Titel: Das Gleiskreuzungs-Weichensignal der königl. bayerischen Staatsbahnen.
Fundstelle: Band 306, Jahrgang 1897, S. 234
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Das Gleiskreuzungs-Weichensignal der königl. bayerischen Staatsbahnen. Mit Abbildungen. Das Gleiskreuzungs-Weichensignal der königl. bayerischen Staatsbahnen. Seitdem die sogen. Englischen Weichen oder Gleiskreuzungsweichen innerhalb des Vereinsgebietes deutscher Eisenbahnverwaltungen erweiterte Anwendung finden, was sich eigentlich erst seit der wohlmeinenden Begutachtung dieser Bahneinrichtungen durch die 1877 in Stuttgart stattgehabte VIII. Technikerversammlung herschreibt, ist mit den Entwickelungsfragen dieser Weichengattung wiederholt auch die Frage der zugehörigen Signale aufgeworfen worden, ohne dass sie bisher eine endgültige Klärung erfahren hat. Auch die jüngste deutsche Signalordnung (vom 5. Juli 1892) geht auf den Gegenstand nicht ein, sondern gibt betreffs der Form der Weichensignale überhaupt keine unmittelbaren Bestimmungen. Sie stellt lediglich grundsätzlich fest, dass die Signale an den Weichen sowohl bei Tag als bei Dunkelheit durch ihre Form erkennen lassen müssen, ob die Weiche auf das gerade Gleis oder nach welcher Seite die Ablenkung erfolgt. Rothes wie grünes Licht sind für Weichensignale nicht zu verwenden, sofern dieselben nicht in einzelnem Falle zugleich als Haltsignal oder Langsamfahrsignal dienen sollen. Im Allgemeinen werden bisher bei den Gleiskreuzungsweichen nur gewöhnliche Weichensignale in Verwendung genommen, die an den vier Gleiszweigen in einiger Entfernung von der Gleisdurchschneidung Aufstellung finden müssen, damit sie keine Irrthümer hervorrufen. Die Vermehrung, welche die ohnehin reiche Menge ständiger Signale auf den Bahnhöfen hierdurch erfährt, erschwert die Uebersicht und bildet sonach einen Uebelstand, auf dessen Wegfall Werth zu legen ist. Desgleichen erwachsen durch die Anlage der Bewegungsübertragungen für vier Signale, welche ganz andere Aufstellungspunkte haben als die Weichenstellvorrichtungen, Kosten und Schwierigkeiten, die besser vermieden bleiben. Aus diesen und ähnlichen Gründen wird neuerer Zeit häufiger darauf übergegangen, an den in Betracht gezogenen Gleiskreuzungsweichen ebenfalls nur ein einziges Weichensignal anzubringen, das jedoch zur Darstellung von vier Signalzeichen eingerichtet ist. Der erste erfolgreiche Versuch mit vereinfachten Weichensignalen für Kreuzweichen fand jedoch schon vor etwa 18 Jahren in Bayern statt, wo der jetzige königl. bayerische Generaldirectionsrath Jäger bereits im J. 1881 eine derartige Vorrichtung erdacht und ausgeführt hatte, welche im Organ für die Fortschritte des Eisenbahnwesens, 1882 S. 69, beschrieben worden ist. Dieses Signal hat seither wohl nicht im Principe, so doch hinsichtlich der constructiven Ausführung der Umstellvorrichtung einige werthvolle Vervollkommnungen erfahren, und wird auf den bayerischen Staatsbahnen schon seit Längerem für alle doppelten Gleiskreuzungsweichen grundsätzlich benutzt (vgl. Glaser's Annalen vom 1. August 1896, S. 56). Bei der Weichenumstellung erfolgt nämlich der vollständige Wechsel des Signalbildes an der Signal Vorrichtung erst dann, wenn die Weichenzungen so weit geschlossen sind, dass sie ungefährdet befahren werden können; bevor aber diese gesicherten Endstellungen nicht erreicht sind bezieh. solange die Bewegung der Weichenzungen anhält, kann kein correctes Signalbild zu Stande kommen. Selbstverständlich gilt diese Halbstellung des Signals als Gefahrzeichen, welches von den Locomotivführern strenge zu beachten ist und es verhütet, dass die Weiche, was sonst insbesondere im Eifer rasch auf einander folgender Wagenverschiebungen unterlaufen könnte, vorzeitig befahren werde. Textabbildung Bd. 306, S. 235 Gleiskreuzungs-Weichensignal der königl. bayerischen Staatsbahnen. Die Weichensignalvorrichtung besteht aus einer unbeweglichen Laterne, an welcher die Vorder- und Rückseite mit je einer 3 mm starken, 365 mm breiten und ebenso hohen Milchglastafel abgeschlossen ist; eben solche Glastafeln, jedoch nur 160 mm breit und 135 mm hoch, sind in den beiden anderen, sonst aus Blech bestehenden Laternenwänden eingesetzt. Für die Darstellung der Signalzeichen dienen nur die beiden grossen Scheiben, vor welchen zwei Paar bewegliche, schwarzlackirte Blechstreifen angebracht sind. Je zwei zusammen gehörende Blechstreifen liegen entweder in gleicher Linie und bilden dann einen senkrechten Streifen oder sie wurden im ungleichen Sinne um 45° herumgedreht und bilden dann einen rechtwinkeligen Pfeil. Die vier hieraus abgeleiteten Signalzeichen zeigen Fig. 1 bis 4, wo unterhalb jedes Signalbildes auch die hierdurch signalisirte Lage der Gleiskreuzungsweichen ersichtlich gemacht ist. Nach der Signalordnung der bayerischen Signalordnung ist diesen Signalbildern nachstehende Bedeutung untergelegt. Fig. 1: „Die Weiche ist auf das gerade Gleis eingestellt“; Fig. 2 und 3: „Die Weiche ist auf das gekrümmte Gleis eingestellt“ (hierbei zeigt die Spitze des schwarzen Pfeiles die Richtung der Ablenkung an), und Fig. 4: „Die Kreuzungsweiche ist auf das die Hauptgleisrichtung geradlinig durch kreuzende Gleis eingestellt.“ – Obwohl der Ständer des Weichensignals, abweichend von den zumeist verwendeten Vorrichtungen dieser Gattung, auffällig niedrig und auch die Laternengrösse nicht besonders nennenswerth ist, so erscheinen die Signalbilder doch so deutlich, dass sie schon über mehrere Weichenzungen hinweg mit einem einzigen Blick sicher erkannt werden können. Als Ständer für die Signallaterne dient ein röhrenförmiger ovaler Schaft r (Fig. 5 und 6) aus Gusseisen, und ein aus gleichem Material bestehender Sockel, der an dem aus Flacheisen ausgeführten, in den Bahnkörper eingebauten Untergestell u durch Schrauben angemessen befestigt ist. Die an der Vorder- und Rückseite der Signallaterne angebrachten parallelen Blechblenden b' und b'1 sitzen auf der durchgehenden wagerechten Drehachse mm fest und hängen senkrecht nach abwärts; die beiden unteren Blechblendenpaare b und b1 sitzen gleichfalls auf je einer ähnlichen Welle n und n1, stehen aber senkrecht nach aufwärts. Zwischen jedem Blechstreifen b' und b, ebenso zwischen jedem b'1 und b1 besteht eine zwangsläufige Verbindung durch einen in der unteren Blende eingenieteten Stift p bezieh. p1, der in einer, in der hängenden Blende eingeschnittenen Nuth q bezieh. q1 läuft. Textabbildung Bd. 306, S. 235 Gleiskreuzungs-Weichensignal der königl. bayerischen Staatsbahnen. Diese Anordnung ist also vorne wie rückwärts der Laterne ganz gleich und bedingt, da die hängenden Blendenbleche b' und b'1 wesentlich länger und daher schwerer sind als die unteren Bleche b und b1, dass die Streifenpaare, wenn sie sonst weiter nicht beeinflusst werden, selbsthätig in der dem Signalzeichen (Fig. 1) entsprechenden Lage, d. i. in der Schwerlinie der hängenden Blech streifen, verharren. Ein auf den unteren Achsen n und n1 aufgeklemmter, hinsichtlich seines Standpunktes und seiner Länge genau einregulirbarer Arm c bezieh. c1 hat die Aufgabe, die Umwandlung der Signalbilder zu vermitteln. Wird beispielsweise c (Fig. 6) um 45° nach links gedrückt, so kippen die beiden auf n sitzenden Blenden b um den