Titel: Dellwik-Fleischer's Wassergasverfahren und seine Anwendungen.
Autor: Alfons Bujard
Fundstelle: Band 314, Jahrgang 1899, S. 82
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Dellwik-Fleischer's Wassergasverfahren und seine Anwendungen. Von Dr. Alfons Bujard. (Schluss des Berichtes S. 65 d. Bd.) Dellwik-Fleischer's Wassergasverfahren und seine Anwendungen. Mit dem am Schluss der ersten Abhandlung geschilderten Betriebe hat als erste die Stadt Königsberg den Anfang gemacht und das Wassergas als Ergänzungsanlage zu ihrem Leuchtgas aufgenommen. Weiter für Mischgas mit Benzolkarburierung, System Dellwik, haben sich andere Städte entschieden (Erfurt, Iserlohn, Remscheid). In Königsberg werden beispielsweise vorläufig pro Tag etwa 6000 cbm reines Wassergas dem Leuchtgas zugemischt und der Ausfall an Kerzenstärken durch Benzol wieder ersetzt. Die dortige Wassergasanlage ist im stände, 1200 cbm in der Stunde zu produzieren. Die Karburierung mit Benzol findet bei solchem Mischgas sehr günstig statt, infolge des Vorhandenseins von Methan (CH4) im Leuchtgas als Träger des Benzols. Bei vorläufig 20% Zusatz von Wassergas zum Leuchtgas werden pro 1 cbm dieses Mischgases etwa 20 g Benzol zur Aufbesserung gebraucht, Was als sehr günstig bezeichnet werden muss. Der auf den Karburierölen liegende Zoll und der hierdurch bedingte hohe Preis dieser Oele machte die Einführung des Wassergases zur Verwendung als Mischgas bisher unmöglich, abgesehen für Auer-Lichtbenutzung. Man benutzt daher Benzol mit Erfolg, das ja an und für sich schon in den Leuchtgasfabriken zur Aufbesserung der Leuchtkraft benutzt wird. Es steht bei der jetzigen Marktlage für Benzol, welche zu einem Zusammenschluss aller Benzolproduzenten in Deutschland geführt hat, ausser Zweifel, dass die Leitung dieser Vereinigung sich bereit finden wird, Benzol auf Jahre hinaus zu massigen Preisen für die Anreicherungszwecke zur Verfügung zu stellen. Die Karburierung gebrauchte bisher, je nach der Höhe der Leuchtkraft des karburierten Wassergases, sofern diese Leuchtkraft unter 10 HK gehalten wurde, 9 g Benzol pro 1 cbm und 1 HK. Wurde dagegen die Karburierung über 15 HK durchgeführt, so stellt sich der Verbrauch auf 6 bis 8 g Benzol. Das Wassergas wird in den Stunden zugesetzt, die sonst Gasbehälterraum erfordern. An einzelnen Versuchen mit Kochern und Gasglühlichtapparaten im Laboratorium zeigte sich die Grenze des Zusatzes von Wassergas unter Benutzung üblicher Brenner bei etwa 28% des Mischgasquantums. Rücksichtlich der Verschiedenheit der Glühlichtinstallationen wurden bisher nicht mehr als 20% Wassergas in den Stunden grosser Gasabgabe zugesetzt. Der höchste Durchschnitt des an den einzelnen Abenden bisher zugesetzten Wassergasquantums betrug 17% des abgegebenen Mischgases. Die Leuchtkraft des Mischgases betrug bei 180 l Konsum, im 32° Argand-Brenner, bei 20 mm Druck 17 bis 20 HK. Der Heizwert des Mischgases beträgt durchschnittlich 5000 WE bei 18° C. Auffallend ist die höhere Leuchtkraft der Gasglühlichtflammen bei Verwendung von Mischgas, wobei Flammentemperatur und Flammenvolumen gleich beteiligt sind. Die Beobachtung des Ganges von Gasmotoren fiel sehr günstig aus; nähere Versuchsergebnisse stehen noch aus. Untersuchungen des