Titel: | Ueber Fortschritte in der Spiritusfabrikation. |
Fundstelle: | Band 297, Jahrgang 1895, S. 206 |
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Ueber Fortschritte in der
Spiritusfabrikation.
(Fortsetzung des Berichtes S. 188 d.
Bd.)
Ueber Fortschritte in der Spiritusfabrikation.
VII. Allgemeines und Theoretisches.
Ueber Quellung der Stärke von Rodewald, Landw. Versuchsstationen, 1894 XLV S. 201.
Bei seinen Versuchen über Quellung der Stärke fand der Verfasser das specifische
Gewicht der Weizenstärke zu 1,5072 und 1,4860 und glaubt die Ursache dieser
erheblichen Abweichung in dem Abschlämmen des Versuchsmaterials begründet. Bei
seinen weiteren Arbeiten bediente er sich der Stärke mit höherem specifischem
Gewicht, ermittelte dasjenige der gequollenen Stärke, welche beim Quellen 32,6 Proc.
Wasser aufnahm, (trocken gedacht) zu 1,6122, deren specifische Wärme zu 0,3728 und
berechnete die Quellungswärme zu 23,4 Calorien. 1 g trockener Stärke vermag beim
Quellen einen Druck von 2605 k auf den Quadratcentimeter, entsprechend 2523 at,
auszuüben. (Wochenschrift für Brauerei, 1894 Nr. 52 S.
1657.)
Einen Beitrag zur Kenntniss der Jodstärke liefert Lonnes in der Zeitschrift für
analytische Chemie, 1894 Bd. 33 S. 409.
In Uebereinstimmung mit Meinecke beobachtete Lonnes, dass bei Gegenwart geringer Mengen von
Jodkalium in wässerigen Stärkelösungen ein ungleich kleineres Quantum Jod zur
Erzeugung der Blaufärbung genügt, als zur Hervorrufung derselben bei
ausschliesslichem Zusatz von Jod erforderlich ist, schliesst aber im Gegensatz zu
dem erwähnten Forscher aus diesem Umstände, dass zur Bildung von Jodstärke
Jodwasserstoff oder Jodmetall unbedingt erforderlich sind. Selbst neben
Alkalicarbonaten oder Bicarbonaten, wie auch kohlensaurem Ammon wirkt das Jodkalium
in gleicher Richtung, hebt also den Einfluss der kohlensauren Salze auf das freie
Jod auf. Die Zusammensetzung der durch Centrifugiren aus der Mutterlauge isolirten
Jodstärke stellte Verfasser durch Bestimmung des Gesammtjods in Form von Jodsilber
und des oxydirenden Jods durch Titration mit arseniger Säure fest und nimmt auf
Grund seiner Resultate an, dass Jodstärke, welche sich übrigens beim Auswaschen
theilweise zersetzt, sicher Jodwasserstoff enthält. (Chemiker-Zeitung, 1894 Nr. 86, Rep. 24 S. 258.
Ein zweites, bei der Einwirkung von Diastase auf Stärke
entstehendes Achroodextrin beschreiben Lintner
und Bull in der Zeitschrift für
das gesammte Brauwesen, 3894 Nr. 41.
Die Verfasser hatten das betreffende Achroodextrin zuerst unter den
Umwandlungsproducten der Stärke mittels Oxalsäure aufgefunden und stellten dasselbe
dann aus den zuckerreichen, von ihren früheren Arbeiten über den diastatischen Abbau
der Stärke herrührenden Auszügen, aus welchen sie bisher nur ein Achroodextrin (C12H20O10)6 + H2O hatten isoliren können, dar, nachdem sie die
Hauptmenge des Zuckers (Isomaltose) mit heissem, 90procentigem Alkohol und den Rest
thunlichst durch Vergährung mit Bierhefe zu entfernen gesucht hatten. Das so
zunächst erhaltene dextrinreiche Ausgangsproduct ergab bei der Untersuchung folgende
Werthe: [α]D = 183°, R = 41 (auf Maltose berechnet),
Jodreaction O, und lieferte nach zahlreichen Fractionirungen mit 90- bis
85procentigem Alkohol einen einheitlichen Rückstand, der, durch verdünnten Alkohol
in zwei nahezu gleiche Theile zerlegt, bei der Analyse
a
b
ein Reductionsvermögen von
26,5
26,8
ein Moleculargewicht von
974–955
1020–1005
ein Drehungsvermögen von
[α]D = 183°
aufwies, also einem Dextrin von der Zusammensetzung (C12H20O10)3 + H2O = 990 entsprach.
