Titel: Controlapparat für Strassenbahnen.
Fundstelle: Band 300, Jahrgang 1896, S. 160
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Controlapparat für Strassenbahnen. Mit Abbildung. Controlapparat für Strassenbahnen. Textabbildung Bd. 300, S. 160 Controlapparat für Strassenbahnen. Ein im Scientific American Supplement, Nr. 1038, vom 23. November 1895 geschilderter Controlapparat für Strassenbahnen verdankt sein Entstehen dem bei grösseren Strassenbahnnetzen vielfach zu Tage tretenden Bedürfniss, an einer Centralstelle des Netzes über den Wagenverkehr auf den einzelnen Zweiglinien fortlaufend genaue Kenntniss zu besitzen. Diesem Zwecke dienende Apparate sind aus den Werkstätten der Emerson Electric Manufacturing Company in St. Louis, Mo., hervorgegangen, wo sie zuerst über Anregung und Bestellung von G. Baumhof, dem obersten Betriebsleiter der Lindell Railway Company in St. Louis, hergestellt worden sind. Eben bei der letztgenannten Gesellschaft steht eine solche Einrichtung bereits seit 2 Jahren in Verwendung, welche genau angibt, ob die Wagen regelmässig oder unregelmässig fahren, ferner ob ein Wagen an irgend einer Stelle stehen bleibt und wie lange, ebenso ob und an welcher Stelle eine Verkehrsstörung eingetreten ist und wie viel Fahrzeuge davon festgelegt werden, endlich ob und wann solche Anstände behoben werden und der regelrechte Betrieb wieder Platz greift u.s.w., und die sich vortrefflich bewährt. Worin der Vortheil liegt, den ein in jedem Momente gebotener, umfassender und genauer Ueberblick über den jeweiligen Stand des gesammten Wagen Verkehrs darbietet, braucht wohl nicht besonders erläutert zu werden. Mit diesem Hilfsmittel kann der Betriebsleiter des Strassenbahnnetzes von seinem Bureau aus nicht nur Alles überwachen, was auf den Strecken geschieht, sondern nach Maassgabe seiner Beobachtungen unverzüglich mannigfache vortheilhafte Verfügungen treffen, sei es zur Förderung der pünktlichen Einhaltung fahrplanmässiger Fahrzeiten, sei es zur Behebung von Stockungen oder zur Veranlassung zweckdienlicher Aenderungen in der Wagenvertheilung o. dgl. Die Art und Weise, wie die Unterlage für diese centrale Ueberwachung und Leitung des Fahrdienstes gewonnen wird, darf als äusserst einfach gelten, und gerade diese Einfachheit verbürgt die vorzügliche Verwendbarkeit der Einrichtung, welche lediglich in einem elektrischen Schreibapparat besteht, der im Bureau des Betriebsleiters aufgestellt und durch eine Anzahl Leitungen mit verschiedenen Punkten des Bahnnetzes, sowie ausserdem mit einer galvanischen Batterie in Verbindung gebracht ist. Der Zeichenapparat (Fig. 1) ist seinem Wesen nach ein Chronograph, dessen Haupttheil fürs erste ein Papierstreifen bildet, welcher unter einer Reihe von Schreibnadeln oder Schreibstiften ganz gleichmässig fortbewegt wird. Jeder der Schreibstifte wird von einer Feder in einer Lage gehalten, bei welcher er den Papierstreifen nicht berührt; er kann jedoch durch den Anker eines Elektromagnetes momentan in das Papier eingedrückt werden, sobald ein elektrischer Strom in die Spulenwindungen gelangt, und bringt dadurch einen Stich oder eine Einkerbung am Papierstreifen hervor. Jedes einzelne Schreibzeug entspricht einer bestimmten Stelle der Bahnstrecken, wo sich eine Contactvorrichtung befindet, die durch eine der vorerwähnten