Titel: Zur Beurteilung des Diesel-Motors.
Autor: Chr. Eberle
Fundstelle: Band 311, Jahrgang 1899, S. 22
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Zur Beurteilung des Diesel-Motors. Von Chr. Eberle, Ingenieur und Oberlehrer an der Kgl. Maschinenbauschule zu Duisburg. (Fortsetzung des Berichtes S. 1 d. Bd.) Zur Beurteilung des Diesel-Motors. Gegen die Vorschläge Diesel's wurde schon im Jahre 1893Besonders von Otto Köhler, Dortmund. mit Recht geltend gemacht, dass der mechanische Wirkungsgrad η4 einer nach dem vollkommenen (Carnot) Prozesse arbeitenden Maschine nur sehr gering ausfallen kann; die im Jahre 1894 veröffentlichte Arbeit von H. Lorenz, welche sich die Untersuchung des mechanischen Wirkungsgrades beliebiger Kolbenmaschinen als Ziel setzt, kam zu dem gleichen Ergebnis. Legen wir letzteren Gedankengang für die folgenden Betrachtungen zu Grunde, so ergibt sich für die im Viertakt arbeitenden Maschinen (Explosions- und Diesel-Motor) mit: p1 = mittlerer Druck des Ansaugehubes, p2 = Kompressionshubes, p3 = Expansionshubes, p 4 = Auspuffhubes, f = Leerlaufskolbendruck pro 1 qcm Kolbenfläche, β = Koeffizient der zusätzlichen Reibung, Li1, Li2, Li3, Li4 auf den Kolben übertragene Arbeitsmengen, Le1, Le2, Le3, Le4 auf die Kurbelwelle übertragene Arbeitsmengen. Le = Le3 – Le1– Le2– Le4, Le1 = f . F . s + β . p1 . F . s (Ansaugen), Le2 = f . F . s + β . p2 . F . s (Kompression), Le = – fFs + p3 . F . s (Expansion), Le4 = fFs + βp4 . F . s (Auspuff), L_e=\frac{F\,.\,s}{\beta}\,[p_3-f-3\,\beta\,f-\beta^2\,(p_1+p_2+p_4)], Li = Fs (p3p1p2p4), \eta_4=\frac{p_3-f-3\,\beta\,f-\beta^2\,(p_1-p_2+p_4)}{\beta\,(p_3-p_1-p_2-p_4)} Aus dieser Formel folgt zunächst, dass für alle hier in Frage kommenden Motoren der Wirkungsgrad η4 mit abnehmender Leistung abnimmt. Als Beispiel diene ein Gasmotor, für welchen gefunden sei: Mittlerer Expansionsdruck p3= 5,5 kg/qcm, Kompressionsdruck p2 =1,5 kg/qcm, Ansaugedruck p1 = 0,1 kg/qcm, Auspuffdruck p4 = 0,1 kg/qcm Es soll ferner angenommen werden: f = 0,1 kg/qcm und β = 1,1, dann ist: \eta_4=\frac{5,5-0,1-3\,.\,1,1\,.\,0,1-1,1^2\,(0,1+1,5+0,1)}{1,1\,(5,5-1,5-0,1-0,1)} η4 = 0,72. Für die halbe indizierte Leistung (i) ergibt sich: p_3-p_1-p_2-p_4-\frac{5,5-0,1-1,5-0,1}{2} p3 = 0,1 + 1,5 + 0,1 + 1,9 p3= 3,6 kg/qcm. Somit: \eta_4=\frac{3,6-0,1-3\,.\,1,1\,.\,0,1-1,1^2\,.\,(0,1+1,5+0,1)}{1,1\,(3,6-1,5-0,1-0,1)} η4 = 0,53. Mit den gleichen Annahmen für die Koeffizienten und Drucke β, f, p1 und p4 würde sich für den nach dem „abweichenden“ Prozesse Diesel'sFür 1 kg Luft berechnet sich:Li3= 70142 kgm (Expansionsarbeit)Li2= 47511 kgm (Kompressionsarbeit)v= 1,1708 – 0,0361 = 1,1347 cbm. arbeitenden Motor ergeben haben bei: p3 = 6,19 kg/qcm p2 = 4,19 kg/qcm \eta_4=\frac{6,19-0,1-3\,.\,0,1\,.