Titel: Ueber Fortschritte auf dem Gebiete der Gerberei.
Autor: Johannes Pässler
Fundstelle: Band 297, Jahrgang 1895, S. 89
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Ueber Fortschritte auf dem Gebiete der Gerberei. Von Dr. Johannes Pässler in Freiberg i. S. (Schluss des Berichtes S. 66 d. Bd.) Ueber Fortschritte auf dem Gebiete der Gerberei. b) Weissgerberei. Auf dem Gebiete der Weissgerberei sind in der Neuzeit wenig Fortschritte zu verzeichnen; die Gerbeverfahren sind in der Hauptsache dieselben geblieben. Die bei den verschiedenen Verfahren der Weissgerberei stattfindenden Vorgänge sind in eingehender Weise von KnappD. p. J. 1866 181 311. und von ReimerD. p. J. 1872 205 253. 358. 457. studirt worden. Seit einigen Jahren kommt aus Nordamerika eine neue Lederart, „Dongolaleder“ genannt, auf den Markt, welche als Ersatz des Kidleders dient. Dieses Dongolaleder ist zugleich weissgar und lohgar; zu seiner Herstellung werden die Felle, und zwar namentlich Schaf-, Ziegen- und Kalbfelle, aber auch gespaltene Rindshäute, zunächst weissgar und dann mit Pflanzengerbstoffen lohgar gemacht; von letzteren werden vorzugsweise Gemische von Catechu, Myrobalanen, Valonea und Sumach benutzt. Das Dongolaleder zeichnet sich, vor dem Kidleder durch seine grössere Widerstandsfähigkeit gegenüber Feuchtigkeit aus. In Deutschland hat StraussD. R. P. Nr. 71005. ein Patent auf ein Verfahren genommen, nach welchem lohgare Felle in weissgare umgewandelt werden können. Es werden dabei die pflanzlichen Gerbstoffe durch Einwirkung von Wasser, Alkalien und Säuren zunächst theilweise entfernt und nachträglich die Häute noch mit Quebracho- und Blauholzextractlösungen, sowie mit Eisen- und Kupfervitriollösungen behandelt. Welchen Zweck dieses Verfahren eigentlich haben soll, ist nicht recht einzusehen. c) Sämischgerberei. Die Sämischgerberei hat ebenso wie die Weissgerberei wenig Neuerungen aufzuweisen; dieselbe wird gegenwärtig fast noch ebenso wie vor langen Zeiten betrieben. Einem eingehenderen Studium ist ganz besonders das Abfallproduct der Sämischgerberei, der Degras oder Moëllon, unterzogen worden. Dieses Product, welches namentlich in der Lohgerberei zum Schmieren des Leders eine sehr ausgedehnte Verwendung findet, war früher wenig untersucht; erst EitnerDer Gerber, 1890 S. 85. 109. 133. 145. 158. 170. 181. 279., SimandDer Gerber, 1890 S. 243. 254. 266. 279., FahrionZeitschrift für angewandte Chemie, 1891 Heft 6. 15. 21. und JeanMon. scientif., 1889 S. 15. haben sich mit der Untersuchung über die Bildung, Zusammen- und Wirkung desselben befasst. Die Ansichten dieser Autoren gehen zum Theil sehr weit aus einander. Eitner und Simand nehmen an, dass der Degras seine specifische Wirkung einem Bestandtheile verdanke, der durch Einwirkung des Thrans auf die Hautsubstanz beim Sämischgerbeprocess sich bilde und den sie als „Degrasbildner“ bezeichnen. Diese Substanz soll stickstoffhaltig sein und der Handelswerth eines Degras soll direct von dem Gehalte an Degrasbildnern abhängen. Fahrion widerlegt die Eitner'schen und Simand'schen Angaben und kommt auf Grund seiner Untersuchungen zu dem Resultat, dass der „Degrasbildner“ stickstoffrei ist und aus Oxyfettsäuren besteht, die sich aus den im Thran enthaltenen Fettsäuren durch Oxydation beim Sämischgerbeprocess gebildet haben. Diesen Oxyfettsäuren, bezieh. den Glyceriden derselben, verdankt auch der Degras seine gute Eigenschaft, sich mit Wasser sehr vollständig emulsioniren zu lassen. Nach Fahrion ist ein üb er massig hoher Gehalt des Degras an Oxyfettsäuren nicht günstig, sondern macht denselben sogar ungeeignet zum Schmieren von