Titel: Fortschritte in dem Verfahren zur Gewinnung und Trennung von Rohrzucker und anderen Zuckerarten aus unreinen, fremde Stoffe enthaltenden Zuckerlösungen, wie z.B. aus Melasse, Pflanzensäften u. dgl.
Autor: Georg Kassner
Fundstelle: Band 303, Jahrgang 1897, S. 20
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Fortschritte in dem Verfahren zur Gewinnung und Trennung von Rohrzucker und anderen Zuckerarten aus unreinen, fremde Stoffe enthaltenden Zuckerlösungen, wie z.B. aus Melasse, Pflanzensäften u. dgl. (Publicirt in D. p. J. 1895 298 65.) Von Dr. Georg Kassner in Münster i. W. Verfahren zur Gewinnung und Trennung von Rohrzucker und anderen Zuckerarten u.s.w. In meinen „Bemerkungen zu dem Artikel von G. W. über die Darstellung des Bleidisaccharats nach dem Verfahren Kassner-Wohl und dessen praktische Anwendbarkeit im Grossbetriebe“ (D. p. J. 1896 300 118) hatte ich davon gesprochen, dass weitere Verbesserungen meines in D. p. J. 1895 298 65 publicirten Verfahrens in Bearbeitung genommen seien und dass nach ihrer Kenntniss sich die von dem Einsender der mit C. W. gezeichneten kritischen BetrachtungenD. p. J. 1896 300 94. 301 46. erhobenen Bedenken technischer Art sich auf ein Minimum reduciren lassen werden. Die Umstände veranlassen mich nun schon jetzt über den weiteren Portschritt in der Ausarbeitung des Bleiverfahrens zu berichten. Als der in der bisherigen Gestaltung (vgl. D. p. J. 1895 298 65) umständlichste Punkt in der Durchführung des Verfahrens und als wesentlich verbesserungsfähig erschien mir zunächst die Operation des Auswaschens des Saccharats. Dieses stellt bekanntlich einen aus unzähligen, mehr oder weniger grossen Sphärokrystallen bezieh. dünnen Krystallnadeln und Wasser bestehenden Brei dar. Zur Trennung der in demselben enthaltenen löslichen Salze, Farbstoffe u.s.w. von der Rohrzuckerverbindung wandte ich mehrere Methoden an. Unter diesen nenne ich zuerst das mehrmalige Abpressen der flüssigen Antheile, abwechselnd mit nochmaligem Zerreiben der Pressrückstände unter Mischung mit neuen Mengen Wasser. Oder aber ich brachte den Brei auf ein Saugfilter und wusch beständig mit neuen Mengen Wasser nach; eine Methode, die im Kleinen vorzüglich arbeitet, für Fabriken indessen doch nicht empfehlenswerth erscheint. Endlich suchte ich durch blosses Decantiren unter Wiederaufrühren des Saccharats mit Waschwasser die Reinigung durchzuführen. Letzterer Weg ist nach meinen Erfahrungen' für Verarbeitung grosser Saccharatmengen am wenigsten geeignet. Als das beste der Verfahren blieb für die Praxis immer noch die Behandlung des Saccharats in Filterpressen mit Aussüssvorrichtung übrig. Und doch ist nicht zu leugnen, dass sich in der Ausführung dieser Schlammfiltration bei den grossen Quantitäten von Niederschlägen mancherlei Uebelstände bemerkbar machen. Der wesentlichste derselben dürfte neben erheblicher Handarbeit in dem hohen Verschleiss von Filtertüchern liegen, die bei dem erforderlichen hohen Druck mehr als in anderen Fällen angegriffen werden. Nebenher ist aber auch des Umstandes zu gedenken, dass bei der Bedienung der Filterpressen doch hier und da einige Berührung des Arbeiterpersonals mit den Pressrückständen oder Pressflüssigkeiten vorkommen wird, was aus bekannten hygienischen Gründen möglichst vermieden werden muss. Diese und andere Erwägungen führten mich nun dazu, zunächst das Auswaschen des Saccharats in einfacherer, billigerer und in gesundheitlicher Beziehung am wenigsten zu beanstandender Weise zu gestalten. Wie wir aber nachher bald sehen werden, fiel mir als Frucht der in dieser Richtung unternommenen Gedankenarbeit und der sich hieran schliessenden Versuche noch die Erkenntniss zu, dass auch die Saccharat-Erzeugung selbst noch praktischer und vortheilhafter