Mit der Auffindung dieses, nur in geringeren Mengen auftretenden Achroodextrins,
welches die Zusammensetzung des von Brown und Morris beschriebenen Maltodextrins besitzt, bezüglich
der Drehung und des Reductionsvermögens jedoch Abweichungen von den Angaben dieser
Autoren zeigt, glauben die Verfasser eine Lücke in der Reihe der Umwandlungsproducte
der Stärke ausgefüllt zu haben, auf welche die Beobachtungen anderer Chemiker, z.B.
Bau's, bei dem Studium der Kohlehydrate des
Bierextractes hingedeutet hatten.
Versuche, das einzige, nach Ansicht Lintner's und Düll's noch mögliche, niedere Dextrin (C12H20O10) + H2O
aufzufinden, führten zu keinem Resultat. (Wochenschrift für
Brauerei, 1894 Nr. 42 S. 1324.)
Zweite und dritte Isomaltose.
Bei Versuchen über die Vergährbarkeit von Isomaltose mittels
der Hefen Saaz und Frohberg ist Bau (Wochenschrift für Brauerei, 1894 Nr. 43 S. 1369) die Darstellung einer neuen Modification der Isomaltose
gelungen, welche zwar annähernd das Kupferreductionsvermögen und die specifische
Drehung derjenigen Lintner's besitzt und auch ein
Osazon liefert, dessen physikalisches Verhalten völlig mit dem bereits bekannten
Isomaltosazon übereinstimmt, aber sich dadurch von Lintner's Isomaltose unterscheidet, dass sie durch Hefe Saaz völlig unvergährbar ist, während die erstere
sowohl durch die ober- wie auch die untergährige Form beider Heferassen vollständig
zerlegt wird.
Zu einem ähnlichen Resultat, dass nämlich die Lintner'sche
Isomaltose ein Gemisch von einem durch Hefe Saaz vergährbaren mit einem
weiteren, durch dieselbe Hefe unvergährbaren Zucker darstellt, ist auch Munsche ( Wochenschrift für
Brauerei, 1894 Nr. 43 S. 1375) bei zu gleichem Zwecke durchgeführten
Gährversuchen gekommen.
Ein weiteres Isomeres der Maltose beschreibt nun Fischer in den Berichten der
deutschen chemischen Gesellschaft, 1894 Bd. 2 S. 2486, unter dem Namen Turanose. Dieser Zucker ist zuerst von Alekhine bei partieller Hydrolyse der Melezitose,
welche in Glukose und Turanose zerfällt, beobachtet, und aus der Analyse des
amorphen Körpers und seiner gleichfalls amorphen Natriumverbindung hat Alekhine die Formel C12H22O11
abgeleitet. Fischer controlirte diese Formel durch
Untersuchung des Phenylturanosazons und kam so zu der gleichen Moleculargrösse. Das
Turanosazon löst sich schon in 5 Tb. heissem Wasser vollständig auf und scheidet
sich aus dieser Lösung in äusserst feiner, fast gallertartig erscheinender Form ab.
Von dem schwerer löslichen Maltosazon und Laktosazon ist es durch dieses Verhalten
leicht zu unterscheiden; dem Isomaltosazon dagegen gleicht es in diesen
Eigenschaften fast vollständig, weicht aber bezüglich seines erst bei 215 bis 220°
liegenden Schmelzpunktes von demselben ganz bedeutend ab, so dass man die Turanose,
welche bei der Hydrolyse nur Traubenzucker liefert, als ein drittes Isomeres der
Maltose anzusehen berechtigt ist.
