Titel: Ueber Silberlasur und die Ursache des ungleichartigen Verhaltens der Gläser beim Lasiren.
Fundstelle: Band 306, Jahrgang 1897, S. 91
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Ueber Silberlasur und die Ursache des ungleichartigen Verhaltens der Gläser beim Lasiren. Von Richard Zsigmondy.Mittheilung des Verfassers für Dinglers polyt. Journal nach einer ausführlicheren Abhandlung: „Das Gelbfärben des Glases durch Lasiren“. (Sprechsaal, Jahrg. 28 Nr. 39 bis 45.) Ueber Silberlasur und die Ursache des ungleichartigen Verhaltens der Gläser beim Lasiren. Das Lasiren ist ein in der Glasindustrie seit Langem gebräuchliches Verfahren und gewährt die Möglichkeit, mit den einfachsten Mitteln farblose Glasgegenstände dauernd gelb zu färben. Die bisher geübte Technik besteht darin, das zu färbende Glas mit einem Gemenge von Silberoxyd oder Chlorsilber und Thon zu bestreichen und hierauf im Muffelofen auf dunkle Rothglut zu erhitzen. Nach dem Abbürsten der Thon-Silbermischung erscheint die bestrichene Stelle des Glases gelb gefärbt. Es hat sich dabei herausgestellt, dass verschiedene Glassorten sich in Bezug auf die Fähigkeit, die gelbe Farbe der Silberlasur anzunehmen, sehr verschieden verhalten; darin sind alle Autoren einig. Dagegen herrschen in der Litteratur die ärgsten Widersprüche in Bezug auf die Frage, welche von den Glassorten für die Lasur geeignet seien und welche nicht. Während nach Ebell bloss die Strengflüssigkeit des Glases für die Färbung maassgebend ist, hat nach Bontemps die Zusammensetzung grossen Einfluss auf die Gelbfärbung. Während nach Fr. Knapp„Chemische Technologie“, Braunschweig 1871. sich der böhmische Krystall besser als Bleikrystall färbt, empfiehlt W. Mertens„Die Fabrikation und Raffinirung des Glases“. Hartleben's Verlag. gerade das Bleikrystall als besonders tauglich. Durch ein neues, sehr einfaches Verfahren, kleinere Glasgegenstände in kürzester Zeit durch Lasiren gelb zu färben, war ich in Stand gesetzt, eine grosse Anzahl der verschiedensten Glassorten auf ihre Fähigkeit, die gelbe Silberfarbe anzunehmen, zu prüfen, die Ursache des verschiedenen Verhaltens verschiedener Gläser festzustellen und damit auch die Widersprüche, die sich auf diesem Gebiete in der Litteratur vorfinden, zu erklären. In eine silberoxydhaltige Schmelze von Phosphorsalz oder von leicht schmelzbaren Phosphaten wird das vorher erwärmte Glasstück eingetaucht. Je nach seiner Beschaffenheit färbt es sich dabei in kürzester Zeit mehr oder weniger intensiv gelb. Nach dem Erkalten springt die farblose Phosphatschmelze vom Glase ab und letzteres erscheint gelb gefärbt. Es gelingt auf diese Weise leicht, kleinere, vor dem Gebläse hergestellte Glasgegenstände in kürzester Zeit gelb zu färben. Für grössere Glasgegenstände eignet sich jedoch das neue Verfahren nicht, da bei grösseren Gegenständen eine Hauptbedingung für das Gelingen, die rasche Abkühlung des Glasgegenstandes, nicht erfüllt werden kann. Die silberhaltige Phosphatschmelze wird einfach durch Zusammenschmelzen von leicht schmelzbaren Phosphaten mit Silbernitrat hergestellt; ich verwendete gewöhnlich käufliches reines Phosphorsalz oder daraus dargestelltes Natriummetaphosphat; von letzterem wurden 20 bis 30 Th. mit 4 Th. Silbernitrat zusammengeschmolzen. Die so erhaltene Schmelze ist farblos und kann direct zum Lasiren verwendet werden. Zwei Fragen von theoretischem Interesse waren es, die mich zu den folgenden Versuchen veranlasst haben; die erste Frage: Welcher Körper bewirkt die Gelbfärbung des Glases, ist es metallisches Silber, ein Oxyd oder Silicat desselben? und die zweite Frage: Welcher Körper im Glase macht dasselbe für die Annahme der