über. Arbeitskräfte: 2 Inhaber und 40 Arbeiter. Producirt werden schwarze Pigmente, Elfenbein und Beinschwarz, Kienruss, Oelruss. Productionswerth: 400000 M. Ausgestellt sind die verschiedenen Russorten, Beinschwarz u.s.w. 10) Johann Gottlieb Müller und Co. in Stuttgart. Die 1891 gegründete Fabrik stellt feine Temperamalfarben und dazu gehörige Malmittel nach den Vorschriften von Pereira-Arnstein dar. Die Firma bringt die damit hervorgebrachten Effecte zur Darstellung (Bild von Bougereau). 11) W. Rannefeld und Co. in Blankenburg a. Harz. Die Firma besitzt Filialen in Thale a. Harz, Saalfeld und seit 1892 auch eine in Bruchmühlen und fabricirt Erdfarben und Mineralfarben. Productionswerth: 0,5 Millionen Mark jährlich. Hauptproducte der Firma sind: Umbra, Siena, Ocker, Schwärzen, Venetianisch-, Pompejanisch- und Engliseh-Roth, Oliv- und Tuschfarben. Ausgestellt sind die genannten Fabrikate. 12) Dr. Eugen Schaal in Feuerbach bei Stuttgart. Arbeitskräfte: 2 Inhaber, 16 Arbeiter. Productionswerth: 500000 M. jährlich. Die 1883 gegründete Fabrik fabricirt die von E. Schaal erfundenen Harzsäureester, Asphaltproducte, Siccatine, Terpentin- und Esterlacke, Lackanstrichfarben, Antioxyde und Firnisse aller Art. Ausgestellt sind: Ester, Esterlacke und Emailfarben und mit den Lacken angestrichene Gegenstände. 13) Dr. Theodor Schuchardt in Görlitz. Ausstellung von Metalloxyden für die Glas- und die keramische Industrie: Cupr. oxyd., Ferr. oxydat., Chrom, oxydat., Niceol. oxydat., Uran, oxydat. u.s.f. 14) G. Siegle und Co. in Stuttgart. Arbeitskräfte: 3 Inhaber, 5 Chemiker, 26 Beamte und 140 Arbeiter. Die 1848 unter der Firma Heinrich Siegle gegründete Fabrik vereinigte sich 1873 mit der Badischen Anilin- und Sodafabrik in Ludwigshafen. 1889 löste sich die Fabrik wieder ab und wurde unter der Firma G. Siegle und Co. weiter betrieben. Fabricirt werden alle Arten von Farben für Malerei, Buch- und Steindruck, Anstrich: Carmin, Carminlack, Krapplack, Carminzinnober, Zinnoberimitation, Permanentgrün, Conditorei- und Spielwaarenfarben, Farben für Papier, Buntpapier, Tapeten u.s.w. Ausgestellt werden die von der Firma fabricirten Artikel. Hervorragende Ausstellung. 15) Vereinigte Ultramarinfabriken vormals Leverkus. Zeltner und Consorten in Nürnberg. Arbeitskräfte: 4 Directoren, 622 Arbeiter. Betriebskräfte: 25 Dampfkessel mit 1306 qm Heizfläche, 24 Dampfmaschinen mit 1001 , 16 Wasserräder mit 80 . Der Geschäftssitz ist Nürnberg, die Fabriken liegen in Nürnberg, Leverkusen, Linden, Oberndorf-Schweinfurt, Marienberg, Sophienau, Andernach, Oker, Montabaur. Die Fabrikation des Ultramarins wurde auf Grund der Gmelin'schen Mittheilungen 1834 von Leverkus und 1837 von J. Zeltner ausgeführt. Es entstand allmählich die durch viele Firmen vertretene deutsche Ultramarinfabrikation, welche schliesslich durch Ueberproduction und maasslose Concurrenz zu Grunde zu gehen schien. Da vereinigten sich im J. 1890 die beiden ältesten und bedeutendsten Fabriken unter der oben genannten Firma und zwangen die übrigen Firmen zum Beitritt bezieh. zur Arbeitseinstellung. Letzteres Schicksal