gestaltet werden kann, als wie es in meiner bisherigen Mittheilung geschildert war. Ich kam also zunächst auf den Gedanken, die Dialyse zum Auswaschen des Bleisaccharats heranzuziehen, und fand in der That, dass sich dieselbe vortrefflich zu diesem Zwecke eignet. Das Auswaschen durch Dialyse kann nun in mehrfacher Weise gehandhabt werden. Entweder dadurch, dass man Apparate construirt, welche den alten Osmoseeinrichtungen der Melasseentzuckerung ähnlich sind. Die durch poröse Scheidewände abgeschlossenen Räume, in welchen bei den bisherigen Osmoseapparaten die Melassenlösung circulirte, würden dann von dem dünnen Saccharatbrei erfüllt sein, welcher sehr leicht beweglich ist und kaum die Gefahr einer Verstopfung bieten dürfte, während durch die benachbarten Räume nach dem Princip des Gegenstromes die Salzlaugen bezieh. reines Wasser fliesst. Der durch Osmose von den Salzen befreite dünne Saccharatbrei würde dann nach dem Verlassen des Osmoseapparats schliesslich noch einer Entwässerungsvorrichtung, Centrifuge, Saugapparat, Filterpresse o. dgl. zuzuführen sein, um dort den grössten Theil des Wassers zu verlieren. In anderer Weise lässt sich das Auswaschen durch Dialyse bewerkstelligen und dies ist nach meinen Erfahrungen der allerpraktischste Weg, wenn man aus dem ungewaschenen Saccharat Stücke herstellt, welche in Wasser nicht mehr zu Brei zerfliessen, und wenn man dieselben in geeigneten Diffusionsgefässen über einander schichtet, um sie dann nach dem bekannten Gegenstromverfahren systematisch erst mit Abläufen und zuletzt mit reinem Wasser auszuwaschen. Bei dieser Anordnung des Waschprocesses kann man der Zwischenschaltung poröser Lamellen von Pergamentpapier, wie sie in den alten Osmoseapparaten üblich ist, ganz entbehren. Man erspart dann nicht bloss Arbeit, sondern auch theuere Einrichtungen und den Verschleiss von Osmosepapieren. Denn jedes zusammenhängende Saccharatstück selbst stellt alsdann mit der dasselbe umgebenden Flüssigkeit ein Osmoseelement dar; die Oberfläche des Stückes wirkt als poröse Membran den Salzen im Inneren gegenüber, sowie der wässerigen Flüssigkeit von aussen. Es entstand nun freilich bald die Frage für mich, wie stellt man in zweckmässiger Weise feste und relativ beständige, d.h. in wässeriger Umgebung nicht gerade zu Brei zerfliessende Stücke von Bleisaccharat dar? Die aus den Filterpressen nach dem ersten Abpressen der Salzlaugen kommenden Presskuchen eignen sich für den gedachten Zweck nur in beschränktem Sinne; auch wäre mit der Nothwendigkeit, sie ausschliesslich benutzen zu müssen, nicht gar zu viel gewonnen, da für ihre Herstellung ja bereits ein gut Theil der oben als vermeidlich hingestellten Arbeit geleistet worden ist. Die für den Diffusionswaschprocess erforderlichen festen Stücke des Saccharats müssen ferner eine grössere Resistenz aufweisen, als sie den verhältnissmässig leicht zerreiblichen und zerfliesslichen Presskuchen eigen ist. Derartige Erwägungen brachten mich nun auf den Gedanken, die Saccharaterzeugung derart zu gestalten, z.B. durch Verwendung beschränkter Mengen Wasser bei dem Zusammenrühren von Bleioxyd mit Melasse, dass das Saccharat von vornherein eine feste Masse bildete, die man nur in Stücke zu schlagen brauche, um den Waschprocess in der geschilderten Art vorzunehmen. Wenn es nun auch nicht schwer hält, ein derartig consistentes, in der Wärme steifes, in der Kälte starres und brüchiges Product zu gewinnen, so lässt sich doch die Aufgabe in dieser Weise nicht völlig lösen. Es erschien mir vielmehr zweckmässiger, zunächst das Saccharat in gewöhnlicher Weise als dicken wässerigen Brei zu erzeugen und erst nachträglich daraus durch geeignete Behandlung oder Zusätze feste Stücke, Brocken u.s.w. zu formen. Nun muss ich einschalten, dass ich