gelben Farbe geeignet? Zur Beantwortung der ersten Frage hat P. Ebell in seiner Abhandlung: Ueber Kupferrubin und die verwandtenGattungen von Glas (D. p., J. 1874 213 401 bis 411) einige Versuche angestellt und kam dabei zu dem Schlusse, dass metallisches Silber als solches im Stande sei, in die Glasmasse einzudringen und dass das metallische Silber als solches die gelbe Färbung der Silberlasur bedinge. Er stützte sich dabei auf die Thatsache, dass metallisches Silber in äusserst dünner Lage das Licht mit gelber Farbe durchscheinen lässt, und auf folgenden Versuch: Eine inwendig versilberte Glasröhre wurde im Wasserstoffstrome hinreichend stark erhitzt und erschien nachher ebenso gelb gefärbt wie bei Luftzutritt. Ich werde auf diesen Versuch später noch zurückkommen und möchte an dieser Stelle nur bemerken, dass die Ebell'sche Theorie über die Silberlasur zu der allgemein verbreiteten Ansicht Veranlassung gegeben hat, dass das Silber überhaupt nur in metallischem Zustande im Glase enthalten sein könne, welche Ansicht von mir in meinen Arbeiten über Silberlüster widerlegt worden ist. Ich kann sogar hinzufügen, dass man grössere Mengen von Silber nur im oxydirten Zustande in der Glasmasse auflösen kann, dass das Silber bei energischer Reduction im heissen Glase aber sich mit Vorliebe zu grösseren Aggregaten vereinigt; ein solches Glas erscheint dann weiss oder grau und getrübt. Vom Standpunkte der Ebell'schen Theorie betrachtet, erscheint der Vorgang des Lasirens mit Phosphatschmelzen im höchsten Grade merkwürdig: Ein farbloses Stück Glas, in eine farblose Schmelze eingetaucht, wird in wenigen Augenblicken intensiv gelb bis gelbbraun gefärbt, ohne Gasentwickelung, ohne störende Nebenerscheinung. Unwillkürlich drängt sich die Frage auf: Wie entsteht hier das metallische Silber? In der Phosphorsalzschmelze ist dasselbe nicht enthalten; letztere löst sich leicht in Wasser ohne Gelbfärbung oder Trübung und das Silber lässt sich aus der wässerigen Lösung mit Salzsäure vollständig als Chlorsilber abscheiden. Es muss das Silberoxyd also beim Uebergang in die Glassubstanz seinen Sauerstoff verloren haben, vorausgesetzt, dass die Ebell'sche Anschauung richtig ist. Dies kann entweder unter Abgabe des Sauerstoffes in elementarer Form, also unter Gasentwickelung geschehen, oder durch Reduction des Silbers durch einen Bestandtheil der Glassubstanz. Gasentwickelung tritt nun nicht ein, auch nicht die minimalste. Eine solche müsste aber nach meiner Berechnung über die quantitativen Verhältnisse sehr deutlich wahrnehmbar sein, wenn das Silber nur als Metall unter Sauerstoffabgabe in die Glasmasse eindringen würde. Es bleibt demnach nur mehr die Annahme, dass ein in der Glassubstanz enthaltenes Reductionsmittel die Reduction des Silberoxydes bewirke, oder man muss die Ebell'sche Theorie für die Erklärung des Lasirens mit Phosphatschmelze fallen lassen und annehmen, dass das Silberoxyd mit den Bestandtheilen des Glases braungefärbte Verbindungen eingehe, etwa braunes Silbersilicat oder Silberarseniat u. dgl. bilde. Meine Versuche sprechen nun zu Gunsten der Ebell'schen Theorie, wenn damit auch die letzterwähnte Ansicht, dass das Silber unter Umständen gelbgefärbte Verbindungen im Glase erzeugen könne, nicht völlig widerlegt ist. Es hat sich gezeigt, dass reine, von Reductionsmitteln freie Gläser bestimmter Zusammensetzung durch silberhaltige Phosphorsalzschmelze nicht gefärbt werden konnten, dass Gläser von genau der gleichen Zusammensetzung aber intensiv gelb bis braun gefärbt wurden, wenn dieselben auch nur geringe Mengen Eisenoxydul als Reductionsmittel enthielten. Und damit kommen wir zur zweiten Frage: Welche Bestandtheile