erfuhren die Firmen: Theunert und Gechler in Chemnitz, Ultramarinfabrik Wilh. Büchner in Pfungstadt, Horadam und Co. in Düsseldorf, G. G. Stinnes in Ruhrort, S. F. Holzapfel in Grab. Dem Ringe schlössen sich an: die Hannoversche Ultramarinfabrik in Linden, Schweinfurter Ultramarinfabrik in Oberndorf, Actiengesellschaft Blaufarbenwerk Marienberg, Actiengesellschaft Sophienau, Eisfeld, Jordan und Hecht in Oker, Andernacher Ultramarinfabrik, J. Nuppeney und Co. in Andernach und Gebrüder Bohl in Montabaur. Der in den oben genannten Fabrikbetrieben der Firma erzeugte Productionswerth beträgt 4 bis 5 Millionen Mark im Jahr. Die Rohmaterialien des Betriebes sind: Kieselerde, Thonerde, Sulfat, Soda, Schwefel, Holzkohle, Harz. Daraus bereitet die Firma blaue, grüne, violette und rothe Farbstoffe in Pulver- und Teigform, in Kugeln, Stangen, Würfeln in allen möglichen Qualitäten. Die Firma bringt eine blaue Felsengrotte, vor welcher eine ägyptische Sphinx als Sinnbild des Geheimnisses der Fabrikation liegt, zur Darstellung. Ein den Felsen krönender Adler hält das deutsche und Vereinigte Staaten-Wappen in den Fängen. England. 1) Lewis Berger and Sons Ltd. in London. Ausstellung einer hervorragend schönen Sammlung von Farben und Farblacken. 2) Madderton and Co. in Loughton. Ausstellung von Malerfarben. 3) Winsor and Newton in London. Ausstellung von Kunstmalerfarben: Ceruleo, Cadmiumorange, Carminlack, Chromoxyd, Cobaltblau, Auroragelb, Ultramarin u.s.w. Hervorragend schöne Ausstellung. Frankreich. 1) Deschamps frères in Vieux Jeand'heure mit Filialen in Renesson und Moskau. Ausstellung von Ultramarinblau, -grün, -rosa und -purpur. 2) Ch. Expert, Besançon et de. in Paris. Weisse und rothe Erdfarben. 3) E. Hardy, Milori et Cie. in Paris. Ausstellung von Carmin-, Krapp-, Indigofarben, 80 verschiedene Marken. 4) Olive frères in Paris. Ausstellung von Farbstoffen aller Art. 5) Société Anonyme des Blanc de Zinc in Montdidier. Ausstellung von Zinkweiss in vielen Marken. 6) L. Vasselot in Paris. Ausstellung einer recht guten Sammlung von Cadmiumgelb, Cobaltblau in allen möglichen Tönungen, Jodquecksilber, Quecksilbersulfocyanat. Russland. Chemische Fabrik A. Beinhertz in St. Petersburg. Ausstellung von Mineralfarben. VI.Düngerindustrie. (Stassfurter Salzbergbau, Chilesalpetergewinnung, Phosphatgewinnung.) Beim Stoffwechsel des Thieres werden bekanntlich Eiweiss, Fette, Stärke und Zucker, die Nährstoffe in Kohlensäure, Wasser und Ammoniak bezieh. auch Harnstoff übergeführt. Aus diesen einfachen Verbindungen baut umgekehrt die Pflanze das Eiweiss, die Fette und Kohlenhydrate wieder auf. Die Kohlensäure entnimmt die Pflanze der Atmosphäre, das Wasser und den Stickstoff dem Boden. Letzteren in Form von Salpetersäure, welche durch Oxydation von Ammoniak und organischen Stickstoffverbindungen unter Mitwirkung eines Spaltpilzes (Winogradsky) entsteht. Einige Pflanzen, so die Papilionaceen: Wicken, Bohnen, Erbsen, Klee u.s.w., vermögen den Stickstoff der Atmosphäre zu entnehmen. Weitere wichtige Pflanzennährstoffe sind, wie Liebig zuerst dargethan hat, gewisse Aschenbestandtheile