Titel: Ueber Schornsteine.
Fundstelle: Band 298, Jahrgang 1895, S. 136
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Ueber Schornsteine. Mit Abbildungen. Ueber Schornsteine. Wie jedes technische Bauwerk, so verlangt auch der Fabrikschornstein seine Pflege, letzterer um so mehr, als er nicht nur den Unbilden der Witterung widerstehen muss, sondern auch den Einwirkungen der Wärme an sich, als auch dem häufigen Wechsel derselben. Eine weitere Beeinflussung des Schornsteins bilden nicht selten die schädlichen Gase, welche in der Kesselfeuerung oder irgend einem chemischen Betriebe ihren Ursprung haben. Durch den Wind wird eine fast stetige Schwingung der Schornsteinsäule bewirkt, somit ist das Mauerwerk in einer unaufhörlichen Bewegung, die Fugen bröckeln in Folge dessen aus und das Mauerwerk ist dem Einflüsse der Atmosphärilien in der schlimmsten Weise ausgesetzt. Zur Erhaltung eines Schornsteins trägt deshalb ein öfteres Ausfugen wesentlich bei. Der Umstand jedoch, dass dergleichen Arbeiten schwierig und kostspielig sind, lässt mitunter das Uebel zu weit einreissen; aus diesem Grunde kommt mehr und mehr der Eisenmantel bei Schornsteinen zur Verwendung. Wir werden in Nachstehendem über einige der Eisenschornsteine berichten. Die Eisenzeitung äussert sich über die Schornsteinfrage wie folgt: „Die Dauer der Schornsteine ist naturgemäss verhältnissmässig, und nur bei steter Aufsicht und sorgfältiger Unterhaltung können sie eine längere Dauer erreichen. Von den gegenwärtig vorhandenen Schornsteinen dürften wenige über 60 Jahre alt sein; die meisten werden früher abgebrochen und durch neue ersetzt, aber nicht sowohl wegen Baufälligkeit, als vielmehr in Folge des Bedürfnisses, den betreffenden Betrieb zu vergrössern. – Das Entstehungsjahr der selbständigen Schornsteine ist unbekannt; wahrscheinlich ist ihre Heimath England. Sie entstanden aus besteigbaren Rauchröhren, die in die Fabrikgebäude eingebaut und einige Meter über das Dach geführt waren. Das Bedürfniss nach vermehrtem Zug nöthigte dazu, diese Schornsteine immer höher über die Gebäudefirsten hinaufzuführen; dadurch belasteten sie die Gebäudemauern ungebührlich stark; es entstanden Risse durch ungleiches Setzen und durch Schwankungen, und so kam man auf den Gedanken, die Rauchabfuhr in selbständige Bauwerke zu verlegen. Textabbildung Bd. 298, S. 135 Schornstein von Perrigo. „In England wurden schon in den dreissiger Jahren sehr hohe Schornsteine erforderlich, namentlich zur Abführung der Giftgase chemischer Fabriken. Im J. 1841 wurde ein 132,7 m hoher Schornstein in St. Rollox gebaut, welcher noch heute steht. In Deutschland mögen die ersten hohen Schornsteine zu Anfang des Jahrhunderts erbaut sein; so z.B. wurde in Berlin 1815 der erste Schornstein errichtet. In der Aachener Gegend wurden die ersten Schornsteine in den zwanziger Jahren aufgeführt, in den vierziger Jahren folgten ihnen die eisernen Schornsteine bei den ersten Puddel- und Walzwerken. Formsteine zu Schornsteinen sind 1861 zum ersten Male angewendet. Den höchsten Schornstein der Erde hat augenblicklich Freiberg in Sachsen mit 140 m Höhe aufzuweisen. Heute ist der Schornsteinbau in Deutschland überhaupt wohl am meisten entwickelt. (In Amerika sind die Schornsteine meist mit Hohlmantel versehen, was zwar theurer ist, aber auch Kohlen erpart.)