mich bereits früher mit der Ausführung des Gedankens beschäftigte, Zuckerlösungen nicht in der bisherigen Weise des mechanischen Suspendirens von Bleioxyd innerhalb derselben von ihrem Zucker zu befreien, sondern durch das viel weniger Arbeit erfordernde Verfahren des blossen Durchfiltrirens der Lösungen durch Schichten und Lagen von Bleioxyd. Dieses Verfahren ist in der That recht wohl anwendbar, nur muss hier naturgemäss das Bleioxyd in recht lockerer Form den dasselbe passirenden Zuckertheilchen geboten werden, da durch die Bildung des Dibleisaccharats so wie so Volumenvermehrung stattfindet und leicht eine Verstopfung der Filterporen eintreten kann. So kam ich denn darauf, das Bleioxyd durch mechanisch beigemischte feste indifferente Körper, wie z.B. Pulver von kohlensaurem Kalk, kohlensaurer Magnesia, Cellulosefasern, Gewebereste, Sägespäne u. dgl., aufzulockern und diese Mischung als Filtermaterial zu verwenden. Obwohl nun derartige Gemische recht gute Wirkung zeigen, so war doch die Beimischung der fremden, nach geschehener Ausnutzung des Bleioxyds nur als Ballast auftretenden Körper ein grosser Uebelstand. Da fand ich denn nach einer Anzahl mehr oder weniger geglückter Versuche eine neue Spur. Die mikroskopische Untersuchung hatte mir schon früher gezeigt, dass das in der Ruhe auskrystallisirte Bleisaccharat aus lauter feinen Nädelchen besteht, welche in den Sphärokrystallen radial von einem Mittelpunkt ausgehen. Wie wäre es nun, die Nädelchen des Bleisaccharats selbst an Stelle von Cellulosefasern o. dgl. in der Reihe der oben genannten Suspendirungsmaterialien zu benutzen?! Könnten dieselben nicht in ähnlicher Weise verfilzend wirken, wie es jene thun, und die feinen Partikelchen des ihm beigemischten schweren Bleioxyds in feuchter Mischung am Niedersinken hindern, somit also an der jeweiligen Stelle in der Schwebe und in gleichförmiger Mischung halten? Diese Fragen bestimmten mich sofort, das schon fertig gebildete Bleisaccharat zu Versuchen heranzuziehen. Das Resultat derselben entsprach meinen Erwartungen vollständig, ja es hatte dieselben noch weit übertroffen, denn die Abscheidung von Zucker aus seiner Lösung durch Berührung derselben oder Filtration durch eine Mischung von Dibleisaccharat mit Bleioxydpulver erfolgt bei weitem rascher und exacter als in allen obigen Fällen. Ich erkläre mir diese günstige Wirkung der mechanischen Mischung des Dibleisaccharats mit dem Bleioxyd dadurch, dass das Bleisaccharat mit einem Theile des Oxyds unterstützt durch das dichte Aneinanderliegen beider Körper lockere Verbindungen eingeht, sogen. Polybleisaccharate, welche namentlich bei Gegenwart von freiem Zucker leicht zersetzlich sind und an letzteren das zuerst gebundene Bleioxyd wieder abtreten. Auf diese Weise entsteht das in allen Fällen stabile Dibleisaccharat, welches von Neuem auf das benachbarte Bleioxyd einwirkt, in dieser Wechselwirkung weiteren Zucker in Anspruch nimmt und so fort, bis schliesslich sämmtlicher Zucker oder bei Ueberschuss des letzteren sämmtliches Bleioxyd, falls es nur fein genug vertheilt oder überall zugänglich war, in das Dibleisaccharat übergeführt ist. In dieser Wechselbaziehung äussert das ursprünglich angewandte Saccharat, indem es übertragend wirkt zwischen Bleioxyd und Zucker, eine äusserst schätzenswerthe sogen. katalytische Kraft, deren Benutzung eine glatte Lösung der Aufgaben gestattet, welche ich mir gestellt hatte. Gelang es mir doch durch Anwendung dieser Combination von Bleioxyd mit Bleisaccharat nicht bloss in der Kälte, also ohne jede, bisher von WohlVgl. D. R. P. Nr. 85024. als nothwendig erachtete künstliche Erwärmung, sondern auch aus ganz verdünnten Lösungen den Zucker quantitativ abzuscheiden, wofür Wohl in seinem Verfahren noch ein Erwärmen