Eine Arbeit über die Einwirkung von Diastase auf
Isomaltose veröffentlicht Lintner in der Zeitschrift für das gesammte Brauwesen, 1894 Nr. 17 S.
378. Nach den neuesten Beobachtungen des bekannten Verfassers liess sich Isomaltose,
welche unter Anwendung von Diastase hergestellt war, durch Behandlung mit Malzauszug
nicht vollständig in Maltose umwandeln, obgleich bei früheren Versuchen eine solche
Umwandlung sich leicht hatte bewerkstelligen lassen. Die durch Einwirkung von
Oxalsäure auf Stärke gewonnene Isomaltose scheint unter den gleichen Bedingungen gar
nicht angegriffen zu werden, also der diastatischen stereoisomer zu sein. Die
Verschiedenheit in der Constitution beider Körper dürfte ihr verschiedenes Verhalten
der Diastase und der Hefe Saaz gegenüber erklären. (Chemiker-Zeitung, 1894 Nr. 96, Rep. 27 S. 291.)
Ueber Maltose und ihr Anhydrid von Lobry de Bruyn und v.
Seent. (Recueil des travaux chimiques des
Pays-Bas, Nr. 13 S. 218 bis 222.)
Im Gegensatze zu dem Milchzucker, der beim Abdampfen aus wässeriger Lösung ein
krystallinisches, sehr leicht lösliches Anhydrid mit Hemirotation, bei Entwässerung
des trockenen Zuckers bei 130° C. aber das gewöhnliche Anhydrid mit Birotation gibt,
liefert die isomere Maltose sowohl beim Erwärmen im Vacuum auf 105°, oder beim
Erhitzen auf 130 bis 135° in einer Platinschale, als auch bei Behandlung mit
absolutem Alkohol stets das gleiche Anhydrid. Das Drehungsvermögen dieses amorphen,
glasigen, ausserordentlich hygroskopischen, beim Liegen an der Luft wieder in
Maltose übergehenden Körpers sinkt erst innerhalb 24 Stunden langsam auf den
normalen Werth.
Das Isomaltoseanhydrid gleicht bezüglich des Drehungsvermögens und der
hygroskopischen Eigenschaften völlig demjenigen der Maltose. (Wochenschrift für Brauerei, 1894 Nr. 44 S. 1414.)
Erkennung der Kohlehydrate durch Resorcin. Den
qualitativen Nachweis selbst sehr kleiner Mengen von einfachen Aldosen, Rohrzucker,
Milchzucker, Maltose, Dextrin, Gummi, Glykogen, Stärke und Baumwollecellulose führen
Fischer und Jennings
(Berichte der deutschen chemischen Gesellschaft,
1894 S. 1355) in folgender Weise:
In 2 cc der verdünnten wässerigen Lösung der zu prüfenden Substanz oder auch nur des
fein verriebenen, in der entsprechenden Wassermenge suspendirten, zu untersuchenden
Körpers wird nach Zusatz von 0,2 g Resorcin gasförmige Salzsäure unter Kühlung bis
zur Sättigung eingeleitet. Bei Gegenwart ziemlich beträchtlicher Quantitäten von
Kohlehydraten kann die entscheidende Probe bereits nach einer Stunde, beim Nachweis
von Spuren aber erst nach zweistündigem Stehen bei Zimmertemperatur vorgenommen
werden. Zu diesem Zweck verdünnt man mit Wasser, übersättigt mit Natronlauge,
versetzt mit einigen Tropfen Fehling'scher Lösung und
erwärmt. Die eintretende rothviolette Farbe, die indessen bei starker Verdünnung
nach einiger Zeit verschwindet, zeigt die Anwesenheit der oben aufgeführten Körper
an. (Wochenschrift für Brauerei, 1894 Nr. 28 S.
890.)
Einige synthetische Glukoside, Zucker-, Alkohol und
Zucker-Oxysäure- Verbindungen, z.B. Aethylglukosid, Methylgalaktosid,
Benzylarabinosid, Propylglukosid, Glukosidoglukonsäure, Galaktosidoglukonsäure
u.s.w., stellten Fischer und Beensch (Berichte der deutschen chemischen
Gesellschaft, Bd. 27 S. 2478 bis 2486) dar. (Wochenschrift für Brauerei, 1894 Nr. 44 S. 1414.)