des Glases machen dasselbe für die Annahme der Silberlasur geeignet? Die Beantwortung dieser Frage bildet den eigentlichen Inhalt meiner Arbeit. Einen der wirksamen Bestandtheile des Glases habe ich bereits genannt: das Eisenoxydul. Dieses wirkt als Reductionsmittel. In gleicher Weise wirken auch das im Glase gelöste metallische Blei, ferner die arsenige Säure. Dagegen hat sich herausgestellt, dass die Kieselsäure, das Kali, Natron, der Kalk und das Bleioxyd als Bestandtheile des Glases keinen Einfluss auf die Glasfärbung auszuüben vermögen. Gläser, welche aus wechselnden Mengen dieser Bestandtheile zusammengesetzt, aber frei von anderen Verunreinigungen sind, bleiben, mit heisser Silberphosphatschmelze in Berührung gebracht, farblos oder beinahe ungefärbt. In gedrängter Kürze möchte ich nun die Resultate meiner Versuche wiedergeben. In einer kleinen Porzellanschale wurde das Gemenge von 30 Th. Natriummetaphosphat mit 4 Th. Silbernitrat im Muffelofen geschmolzen. Gleichzeitig wurden in einer zweiten Porzellanschale, welche ebenfalls in einen Muffelofen eingesetzt worden war, die zu prüfenden Glasstücke so weit vorgewärmt, dass ein Probestück aus Tafelglas sich eben verbog. In diesem Zeitpunkte wurde die silberhaltige Schmelze auf die Glasstücke ausgegossen und nach kurzem Verweilen in der Muffel aus letzterer entfernt. Ich konnte auf diese Weise in den einzelnen Versuchsreihen stets unter gleichen Bedingungen arbeiten, was für die Beweiskraft von Wichtigkeit war. Jede Versuchsreihe umfasste fünf bis acht Glasproben, welche gleichzeitig in oben beschriebener Weise behandelt wurden. Die Resultate der Versuche finden sich in nebenstehender Tabelle zusammengestellt. Ueberblickt man die in nebenstehender Tabelle enthaltenen Versuchsresultate, so fällt vor allem in die Augen, dass die Normalgläser ebenso wie Gläser bekannter Zusammensetzung 16 bis 18, Wasserglas und Spiegelglas nur ganz unbedeutende Färbungen annahmen oder ungefärbt blieben, während andere, ursprünglich farblose Gläser, die in der Zusammensetzung einigen der genannten Gläser nahe standen, wie Tafelglas, Thüringer-Glas, Bleiglas 15, in derselben Schmelze äusserst intensiv gefärbt wurden. Ich habe guten Grund, anzunehmen, dass die unbedeutenden Lasurfärbungen, welche bei den Gläsern 8 bis 11 und 16 bis 18 auftraten, auf geringe Verunreinigungen zurückzuführen sind, die beim Abschmelzen im hessischen Tiegel von der Glasmasse aufgenommen worden waren. Würden diese Gläser in Porzellan- oder Platingefässen in oxydirender Atmosphäre hergestellt worden sein, so hätten sie vermuthlich gar keine Farbe angenommen, wie das Wasserglas 24 a und 24 b. Man ersieht aus dem Verhalten der Gläser bekannter Zusammensetzung, dass die wesentlichen Bestandtheile der Textabbildung Bd. 306, S. 93 Nr. der Versuchsreihe; Nr. des Glases und Versuches; Benennung des Glases; Chemische Zusammensetzung des Glases in Aequivalentformeln; Farbe, welche das Glas in der Phosphatschmelze annahm; Sonstige Bemerkungen; Tafelglas; Intensiv braun; Weiches Glas; Flintglas von Schott Nr. 694 K; Schwach goldgelb; Thüringer Glasröhre; Eisenoxydulglas; Schott'sches Glas Nr. 161; Feurig orange; Tafelglas; Dasselbe Glas wie in Versuchsreihe I; Spiegelglas; Anfangs ungefärbt, wurde nach 1 Minute schwach weingelb; War sehr rein weiss, wurde stark angegriffen; Normalglas; Schwach gelb; Ungefärbt; Kali-Kalkglas; Im bessischen Tiegel abgeschmolzene Gläser; Käufliches Wasserglas; Intensiv braungelb; Eisenhaltiges Glas, nach 5 Minuten zeigten sich braune Krusten auf der Oberfläche des Glases; Verhält sich ebenso wie 7; Kali-Natron-Bleiglas; Intensiv braun; Kali-Natron-Kalkglas; Schwach gefärbt; Wird