Leitungen mit der Elektromagnetspule des Schreibzeuges verbunden ist; so oft ein Wagen die betreffende Gleisstelle passirt, bringt er die Contactvorrichtung in Schluss und der in Folge dessen den Elektromagneten erregende Strom verursacht eine Zeichengebung. Die nebenstehende Abbildung zeigt einen Controlapparat für 30 verschiedene Gleisstellen, welche Anzahl, wenn die Anbringungspunkte der einzelnen Streckencontacte praktisch und mit Ueberlegung gewählt werden, selbst für ein grösseres Strassenbahnnetz genügt. Rückwärts im Gestelle des Zeichenapparates lagert eine wagerechte Walze, auf welcher der Papiervorrath gewickelt ist, und vorn befindet sich eine zur ersteren parallel, aber etwas niedriger liegende schwächere Walze, welche das abgelaufene Papier wieder aufwickelt. Zur Weiterleitung des Papierstreifens dienen mehrere Lauf- und Führungswalzen, von denen eine, welche unmittelbar unter den Schreibelektromagneten liegt, für jeden Schreibstift – ganz so, wie bei den Schreibrollen der Morse'schen Reliefschreiber – mit einer ausgedrehten Nuth versehen ist, in welche das Papier vom Schreibstifte beim Zeichenschreiben hineingedrückt wird. Diese Anordnung bildet einen wichtigen Theil des Apparates, weil sie es möglich macht, dass bei den Zeichengebungen durch die Schreibstifte keinerlei Verzögerungen oder Unregelmässigkeiten überhaupt in die Bewegung des Papierstreifens gebracht werden, was unzuträglich wäre, da die Länge des ablaufenden Streifens ein genaues Bild der Zeit geben muss. Zu letzterem Behufe werden die Papierführungsrollen durch ein sehr genau gehendes Uhrwerk, das in der Abbildung rechts am Gestell ersichtlich gemacht ist, ganz gleichmässig angetrieben und zwar derart, dass sich der Papierstreifen allstündlich genau 4 Zoll (101 mm), also viertelstündlich 1 Zoll fortbewegt. Ein Schreibzeug, welches beispielsweise zu einer Gleisstelle gehört, wo fahrplanmässig alle Minuten ein Wagen passiren soll, wird sonach unter normalen Verhältnissen innerhalb eines Zolles Papierstreifenlänge 15 Zeichenpunkte erzeugen, während ein anderes Schreibzeug, das mit einer Strecke in Verbindung steht, auf welcher das fahrplanmässige Intervall der Wagen etwa bloss 5 Minuten beträgt, nur 3 Punkte auf je 1 Zoll Streifenlänge hervorbringen kann. So lange die Zeichen einer Längsreihe in richtiger Anzahl erscheinen, beweist dies die genaue Einhaltung des Fahrplanes auf der betreffenden Strecke; kommen die Zeichen nicht mehr in richtiger Zahl, so ist dadurch die Abweichung vom Fahrplan festgestellt. Zeichen, die sich in ungleichen Abständen folgen, lassen eingetretene Unregelmässigkeiten im Wagenverkehr erkennen; zu grosse Pausen zwischen den Zeichen zeigen Langsam fahren oder Fahrtunterbrechungen an u.s.w. Das dem Beobachter pultartig vor die Augen gebrachte, mit Zeichen bedeckte Papier hat eine übersehbare Länge von etwa 22 cm und gibt sonach jeweilig ein Gesammtbild des Wagen Verkehrs der zuletzt verflossenen 2 Stunden. Da nun die Zeitabscissen am Papierstreifen vorgedruckt sind und auf dem täglich ablaufenden Stück zu Beginn und bei Beendigung der Beobachtungen Tag und Stunde angemerkt wird, ist man an der Hand des Papierstreifens selbst nachträglich noch im Stande, genau den Ort und die Zeit anzugeben, wo etwa eine Verkehrsstockung oder sonstige Unregelmässigkeit stattgefunden hat.