bezieh. Eindampfen vorgeschlagen hat. Nach dieser Einschaltung kehre ich zu dem Gedanken zurück, den ich oben verlassen hatte. Nach Kenntniss derartiger Wirkungen und unter der Annahme der eben geschilderten Beziehungen zwischen Bleisaccharat, Bleioxyd und Zucker war mir die Auffindung einer geeigneten Methode, Bleisaccharat zum Zwecke des Auswaschens in feste Stücke zu verwandeln, wesentlich erleichtert. Ich brauchte eben nur das fertige Dibleisaccharat mit etwas Bleioxyd zu mischen und die Mischung mit Zuckerlösung oder Melasse anzufeuchten, um sie nach kurzer Zeit in eine relativ feste Masse zu verwandeln, wobei die frisch in der Masse entstehenden Krystallnadeln und Sphärokrystalle durch Verfilzung einen dichteren Anschluss aller Theile und einen festeren Zusammenhang des Ganzen bewirken. Aber noch mehr: ich besass jetzt ein Mittel, das Bleisaccharat von vornherein in permeablen Stücken zu erzeugen und zwar nur dadurch, dass ich auch für die Entstehung des Saccharats die Gesetze der Diffusion bezieh. Endosmose benutzte. So kam die ursprünglich für das Auswaschen der Zuckerbleiverbindung erdachte Methode in zweckmässiger Weise auch für die Abscheidung des Zuckers in Form von Bleisaccharat zur Verwendung. Dass mit diesem Arrangement in der Erzeugung des Saccharats gegenüber dem blossen Wärme- bezieh. Suspendirverfahren recht grosse Vortheile erreicht sind, sei vorläufig kurz erwähnt. Der allergrösste ist der, dass man das in den Apparaten durch Diffusion erzeugte Saccharat ruhig in den Gefässen, in denen es entstand, belassen kann und nur durch Zufliessenlassen von Wasser nach dem Princip des Gegenstromes ein systematisches Auswaschen bewirkt. Der Transport der grossen Massen des Saccharatbreis, die Anwendung zahlreicher Filterpressen, der Verschleiss von Filtertüchern, das Verstreuen der immerhin vorsichtig zu handhabenden Bleiverbindung, eine vorzeitige Saturation durch die Kohlensäure der Luft und damit eintretende Verluste an Zucker, alles dies fällt vollständig weg und wird daher last not least die Saccharaterzeugung und noch mehr die Saccharatverarbeitung wesentlich verbilligt. In dieser ganzen Behandlungsweise kommt eben der Umstand so recht zur Geltung, dass das Dibleisaccharat ein mit seinen Nädelchen filzartig zusammenwachsender und in kaltem Wasser so ausserordentlich schwer löslicher Körper ist, der demnach eine weitgehende Behandlung mit Wasser gestattet. Um nun ein anschauliches Bild des unter Anwendung der oben näher erläuterten Principien ausgearbeiteten Verfahrens zu geben, will ich zunächst die nach meinem Dafürhalten für die Ausführung im Grossen erforderliche Apparatur kurz besprechen. Zu der Erzeugung und Verarbeitung des Saccharats bis zur Saturation, über welche, sowie über die weiter folgenden Processe ich mich heute noch nicht detaillirt äussern will, sind erforderlich zunächst ein Messgefäss für Melasse, ein ebensolches für Bleioxyd und endlich ein solches für Saccharatbrei. Alsdann bedarf man einer durch Motor betriebenen Knet- und Mischvorrichtung und in Verbindung damit einer Presse, den Ziegel- und Strangpressen der keramischen Industrie ähnlich, doch kleiner. Das wichtigste Inventarstück einer Melasseentzuckerungsanlage aber wird der aus einer grösseren Anzahl eigens construirter Gefässe bestehende Diffusionsapparat sein, über dessen Einrichtung ich mich vielleicht ein anderes Mal äussern werde. Schliesslich kommen eine oder mehrere Filtrirvorrichtungen (Filterpressen o. dgl.), um etwa trüb ablaufendes Waschwasser von den suspendirten Theilen zu befreien, eine Anzahl Reservoire, darunter ein Hochdruck-Wasserreservoir o. dgl., zur Verwendung. Alle genannten Apparate müssen zweckmässig durch Rohrleitungen, Förderschnecken u.s.w. je nach Bedarf verbunden sein. Unter