gleichen Winkel nach rechts, wobei sie durch die Stifte p die beiden b' gleichfalls mitnehmen, auf welche Weise sonach das Signalbild (Fig. 3) entsteht. In gleicher Art, nur nach entgegengesetzter Richtung, werden die rechtsseitigen Blendenpaare durch eine Rechtsdrehung des Armes c1 bewegt; dieselben verschieben sich um 45° nach links und geben dann das Signalbild Fig. 2. Werden beide Arme c und c1 aus der in Fig. 6 dargestellten Ruhelage um 45° verschoben, so entsteht schliesslich das Signalbild Fig. 4. Zum Blendeneinstellen ist für jedes der beiden Blendensysteme eine besondere, im Röhrenständer der Laterne gelagerte Welle e bezieh. e1 (Fig. 5 und 7) vorhanden, welche mit einem an ihrem unteren Ende vom Kurbelarm f bezieh. f1 getragenen Rollenzapfen z bezieh. z1 in den Schlitz s bezieh. s1 eines Schiebers g bezieh. g1 eingreift. Die beiden von einander unabhängigen Schieber g und g1 werden durch die Gestänge h bezieh. h1 wie dies auch in den Skizzen der Gleiskreuzungsweiche (Fig. 1 bis 4) angedeutet erscheint – mit den beiden Spitzenverschlüssen oder sonstigen Stellvorrichtungen der Weichen verbunden. Indem ersteren Falls bei der Umstellung des einen wie des zweiten Spitzenverschlusses jedesmal auch die Lage des zugehörigen Schiebers g oder g1 geändert wird, erfolgt dabei durch Vermittelung des Rollenzapfens z oder z1 eine Drehung der betreffenden Welle e oder e1. Diese Drehung überträgt sich am oberen Ende der Wellen durch die wagerechten Arme d bezieh. d1 (Fig. 5 und 6) auf den Blendenbügel c bezieh. c1 und bewirkt die Blendenumstellung. In Folge der eigenthümlichen Coulissenform in g und g1 sind aber die Blenden gezwungen, sobald der Schieber seine Ruhelage verlässt, oder mit anderen Worten alsbald, wenn eine Weichenumstellung beginnt, sich um die halbe Flügeldrehung, d. i. um 22½° zu verstellen, in dieser Lage nahezu bis zum Ende der Weichenbewegung zu verweilen, und erst in die vollständige, das richtige neue Signalbild bildende Endstellung überzugehen, bis die Weichenzungen vollends verschlossen sind. In Fig. 7 sind die drei verschiedenen Absätze, in welchen die Coulissen die Rollenzapfen, d.h. also den ganzen Blendenmechanismus beeinflussen, mit den Ziffern 0, 1, 2 und 3 näher bezeichnet und dieselben entsprechen den bekannten drei Bewegungsphasen der Weichenspitzenverschlüsse. Die Lage 0 1 – keine Aenderung des zuletzt bestandenen Signalbildes – obwaltet während der Weichenentriegelung, die Lage 1 2 – Halbstellung der Blende – während der Weichenumstellung und 2 3 – neues Signalbild – während der Verriegelung der Weiche. Bei den Schieberbewegungen von links nach rechts tritt dieselbe Reihenfolge in umgekehrter Ordnung ein. Ganz dieselbe Umstellvorrichtung des Weichensignals ist übrigens auch bei solchen Gleiskreuzungsweichen in Anwendung, die nicht von einem centralen Stellwerke mittels Spitzenverschlüssen, sondern mittels gewöhnlicher Stellblöcke gehandhabt werden. In solchen Fällen erhalten lediglich die beiden, zu dem Weichenzungenpaare führenden Winkelhebel der Weichenstellvorrichtung eine zweite Lochung, in der die Schieberstangen h eingehängt werden; selbstverständlich ist die Entfernung der Lochung vom Drehpunkte des Winkelhebels so bemessen, dass genau der für die Schieber g erforderliche Hub erreicht wird. Das vorstehend geschilderte Weichensignal bewährt sich bereits seit Jahren vortrefflich, weshalb denn auch seitens der XIV. Technikerversammlung des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen Vorrichtungen nach Art des bayerischen Signals als Ersatz für die vierfachen Gleiskreuzungs-Weichensignale anempfohlen worden sind.