Wassertopfwassers an exponiert gelegenen Punkten des Rohrnetzes zeigten keine messbaren Spuren von Benzol. Gefrierversuche mit Wassergas, welches durch Benzol karburiert war, gaben im trockenen Gase sehr günstige Ergebnisse. Die gewohnten Naphtalinverstopfungen haben sich trotz der für ihr Auftreten günstigsten Bedingungen seit dem Zusatz von karburiertem Wassergas nicht mehr gezeigt. Die lästigen Folgen des Stehenbleibens der Oefen über Sonntag zum Montag sind in Fortfall gekommen, da die Wassergasanlage ihren Betrieb ohne Verlust dem schwankenden Gasverbrauch anpassen kann und so am besten fehlenden Gasbehälterraum ersetzt. Selbst nach längerer Betriebsunterbrechung waren die Generatoren noch bis nach 1 und 1½ Stunden betriebsfertig. Die Leistung der Generatoren beträgt 2,4 bis 2,48 cbm Gas auf 1 kg Kohlenstoff = 2 cbm Gas auf 1 kg trockenen Koks. Zum Betriebe werden zwei Leute erfordert, von denen einer unten und einer oben an den Generatoren thätig ist. Die Leute zum Heranschaffen von Koks sind hierbei nicht gerechnet. Jeder Generator erzeugt 280 cbm Gas in der Stunde, so dass mit der Wassergasanlage 13 440 cbm Gas täglich erzeugt werden können. Die Karburierung kostet bei einem Preise von 36 M. pro 100 kg Benzol, welcher Preis wesentlich höher ist, als der jetzige Marktpreis, 2,5 Pf. pro 1 cbm, so dass der Kubikmeter angereichertes Wassergas zur Zeit 4,25 Pf. kostet. Rechnet man das Benzol mit 24 M. und das Gas mit 1,3 Pf., so ergibt sich ein Erzeugungspreis von 3 Pf. für 1 cbm angereichertes Wassergas. Die ganze Zunahme in Königsberg, welche jetzt 12% gegenüber dem Vorjahre beträgt, wird mit Wassergas bestritten, dabei sind 23 Oefen im Betrieb gegenüber 27 im Vorjahr. Das Licht in den Auer-Brennern stellt sich nach den Angaben der Wassergasfachleute dem Auge glänzender dar (?), als das Licht aus reinem Steinkohlengas. Es sind in Königsberg gleichzeitig Versuche gemacht worden, das reine Wassergas für die Beleuchtung in Auer-Brennern zu verwenden. Es wurde hierbei das Gas absichtlich durch Schmiederohre durchgeleitet, es ergab sich indessen innerhalb 100 Stunden Brennzeit keine Eisenkohlenoxydablagerung auf den Glühstrümpfen. Diese günstigen Ergebnisse wurden erreicht durch Anwendung der Dellwik-Generatoren, welche von den Warsteiner Gruben- und Hüttenwerken in Westfalen sachgemäss und den Garantien entsprechend geliefert sind. Die Karburierung erfolgt durch einen von der Berlin-Anhaltischen Maschinenbau-Aktiengesellschaft gelieferten Leybold'schen Karburator, welchem das Benzol gleichmässig durch ein Münchener Ausgleichgefäss zugeführt wird. So lange man genötigt ist, von der Gaszentrale in Städten noch leuchtendes Gas abzugeben, wird ein Zusatz von 30% reinem Wassergas mit Benzol vorläufig das Maximum sein. Die Wärme pro 1 cbm Mischgas mit 20% Wassergaszusatz würde mindestens 4750 Kal. sein. Da das Auer-Licht schon bei seinem früheren hohen Preise eine so weite Verbreitung gefunden, dürfte mit grosser Sicherheit anzunehmen sein, dass bei dem fortwährenden Sinken der Preise die Anwendung des Gasglühlichts immer grössere Kreise ziehen und das Gas mit selbständig leuchtenden Flammen bei den grossen ökonomischen Vorteilen des Gasglühlichts immer mehr in den Hintergrund treten wird. