Titel: Verkehrswesen.Neuere Motorwagen.
Fundstelle: Band 310, Jahrgang 1898, S. 91
Download: XML
Verkehrswesen.Neuere Motorwagen. Mit Abbildungen. Neuere Motorwagen. Im Folgenden geben wir die Beschreibung von zwei Motordroschken amerikanischer Herkunft, über welche der American Machinist vom 29. Sept. und 6. Oct. 1898 eine Reihe interessanter Angaben bringt. Im Hinblick auf den gegenwärtig noch vorherrschenden Antrieb durch Explosions- und Dampfmotoren zeichnet sich die von Morris und Salom, Philadelphia, construirte und von der Electric Vehicle Company, New York, gebaute elektrische Droschke mit Accumulatorenbetrieb (Fig. 1 und 2) durch Einfachheit des motorischen Theiles aus. Der Wagen ist bestimmt für drei Personen einschliesslich Kutscher, hat eine Spurweite von 1473 und einen Radstand von 1410 mm. Der Antrieb erfolgt durch zwei zweipferdige Elektromotoren a, welche nach Art der Strassenbahnmotoren federnd aufgehängt sind und mittels Stahltriebs und eines mit den vorn gelegenen Triebrädern verschraubten bronzenen Innenzahnkranzes – Zähnezahlen 14 und 126 – diesen Rädern die Bewegung direct mittheilen, während die Achse feststeht. Die hier gewählte Zweimotorenanordnung soll das Ausgleichtriebwerk ersetzen, welches bei Einmotorantrieb während des Befahrens von Curven eine relative Verdrehung der beiden Triebräder gegen einander gestatten muss. Ob damit eine Verbesserung erzielt ist, kann bezweifelt werden. Textabbildung Bd. 310, S. 91 Droschke mit Accumulatorenbetrieb von Morris und Salom. Gesteuert wird die Bewegung von dem über Hinterachse und Accumulatorenbehälter angeordneten Führerstand aus durch Hebel, deren einer linker Hand b den Motoren zugehört (vor- und rückwärts, schnell, langsam); ein zweiter Hebel c für die rechte Hand führt, in der Pfeilrichtung r bewegt, den Wagen nach rechts, bei entgegengesetzter Bewegung nach links, in einer von der sonst viel gebrauchten Handradsteuerung ganz abweichenden Form. Weitere Hebel und Verbindungsstangen übertragen die Lenkbewegung auf die hinteren Räder, deren Achse wiederum feststeht. Die Drehzapfen dieser Lenkräder sind je an einer Büchse e angebracht, welche ihrerseits um einen nahezu senkrechten, vom Achsenende mittels eines Gusstückes f getragenen Zapfen schwingen kann, sobald der Lenkhebel bewegt wird. Die etwas gegen die Verticale geneigte Lage der Lenkzapfen soll Vortheile bieten dadurch, dass einerseits die Radbelastung stets die gerade Fahrrichtung herzustellen sucht (der Wagen wird durch abweichende Radstellung etwas gehoben),andererseits durch Verminderung des der Drehung widerstehenden Moments (in Folge Annäherung an die ideale Neigung des Lenkzapfens, wobei seine Mittellinie durch den Berührungspunkt zwischen Rad und Boden gehen würde). Zum Zweck der Bremsung ist auf jede Motorwelle eine Bremsscheibe g aufgekeilt; die vier Bremsbackenhebel werden gleichzeitig mittels einer Kette angezogen, wenn der Führer mit dem rechten Fuss den Bremshebel d bewegt. Ein zwischengeschalteter Balancier h und kräftige Spiralfedern i ermöglichen gleichmässige Vertheilung der Bremskraft auf die vier Hebel und sichern die nöthige Nachgiebigkeit. Lebensbedingung für den Accumulatorenbetrieb sind glatte Strassen und stossfrei laufende Räder; Luftdruckgummireifen müssen mit Rücksicht auf die hohe Radbelastung (450 bis 550 k, da die Batterie allein bis 550 k wiegt) sorgfältigst construirt und befestigt sein. Nach mancherlei Erfahrungen benutzt die oben genannte Gesellschaft besonders starke 