\,1,1-1,1^2\,(4,19+0,1+0,1)}{1,1\,(6,19-4,19-0,1-0,1)} η4 = 0,23. цühren wir hingegen für den heute ausgeführten Motor die Rechnung durch unter Zugrundelegung der Schröter'schen Versuchsergebnisse, so berechnet sich: 1. Für den vollbelasteten Motor: Positive Leistung: Li1 = 46,6 Negative Leistung: L i2 = 20,2 \frac{L_i2}{L_i1}=0,43=\frac{p_2}{p_3} I. p3 – p2 = 7,4 kg/qcm II. \frac{p_2}{p_3}=0,43 p3 = 13 kg/qcm p2 = 5,7 kg/qcm \eta_4=\frac{13-0,1-3\,.\,0,1\,.\,1,1-1,1^2\,(5,7+0,1+0,1)}{1,1\,(13-5,7-0,1-0,1)} η4 = 0,70. 2. Für den halbbelasteten Motor: p3= 10,8 kg/qcm p2    = 5,64 kg/qcm \eta_4=\frac{10,8-0,1-3\,.\,0,1\,.\,1,1-1,1^2\,.\,(5,64+0,1+0,1)}{1,1\,(10,8-5,64-0,1-0,1)} η4 = 0,60. Aus diesen Zahlen, die mit den Versuchsergebnissen am Diesel-Motor in gutem Einklänge stehen, ist zu schliessen, dass der Gasmotor bezw. der Explosionsmotor dem ersteren in Bezug auf mechanischen Wirkungsgrad keineswegs überlegen ist. Leider besitzen wir bis heute nur sehr wenig, vielleicht gar keine zuverlässigen Versuchsresultate über die mechanischen Wirkungsgrade von Explosionsmotoren. Der in letzter Zeit vielfach gemachten Bemerkung, dass die Kritik, welche dem in Diesel's Broschüre beschriebenen Motor mit dem „vollkommenen“ und „abweichenden“ Kreisprozess einen sehr geringen mechanischen Wirkungsgrad η4 voraussagte, sich geirrt habe, muss entgegengetreten werden; denn die dort besonders von Professor H. Lorenz aufgestellten Rechnungen ergeben auf den heute bestehenden Motor angewendet ungefähr die gleichen Zahlen, wie die von Professor Schröter festgestellten; jene Versuche sind sonach eher als eine Bestätigung für die Richtigkeit der dort gemachten Angaben als das Gegenteil anzusehen. Immerhin muss betont werden, dass gerade für die Explosionsmotoren Versuche, welche einen zuverlässigen Anhalt über die Grösse des mechanischen Wirkungsgrades geben, nur in ganz geringer Zahl vorliegen dürften. Jeder, der mit diesen Motoren Versuche angestellt hat, wird schon auf die Schwierigkeit dieser Frage aufmerksam geworden sein; und dass Wirkungsgrade η4 von 90 bis 95 % festgestellt werden, ist keine Seltenheit. Ermitteln wir nach diesen Betrachtungen über die einzelnen Wirkungsgrade von den Explosions- und den Diesel-Motoren den wirtschaftlichen Wirkungsgrad, so ergibt sich: 1. Für den Gasmotor: a) Volle Belastung: Mit η1 = 1; η2 = 1; η3 = η3 ' . η3 '' = 0,435 . 0,80 = 0,348; η 4 = 0,75. η = η1 . η2 . η3 . η4 = 1 . 1 . 0,348 . 0,75                          = 0,261 (26,1 %). b) Halbe Belastung: η1 = 1; η2 = 1; η3 = η3 ' . η3 '' = 0,435 . 0,70 = 0,3045; η 4 = 0,60. η = 1 . 1 . 0,3045 . 0,60 = 0,1827 (18,3 %) Die gute Uebereinstimmung dieser Zahlen mit einem Versuche, der an einem 25pferdigen Gasmotor in Karlsruhe, gelegentlich der dortigen Ausstellung im Jahre 1895, von Hofrat Prof. Brauer vorgenommen wurde, mag aus der tabellarischen Darstellung (Tabelle III) der Ergebnisse hervorgehen. Danach betrug der wirtschaftliche Wirkungsgrad bei Maximalleistung (30,83 e) – 22 % und sank bei 15,80 e auf 17,5 %. Tabelle III. Leistung e 30,83 25,86 20,73 15,80 10,21 5,54 Gasverbrauch l 520 532 546 652 907 1572         η            % 22 21,5 20,9 17,5 12,6 7,25 2. Für den Petroleumexplosionsmotor: η1 = 1; η2 = 0,90; η3 = η3 ' . η3 '' = 0,36 . 