Leder. In den citirten Artikeln haben Simand und Fahrion auch Methoden zur Untersuchung des Degras angegeben. Dieses Abfallproduct der Sämischgerberei wird jetzt durch Zusatz billiger Surrogate, wie Wollfett, Vaseline, Harzöl u.s.w., vielfach verfälscht und deswegen ist beim Einkauf desselben eine chemische Untersuchung sehr angezeigt. Es sind auch Patente auf Verfahren zur künstlichen Herstellung von Degras durch Oxydation der Thrane genommen worden, so z.B. von Schill und Seilacher. Der auf diese Weise hergestellte Degras stellte sich aber theurer als das auf gewöhnlichem Wege gewonnene Product, weswegen dieses Verfahren keine praktische Bedeutung gewonnen hat. d) Mineralgerberei. Die Mineralgerberei, zu welcher eigentlich auch die Weissgerberei zu rechnen ist, umfasst die verschiedenen Gerbeverfahren unter Benutzung von Eisen- und Chromsalzen. Die Anwendung von Eisenoxydsalzen ist schon im vorigen Jahrhundert von d'Arcet empfohlen worden, doch waren die dabei erhaltenen Producte, ebenso wie die nach den Verfahren von Bordier und BellfordD. p. J. 1855 138 310. gegerbten Leder, vollständig unbrauchbar. Erst mit den Untersuchungen Knapp's trat die Eisengerberei in ein anderes Stadium, obwohl auch die mit den verschiedenen Knapp'schen Verfahren erzielten Resultate nicht derartige waren, dass sich diese Leder allgemeinen Eingang hätten verschaffen können. Knapp hat die Ergebnisse seiner Untersuchungen und Gerbeversuche mit Eisensalzen und mit Verbindungen aus diesen mit verschiedenen organischen Substanzen in einer kleinen SchriftMineralgerbung mit Metallsalzen und Verbindungen aus diesen mit organischen Substanzen als Gerbmaterial. Braunschweig 1892. Friedr. Vieweg und Sohn. zusammengefasst. Die Knapp'schen Gerbeverfahren sind auch patentirt worden.D. R. P. Nr. 444 und Nr. 10450. D. p. J. 1876 220 381. 1878 227 86. 185. 229 180. 1880 238 261. Nach Knapp werden Lösungen von basischem Ferrisulfat verwendet, für deren Herstellung er mehrere Vorschriften angibt. Diese Eisensalzlösung soll entweder für sich allein oder in Verbindung mit Seife, Blut oder Urin zum Gerben benutzt werden; nach Knapp gibt die Verbindung des Eisensalzes mit Urin hinsichtlich der Qualität, der Herstellungskosten und der Gerbedauer sehr befriedigende Resultate. Hierzu ist jedoch zu bemerken, dass, falls auch das Knapp'sche Verfahren die erwähnten Vortheile besitzt, die so hergestellten Urinleder sich beim Publikum wohl kaum einer allgemeinen Beliebtheit erfreuen dürften, weil zu ihrer Herstellung ein menschlicher Abfallstoff verwendet worden ist. Der Berichterstatter hat auch schon an anderer Stelle die Bedenken ausgesprochen, welche der Einführung dieses Verfahrens entgegengebracht werden dürften. Wie stark die Abneigungen gegen solche Abfallstoffe sind, ersieht man aus dem Bestreben, den in der Glacélederfärberei als Beize verwendeten menschlichen Urin durch eine andere Substanz zu ersetzen, obwohl hierbei das Leder mit dem Urine nur in sehr flüchtige Berührung gelangt. Bevor man das Knapp'sche Verfahren jedoch vollständig ablehnt, sollte man Versuche damit im Grossen machen und die damit hergestellten Leder auf ihre Gebrauchsfähigkeit prüfen. Würden diese Versuche günstig ausfallen, so könnte man das Knapp'sche Verfahren vielleicht zur Herstellung von Riemenledern u.s.w. verwenden, während die von Knapp vorgeschlagene Combination mit Kochsalz und einer Fettemulsion zur Herstellung von Glacéleder wegen seiner Unappetitlichkeit auf dem Markte voraussichtlich keine Erfolge erzielen wird. Zur Herstellung von eisengarem Leder empfiehlt FriesJahresber. der chem. Techn., 1887 S. 1226. D. R. P. Nr. 