Benutzung der vorstehend kurz genannten wesentlichsten Stücke der Entzuckerungsanlage gestaltet sich das Verfahren wie folgt. Man bringt in das Misch- und Knetgefäss eine durch Versuche festgestellte Menge steifen Saccharatbreis, den man von einer früheren Erzeugung her den Apparaten entnommen oder am Anfange des Betriebs auf sonst eine Weise, z.B. durch das Suspendir- oder Filtrirverfahren, gewonnen hatte, gleichviel ob derselbe gewaschen ist oder nicht. Jetzt setzt man das zur innigen Vermischung bestimmte Quantum fein gemahlenen und eventuell mit etwas Wasser angeriebenen Bleioxyds hinzu. Von 200 Th. Saccharatbrei können 100 Th. Bleioxyd, eventuell auch mehr gut gebunden werden. Unter Umständen wird aber auch ein geringeres Gewicht Bleioxyd zu nehmen sein; es kommt dies auf die Einrichtung der Diffusionsgefässe an. Die Masse wird innig durchknetet und mit etwas Melasse- oder Zuckerlösung derart angefeuchtet, dass gerade noch formbare, aber bald erhärtende bezieh. resistent werdende Stücke entstehen. Indessen auch ohne besonderen Zuckerzusatz tritt nach einiger Zeit Festerwerden der Masse ein. Zum Formen der Stücke bedient man sich zweckmässig einer Art Strangpresse, aus welcher man den steifen Teig herausdrückt. Die gebildeten Stränge werden bald von selbst erhärten, eventuell kann man sie schwach erwärmen. Sie werden durch eine Schneidevorrichtung zerkleinert und die so entstandenen Brocken, Cylinder oder andere durch die Pressen entstandenen Formen in die zu beschickenden Diffusionsgefässe eingeführt und in denselben locker geschichtet. Die Diffuseure bilden in fortlaufender Verbindung eine einzige Batterie, deren Bedienung und Handhabung an die anderer gebräuchlicher Colonnenapparate erinnert. Der frisch gefüllte Diffuseur erhält die dünnste Zuckerlösung (Melassenlösung), d.h. jene Lösung, welche nach dem Passiren der übrigen vorgeschalteten Gefässe bereits nahezu entzuckert worden ist, und umgekehrt wird die frisch bereitete Melassenlösung demjenigen Gefässe zugeführt, dessen Inhalt bereits am längsten mit der zuckerhaltigen Lösung in Berührung gestanden hatte, dessen Bleioxyd also am vollständigsten durch Bildung von Saccharat bezieh. Polybleisaccharat ausgenutzt worden war. So geht nun in den Gefässen die Abscheidung des Zuckers in Form von Bleisaccharat ganz von selbst vor sich, ohne dass man mechanische Bewegung, ja auch ohne dass man, was ganz besonders wichtig ist, der Erwärmung bedarf. Denn durch höhere Temperatur wird, was ich schon früher ausgeführt hatte, die völlige Unlöslichmachung des Zuckers beeinträchtigt. Die Wechselwirkung zwischen den Bleioxyd haltigen Brocken und der Melassenlösung ist nicht schwer zu verstehen. Die osmotischen Kräfte in der Lösung bewirken ein Eindringen der Zuckermoleküle in das Innere der Brocken und Stücke, bis Gleichgewichtszustand erreicht ist. Da aber in Folge der raschen Festlegung des Zuckers im Inneren und an der Peripherie der festen Stücke in Form von Bleisaccharat der Zustand des Gleichgewichts unter beständigem Concentrationsänderung der Lösung immer wieder und so lange gestört wird, als noch Zucker bezieh. ungebundenes Bleioxyd vorhanden ist, so ergibt sich aus dieser Wirkungsweise eine völlige Niederschlagung des Zuckers in Gestalt von locker gelagertem, gut auswaschbarem, krystallisirtem Dibleisaccharat. Dabei findet nun freilich auch ein gewisses Aufblähen der Stücke in Folge der Einlagerung des Saccharats statt, welches aber bei richtiger Bemessung der angewandten Quantitäten Bleioxyd und Saccharatbrei zum Zwecke der Entzuckerung und bei genügend lockerer Schichtung durchaus keine der Circulation der Flüssigkeiten bezieh. dem Auswaschen hinderliche Erscheinung ist, sondern im Gegentheil durch Auflockerung der Masse schliesslich