5zöllige (127 mm) Gummireifen von 36 Zoll (915 mm) äusserem Durchmesser mit 4,2 at Luftpressung. In die Gummimasse sind jederseits sechs riemschraubenähnliche Bronzeplatten mit Innengewinde eingebettet, welche zur Befestigung des Reifens auf dem Rad bestimmt sind. Der Radkörper besteht aus einer hölzernen Felge mit aufgeschraubten Stahlblechrändern, welche den Gummireif zwischen sich fassen, gusseiserner Nabe und entweder Holzspeichen oder an deren Stelle doppelten gepressten Scheiben aus 1,6 mm starkem Stahlblech. Beide Anordnungen scheinen sich bewährt zu haben, nur wurden die erwähnten Blechränder, deren gelegentliches Anstreifen an Bordsteine und andere Räder nicht zu vermeiden ist, leicht verbogen und zeigten dann ein die sonstige elegante Erscheinung des „hansom“ recht beeinträchtigendes Aeussere. Betreffs der Accumulatoren wird nur erwähnt, dass sie in zwei Längsreihen in einem 1010 mm langen und 573 mm breiten Kasten aufgestellt sind und in der Höhe 406 mm beanspruchen; der entsprechend weiter gehaltene Wagenraum ist mit Rücksicht auf die Säuredämpfe mit Bleiblech ausgekleidet. Der Accumulatorenkasten wird von hinten her eingeschoben und ruht auf Winkeleisen auf; zum Zweck des Ladens kann derselbe durch besondere Vorrichtungen leicht und rasch aus dem Wagen entfernt werden. Ueber diese Einzelheiten und den elektrischen Theil der Construction überhaupt ist ein späterer Artikel in Aussicht gestellt. Jedenfalls scheinen sich diese elektrischen Droschken, welche in New York zur Zeit in einer Anzahl von 100 Stück in Betrieb gestellt werden und sich die Gunst des Publicums bereits erworben haben sollen, dauernd zu bewähren. Zum Vergleich möge nun die Beschreibung eines mit Dampf betriebenen Automobilwagens (American Machinist, 6. October 1898) folgen, dessen maschinelle Einrichtung in Fig. 3 bei abgenommenem Schutzgehäuse und Wagendach in einer perspectivischen Ansicht von hinten nach vorn dargestellt ist. Auch hier liegen beide Achsen fest, ebenso ist für jedes Triebrad ein Motor vorgesehen, so dass ein Ausgleichgetriebe entbehrlich wird, und besitzen die Lenkräder eine mit der oben erläuterten im Wesentlichen übereinstimmende Construction; abweichend hingegen ist die Anordnung der Triebräder als hinteres Radpaar. An den Achsen hängt mittels starker Spiralfedern der aus Winkelstahl 51 × 51 × 6,4 mm gebogene Tragrahmen, auf welchem sich die ganze Antriebsvorrichtung aufbaut, während der Wagenkasten auf drei besonderen Blattfedern ruht; zwei davon sind direct über der Hinterachse befestigt, die dritte vorn quer auf dem Rahmen. Die oscillirenden Dampfcylinder von je 63,5 mm Durchmesser und 88,9 mm Hub sind nebst ihren Kurbelwellen über der Hinterachse angeordnet und treiben zunächst mit je zwei Riemen auf ein Vorgelege, welches mit einem aus Fiber hergestellten Trieb in den bronzenen Innenzahnkranz des Rades eingreift (sechsfache Uebersetzung). Die Regelung der Geschwindigkeit erfolgt durch Drosselung des Dampfes, die Umsteuerung in bekannter Weise durch Vertauschen der Ein- und Ausströmkanäle; zum Anhalten dient eine Bandbremse, welche auf nur eine der Vorgelegwellen wirkt, da auf der anderen das Excenter der Condensatorpumpe seinen Platz finden musste. Textabbildung Bd. 310, S. 92 Fig. 3. Automobilwagen von Cross. Der Kessel, vor den Hinterrädern eingebaut, scheint, was aus der Beschreibung nicht mit Sicherheit hervorgeht, eine Art Field'scher Kessel zu sein, dessen am einen Ende geschlossene Wasserröhren eine Länge von 457 mm bei 38 mm Durchmesser besitzen und in den Kesselboden eingeschraubt sind. Die Heizung erfolgt mit Rohpetroleum; die Verbrennungsgase ziehen durch einen kurzen, hinter der Wagensitzrückwand bis zum Dach geführten Schornstein ab. Zur Kesselspeisung dient die von dem einen Cylinder bethätigte Speisepumpe, welche das Wasser dem an der Wagenseite befindlichen, 68 l fassenden Wasserreservoir entnimmt. Besonderes Interesse verdient die selbsthätige Regulirung der Dampferzeugung, welche bei Fahrzeugen mit ihrem so veränderlichen Kraftbedarf und zumal bei so kleinen Kesseln sich den verschiedensten Verhältnissen anpassen muss. Um zunächst die Wasserzufuhr zu regeln, ist ein Schwimmer eingebaut, welcher durch Offenhalten des Saugventils der Pumpe die Speisung bei hohem Wasserstande unterbricht. Verwickelter gestaltet sich die richtige Zufuhr des Brennstoffes mit Rücksicht auf den jeweiligen Dampfdruck. Die Feuerung besteht aus einer Anzahl vonBrennern, in denen das durch einen Dampfstrahl zerstäubte Petroleum unter Luftzutritt verbrennt. Es wird nun bei zu hohem Dampfdruck die Feuerung gedämpft bezw. gelöscht, bei sinkender Spannung durch Vermittelung einer ständig brennenden Zündflamme wieder in Thätigkeit gesetzt, und zwar auf folgende Weise: Textabbildung Bd. 310, S. 93 Fig. 4. Der vom Kessel durch a und b (Fig. 4) zum Oelinjector i tretende Dampfstrahl kann durch ein Ventil g unterbrochen werden; dieses schliesst den Dampfzufluss ab, wenn die unter der Blechmembran e herrschende Spannung die durch die einstellbare Feder regulirbare Belastung überwiegt und das mit der Membran verbundene Ventil hebt. Ein ganz ähnlich gebautes Regulirventil f hat den Zweck, die aus dem Vorrathsbehälter zur Feuerung tretende Oelmenge dem jeweiligen Dampfdruck genau anzupassen und möglichst vollkommene Verbrennung zu bewirken, indem der von g durchgelassene Dampf selbst die Belastung der Membran bildet und nach Maassgabe seiner Spannung das Oelventil öffnet oder schliesst. Zu erwähnen sind noch zwei Vorrichtungen, welche ermöglichen sollen, nach längerem Stillstand rasch Dampf zu erzeugen. Hierzu dient auf der Wagenstation selbst ein kleiner, kugelförmiger Kupferkessel, welcher bei b an einen sonst verschlossenen Stutzen der Dampfleitung angeschraubt wird und, mit Wasser gefüllt und durch einen Bunsenbrenner geheizt, so lange den Dampf für die Oelfeuerung liefert, bis der Kessel selbst diese Thätigkeit übernehmen kann; hierzu sollen 12 Minuten erforderlich sein. – War man hingegen unterwegs genöthigt, das Feuer für längere Zeit zu löschen, so ermöglicht eine kleine Handpumpe, Luft in den Kessel zu pressen, so dass das Petroleum zunächst durch Druckluft zerstäubt wird, bis genügend Dampf vorhanden ist. Diese originellen Einzelheiten sind jedenfalls der Beachtung werth. Im Gegensatz zu der oben beschriebenen elektrischen Droschke ist dabei zu bemerken, dass dieser O. A. Cross in Providence, Nordamerika, gehörende und offenbar für nur zwei Personen bestimmte Dampfwagen sich noch im Stadium der Versuche befindet. Der Verbrauch für 1 km ist bei Rohpetroleum auf 2,6 Pfennig angegeben. Im Anschluss an vorstehende Besprechung eines elektrischen und eines Dampfwagens sei schliesslich noch eines einheimischen Motorwagens Erwähnung gethan, welcher gleichzeitig als Vertreter der dritten, besonders in Deutschland ausgebildeten Antriebsweise erscheint; es ist dies der unter dem Namen „Pfeil A“ von F. Lutzmann in Dessau (vgl. auch das Motordreirad derselben Firma