0,80 = 0,288; η 4 = 0,75. η = 1 . 0,80 . 0,288 . 0,75 = 0,173 (17,3 %) In unserer Tabelle II ist die beste Zahl η = 15,7 % bei normaler Belastung; für Maximalleistung dürfte dieselbe noch etwas anwachsen. 3. Für den Diesel-Petroleummotor: a) Für Vollbelastung: Für η1 = 1;    η2 = 1;   η3 = η3 ' . η3 '' = 0,53 . 0,70 η 3 = 0,371 η 4 = 0,70. η = 1 . 1 . 0,371 . 0,70 = 0,2597 (26 %) b) Für halbe Belastung: Für η1 = 1; η2 = 1; η3 = η3 ' . η3 '' = 0,58 . 0,70 = 0,406 η 4 = 0,60. η = 1 . 1 . 0,406 . 0,60 = 0,2436 (24,4 %) Dabei sind die Wirkungsgrade η3 ' diejenigen, welche sich für \frac{v_2}{v_1}=3,0 und \frac{v_2}{v_1}=2,0 ergeben haben. Die Uebereinstimmung ist in Anbetracht der rohen Rechnung, die auf sehr wenig Versuchszahlen basiert, als eine recht gute zu bezeichnen. Nach diesen Ergebnissen werden uns die vorzüglichen Resultate von Diesel's heutigem Motor nicht mehr in Erstaunen setzen. Es erübrigt noch, den Motor von der rein betriebstechnischen Seite zu betrachten. Die im „Diesel-Pavillon“ der II. Münchener Kraft- und Arbeitsmaschinen-Ausstellung – jedenfalls der weitaus besuchenswerteste Teil derselben – im vorigen Jahre aufgestellten Motoren, gebaut von der Maschinenfabrik Augsburg, der Maschinenbauaktiengesellschaft Nürnberg, der Gasmotorenfabrik Deutz und der Firma Fr. Krupp in Essen, gaben Gelegenheit, sich von der praktischen Brauchbarkeit dieses Motors vollständig zu überzeugen. Der Maximalkompressionsdruck, welcher in diesen Motoren auftritt, ist etwa 35 kg/qcm. Damit ist das besonders Tabelle IV. Nominelle Leistung 4 HP-Gasmotor 4 HP-Petroleummotor 12 HP-Gasmotor 35 HP-Gasmotor 20 HP-Diesel-Motor 35 HP-Diesel-Motor Kolbendurchmesser. Hub    mm 170 . 340 165 . 280 270 . 380 360 . 680 260 . 410 325 . 500 Umdrehungszahl 160 220 190 140 160 160 Kolbengeschwindigkeit       m/sek 1,81 2,05 2,407 3,173 2,187 2,667 Verhältniszahl: \frac{F\,.\,v}{N_e}       cdm 10,27 10,97 11,5 9,25 5,81 6,32 Ungeheuerliche, was nach der Broschüre befürchtet werden konnte und musste (bei 90 at), ohne weiteres gefallen. Wer in der Steigerung von 20 bis 25 at, wie es bei den Explosionsmotoren vorkommt, auf 35 at noch ein Bedenken erblickte, der konnte sich in München von der Nichtigkeit seiner Befürchtungen überzeugen. Die Motoren arbeiteten alle absolut ruhig und stosslos. Der ursprünglich geltend gemachte Einwand, dass das Diagramm keine genügende Flächenausdehnung ergäbe, somit die pro Pferdestärke vom Kolben zu durchlaufenden Räume viel grösser würden, als für die anderen Motoren, ist für den jetzigen Motor ebenfalls nicht mehr gültig. Zum Beweise werden in vorstehender Tabelle IV für einige Motoren Verhältniszahlen für die pro nominelle Pferdestärke in der Sekunde durchlaufenen Kolbenwegräume gegeben. Daraus ist zu schliessen, dass das Hubvolumen des Diesel-Motors wesentlich geringer ist, als das der Viertaktexplosionsmotoren. (Schluss folgt.)