stark angegriffen; Im hessischen Tiegel abgeschmolzen; Kali-Kalkglas (sehr weich); Färbt sich unbedeutend; Kali-Zink-Blei-Baryt-Normalglas; Schwach weingelb; Tafelglas, weiss; Schott'sches Gerätheglas; Sienafarbig, färbt sich langsamer als 21; Probirröhre; Braun, etwas schwächer als 19; Tafelglas; Intensiv braungelb; Wasserglas 13; Verhält sich wie in Versuch 13; Reines, farbloses Wasserglas; Bleibt vollkommen farblos; Ebenso wie alle folgenden Gläser in einer Porzellanschale im Muffelofen hergestellt; Eisenoxydhaltiges Wasserglas; Ganz schwach gefärbt; Schwach hellgelb; Intensiv braungelb, bedeckt sich bald mit einer emailartigen Kruste; Unter Holzkohle abgeschmolzenes Glas, daher Fe als FeO enthalten; Eisenhaltiges Wasserglas; Intensiv braungelb, bedeckt sich bald mit einer emailartigen Kruste; Wasserglas, eisenfrei, mit Holzkohle abgeschmolzen; Nur an einzelnen Stellen unbedeutente Gelbfärbung; Zum Vergleich mit Glas 26 b; Eisenoxydulhaltiges Wasserglas; Intensiv gelbbraun, wie 13; Vergl. mit Glas 25; Wasserglas, arsenhaltig; Stellenweise goldgelb, ungleichmässig; Kaolin-Sodaglas; Hergestellt aus 10 Th. Soda, 9 Th. Quarz, 8 Th. Kaolin;Tief rothbraun, äusserst intensiv; Unreines, steiniges Glas; Natron-Bleiglas; Färbt sich nur an jenen Stellen, die reducirtes Blei enthalten, dort aber intensiv; Zum Vergleich mit Glas 15 Glassubstanz und ebenso das Verhältniss, in welchem sie zu einander stehen, keinen directen Einfluss auf die Annahme der Lasur ausüben; denn man mag Gläser mit viel oder wenig Kieselsäure abschmelzen, das Kali durch Natron, den Kalk durch Bleioxyd ersetzen, man erhält stets nahezu das gleiche Resultat: das Glas färbt sich in der silberhaltigen Schmelze nur wenig oder gar nicht. Die einzige Ausnahme, das Bleiglas Nr. 15, lässt sich aus dem Ergebnisse des Versuches 32 leicht erklären: das Glas 15 hatte offenbar beim Abschmelzen theilweise Reduction erlitten und enthielt metallisches Blei in gelöstem Zustande, in welchem es dem Auge unsichtbar ist. Durch Lasiren wird dasselbe dem Auge erkennbar gemacht. Dies konnte ich bei Glas 32 deutlich wahrnehmen, das nach dem Verweilen in der Phosphatschmelze nur an jenen Stellen intensiv gefärbt war, welche graue Streifen von ausgeschiedenem Blei enthielten. Die Streifen selbst erschienen nach dem Lasiren intensiv gelbbraun, aber auch die unmittelbare Umgebung derselben war gefärbt mit abnehmender Intensität; die gelbbraunen Streifen waren viel breiter als die grauen, ein Zeichen, dass auch dort, wo das Blei nicht mehr sichtbar war, dasselbe seine reducirende Wirkung ausgeübt hatte. Den klarsten Einblick in die Wirksamkeit reducirender Bestandtheile konnte ich bei meinen Versuchen 24 bis 29 mit Wasserglas erhalten, weil ich dabei von ganz reinen Materialien ausging und das Glas in Porzellanschalen in der Muffel, also in oxydirender Atmosphäre abschmolz, derart, dass das Glas seiner Hauptmasse nach keine fremden Bestandtheile aus dem Schmelzgefässe aufnehmen konnte. Dabei zeigte sich, dass reines Wasserglas (24 a und b), in die Schmelze gebracht, vollkommen farblos blieb, dass ein Eisenoxydgehalt des Wasserglases bis zu 2,4 Proc. die Annahme der Lasurfarbe nicht begünstigt (vgl. Glas 25 und 26 a), ein geringer Eisenoxydulgehalt (0,96 Proc.) das Glas aber befähigt, eine intensiv gelbbraune Lasur in wenigen Augenblicken anzunehmen. Eine braungefärbte Verbindung zwischen Silberoxyd und Eisenoxydul anzunehmen, erscheint wohl von vornherein ausgeschlossen. Abgesehen davon, dass beide Oxyde basischer Natur sind, hat das Eisenoxydul bei Rothglut ein so bedeutendes Bestreben, sich höher zu oxydiren, das Silberoxyd dagegen eine so bedeutende Tendenz, seinen