“ Im Anschluss an die vorhergehende Bemerkung lassen wir hier nach American Mechanic die Beschreibung eines Schornsteins von Perrigo folgen, der den anerkannten beiden Hauptbedingungen eines guten Schornsteins entsprechen soll. Als die erstere dieser Bedingungen führt unsere Quelle eine inwendige Zusammenschnürung auf ⅘ des Querschnitts an, welche nach Art der Lampencylinder eine Verstärkung des Zuges bewirken soll. Als zweite Bedingung wird angegeben, dass ein stetiger Zug von grösserer oder geringerer Stärke in steigender Richtung vorhanden sein müsse, so dass an der Spitze des Schornsteins ein Vacuum entstehen müsse. Die Einrichtung geht aus Fig. 1 bis 5 hervor. Die Höhe ist zu 12,2 m, die lichte Weite zu 1,02 m angegeben, der Schaft hat einen inneren Kern und eine von diesem unabhängige Mauerung, welche einen freien ringförmigen Raum zwischen sich lassen und nicht mit einander vermauert sind; sie berühren sich nur mittels einiger hervorragender Ziegel, so dass sie sich wohl gegenseitig stützen, aber jede Längsverschiebung ausführen können. Das innere Rohr ist kreisförmig, um dem Zuge möglichst wenig Hinderniss zu bieten. Das Aeussere ist theils quadratisch, über dem Unterbau aber achteckig und hat hier 1,270 m lichte Weite, die an der Spitze auf 1,016 abnimmt. Beide Mauerstücke sind mit gusseisernen Hauben abgedeckt. Die beiden Querschnitte (Fig. 4 und 5) sollen den Mauerverband zeigen. Unserer Meinung nach hätten einige Formsteine an den Ecken einen wenigstens ebenso guten Verband ergeben, dafür aber den Vortheil geboten, dem Wind und Wetter mehrere Angriffspunkte zu entziehen. Angaben über Zugstärke im Schornstein gibt die Quelle nicht, wir sind deshalb nicht geneigt, der Einschnürung irgend welche Bedeutung beizumessen, und halten dafür, dass der Vergleich dieser Vorrichtung mit der Einschnürung des Lampencylinders unzutreffend ist. Einen bemerkenswerthen Schornstein der New Chester Water Works zu Chester, Pa., theilt Uhland wie folgt mit: „Zur Ableitung der von fünf wagerechten Röhrendampfkesseln kommenden Abgase wurde auf dem neuen Wasserwerke der Stadt Chester vom Erbauer desselben, dem Ingenieur E. F. Fuller, ein Schornstein errichtet, dessen Verticalschnitt und Grundriss aus Fig. 6 ersichtlich ist. Die Figur zeigt des Weiteren einen (in etwa halber Schornsteinhöhe gedachten) Querschnitt durch denselben. Der Schornstein zeigt im Ganzen eine bei der geringen Höhe (32,0 m) desselben sehr compacte Bauart. Sein Unterbau jedoch hat den in Amerika allgemein üblichen Principien zufolge eine nur geringe Tiefe erhalten, dafür ist das Betonfundament desto kräftiger ausgeführt. Der Querschnitt der Esse ist achteckig und zwar hat man diese Form auch im Inneren des Schornsteinsockels beibehalten. Die Abgase der fünf Kessel gelangen durch einen nach oben abgewölbten Fuchs b in den Schornstein. Dort, wo diese Gase eintreten, hat man das Kernmauerwerk a auf etwa 6 m Höhe aus feuerfesten Steinen hergestellt. Letztere befinden sich im innigen Verbände mit dem Aussenmauerwerke. Das Entfernen der Flugasche erfolgt durch eine in Terrainhöhe befindliche Oeffnung d, welche in üblicher Weise verschlossen wird. „Da die aus dem Fuchse entweichenden Rauchgase eine grosse Hitze haben, so hat man, um dem Reissen des rothen Mauerwerks vorzubeugen, folgendes Mittel gewählt. Man verzichtete dabei auf das bei uns in solchem Falle gebräuchliche Einbauen eines selbständigen niedrigen Kernschornsteins in die eigentliche Hauptesse und brachte lediglich im Mauerwerk derselben acht Kanäle c an. Letztere beginnen fast unmittelbar über dem Fuchse b und steigen im Mauerwerk bis 22 m über den Fussboden empor. An ihren oberen, sowie unteren Enden stehen sie durch wagerechte Zugänge mit der Atmosphäre in Verbindung. Dadurch, dass sich der untere Theil des Schornsteinmauerwerks schneller erwärmt als der obere, wird naturgemäss in diesen Kanälen eine Luftströmung entstehen. Dieser Luftstrom kühlt das Mauerwerk permanent ab. Ausserdem gestatten aber die Kanäle gleichzeitig dem Mauerwerk eine gewisse Ausdehnung, ohne dass äusserlich an demselben Risse sichtbar werden.