39758. die Blössen zunächst in ein kohlensäurehaltiges Bad von Eisenvitriol und Natriumbicarbonat und nach 2 bis 3 Tagen in eine concentrirte Lösung von Eisenvitriol und Kochsalz einzulegen. Hierauf werden die Häute zur Oxydation des Eisensalzes an die Luft gehängt und dann geschmiert. Auch dieses Verfahren hat nicht den gewünschten Erfolg in der Praxis gehabt. In der jüngsten Zeit hat ReinschD. R. P. Nr. 70226. ein Patent auf Eisengerbung genommen; derselbe empfiehlt als Gerbemittel Eisenoxychloridchlornatrium, welches durch Zusatz von Sodalösung zu Eisenchloridlösung gewonnen wird. Reinsch ersetzt also nur das von Knapp angewendete basisch schwefelsaure Eisenoxyd durch das salzsaure Salz; das Chlornatrium, welches mitverwendet wird, ist beim Gerbeprocess nicht indifferent, sondern wirkt wie bei der Weissgerberei als eine die Endosmose befördernde Substanz. Zur Anwendung der Reinsch'schen Eisengerbung empfiehlt der Erfinder das von ihm herrührende System der Rieselgerbung, welches schon weiter oben besprochen worden ist. Erfahrungen aus der Praxis über dieses Eisengerbeverfahren liegen noch nicht vor, so dass man ein endgültiges Urtheil darüber nicht abgeben kann. Die Chromgerbung, welche eine Reihe von Jahren sehr wenig von sich hören liess, hat in den letzten Jahren, besonders in Nordamerika, grosse Fortschritte gemacht, so dass derselben noch eine grosse Zukunft, auch auf unserem Continente, bevorsteht. Der erste Vorschlag, Chromsalze bezieh. chromsaure Salze für Gerbezwecke zu verwenden, rührt von CavalinMuspratt, Chemistry, Bd. 2 S. 521. her; nach ihm hat sich HeinzerlingD. R. P. Nr. 5298, Nr. 10665, Nr. 14769. D. p. J. 1879 233 86. 1880 235 51. 1881 240 71. 1885 255 451. mehrere Patente auf Chromgerbeverfahren geben lassen. Nach Heinzerling werden die Blössen zunächst in eine Lösung von Alaun, Kochsalz und chromsauren oder dichromsauren Salzen oder Chromoxydsalzen und nach mehrtägigem Liegen in derselben in eine Lösung von Chlorbarium, essigsaurem Blei oder Seife gebracht; nachdem die Häute vollständig gar sind werden sie oberflächlich getrocknet und in Lösungen von Paraffin, Stearin, Wachs oder Harz in Benzin oder ähnlichen Stossen eingelegt. Die weitere Zurichtung ist wie beim lohgaren Leder. Das Heinzerling'sche Verfahren ist früher praktisch angewendet worden, jedoch ohne dauernden Erfolg; gegenwärtig hat man dasselbe in seiner ursprünglichen Form vollständig verlassen. Die neueren Chromgerbeverfahren, von denen in Nordamerika mehrere patentirt worden sind, weichen wesentlich von der Heinzerling'schen Methode ab. Nach diesen Patenten werden in den Vereinigten Staaten jetzt grosse Mengen Leder für Schuhzwecke hergestellt und auch zu uns importirt; so stellt z.B. eine Fabrik in Chicago wöchentlich 42000 chromgare Ziegenfelle fertig. Von den amerikanischen Chromgerbeverfahren sind namentlich die von NorrisAmerikanisches Patent Nr. 498067, 498077 und 518467., Schultz, JahnAmerikanisches Patent Nr. 504012, 504013, 504014 und 511007. und DennisAmerikanisches Patent Nr. 495028. zu nennen. Das Principielle der ersten drei Verfahren ist die Reduction von doppeltchromsauren Salzen bezieh. von Chromsäure auf der Hautfaser mit Hilfe verschiedener Agentien. Norris verwendet als Reductionsmittel Schwefelwasserstoff, wobei die Chromsäure zu Chromoxyd reducirt wird; Schultz reducirt nach seinem Verfahren die in saurer Lösung befindlichen doppelt-chromsauren Salze mittels schwefliger Säure zu Chromsulfat, und Jahn verwendet zur Reduction Schwefelalkalien und arsenigsaure Alkalisalze und setzt den Salzlösungen ausserdem noch Zinksulfat und Mangansulfat zu. Das