Die leichte Bildung dieser Alkoholglukoside veranlasste Fischer (Berichte der deutschen chemischen
Gesellschaft, 1894 Bd. 27 S. 673) zur Dar Stellung
von Verbindungen der Mercaptane mit Traubenzucker oder ähnlichen Körpern unter
dem Einfluss von Säuren. Die Zusammensetzung der Producte entspricht
indessen nicht derjenigen der Glukoside, sondern der der Mercaptale Baumann's; sie enthalten auf 1 Molecül Zucker 2
Molecüle Mercaptan. Die Bildung dieser Mercaptale, besonders der schwer löslichen
Amylverbindungen, kann vielleicht zur Erkennung und Isolirung von Zuckerarten
benutzt werden. (Zeitschrift für Spiritusindustrie,
1894 Nr. 20 S. 163.)
Verbindungen von Zuckerarten mit mehrwerthigen Phenolen
wurden von Fischer und Jennings (Chemisches Centralblatt, 1894 Bd.
II 1 34) und auch die Condensationsproducte der eine
Aldehydgruppe enthaltenden Zuckerarten mit Amidoguanidin von Wolff (Berichte der deutschen
chemischen Gesellschaft, 1894 Bd. 27 S. 974) und von Radenhausen (Zeitschrift des
Vereins für Rübenzuckerindustrie, 1894 S. 768 bis 770) erhalten.
Ueber das Verhalten der verschiedenen Zuckerarten gegen reine
Hefen von Fischer und Thierfelder. (Berichte der deutschen chemischen
Gesellschaft, Bd. 27 S. 2031.)
Bei ihren Versuchen prüften die Verfasser verschiedene Zuckerarten auf ihre
Vergährbarkeit durch zwölf Reinhefen, ziehen aus den erhaltenen Resultaten den
Schluss, dass die Gährfähigkeit mit dem geometrischen Bau des Molecüls in
Zusammenhang steht, also als eine stereochemische Frage aufzufassen ist, und zeigen
an den Configurationsformeln der Zucker, dass offenbar eine verschiedene Stellung
der Hydroxylgruppen an den rein asymmetrischen Kohlenstoffatomen im Zuckermolecül
Gährfähigkeit oder Unvergährbarkeit im Gefolge haben kann. Im Allgemeinen vergohren
die Hefen am leichtesten die Dextrose und diejenigen Zuckerarten, die der Dextrose
in der stereochemischen Atomgruppirung am nächsten stehen.
Die Fischer-Thierfelder'sche Arbeit ist theilweise eine
Wiederholung älterer Untersuchungen, deren Ergebnisse sie fast durchweg bestätigt.
Nur die Sorbose, der Stone und Tollens eine unvollkommene Vergährbarkeit zuschreiben, erwies sich als
völlig unvergährbar.
In der nachstehenden Tabelle sind die Ergebnisse der Gährversuche zusammengestellt
mit Weglassung derjenigen Zuckerarten, welche von keiner der angewandten Hefen
vergohren wurden.
α-Mannose
α-Fructose
α-Galaktose
Rohrzucker
Maltose
Milchzucker
Sacch. Pastorianus I
3
3
3
3
3
0
„ „ II
3
3
2
3
3
0
„ „ III
3
3
3
3
3
0
„ cerevisiae I
3
3
3
3
3
0
„ ellipsoideus I
3
3
2
3
3
0
„ „ II
3
3
1
3
3
0
„ Marxianus
3
3
3
3
3
0
„ mernbranaefaciens
0
0
0
0
0
0
Hefe Frohberg
3
3
3
3
3
0
Brennereihefe (Rasse II)
3
3
1
3
3
0
Sacch. productivus
3
3
0
1
3
0
Milchzuckerhefe
2
3
1
3
0
3
In der Tabelle bedeutet 0 = keine Gährung, 1 = ganz schwache, jedoch
unzweifelhafte Gährung, 2 = fast vollständige Vergährung, 3 = vollständige
Vergährung.