“ In dem letzten Jahrzehnt haben die Schornsteine mit eisernem Mantel, die man früher nur als Nothbehelf ansah, eine ausgedehntere Verbreitung gefunden. Sie gestatten im Allgemeinen geringeres Gewicht und bieten dem Winde eine weit geringere Oberfläche als die gemauerten Schornsteine. Mannigfache Verbesserungen haben auch bewirkt, dass sie in Bezug auf Leistungsfähigkeit den gemauerten Schornsteinen kaum noch nachstehen. Um solchen Eisen- oder Stahlblechschornstein en eine längere Dauer zu sichern, wird im Metallarbeiter angerathen, solche Schlote mit Steinkohlentheer zu bestreichen und mit Hobelspänen zu füllen, die man alsdann anzündet. Der Theer verbrennt, füllt die Poren des Metalles aus und bildet eine dünne festhaltende Schicht von Kohlenstoff, die jede Einwirkung von Feuchtigkeit verhindert. Ein Schlot, welcher im J. 1866 auf diese Art behandelt wurde, bedurfte seither nie der Reparatur. Textabbildung Bd. 298, S. 136 Fig. 6.Schornstein von Fuller. Den früher öfter beklagten Uebelstand der Blechschornsteine, die geringe Fähigkeit, die Wärme der Gase zusammen zu halten, ist durch Ausmauerung und geschickte Anwendung von Kanälen beseitigt worden, so dass die Blechschornsteine mit der Zeit sich als recht brauchbar erwiesen haben und für endgültige Anlagen vielfach Verwendung finden. Der grösste Blechschornstein Englands ist der für die Darwen und Mostyn Eisenwerksgesellschaft in Darwen (Nord-Lancashire) nach Plänen von J, T. Smith entworfene Schornstein. Nach den Angaben von Engineering vom 11. November 1892 hat der Schornstein eine Höhe von 84 m vom Fundament bis zur Krone. Kurze Zeit nach seiner Aufstellung und ehe noch die Hälfte der inneren Verkleidung eingebaut war, hatte er einen Orkan auszuhalten, wie er seit Jahren nicht in gleicher Stärke aufgetreten ist, welche unfreiwillige Probe er sehr gut bestand. Die Konicität des weiten Untertheiles ist 3,3 m, jene des geraden Schaftes 1,83 m. Die Anzahl der Blechstösse beträgt 66, jene der Blechtafeln 308; die Grundplatte hat 8,38 m Durchmesser, der Schornstein an der Mündung 3,25 m. Die Grundplatte ist aus sechs Segmenten zusammengesetzt. Zur ganzen Vernietung waren 17000 Nieten nothwendig; zwölf Ankerschrauben von 64 mm Durchmesser und 4,95 m Länge verbinden die Blechsäule mit dem gemauerten Fundamente. Die ganze Eisenconstruction hat ein Gewicht von 116 t. Die Ziegelverkleidung hat am unteren Ende eine Stärke von 460 mm, am oberen Ende eine solche von 76 mm. Die ganze Eisenconstruction war in 11 Wochen aufgestellt. Die Kürze der Aufstellungsfrist ist unter Umständen von grösster Wichtigkeit, insbesondere bei anstehendem Frost und Unwetter. Unter solchen Umständen ist die Wahl eines eisernen Schornsteins wohl in Erwägung zu ziehen. Das Gesammtgewicht einschliesslich der Fundirung und der Verkleidung im Inneren beträgt über 1100 t; das Gewicht eines gleich hohen gemauerten Schornsteins würde über 3000 t betragen. Der grösste gemauerte Schornstein von Grossbritannien steht in Glasgow. Er hat 142,6 m Höhe von der Fundamentsohle bis zur Mündung; der untere äussere Durchmesser ist 9,75 m, der obere 4,06 m, die Wandstärke unten 1,70 m, oben 0,355 m. Zur Fundirung wurden keine Rammpfähle verwendet; der blaue Thon, auf welchem der Schornstein steht, erwies sich als genügend tragfähig. Er beanspruchte 1½ Millionen Ziegel und eine Bauzeit von 3 Jahren. Das totale Gewicht beträgt über 8000 t. Der nächst grösste Schornstein, ebenfalls in Glasgow, hat eine Höhe von 139 m von der Fundamentsohle bis zur Mündung. Der Durchmesser beträgt im Fundamente 15,24 m, in der Sohlhöhe 12,19 m, an der, Spitze 4,11 m. Wir knüpfen hieran die Mittheilung des Engineering and Mining Journal vom 3. December 1892, wonach ein Eisenschornstein für die Chicago-Ausstellung die Höhe von 106,7 m erreicht hat; von anderen Schornsteinhöhen