Dennis'sche Verfahren gleicht dem weiter oben besprochenen, in Deutschland patentirten Reinsch'schen Gerbe verfahren mit Eisenoxychloridchlornatrium; Dennis stellt die von ihm verwendete entsprechende Chromverbindung durch Zusatz von Sodalösung zu einer Auflösung von Chromoxyd in Salzsäure her. Aus mehreren der amerikanischen Patente, z.B. aus dem von Jahn, zu welchen immer wieder neue hinzutreten, ersieht man die Sucht, durch irgend welche indifferente Zusätze oder durch Ersatz einer Substanz durch eine ähnliche die ursprünglichen Verfahren abzuändern, ohne dass dadurch eine Verbesserung erzielt wird. e) Gerberei diverser Lederarten. (Fettgarleder, Crownleder, Transparentleder u.s.w.) Für bestimmte technische Zwecke, z.B. zur Herstellung von Schlagriemen, Nähriemen und Binderiemen, für Dichtungen u.s.w. wird Leder gebraucht, welches hohen Anforderungen genügen muss; vor allem muss dasselbe sehr geschmeidig, dabei sehr zähe und haltbar sein, ferner soll dasselbe sehr widerstandsfähig gegenüber Feuchtigkeit sein. In der Neuzeit hat man verschiedene Lederarten hergestellt, die diesen Anforderungen meistens vollständig entsprechen. Das gewöhnliche Fettgarleder tauchte zuerst auf; dasselbe wird in der Weise hergestellt, dass die reinen Blössen meistens erst in Lohbrühe angefärbt und dann durch Einlegen in eine Alaun-Kochsalzlösung schwach weissgar gemacht werden; hierauf walkt man die Häute mit Fett, wozu gern Pferdefett verwendet wird. Später hat KlemmD. p. J. 1853 129 305. 1855 136 69. ein anderes Verfahren zur Herstellung von Fettgarleder angegeben; das danach hergestellte Leder führt im Handel den Namen Klemm'sches Fettgarleder oder, weil der englische Lederfabrikant Preller diese Lederspecialität mit einer Krone als Handelsmarke versah, Crownleder. Nach der ursprünglichen Vorschrift stellte man das Crownleder in der Weise her, dass die abgewalkten Blössen in einer Walktrommel, die eine Zufuhr von warmer Luft durch die hohlen Achsen gestattet, mit einem Gemisch aus Mehl, Rindsgehirn, Butter, Milch, Pferdefett und Kochsalz so lange gewalkt werden, bis die Häute nahezu trocken und gar sind; bei starken Häuten muss diese Behandlung mehrmals wiederholt werden. Dieses Verfahren ist jetzt abgeändert worden, indem man bei der obigen Nahrung das Gehirn, die Butter und die Milch weglässt und dafür die Häute mit einem Brei von Mehl, Pferdefett, Talg, Kochsalz und Wasser walkt. Das jetzt hergestellte Crownleder zeichnet sich vor allem durch seine ausserordentliche Zugfestigkeit und durch die Billigkeit seiner Herstellung aus; es wird in grossen Mengen producirt und findet für viele Zwecke Verwendung. In den letzten Jahren sind auf dem Ledermarkte, vorzugsweise von Amerika aus, mit grosser Reklame eine Anzahl Lederarten angeboten worden, welche das Crownleder noch übertreffen sollen. EitnerDer Gerber, 1891 S. 132. 1893 S. 39, 219 und 231. hat mehrere solcher Lederspecialitäten untersucht und gefunden, dass dieselben sich meist vom Fettgarleder oder Crownleder nur wenig unterscheiden oder wenigstens denselben sehr ähneln. Zur Herstellung des Greenleders (auch Brownleder oder Oak-tanned-Leder genannt) werden die Blössen zunächst in Eisenvitriollösung, dann in Catechulösung und hierauf nochmals in Eisenvitriollösung eingehängt; nach dem Trocknen erfolgt dann ein starkes Einfetten mit Harzöl, Vaselinöl oder Weissgerberdegras. Das als American Rawhide bezeichnete Leder wird mit Alaun, Kochsalz und einer Fettmischung gegerbt, die aus Wollfett, Vaselinöl, Paraffin und Harzöl besteht. Das für Schlagriemen empfohlene Tenaxriemenleder soll nach Eitner vermuthlich in der Weise