der Pflanze: Kali, Magnesia, Kalk, Eisen, Schwefelsäure und Phosphorsäure, während wieder andere, wie Kieselsäure, Chlor und Natron, unwesentlich für das Gedeihen der Pflanze sind. Die Schwefelsäure und Phosphorsäure verwendet die Pflanze zum Aufbau der Eiweisstoffe, das Eisen geht in das Chlorophyll über, Kali dient zur Bildung der Pflanzensäuren, Kalk ist für das Skelett der Pflanze nöthig. Findet eine Pflanze die ihr nöthigen Nährstoffe nicht vor, so verkümmert sie. Entzieht man also letztere dem Boden durch Ernten, so muss man sie demselben wieder zuführen. Eisen, Magnesia, Schwefelsäure finden sich meist so reichlich im Boden, dass man sie nicht zugeben muss, Aehnliches gilt vom Kalk. Wo letzterer fehlt, düngt man mit Gyps, Kalkmergel, saure Böden wohl auch mit Aetzkalk. Dagegen müssen die grossen Mengen von Kali, Phosphorsäure und Stickstoff; welche dem Boden durch unsere in Massen angebauten Culturpflanzen entzogen werden, wieder zugeführt werden. Das geschieht vielfach durch Anwendung künstlicher Dünger. Die wichtigsten Kunstdünger sind: Kalidünger, Phosphatdünger und Stickstoffdünger. A) Kalidünger. Erst durch die Stassfurter Kaliindustrie ist das Kali billig und in solchen Mengen erhältlich geworden, wie sie die Landwirthschaft benöthigt. Man verwendet den Kalidünger vorzugsweise in Amerika und ist dieses Land in dieser Beziehung vollständig von Deutschland abhängig. Bei der Weltstellung, welche die Salzlager von Stassfurt für die Landwirthschaft und die chemische Industrie besitzen, erscheint ein näheres Eingehen darauf an dieser Stelle gerechtfertigt. In dem südwestlich von Magdeburg belegenen Städtchen Stassfurt waren schon im 13. Jahrhundert Salzsolen bekannt, welche namentlich im 16. und 17. Jahrhundert viel Salz lieferten. Man gewann das Salz durch Abdampfen der Solen in offenen Pfannen. Als man anderwärts Steinsalz entdeckte, konnte das auf unrationelle Weise gewonnene Stassfurter Salz nicht mehr concurriren und die Salzsiedereien wurden eingestellt. 1839 begann die preussische Regierung in der Gegend von Stassfurt Bohrversuche anstellen zu lassen, in dem Erwarten, dabei Steinsalz zu erbohren. Die Anzeichen dafür waren günstig, die Resultate entmuthigend. Die Arbeiten führten aber zur Niedertreibung eines (im J. 1852 begonnenen) Schachtes. 1857 stiess man in einer Tiefe von 1080 Fuss auf eine Schicht von Steinsalz, nachdem man zuvor ein Depositum sogen. „Abraumsalze“, welche vorzugsweise aus Kali- und Magnesiasalzen bestanden, durchbrochen hatte. Diese Salze wurden damals für werthlos gehalten und weggeworfen, aber schon 1861 wurde ihre Bedeutung durch A. Frank erkannt. Seit dieser Zeit sind die Stassfurter Abraumsalze eine Quelle des nationalen Wohlstandes geworden. Sie ermöglichten im Deutschen Reiche die Schaffung einer eigenartigen Industrie, der Potascheindustrie, und bilden heute in der Landwirthschaft der Welt einen Factor, ohne welchen nicht mehr gerechnet werden kann. Man nimmt an, dass das Salzlager durch Austrocknen eines Meerbeckens entstanden ist, welches mit einem Ocean in Verbindung gestanden hat und von