noch eine vortheilhafte Wirkung bedingt. Man lässt die Zuckerlösung in den Gefässen eine gewisse, mehr oder weniger kurze, sich nach der Anzahl der Diffuseure richtende Zeit stehen, ehe man die Flüssigkeit weiter drückt bezieh. ein Gefäss ein- oder ausschaltet. An die Entzuckerung durch Diffusion, welche in ihrer Wirkung der Extraction des Zuckers aus Rübenschnitzeln gerade entgegengesetzt ist, insofern bei dieser der Zucker der Pflanzenzellen in die Lösung übergeht, bei jener dagegen der Zucker der Lösung in den Brocken und Stücken der Bleioxydmischung als Saccharat niedergeschlagen wird, schliesst sich unmittelbar das Auswaschen durch Diffusion. Um dasselbe zusammen mit der vorhergehenden Operation in continuirlichem Betriebe zu ermöglichen, ist die Batterie in zwei Hälften getheilt, von denen die eine Gefässerie immer der Abscheidung des Zuckers, die andere Serie dem systematischen Auswaschen des Saccharats dient. Dabei können aber die Gefässe der Gesammtbatterie, wie solches eigentlich nach dem Gesagten selbstverständlich ist, beliebig mit einander combinirt werden, so dass derselbe Diffuseur das eine Mal der Zuckerabscheidung und das andere Mal, wenn gerade die Reihe an ihn kommt, dem Auswaschen dient. Zum systematischen Auswaschen nach dem Gegenstromprincip bedient man sich zweckmässig nicht gewöhnlichen kalten Quell- oder Flusswassers, sondern solchen Wassers, welches man zuvor durch Beimischung von Kalkmilch kalkhaltig gemacht und alsdann filtrirt hatte. Es geschieht dies aus mehreren Gründen. Zunächst deswegen, um eine Vorreinigung des Wassers herbeizuführen, bei welcher der sonst schädliche Betrag des Wassers an freier oder halbgebundener Kohlensäure, die eine partielle, zu frühzeitige Saturation bewirken würde, durch Bildung von kohlensaurem Kalk niedergeschlagen wird. Dann aber hauptsächlich deswegen, um etwa in den Apparaten bezieh. im Saccharatbrei eintretende Gährungserscheinungen zu verhüten. Es erfolgt also die Anwendung caustisch gemachten Waschwassers hier ganz in Uebereinstimmung mit den Erfahrungen der Zuckerindustrie, bei welcher man ja schon von jeher das Kalken der Säfte, abgesehen von der durch dasselbe bewirkten Scheidung, zur Verhinderung des Sauerwerdens und der Invertirung eingeführt hatte. Selbstverständlich lässt sich zu diesem Zwecke auch irgend ein anderes caustisches Alkali oder Erdalkali verwenden. Bei hohem Gypsgehalt des Waschwassers dürfte es sogar zweckmässig sein, den Betrag des Wassers an schwefelsaurem Kalk durch solchen an schwefelsaurem Natron zu ersetzen, indem man vor der Caustificirung des Wassers durch Kalk einen Zusatz von Soda macht, um dadurch eine Umsetzung unter Bildung von Natriumsulfat und Abscheidung des grossen Kalkgehaltes in Form von Carbonat zu bewirken. Freilich ist die Benutzung derartig gereinigten, d.h. Natriumsulfat enthaltenden Wassers nicht in allen Fällen, namentlich nicht beim letzten Auswaschen des Saccharats, angängig und hier ersteres durch reines Wasser zu ersetzen. Die bei dem Diffusionswaschverfahren aus der Batterie schliesslich abgelassene Flüssigkeit stellt eine verhältnissmässig concentrirte Salzlösung dar, deren Concentrationsgrad von der ursprünglichen Verdünnung der Melasse, welche über das Verhältniss 1 Melasse: 2 Wasser nicht hinauszugehen braucht, und von der Anzahl der Diffuseure bezieh. von der Länge des durchflossenen Weges bezieh. auch von der Zeit der Diffusionswirkung abhängen wird. Dasjenige Saccharat, welches in dem beschriebenen System am längsten gewaschen wurde, also in der Reihe der Diffuseure an der Spitze steht und unter denselben in der letzten Arbeitsperiode das frische Wasser erhalten hatte, wird alsdann der weiteren Verarbeitung unterzogen. Der dasselbe enthaltende Diffuseur wird ausgeschaltet, am