hergestellt werden, dass die Blössen zunächst mit Quebracho- und Eichenholzextract schwach lohgar gemacht werden und hierauf eine reichliche Thunfischthrangare erhalten. Als ein Mittelding von Transparentleder, welches weiter unten besprochen wird, und Crownleder bezeichnet Eitner das Heurekariemenleder, welches mit Glycerin und Pferdefett gegerbt ist; Mineralstoffe sind hierbei ausgeschlossen. Unter dem Namen Transparentleder kommt seit einer Reihe von Jahren eine Lederspecialität in den Handel, dessen Herstellungsverfahren von L. Starck in Mainz herrührt. Nach diesem werden die abgewalkten Blössen in Rahmen gespannt und während des Trocknens wiederholt mit einem Gemisch von Glycerin, Borsäure, Salicylsäure und Pikrinsäure bestrichen; hierauf erfolgt noch ein Aufstrich mit einer Kaliumbichromatlösung. Dieses Leder ist nach dem Trocknen stark durchscheinend und führt daher seinen Namen; dasselbe ist sehr geschmeidig und sehr widerstandsfähig gegenüber Zug und wird deswegen gern als Nähriemenleder verwendet, während es gegenüber Feuchtigkeit wenig beständig ist. H. Zurichtung. Während früher auf die Zurichtung der verschiedenen Lederarten bei weitem nicht so grosse Sorgfalt verwendet wurde, geschieht dies jetzt in Folge der hohen Anforderungen, die man auch an das Aussehen des Leders stellt, in sehr hohem Maasse. Manche gerberische Betriebe verdanken ihren geschäftlichen Ruf in der Hauptsache nur der vorzüglichen Zurichtung der von ihnen hergestellten Leder. Namentlich auch in Folge der Vervollkommnung der in der Zurichterei verwendeten Maschinen ist man zu so günstigen Resultaten gelangt. Es würde zu weit führen, auf alle einzelnen Verbesserungen in der Zurichtung der verschiedenen Ledersorten näher einzugehen; nur der eine Theil derselben, das Schmieren, verdient besondere Beachtung, weil derselbe jetzt noch äusserst verbesserungsbedürftig ist. Erst in den letzten Jahren sind auf diesem Gebiete Neuerungen zu verzeichnen, mit Hilfe welcher das Schmieren erleichtert wird und grosse Ersparnisse an Schmiermaterial erzielt werden können. Das ursprüngliche Schmieren der Leder wurde mit Hilfe der Handschmiermethode oder durch Einbrennen ausgeführt; das erstere Verfahren besteht darin, dass man die feuchten Leder mit der Fettmischung bestreicht und dann in einem warmen Raume trocknen lässt, wobei das Fett theilweise bis in das Innere des Leders einzieht. Beim Einbrennen wird das heisse geschmolzene Fett direct auf das erwärmte Leder aufgetragen. Die Handschmiermethode, bei welcher Gemische von Talg, Thran und Degras verwendet werden, leidet namentlich daran, dass das Fett nur unvollständig in das Leder eindringt und vor allen Dingen die höher schmelzbaren Bestandtheile des Fettes auf dem Leder sitzen bleiben und bei den späteren Zurichtearbeiten zum grössten Theile als Abstossfett oder in den Blanchirspänen wieder entfernt werden. EitnerDer Gerber, 1880 S. 219. hat diesbezügliche Untersuchungen ausgeführt und schlägt zur Erzielung besserer Resultate bei der Handschmiermethode vor, die Temperatur beim Trocknen der Leder zu erhöhen und Fettgemische von niedrigerem Schmelzpunkte als bisher zu verwenden. In vielen Gerbereien wird seit einer Reihe von Jahren das Fett nicht mehr auf die obige primitive Weise, sondern durch Einwalken in Walkfässern, auf welche wir noch weiter unten zurückkommen, in das Leder gebracht. Diese Walkfässer und das Fettgemisch werden vor dem Einbringen der Leder angewärmt, aber selbst dieses genügt nicht, wie v. SchroederDeutsche Gerberzeitung, 1893 Nr. 11, 12, 65 und 67. nachgewiesen hat, zu einer vollständigen Durchdringung des Leders