letzterem – vielleicht durch eine seichte Meerenge – alljährlichen Wasserzufluss erhalten hat. Thatsächlich besitzt das Salzlager zwischen 8 bis 9 cm mächtigen Steinsalzschichten dünne Anhydritschnüre, wirkliche Jahresringe, welche während eines Zeitraumes von 10000 Jahren ein alljährliches abwechselndes Auskrystallisiren von Steinsalz im Sommer und von Calciumsulfat während des Einströmens von neuem Wasser beweisen. Die unterste Schichte des Salzlagers besteht aus Anhydrit (CaSO4), dann kommt das Steinsalz mit jenen Anhydritschnüren in einer Mächtigkeit von 3000 Fuss. Je mehr man nach oben kommt, desto mehr nehmen die Anhydritschnüre an Dicke ab, bis sie zuletzt durch Polyhalit (SO4Ca + SO4K2 + SO4Mg) ersetzt werden. Die Zone, wo der Polyhalit vorherrscht, heisst die Polyhalitregion. Ihr folgt die Kieseritregion, in welcher zwischen Steinsalz Kieserit (SO4Mg) eingebettet liegt. Ueber dem Kieserit liegt die Potascheregion, welche hauptsächlich aus einem Carnallitdepositum (KCl + MgCl2) besteht. Letzteres hat eine Mächtigkeit von 50 bis 130 Fuss und bildet die Hauptquelle für das Rohmaterial der Stassfurter Kalisalzindustrie. Das ganze Salzlager ist schliesslich von einer undurchlässigen schützenden Salzthonschicht bedeckt. Ueber diesem Thondache liegt eine in der Dicke variirende Schicht von Anhydrit, darüber ein zweites Salzdepositum, welches späteren klimatischen bezieh. atmosphärischen Einflüssen oder vielleicht chemischen Veränderungen sein Dasein verdankt und fast chemisch reines, über 98 Proc. NaCl haltiges Steinsalz birgt. Ueber dieser Salzschicht liegen Schichten von Gyps, zähem Thon, Sand und Kalkstein, welche zu Tage treten. Die Stassfurter Salzlager haben eine Ausdehnung, welche sich vom Harze bis zur Elbe und in der anderen Richtung von Magdeburg bis Bernburg erstreckt. Vom niedersten Punkte bis zum obersten der Salzoberfläche sind es – lothrecht gemessen – 5000 Fuss. Die verschiedenen Schichten folgen natürlich nicht immer regelmässig auf einander. Es haben Versenkungen u.s.w. stattgefunden, ein Depositum findet sich daher nicht immer in derselben Tiefe. An manchen Stellen ist durch Risse und Spalten Wasser eingedrungen und hat dort die Kalilager vollständig abgelöst oder solche in secundäre Producte umgewandelt. Daher kommt es, dass man das Vorkommen des Kainit, Sylvinit und anderer Verbindungen hat, welche man jedoch nur in der obersten Schicht findet, da sie eben in der erwähnten Weise entstanden sind. Die in den Salzbergwerken von Stassfurt vorkommenden Mineralien theilt man zweckmässig in Gruppen ein. Jede der in folgender Zusammenstellung aufgezählten acht Gruppen enthält Mineralien ähnlicher Zusammensetzung und Varietäten mit Unterschieden in Farbe und Krystallform. Gruppe I: Steinsalz der untersten Schicht (NaCl). Steinsalz mit Anhydrit (CaSO4), Steinsalz mit Anhydrit (krystallisirt), Steinsalz mit Polyhalit (K2SO4, MgSO4, 2 CaSO4, 2 H2O), Steinsalz mit Schwefel, Glauberit (CaSO4 + Na2SOl4. Gruppe II: Steinsalz der obersten Schicht (NaCl). Steinsalz vollständig rein und krystallisirt, Steinsalz, weiss, nicht krystallisirt, Steinsalz, roth, nicht