Von den anderen geprüften Zuckerarten waren δ-Talose,
l-Mannose, l-Gulose,
Sorbose, l-Arabinose, Rhamnose, α-Glukoheptose, α-Glukooktose ganz
unvergährbar. (Wochenschrift für Brauerei, 1894 Nr. 38
S. 1174.)
Im Anschluss an diese Arbeit veröffentlicht Fischer in
den Berichten der deutschen chemischen Gesellschaft
1894 S. 2985, wichtige wissenschaftliche Untersuchungen über
den Einfluss der Configuration der Zuckerarten, bezieh. ihrer Alkoholglukoside,
auf die Wirkung der Enzyme.
In Folge der soeben besprochenen Resultate seiner Gährversuche in Bezug auf die
stereoisomeren Hexosen (Zucker der Traubenzuckerreihe) hatte der Verfasser die
Ueberzeugung gewonnen, dass die chemischen Agentien der Hefezellen nur solche Zucker
zu zerlegen vermögen, welche eine ihnen verwandte Configuration besitzen. An
Wahrscheinlichkeit musste diese stereochemische Auffassung des Gährprocesses
gewinnen, wenn die vom Organismus abtrennbaren Fermente, die sogen. Enzyme, ein
ähnliches Verhalten zeigten.
Aus den Ergebnissen von Fischer's bezüglichen Versuchen,
bei welchen zwei glukosidspaltende Enzyme, das Invertin und Emulsin, in ihrem
Verhalten gegen die künstlichen Glukoside von Fischer
und Beensch, ferner gegen einige natürliche Producte
der aromatischen Reihe, wie auch gegen mehrere Polysaccharide, die Glukoside der
Zucker selbst, geprüft wurden, zeigte sich die auffallende Abhängigkeit der Wirkung
der beiden Enzyme von der Configuration des Glukosidmolecüls.
So konnte Invertin von den beiden stereoisomeren Verbindungen des Traubenzuckers mit
Methylalkohol das α-Methylglukosid bei 20stündiger
Einwirkung der zehnfachen Menge der Enzymlösung bei 30 bis 35° bis zur Hälfte in
Traubenzucker verwandeln, während es das β-Methylglukosid unter den gleichen Bedingungen nicht zu verändern vermochte,
obwohl das letztere durch verdünnte Säuren ungleich schneller invertirt wird;
ähnlich verhielt sich die α-Aethylverbindung.
Diejenigen bekannten Glukoside, welche sich von der Arabinose und Rhamnose ableiten,
wurden durch die Enzymlösung gar nicht angegriffen, ebenso wenig wie ein Derivat der
l-Glukose, das Methyl-l-Glukosid.
Die Polysaccharide, der Rohrzucker und auch die Maltose, von der man bisher das
Gegentheil annahm, wurden durch selbst bereitete frische Invertinlösung ebenfalls in
Traubenzucker zerlegt; Fischer glaubt daher, dass die
Maltose durch Hefe nicht direct vergohren werden kann, sondern vorher gleich dem
Rohrzucker in Hexosen zerfällt. Milchzucker, Inulin und Stärke in Form von Kleister
und auch einige aromatische Glukoside, z.B. Salicin, Coniferin, Phloridzin, wurden
nicht verändert; dagegen spaltete Amygdalin mit Leichtigkeit Traubenzucker ab.
Sämmtliche Versuche wurden zwar nur mit Invertin von Saccharomyces cerevisiae, Typus
Frohberg, durchgeführt, aber nach den Erfahrungen
Fischer's liefert Typus Saaz das gleiche Enzym. Saccharomycesarten, welche Maltose nicht
vergähren, z.B. S. exiguus, Ludwigii und apiculatus, enthalten voraussichtlich kein
glukosidspaltendes Ferment. Für die Milchzuckerhefe ist die Richtigkeit dieser
Annahme bereits erwiesen.
Die Versuche mit Emulsin zeigten eine übereinstimmende Wirkung mit dem Invertin
insofern, als dasselbe nur die Derivate des Traubenzuckers zerlegte und Galaktoside,
Arabinoside, Rhamnoside unverändert liess. Der hauptsächlichste Unterschied in dem
Verhalten der beiden Enzyme trat bei den beiden isomeren Methylglukosiden hervor.