unteren Ende geöffnet und der Saccharatbrei abgezogen. Das hierbei freiwillig oder nach bewirkter Pressung abfliessende Wasser, welches also dem Schnitzelwasser der Rübenzuckerfabriken entsprechen würde, kann wie andere dünne Waschwässer zum Verdünnen der Melasse benutzt werden. Je nach dem Grade der zur Entfernung des Wassers ausgeübten Pressung, die man vortheilhafter auch durch Absaugen oder Ausschleudern ersetzen kann, erhält man ein mehr oder weniger trockenes Saccharat. Behufs Saturation wird dasselbe eventuell mit Wasser oder Zuckerlösung eingemaischt und der Behandlung mit Kohlensäure unterworfen. Ermitteln wir jetzt nach Darlegung der in der Sache geschaffenen Verbesserungen und Fortschritte, welche, um es bald zu sagen, seitens des Verfassers noch keineswegs abgeschlossen sind, die Unterschiede in dem Werth der bisher publicirten oder zum PatentMan vergleiche hierzu die Fussnote am Schluss meines Aufsatzes in D. p. J. 1895 298 72. angemeldeten Saccharatbildungs- und Saccharatwaschverfahren, so ergibt sich Folgendes: Wir unterscheiden zunächst nachstehende besondere Verfahren, welche in ihrer Reihenfolge gleichzeitig auch den Fortschritt der Erkenntniss in der Sache kundgeben: 1) Das Verfahren der Erzeugung von Bleisaccharat durch Erwärmen von concentrirten Zuckerlösungen oder Eindampfen verdünnter Zuckerlösungen mit Bleioxyd. (Verfahren Wohl [D. R. P. Nr. 85024], von mir Wärmeverfahren genannt.) 2) Das Verfahren der Erzeugung von Bleisaccharat durch stetige gleichförmige Suspendirung von Bleioxyd in kalter concentrirter Zuckerlösung bis zum Eintritt der Verdickung. (Sogen. Suspendirverfahren Kassner, zum Patent angemeldet.) 3) Das Verfahren der Erzeugung von Bleisaccharat durch Filtriren von Zuckerlösungen, concentrirter sowohl als verdünnter, kalter oder warmer, durch Schichten und Lagen von Bleioxyd oder Bleioxydhydrat, event. nachdem das letztere voluminös bezieh. wirksam gemacht wurde. (Sogen. FiltrationsverfahrenEbenfalls von mir zum Patent angemeldet bezieh. im Auslande bereits patentirt. Kassner.) 4) Das Verfahren der Erzeugung von Bleisaccharat durch Stehenlassen concentrirter oder verdünnter Zuckerlösungen mit Stücken von schwammförmig porös gemachtem Bleioxyd, bei welchem die Zuckerabscheidung durch Diffusion erfolgt. (Sogen. Diffusionsverfahren Kassner.) Das vorletzte und letzte Verfahren bildet nun aber nicht nur ein Verfahren zur Abscheidung von Zucker bezieh. zur Erzeugung von Bleisaccharat, sondern geht unter Verwendung desselben Princips auch über in ein Verfahren zur Reinigung bezieh. zum Waschen von Saccharat, sofern man an Stelle von Zuckerlösungen einfach Wasser oder verdünnte Ablaugen benutzt; die Verfahren 3 und 4 können also dann besser Saccharatbildungs- und Waschverfahren durch Diffusion oder Filtration genannt werden. Zur Erleichterung des Auswaschens ist dann aber ausserdem noch von mir als besonderes Verfahren das Osmosewaschverfahren ausgedacht, probirt und zum Patent angemeldet worden, bei welchem breiförmiges Saccharat nach den Gesetzen der Osmose gereinigt wird. Es dürfte sich nun bei kritischer Uebersicht über die Vor- und Nachtheile der einzelnen vorstehend aufgezählten Verfahren ergeben, dass das Wärme- und das mechanische Suspendirverfahren in ihrer Bedeutung gegenüber dem Filtrations- und Diffusionsverfahren zusammengefasst werden müssen. Ihre Vor- und Nachtheile sind ziemlich dieselben gegenüber den letztgenannten. Während beim Wärmeverfahren der Reactionsverlauf eben in Folge der künstlichen Erwärmung ein etwas rascherer ist als beim blossen Suspendirverfahren, welches ohne künstliche Erwärmung arbeitet, ist andererseits mit letzterem der Vortheil verbunden, dass die Saccharaterzeugung keinen Dampf- bezieh. Wärmeverb rauch erfordert und dass