Sauerstoff abzugeben, dass ein Bestehen beider neben einander in demselben Lösungsmittel bei dunkler Rothglut nicht für möglich gehalten werden kann. Die eisenhaltigen Wassergläser wurden aus Wasserglasmischung 24 a unter Zusatz von basisch essigsaurem Eisenoxyd und Seignettesalz in der Muffel abgeschmolzen. Da ein Vorversuch zeigte, dass die Gegenwart von Seignettesalz das Eisen vor Oxydation durch den Luftsauerstoff nicht zu schützen vermochte bezieh. keinen genügend reducirenden Einfluss besass, so wurden die oxydulhaltigen Gläser unter einer Decke von Holzkohle erschmolzen. Dabei konnte die Kohle theilweise vom Glase aufgenommen worden sein und zu störenden Nebenerscheinungen Veranlassung gegeben haben. Um Sicherheit darüber zu erhalten, wurde Wasserglas mit Holzkohle allein abgeschmolzen (Versuch 28), wobei sich zeigte, dass die Gegenwart der Kohle im Wasserglase kaum zur Lasurbildung beiträgt.Anders dürften die Verhältnisse liegen, wenn man Kohle bei den hohen Temperaturen der Glasschmelzöfen in die Glasmasse bringt; in diesem Falle wird die erstere von dem schmelzenden Glase aufgenommen und kann dann kräftig reducirend wirken. Wir haben demnach zwei zufällige Bestandtheile des Glases kennen gelernt, welche dasselbe befähigen, gelbbraune Lasur anzunehmen: das metallische Blei und das Eisenoxydul. Beide Körper wirken als Reductionsmittel und erzeugen die gelbe oder braune Lasurfärbung, indem sie das in die Glassubstanz eindringende Silberoxyd in metallisches Silber verwandeln. Ich zweifle nicht daran, dass es noch einige andere, im Glase gelöste Substanzen gibt, die ähnlich reducirend wirken; so z.B. im Glase enthaltener Kohlenstoff, Silicium, gelöste Schwefelmetalle, Zinnoxydul, arsenigsaure Salze u. dgl. Derartige Körper könnten in den nicht näher untersuchten Gläsern 1, 3, 5, 20, 31 enthalten sein und diesen die Befähigung ertheilen, Silberlasur unter Reduction des Oxydes anzunehmen. Daneben bleibt aber die Annahme nicht ganz ausgeschlossen, dass unter Umständen das Silberoxyd mit gewissen zufälligen Bestandtheilen des Glases auch gefärbte Verbindungen eingehen könnte. Darüber kann erst eine weitaus umfangreichere Untersuchung Aufschluss geben. Wenn nun auch meine Versuche als neue Belege für die Richtigkeit der Ansicht, metallisches Silber sei der färbende Bestandtheil der Lasur, aufgefasst werden können, so bedarf doch die alte Ebell'sche Ansicht über das Verhalten von Silber zum Glase nach dem gegenwärtigen Stand unserer Erkenntniss einiger Correcturen. Ich will die wichtigsten hierher gehörigen Sätze Ebell's an dieser Stelle wiedergeben: S. 410 der citirten Abhandlung heisst es: „Die Thatsachen von der Aufnahme metallischen Silbers durch das Glas, die weisse Farbe sammt dem Metallglanze der Ausscheidungen im silberhaltigen Glase, endlich die Analogie des Verhaltens mit dem Kupferglase lassen wenig Zweifel, dass auch das silberhaltige Glas eine Lösung von Metall als solches im Glase ist.“ Weiter S. 411: „Die Temperatur des Lasirens ist der mindeste Grad von Glühhitze, also eine Temperatur, bei der das Silber nur färbend auftritt. Denn auch das Silber geht in zweierlei molekularen Zuständen in das Glas, ganz wie Kupfer und Gold. Bei der Darstellung des silberhaltigen Glases durch Schmelzen scheint nicht mehr Silber aufgenommen zu werden als beim Lasiren; denn das färbende Molekül des Silbers geht besonders leicht, weit leichter als jenes des Goldes oder Kupfers ins Glas. „Gehen die Silberpräparate nicht als solche, sondern als metallisches Silber in das Glas, so müssen sie reducirt werden. Beim Silberoxyd begreift sich das leicht, da es in der Hitze in Metall und Sauerstoff zerfällt. Beim Chlorsilber muss es dahingestellt bleiben, ob dies von den durch die Muffel diffundirenden Feuergasen, ob von dem Vehikel (Terpentinöl) oder im Glase von den Alkalien geschieht.