seitens des Fettes, v. Schroeder untersuchte Fahlleder, welche in einem erwärmten Walkfasse geschmiert worden waren, sowie die dabei abfallenden Blanchirspäne, wobei gefunden wurde, dass mit den Blanchirspänen gerade derjenige Theil des Leders verloren geht, welcher den grössten Fettgehalt und den grössten Gerbstoffgehalt besitzt. Bei Untersuchung des zum Schmieren verwendeten Fettgemisches, sowie des im Leder und des in den Blanchirspänen enthaltenen Fettes ergab sich, dass während des Fettens eine theilweise Entmischung der Fette stattfindet, weil die Temperatur nicht beständig hoch genug gehalten werden kann. Die leichter schmelzbaren Bestandtheile dringen tiefer in das Leder ein, während die schwerer schmelzbaren Bestandtheile auf der Aussenseite des Leders und in den äusseren Schichten desselben sitzen bleiben und beim Blanchiren mit den Blanchirspänen entfernt werden. Es ist hieraus zu ersehen, dass beim Einwalken des Fettes in einem Walkfasse die Temperatur mindestens so hoch sein muss, als der Schmelzpunkt des Fettgemisches beträgt, damit keine Entmischung der Fette eintreten kann. Es ist jedoch schwierig, in diesen einfachen Walkfässern die Temperatur auf einer constanten Höhe zu erhalten, weil man während des Walkens keinen Wasserdampf einleiten darf. Bei dem Schmierverfahren von Quaedvlieg und bei dem von GruthölterD. R. P. Nr. 64271., welche diese Schwierigkeit überwunden haben, werden besonders dazu construirte Walkfässer verwendet, von welchen das des ersteren als Walkfass „Reform“ und das des zweiten als Walkfass „Integral“ bezeichnet wird. Das Reformwalkfass besteht aus einem doppelwandigen Walkfass, bei welchem man während des Einwalkens zwischen die beiden Wände beständig einen schwachen Dampfstrom einleitet, wodurch die Leder und das Fett während der ganzen Operation auf einer bestimmten höheren Temperatur erhalten werden können. Bei dem Gruthölter'schen Integralwalkfass geschieht die Erwärmung nicht durch Dampf, sondern durch warme trockene Luft, die durch die hohle Achse in das Walkfass eingeführt wird. Hierbei dringt das Fett in demselben Grade, als das Wasser aus den feuchten Ledern verdunstet, bis in das Innere des Leders ein. Bei diesen beiden Schmier verfahren ist von den Principien des Fettens richtige Anwendung gemacht worden, weswegen bei denselben gute Resultate erzielt werden müssen. I. Lederfärberei. Obwohl die Färberei in gewissen Industriezweigen, wie namentlich in der Textilbranche, schon lange zu einer verhältnissmässig hohen Entwickelung gelangt war, lässt sich dies von der Lederfärberei nicht sagen. In diesem Zweige wurde früher aufs Gerathewohl gearbeitet, ohne dass man die allgemeinen Principien der Färberei berücksichtigte. Man begnügte sich oft damit, die Leder einfach mit Abkochungen von Pflanzenstoffen zu behandeln, von denen man wusste, dass sie z.B. in der Wollfärberei als Farbmaterial Verwendung finden; man kümmerte sich aber nicht darum, dass dieses Farbmaterial zur Bildung des eigentlichen Farbstoffes oder zu dessen Befestigung noch einer Beize bedürfe. In dieser sinnlosen Weise wird heute noch in manchen sogen. Lederfärbereien „gefärbt“; natürlich sind die Färberesultate meist auch dementsprechend. Im Allgemeinen macht man von den Principien der Färberei am wenigsten beim Färben lohgarer Leder Anwendung, während die Glacélederfärberei schon längere Zeit rationell und in Folge dessen auch mit sehr guten Resultaten arbeitet. Früher wurde in der Glacélederfärberei, welche auch gegenwärtig meist noch mit Pflanzenfarbstoffen arbeitet, als alkalisches Beizmittel der faule Urin verwendet. Man ist stets bestrebt