krystallisirt, Steinsalz, rosa, nicht krystallisirt, Steinsalz, blau, nicht krystallisirt, Steinsalz, blau, in Krystallen. Gruppe III: Carnallit (mit Steinsalz und Kieserit). Carnallit, krystallisirt (KCl, MgCl2, 12 H2O), Carnallit, weiss, Carnallit, gelb, Carnallit, roth, Carnallit, grau und schwarz, Tachhydrit (CaCl2, 2 MgCl2, 12 H2O). Gruppe IV: Kieserit (mit Steinsalz). Kieserit, rein weiss (MgSO4, H2O), Reichardtit (MgSO4, 7 H2O), Astracanit, krystallisirt (Na2SO4, MgSO4, 4 H2O), Astracanit, weiss, Astracanit, gefärbt, Pyrit, krystallisirt (FeS2), Pyrit, amorph. Gruppe V: Hartsalz (NaCl-KCl-MgSO4, H2O), Steinsalz-Sylvin-Kieserit. Hartsalz, gefärbt, Hartsalz, weiss, Sylvin, krystallisirt (KCl), Sylvin, krystallinisch, Sylvin, amorph, Sylvinit, weiss (Sylvin-Steinsalz-Kainit), Sylvinit mit blauem Steinsalz, Sylvinit, grau, Sylvinit, roth. Gruppe VI: Kainit (K2SO4, MgSO4, MgCl2, 6 H2O). Kainit, krystallisirt, Kainit, weiss, Kainit, gelb, Kainit, roth, Kainit, schwarz, Krugit (K2SO4, MgSO4, 4 CaSO4, 6 H2O). Gruppe VII: Schoenit (K2SO4, MgSO4, 6 H2O). Schoenit, weiss, Schoenit, blaugrau, Leonit (K2SO4, MgSO4, 4 H2O). Gruppe VIII: Boracit (Stassfurtit), 2 Mg3B8O15 . MgCl2. Stassfurtit, weiss, Stassfurtit, gelb, Boracit, krystallisirt (Mg3B8O15), Pinnoit (MgB2O4, 3 H2O), Ascharit (3 Mg2B2O5, 2 H2O, Hintzeїt (Kaliborit Hintzeit) (2 K2B6O10, 9 MgB4O7, 39 H2O). Die meisten der oben genannten Mineralien haben nur wissenschaftliches Interesse. Technische Wichtigkeit haben allein das Steinsalz, der Carnallit, der Boracit, der Kainit und der Sylvinit; es sind dies auch mit Ausnahme des Steinsalzes die Rohstoffe der Stassfurter Kaliindustrie. 1) Steinsalz. Das Steinsalz der unteren Schicht des Stassfurter Salzlagers ist sehr unrein, so dass es aus diesem Grunde nicht gewonnen wird, besonders darum nicht, weil Salz von ausserordentlicher Reinheit aus dem oberen Salzdepositum erhältlich ist. Davon werden auch ungeheure Mengen alljährlich gefördert. Die beste Qualität Steinsalz enthält 99 Proc. NaCl. Man mahlt und verkauft es in sieben verschiedenen Feinheitsgraden. Es dient hauptsächlich als Tischsalz, Buttersalz und zum Einsalzen von Fleisch. Unreineres Steinsalz verwendet man als Viehsalz entweder gepulvert oder in rohen Blöcken als Lecksteine. Letztere erhält man auch durch Pressen von gepulvertem Steinsalz. Grosse Mengen von Steinsalz consumirt die chemische Industrie, namentlich die chemische Grossindustrie und die Anilinfarbenindustrie. 2) Carnallit. Carnallit ist das wichtigste der rohen Potaschesalze. In reinem Zustande hat das Mineral folgende Zusammensetzung: 26,8 Proc. KCl, 34,5 MgCl2, 38,7 H2O. Man findet es in den Mienen in verschiedenen Varietäten, weiss, gelb, roth, grau und selbst schwarz. Die Farben rühren von Beimengungen her, so von Eisenoxyd, Thon, organischen Substanzen u.s.w. Lager von reinem Carnallit findet man selten und meist nur solche von geringer Ausdehnung. Meist findet er sich mit Steinsalz und Kieserit verwachsen. Beim Abbau trennt man den Carnallit, so gut es geht, vom Steinsalz und hat er dann folgende