D. p. J. 1898 308 * 217) gebaute Benzinmotorwagen. Was zunächst diese Construction im Allgemeinen anbelangt, so finden wir bei ihr manches von den beiden erstgenannten Abweichende, so vor allem die bewegliche Lenkachse, gesteuert durch Handrad und Kettengetriebe. Auch die Triebräder erhalten ihre Bewegung durch (ratsche Ketten, und zwar jedes für sich, aber durch nur einen Motor von der gemeinschaftlichen Vorgelegwelle aus. Um trotzdem ohne Differentialtriebwerk, welches ja wohl etwas complicirt sein und für die Hinterachse allein vier Lager erfordern würde, auszukommen, sind zwischen der Vorgelegwelle und den Kettenrädern Zahnkuppelungen eingeschaltet, die das Trieb für gewöhnlich festhalten, beim Curvenfahren aber nach Bedarf freigeben sollen. Wir müssen hierin eine Unsicherheit erblicken; die Gefahr liegt nahe, dass in Curven gelegentlich nur das eine Rad treibend wirkt und dass die Kuppelung bei starken Steigungen ganz versagt, womit wohl die Vortheile der durchgehenden Achse zu theuer erkauft wären. Als besonderer Vorzug hingegen ist hervorzuheben, dass die Vorgelegwelle und sämmtliche Räder mit leicht nachstellbaren Kugellagern versehen sind. Textabbildung Bd. 310, S. 93 Fig. 5. Benzinmotorwagen von Lutzmann. Der mit Ventilsteuerung versehene dreipferdige Viertactmotor besitzt einen mit Rücksicht auf möglichst geringes Gewicht und grösste Haltbarkeit aus geschmiedetem Stahl hergestellten Cylinder mit besonderem Stahlblechmantel für das Kühlwasser; die Zündung erfolgt mittels eines Inductionsfunkens, erzeugt in der secundären Wickelung eines Funkeninductors, dessen primärer, von einem Accumulator gespeister Stromkreis durch den Auslassnocken momentan geschlossen wird; diese Zündung soll zuverlässig und zugleich sparsam functioniren. Das benutzte Benzin vom spec. Gew. 0,68 bis 0,70 wird einem Vorrathsbehälter entnommen, dessen eigenartige Construction einen besonderen Vergaser entbehrlich macht. Die Rückkühlung des erwärmten Kühlwassers erfolgt in Behältern, welche nach Art der Vorwärmer von Röhrendurchzogen sind und so dem Luftzug eine grosse wirksame Oberfläche darbieten. Die Steuerung der Bewegung geschieht durch entsprechendes Verschieben der Riemen, welche die Bewegung der Kurbelwelle auf das Vorgelege übertragen, auf Fest- und Losscheibe, und zwar mittels eines Hebels besonderer Construction (D. R. P. Nr. 87231 und Nr. 93843). Zum Anhalten werden bei den leichteren Modellen, deren Räder mit Gummireifen versehen sind, Bandbremsen benutzt; schwerere Wagen erhalten Stahlreifen und Klotzbremsen. Die Gummireifen sind auch hier nicht durch blosses Festklemmen gehalten, sondern mittels besonderer Klauen mit dem Radkranz verbunden (D. R. G. M. Nr. 83350). Man erkennt an dem vorliegenden Wagen das Bestreben nach Einfachheit und geringem Gewicht (für das in Fig. 5 dargestellte Modell zu nur 500 k angegeben): Vortheile, welche sicherlich nicht zu unterschätzen sind. Trotzdem dürfte es sich empfehlen, das unterhalb des Wagenkastens den Einflüssen von Staub und Schmutz anscheinend schutzlos ausgesetzte Vorgelege (vgl. auch die Abbildung des oben erwähnten Motordreirades) in einem Gehäuse unterzubringen, auch wenn dadurch das Gewicht etwas vergrössert würde. Dieser schon in einer Anzahl von Exemplaren verbreitete Motorwagen ist für zwei Personen bestimmt und besitzt als äussere Maasse etwa 2500 mm Länge, 1450 mm Breite und 1700 mm Höhe bei 1250 mm Spurweite; er leistet bis 30 km in der Stunde und überwindet Steigungen bis 13 Proc.