werden am angeführten Orte folgende angegeben: Schneider in Creusot 85,3 m Chekolden in Russland 51,8 m Acklam Iron Works 50,3 m Cleveland Rolling Mill 65,0 m Textabbildung Bd. 298, S. 137 Fig. 7.Schornstein von Daydé und Pillé. Einen Schornstein mit vom Fundamente ausgehenden, consolartigen Verstärkungsrippen hatte die Firma Daydé und Pillé in Creil gelegentlich der Pariser Ausstellung von 1889 aufgestellt. Die Bauweise ist aus Fig. 7 zu ersehen. Der ganze Schornstein ist aus cylindrischen Blechschüssen gebildet, die aus Eisen oder Stahl in der gebräuchlichen Weise vernietet sind, und in Absätzen durch Verschraubungen mit einander verbunden werden können. Der untere Theil ist durch Streben aus Constructionseisen gebildet und mittels Querverbindungen zu einem festen Ganzen verbunden. Es entsteht auf diese Weise eine stabile Grundlage, die, mit dem Fundamente durch Anker verbunden, dem Schornstein die erforderliche Stabilität verleiht und zugleich zum Heben des Blechkörpers als Führung und als Stütze dient. Die durchbrochene Form des Unterbaues gibt dem Ganzen den Eindruck leichter Bauart. Besondere Zugketten, wie sie sonst gebräuchlich sind, die jedoch mitunter nicht wohl angebracht werden können, werden durch die vorliegende Bauweise überflüssig. In praktischen Fällen wird als Leitung für den Blitzableiter meistens der Eisenmantel genügen, falls nicht, bleibt es freigestellt, als Leiter eine stetige Metallseilleitung anzuwenden. Es sei hier eine Mittheilung des niederösterreichischen Gewerbevereins erwähnt, in welcher eine neue Art von Schornsteinen beschrieben wird. Nach derselben scheinen die grossen eisernen Schornsteine noch nicht alle Bedingungen zu erfüllen, dagegen hat in technischen Kreisen der aus Beton ausgeführte Schornstein der Spinnfabrik Goodbody in Irland viel Aufmerksamkeit erregt und ist neuestens von zwei französischen Industriegesellschaften (zu Courrières und Ostricourt) eine ältere Idee wieder aufgegriffen und entwickelt worden, welche darin besteht, zur Erbauung von Schornsteinen in Formen gegossene Hüttenschlacke, deren Verbindung durch einen besonderen Cement erzielt wird, zu benutzen. Obschon nun die Schlacke nur in sehr beschränktem Maasse die Eigenschaften des Glases besitzt, so wären es doch gewissermaassen gläserne Schornsteine, welche man durch dieses Verfahren herstellt. Als besondere Vortheile dieser Construction werden gerühmt: das verhältnissmässig sehr geringe Gewicht, die Möglichkeit, dem oberen Theile des Schornsteins grössere Weite zu geben, ohne Eisenbänder zu bedürfen, und endlich die Sicherheit gegen Blitzschläge, welche den hochaufragenden Ziegelbauten so oft verderblich werden. (?) In den neuen Fabriketablissements von Arbel zu Douai ist ein solcher Schlackenschornstein aufgerichtet, welcher bei einer Höhe von 50 m nur ein Gewicht von 385 t haben soll. Ein aus Ziegeln erbauter Rauchabzug von gleicher Höhe würde ein Gewicht von 3500 t haben. Wir halten diesen Schornstein für einen Versuch, der seine Berechtigung für die Verwendung in der Praxis noch nachzuweisen hat. Jedenfalls ist bezüglich der Auswahl des Schlackenmaterials grosse Vorsicht angezeigt. Eine bemerkenswerthe Veröffentlichung von H. Schloesser „über die Standfestigkeit hoher Schornsteine (Dampfschornsteine)“ enthält die Deutsche Bauzeitung in den Nummern vom 21. und 28. April 1894, auf die wir hier, als auf eine eingehende Arbeit, aufmerksam machen. Zum Schluss machen wir auf einen in dem Polytechnischen Centralblatt, Nr. 7 (auch Papierzeitung, Nr. 51), veröffentlichten Vortrag des Directors Fischer aufmerksam, welcher die Ausbesserung eines Schornsteins während des Betriebes zum Gegenstand hat und eingehend das Verfahren und die dazu verwendeten Hilfsmittel erörtert.