durchschnittliche Zusammensetzung: 61 Proc. Carnallit, 25 Steinsalz, 12 Kieserit, 2 Anhydrit und Thon. Der Carnallit dient zum Düngen von solchen Feldern, die nicht allzuweit vom Bergwerke entfernt liegen. Zum Transport auf weite Strecken passt er nicht, da er zu voluminös ist. Für landwirthschaftliche Zwecke wird er in Pulverform verkauft und wird ein Gehalt von mindestens 9 Proc. Potasche gewährleistet, was 14,3 Proc. KCl entspricht. Man verwendet ihn auch zum Präserviren von Stallmist, in kleineren Mengen auch für Badezwecke und zum Entfernen von Schnee auf Bahngleisen. Bergkieserit. welcher eine ähnliche Zusammensetzung wie Kieserit besitzt, wird zu ähnlichen Zwecken gebraucht. Der bei weitem grösste Theil der Carnallitausbeute wird jedoch in den Fabriken der chemischen Industrie auf folgende Artikel verarbeitet: Chlorkalium in verschiedenen Reinheitsgraden mit 70, 80, 90 und 99 Proc. Gehalt an KCl, calcinirte Düngersalze mit einem Kaligehalt von 15 bis 37,8 Proc., Kieserit in Blöcken, 55 Proc. MgSO4 enthaltend, calcinirten Kieserit mit einem Minimalgehalt von 70 Proc. MgCl2, schwefelsaure Magnesia, etwa 48,8 Proc. MgSO4 und je nach der Qualität 0,02 bis 0,2 Proc. Chlor enthaltend, Natriumsulfat: a) krystallisirt: mit einem Gehalt von 44 Proc. SO4Na2 und 0,2 Proc. NaCl, b) calcinirt: 95 Proc. Na2SO4 und 1 Proc. NaCl enthaltend, c) rein: 99,5 Proc. Na2SO4 und 0,3 Proc. NaCl enthaltend. Aus den Mutterlaugen der oben genannten Chemikalien werden folgende Producte gewonnen: Magnesiumchlorid geschmolzen mit 47 Proc. MgCl2, Brom mit einem Maximalgehalt von 0,03 Proc. Cl, Bromeisen, calcinirte Magnesia in verschiedenen Reinheitsgraden. 3) Boracit. Der Boracit findet sich meist im Carnallit eingebettet. Die Einschlüsse werden ausgelesen und mit einem Minimalgehalt von 75 Proc. borsaurer Magnesia verkauft. Er dient zur Fabrikation von Borsäure. 4) Kainit. Reiner Kainit enthält: 35,1 Proc. SO4K2, 24,2 SO4Mg, 18,9 MgCl2 und 21,8 H2O. Die Farbe des Kainits variirt mit den Beimengungen. Sie ist weiss, grau, rosa, blau, violett oder schwarz. Kainit ist stets mehr oder weniger mit Steinsalz gemischt und das Handelsproduct enthält im Mittel 55 bis 70 Proc. reinen Kainit und 30 bis 45 Proc. Steinsalz. In fein gemahlenem Zustande wird der Kainit in grossen Mengen zu landwirthschaftlichen Zwecken verwendet. Garantirt wird ein Gehalt von 12,4 Proc. Kali, was 23 Proc. K2SO4 entspricht. Verhältnissmässig geringe Mengen werden zur Fabrikation der folgenden Präparate verwendet: Schwefelsaure Kalimagnesia, calcinirt. Mit einem Minimalkali geh alt von 25,9 Proc., entsprechend 48 Proc. SO4Na2. Schwefelsaure Kalimagnesia, krystallisirt. Das Product enthält 21,6 Proc. K2O = 40,0 Proc. SO4K2. Schwefelsaures Kali, 96 Proc. 5) Sylvinit. Dieses Mineral wird erst seit kurzer Zeit in grösserem Maasstabe gewonnen. Es ähnelt dem Hartsalz und besteht aus einer Mischung von Sylvin (KCl) mit Steinsalz und etwas Kainit. Im Mittel besteht das Mineral aus: 22 bis 30 Proc. KCl, 60 70 NaCl, 4 12 schwefelsaure Kalimagnesia. Wie Kainit dient auch der Sylvinit Düngerzwecken. Er ist aber etwas