in Folge dessen nachher keinerlei künstliche Abkühlung vor und zum Zwecke der weiteren Verarbeitung des Saccharats erforderlich ist, welche Abkühlung, wie früher gezeigt, aus dem Grunde nothwendig ist, um eine theilweise Löslichkeit des Saccharats durch die Salzlösungen und damit Zuckerverluste zu verhüten. Beide Verfahren aber haben das Gemeinsame, dass sich mit ihrer Hilfe leicht grosse Quantitäten Saccharat auf verhältnissmässig geringem Raum erzeugen lassen, dass aber dann auch wieder eine mechanische Aufarbeitung der Massen durch Mischen mit Wasser zum Zwecke des Auswaschens, ferner auch die Anwendung besonderer Filtrations-, Saug- oder Schleudervorrichtungen, also eine vielfache Behandlung mit Maschinen- und Handarbeit erforderlich ist. Dass dabei neben den höheren Spesen für die Bearbeitung auch noch Verstreuungen und Verluste an Bleisaccharat vorkommen müssen, ist ein weiterer Nachtheil des Wärme- und Suspendirverfahrens. Gänzlich oder nahezu frei von derartigen Fehlern ist dagegen das Filtrations- und Diffusionsverfahren, bei denen das Saccharat durch einfaches Strömen der Zuckerlösungen durch den locker gelagerten Bleioxydschwamm erzeugt und hinterher durch einfaches Nachfliessen von Wasser ohne Mitwirkung mechanischer Aufarbeitung oder gar umständlichen Transports gewaschen und gereinigt wird, in denselben Gefässen, in denen es entstand. Der einzige Uebelstand dieser beiden letzten Verfahren ist nur der, dass man etwa immer ein Drittel des erzeugten Saccharats, sei dasselbe nun bereits gewaschen oder nicht, aus dem weiteren Betriebe zurückhalten und mit neuen Mengen Bleioxyd zu einem steifen Teige durcharbeiten muss, um mit dieser zu Stücken geformten festen Mischung den jedesmal leer gewordenen Diffuseur anzufüllen und letzteren in die Reihe der übrigen einzuschalten. Diese Extraarbeit aber dürfte gegenüber den bedeutenden Vortheilen, welche die Anwendung des Diffusionsverfahrens bei der Erzeugung und noch mehr beim Waschen des Saccharats mit sich bringt, nicht wesentlich anzuschlagen sein. Uebrigens ist auch hier noch seitens des Verfassers eine weitere Verbesserung und Vereinfachung in Arbeit, wie man später erfahren wird. Nachdem ich nun in Obigem einige meines Erachtens erhebliche Verbesserungen der in D. p. J. 1895 298 65 mitgetheilten Methode der Entzuckerung von Melasse durch Erzeugung und Zerlegung von Dibleisaccharat mitgetheilt habe, dürfte nun wohl auch der ungenannte Einsender C. W. der Aufsätze in D. p. J. 1896 300 94 und 301 46 zu der Ueberzeugung kommen, dass das Bleiverfahren gegenüber dem Strontianitverfahren recht wesentliche Vortheile bietet. Hinsichtlich der von mir in Laboratoriums versuchen erzielten praktischen Ergebnisse vorstehender Verfahren, zumal des so sauber und einfach arbeitenden Diffusionsverfahrens, kann ich nur bemerken, dass es mir gelang, den vorhandenen Zucker völlig abzuscheiden und in so vorzüglicher Qualität wiederzugewinnen, frei von jeder Spur Blei in den zur Untersuchung benutzten Mengen von etlichen Grammen, wie dies schon der frühere, in D. p. J. 1895 298 65 beschriebene Versuch ergab. Vorstehendes war bereits zum Druck fertiggestellt, als ich Kenntniss erhielt von vier neuen Patentanmeldungen Wohl's. Dieselben beziehen sich indessen nur auf Modifikationen der Saccharaterzeugung durch directes Mischen, d.h. Vermählen von Bleioxyd mit Melasse bezieh. auf Zugabe von Alkalien bei der Saccharat-Erzeugung, oder behandeln die Beschaffenheit des zur Verwendung kommenden Bleioxyds. Ich behalte mir vor, eventuell später auf den Inhalt dieser Anmeldungen, welche, wie man sieht, nichts mit meinen oben mitgetheilten Filtrations-, Osmose- und Diffusionsverfahren bei der Erzeugung bezieh. beim Waschen des Bleisaccharats gemein haben, zurückzukommen.