Invertin spaltete nur die α-Verbindung, während das β-Product ausschliesslich vom Emulsin angegriffen
wurde. Maltose und Rohrzucker fielen unter den Versuchsbedingungen nicht der
Hydrolyse anheim, dagegen vollzog sich dieselbe leicht beim Milchzucker unter
Bildung von Glukose und Galaktose.
Der letztere Zucker wurde auch durch einen wässerigen, klar filtrirten Auszug von
Kefirkörnern in seine Componenten gespalten, so dass also der Milchzucker
wahrscheinlich gleichfalls erst nach seinem Zerfall von der Milchzuckerhefe
vergohren werden kann. Maltose blieb unter diesen Umständen unverändert.
Verfasser beabsichtigt, den letzten Versuch mit reiner Milchzuckerhefe zu wiederholen
und ausserdem noch einige andere Enzyme (Glukase, Ptyalin, Myrosin und die
Pankreasfermente), sowie seltenere Polysaccharide, Isomaltose, Turanose, Melibiose,
Trehalose, Melezitose, und die künstlichen Dextrine zu seinen Untersuchungen
heranzuziehen. Seiner Ansicht nach genügen aber schon die jetzigen Beobachtungen zu
dem Nachweise, dass die Enzyme bezüglich der Configuration ihrer Angriffsobjecte
ebenso wählerisch sind, als die Hefe und andere Mikroorganismen. Die Gleichartigkeit
beider Erscheinungen in dieser Beziehung ist eine so vollkommene, dass man für sie
die gleiche Ursache annehmen darf. Invertin und Emulsin haben bekanntlich manche
Aehnlichkeit mit den Proteïnstoffen und besitzen wie jene unzweifelhaft ein
asymmetrisch gebautes Molecül. Ihre beschränkte Wirkung auf die Glukoside liesse
sich also auch durch die Annahme erklären, dass nur bei ähnlichem geometrischem Bau
die zur Einleitung des chemischen Vorganges erforderliche Annäherung der Molecüle
stattfinden kann. Durch diese Vorstellung ist die Erscheinung selbst aus dem
biologischen auf das rein chemische Gebiet verlegt und erstere bildet eine
Erweiterung der Theorie der Asymmetrie, ohne eine directe Consequenz derselben zu
sein, denn die Ueberzeugung, dass der geometrische Bau des Molecüls selbst bei
Spiegelbildformen einen so grossen Einfluss auf das Spiel der chemischen Affinitäten
ausübe, konnte nur durch neue thatsächliche Beobachtungen gewonnen werden.
Die bisherige Erfahrung, dass die aus zwei asymmetrischen Componenten gebildeten
Salze sich durch Löslichkeit und Schmelzpunkt unterscheiden können, genügte dafür
sicher nicht. Dass man die zunächst nur für die complicirten Enzyme festgestellte
Thatsache bald auch bei einfacheren asymmetrischen Agentien finden wird, bezweifelt
Verfasser ebenso wenig wie die Brauchbarkeit der Enzyme für die Ermittelung der
Configuration asymmetrischer Substanzen.
Die Erfahrung, dass die Wirksamkeit der Enzyme in so hohem Grade durch die moleculare
Geometrie beschränkt ist, dürfte auch der physiologischen Forschung einigen Nutzen
bringen. Noch wichtiger für dieselbe aber scheint der Nachweis zu sein, dass der
früher vielfach angenommene Unterschied zwischen der chemischen Thätigkeit der
lebenden Zelle und der Wirkung der chemischen Agentien in Bezug auf moleculare
Asymmetrie thatsächlich nicht besteht. Dadurch wird insbesondere die von Berzelius, Liebig u.a. so häufig betonte Analogie der
„lebenden und leblosen Fermente“ in einem nicht unwesentlichen Punkte
wieder hergestellt. (Wochenschrift für Brauerei, 1894
Nr. 48 S. 1533.)
(Fortsetzung folgt.)