kalireicher. Geringe Mengen davon werden auch auf Chlorkalium verarbeitet. Die nachstehende Tabelle zeigt, welche Mineralien in der Landwirthschaft verwendet werden und welches ihre durchschnittliche Zusammensetzung ist: Textabbildung Bd. 290, S. 189 Namen der Salze; K2SO4; KCl; MgSO4; MgCl2; NaCl; CaSO4; In H2O unlösl. Stoffe; H2O; Auf K2O berechnet; Steinsalz; Rohsalz; Kainit; Carnallit; Bergkieserit; Sylvinit; Fabrikate: Sulfate, Kalisulfat; Schwefelsaure Kalimagnesia; Chloride: Chlorkalium; Calcin. Düngersalz mit mindestens 20 Proc. Kali; Calcin. Düngersalz mit mindestens 15 Proc. Kali; Chloride u. unlösl. Stoffe; Kohlensaure Kalimagnesia; KHCO3; CO3Mg Folgende Tabelle gibt an, welche Mengen Kalisalze durch die deutschen Kaliwerke verkauft worden sind (in Tonnen zu je 1000 k): Textabbildung Bd. 290, S. 190Im Jahre; Kainit; Carnallit; Kieserit; Sylvinit; Für Agriculturzwecke; Deutschland; Alle anderen Lander; Zur Fabrikation concentrirter Salze; Deutschland Die folgende Tabelle zeigt, wie viel Tonnen Rohsalze durch die deutschen Kaliwerke verkauft worden sind: ImJahre Stein-salz Carnallit Kieserit HartsalzSchoenit Kainit Sylvinit Boracit 1857   12797 1858   25567 1859   15386 1860   31863 1861   40314     2293 1862   47045   19726     20 1863   42402   58303     68 1864   46511 115408     88     4 1865   45027   87670     74     1313     8 1866   49128 135553   413     908     4900   14 1867   56153 141604 1143     624     8351   10 1868   71945 167336 1417     308   10463   18 1869   65201 211883   226   16857   26 1870   52018 268225     70   1423   18877   16 1871   50154 335944     47   3886   32695   15 1872   55334 468527     22     215   17851   25 1873   64341 441078       7        6     6094   25 1874   71072 414961     16     9751   12 1875   77705 498736       5     304   23818   11 1876   76656 563669   145     161   17776   24 1877   80525 771819   151   2170   33305   44 1878 101694 735750   519   1522   32480   97 1879 107471 610427   760   1379   48827 104 1880 118170 528211     892   1695 137795 107 1881 149257 744726   2081   3028 155301 116 1882 141338 1059299   4658   3719 144757 125 1883 152746 950203 11790   2216 226600 205 1884 180818 739958 12388 14102 203004 159 1885 212082 644709 11969 26458 245911 142 1886 233543 698229 13917   6775 240552 149 1887 201962 840206 14185       57 237570 150 1888 191595 849602 10753 56462 319110   2220 169 1889 259286 798721   9354 41916 320694 28328 139 1890 302205 838525   6951 43745 358125 31918 164 1891 365910 818862   5815 45249 467244 32661 180 1892 293247 736750   5782 40689 545084 32669 166 In Amerika düngt man da und dort auch noch mit Holzasche, mit der Asche von Baumwollsamenhülsen und mit Tabakstengelasche. Holzasche enthält 3 bis 8 Proc., Baumwollsamenhülsenasche 17 bis 42 Proc. und Tabakstengelasche 4 bis 9 Proc. Kali. Die Kalisalze werden dem Boden entweder für sich oder aber mit löslichen Phosphaten und Nitrat gemischt (complete fertilizer) zugegeben. Wichtigere Kalipflanzen sind: Tabak, Mais, Kaffee, Baumwolle, Klee, Kartoffeln. Rüben, Gemüse, Obstbäume. (Schluss folgt.)