gewesen, diese unsaubere Flüssigkeit aus der Färberei zu verbannen, allein nach der Aussage von Praktikern sind alle bis jetzt vorgeschlagenen Ersatzmittel nicht im Stande gewesen, den faulen Urin vollständig zu ersetzen, welche Ansicht entschieden auch mit auf Vorurtheilen zurückzuführen ist. Das bekannteste und bezüglich seiner Zusammensetzung dem faulen Urine am nächsten kommende Surrogat ist eine Lösung von Hirschhornsalz, welcher meist noch Kaliumbichromatlösung zugesetzt wird. Die letztere hat jedoch den Nachtheil, dass die damit arbeitenden Färber an den Händen und Armen einen sehr hartnäckigen Ausschlag bekommen, was viele Färbereien veranlasst hat, zur Anwendung des ekelerregenden menschlichen Abfallstoffes zurückzukehren. MüllerD. R. P. Nr. 66998. schlägt vor, statt des Urins stark verdünnte alkalische Abfallauge aus den Melasseentzuckerungsanstalten zu benutzen, was jedoch auch keine Verbreitung in der Praxis gefunden hat. Einen grossen Umschwung hat die Lederfärberei durch die Entwickelung der Theerfarbenindustrie genommen. Die von derselben erzeugten künstlichen Farbstoffe sind meist solche, welche das Leder direct färben und nicht erst besonderer Beizen bedürfen; aus diesem Grunde ist es auch dem, welcher mit den Principien der Färberei nicht vollständig vertraut ist, möglich, mit diesen Farbstoffen zufriedenstellende Resultate zu erhalten. Seit der Anwendung der Theerfarben hat die Lederfärberei eine viel grössere Verbreitung gewonnen. Früher war man allgemein der Ansicht, dass alle künstlichen Farben nicht so widerstandsfähig gegenüber dem Licht wie die mit natürlichen Farbstoffen erzeugten wären. Man ist aber auch schon hiervon abgegangen, seitdem man eingesehen hat, dass es unter den künstlichen Farbstoffen ebenso wie unter den natürlichen stark lichtechte und wenig lichtechte Farben gibt; man hat also nur nöthig, sich widerstandsfähigere Farbstoffe auszusuchen. K. Maschinen und Apparate. Durch die Entwickelung der Maschinentechnik, welche sich in den letzten Jahrzehnten in staunenswerther Weise vollzogen hat, ist die Gerberei, wie viele andere Industrien, in ein anderes Stadium eingetreten. Die Maschinenindustrie hat der Gerberei eine grosse Menge von Kraft- und Arbeitsmaschinen geliefert, deren vollständige Aufzählung und Besprechung hier natürlich nicht durchgeführt werden kann. Es sollen nur die wichtigsten Maschinen genannt werden. Zur Zerkleinerung der Gerbmaterialien verwandte man früher lediglich Steinmühlen, Rindensehneider und Stampfen, während man jetzt zur Erzielung feinerer Mahlproducte Raspelmaschinen, Glockenmühlen, Schleudermühlen, Excelsiormühlen und ähnliche Maschinen benutzt. Eine maschinelle Einrichtung, welche sich erst in den letzten Jahren mehr bei uns eingebürgert hat und eigentlich in keiner Gerberei fehlen sollte, stellt das Walkfass dar. Dasselbe lässt sich für die verschiedensten Operationen in der Gerberei gebrauchen, wie z.B. beim Erweichen stark aufgetrockneter Häute, zum Waschen der Häute, zum Auswaschen der fertigen Leder, zum Walken der Leder mit Sumachbrühe, um dieselben aufzuhellen, zum Schmieren, zum Einwalken der Gare und zum Broschiren in der Glacé- und Kidledergerberei u.s.w. Eine weitere Maschine, welche sich sehr raschen Eingang verschafft hat und mit Hilfe welcher bedeutend an Zeit gespart werden kann, ist die Spaltmaschine, welche ausserdem noch den Vortheil hat, dass man bei ihrer Verwendung in den Spalten einen brauchbaren Abfall erhält. Es existiren zwei Systeme von Spaltmaschinen: die Bandmesserspaltmaschinen und die Unionspaltmaschinen, von welchen auf der letzteren nur Häute, die vollständig oder