“ Was nun den ersten der citirten Sätze anlangt, so kann ich auf meine Publication über die Herstellung silberhaltiger Lüster auf Glas verweisen, in welcher ich bewiesen habe, dass das Silber in allen für die Herstellung von Silberlüster tauglichen Glasarten in oxydirtem Zustande im Glase gelöst ist und nicht als Metall. Ich habe einen Versuch Ebell's wiederholt. Eine inwendig nach Liebig versilberte Glasröhre (ich nahm eine Biegeröhre) wurde im Wasserstoffstrome durch 1½ Stunden so stark erhitzt, dass die Röhre zum Schluss ganz verbogen war. Der Silberspiegel hatte sich nach kurzer Zeit in einen dünnen, mattweissen, nicht mehr spiegelnden Ueberzug verwandelt und blieb in diesem Zustande vollkommen unverändert; von einer Lasur war kaum eine Andeutung zu bemerken. Das metallische Silber hat also keine grosse Neigung, ins Glas zu wandern. Dagegen gelingt es ganz leicht, nicht nur das Silbermetall verschwinden zu lassen, sondern auch gelbe bis braune Färbungen der Röhre zu erzielen, wenn man verfährt, wie ich folgend beschreiben werde: Ein anderer Theil derselben Röhre wurde zunächst etwa ½ Stunde bei Luftzutritt erhitzt. Das Silber verschwand an einzelnen Stellen vollständig ohne Färbung der Röhre. Da sich Silber bei diesen Temperaturen nicht verflüchtigt, so konnte dasselbe nur unter Oxydation ins Glas gegangen sein. Der Beweis dafür war leicht zu erbringen. Wurde nun Wasserstoff durch die Röhre geleitet und abermals erhitzt, so trat nach kurzer Zeit intensive Gelbfärbung und Bildung eines spiegelnden Lüsters ein. Dieser Versuch ist ein neuer Beweis dafür, dass das Silber nur in oxydirtem Zustande leicht von der Glassubstanz aufgenommen werden kann. Er zeigt ferner in ziemlich unzweideutiger Weise an, dass beim gewöhnlichen Verfahren des Lasirens das aus dem Silberoxyd vorübergehend reducirte Metall allmählich bei höherer Temperatur wieder oxydirt werden muss und als Oxyd in das Innere des Glases dringt. Dort erst wird es, je nach der Beschaffenheit des Glases, im Innern desselben mehr oder weniger reducirt und färbt dann das Glas dementsprechend mehr oder weniger kräftig. Es sind daher auch die beiden letzten Sätze Ebell's, in welchen gesagt wird, dass die Silberpräparate beim Lasiren nicht als solche, sondern als metallisches Silber, als färbende Moleküle, die besonders leicht in das Glas gehen sollen, in das Glas eindringen, nicht ganz richtig. Es geht das Silber leicht als Oxyd in das Innere der Glassubstanz über, nicht jedoch, oder nur äusserst schwierig, als Metall. Darin gleicht es dem Blei, Kupfer und anderen Metallen. Bezüglich des letzterwähnten Satzes von Ebell sei nur bemerkt, dass bei meinen Versuchen Terpentinöl und Feuergase als reducirende Substanzen vollkommen ausgeschlossen waren und dass die Alkalien ausser Betracht kommen. Schliesslich sei noch erwähnt, dass ich mich durch eine Reihe von Versuchen davon überzeugt hatte, dass die verschiedenen Gläser sich beim Lasiren nach dem gewöhnlichen Verfahren ganz ebenso verhalten, wie beim Lasiren in der silberhaltigen Phosphatschmelze. Es werden demnach diejenigen Gläser, die in der Phosphatschmelze intensive Färbungen annehmen, auch durch Behandlung mit Thon-Silberoxydmischung stark gefärbt; andere, welche, wie Spiegelglas und reines Wasserglas nach dem ersten Verfahren behandelt, beinahe oder ganz farblos bleiben, zeigen das gleiche Verhalten auch bei Anwendung des zweiten Verfahrens. Meine Schlüsse haben demnach auch Gültigkeit für das gewöhnliche Verfahren des Lasirens.