nahezu gar sind, gespalten werden können. Die Bandmesserspaltmaschine gestattet auch halbgare Leder und noch nicht angegerbte Häute, die eben aus dem Aescher kommen, zu spalten. Vor der Construction dieser Maschinen mussten die Häute zu ihrer Egalisation stark gefalzt oder blanchirt werden, wobei in den Falz- bezieh. Blanchirspänen ein sehr geringwertiges Abfallproduct entstand; jetzt kann man mit Hilfe der genannten Maschinen grössere Flächen Leder abspalten, welche als Futterleder oder zu ähnlichen Zwecken noch eine gute Verwendung finden. Für die Vorarbeiten in der Gerberei hat man auch eine Anzahl verschiedener Maschinen construirt, wie z.B. Enthaar-, Entfleisch-, Glatt-, Ausreck-, Auswasch-, Schabmaschinen. Diese Maschinen sind meist so beschaffen, dass sie die Handarbeit nicht vollständig ersetzen können, sondern dass sie noch ein Nacharbeiten mittels der Hand erfordern. Die meisten Maschinen sind für die verschiedenen Zurichtearbeiten gebaut worden. Die früher in den Sohlledergerbereien ausschliesslich gebrauchte Handkarrenwalze ist fast ganz verdrängt worden durch Maschinen verschiedener Construction, wie Maschinenkarrenwalzen, Walzwerke, Pendel walzen, Lederhämmer u.s.w. Zur Zurichtung von Zeug-, Oberledern u.s.w. verwendet man jetzt Glanzstoss-, Chagrinir-, Glänz-, Glatt- und Krispelmaschinen, mit Hilfe welcher grosse Ersparnisse an Zeit erzielt werden können und ausserdem die Zurichtung selbst zu hoher Vollkommenheit geführt wird. Zum Färben kleiner Felle, namentlich für die Glacé-, Kid- und Saffianlederfärberei, sind verschiedene Färbemaschinen construirt worden, so die Luftdruckfärbemaschine, die Kristen'sche und die Knabe'sche Färbemaschine, welche vorläufig noch verhältnissmässig wenig verwendet werden. L. Litteratur. Mit der Entwickelung der Gerberei selbst ist in mehreren gerberischen Fachzeitungen und in einer Anzahl von Büchern, die die gesammte Gerberei oder einzelne Gebiete derselben behandeln, eine besondere gerberische Fachlitteratur entstanden. Die Fachzeitungen vertreten meist nicht nur die Handelsinteressen der Gerberei, sondern sorgen durch Veröffentlichung von Fachaufsätzen, von wissenschaftlichen Arbeiten auf dem Gebiete der Gerberei, von technischen Neuerungen u.s.w. dafür, dass Fachkenntnisse in weitere Kreise getragen werden. Zu diesen gerberischen Fachzeitungen gehören vor allen Dingen der von Eitner redigirte Gerber (erscheint in Wien seit 1873) und die Deutsche Gerberzeitung (Günther's Zeitungsverlag seit 1888), sowie auch die in Paris erscheinende La Halle aux Cuirs. Von in- und ausländischen Büchern, welche die Gerberei oder einzelne Gebiete derselben besprechen, sind anzuführen: Heinzerling, Grundzüge der Lederbereitung (Braunschweig 1882, Fr. Vieweg und Sohn); Günther, Lehrbuch der Glacélederfabrikation (Berlin 1873); Lietzmann, Die Herstellung der Leder (Berlin 1880, Theobald Grieben); Günther, Die Fabrikation des lohgaren Leders (Weimar 1867, B. F. Voigt); Wiener, Weissgerberei (Wien, Pest, Leipzig 1877, A. Hartleben); Beller, Glacélederfärberei (Weimar 1886, B. F. Voigt); Käs, Lohgerberei (Weimar 1891, B. F. Voigt); Wiener, Lohgerberei (Wien, Pest, Leipzig 1894, A. Hartleben); Jean, Industrie des cuirs et des peaux (Paris, G. Masson); Vincent, La fabrication et le commerce des cuirs et des peaux (Paris 1879); Damourette, Materiel des Industries da cuir (Paris 1869); Villon, La fabrication des cuirs (Paris 1889); Taire, Le cuir et les peaux (Paris 1891); Procter, A text-book of tanning (London 1885); Stevens, The manufacture of leather (London 1885); Davis, The manufacture of leather (Philadelphia und London 1885).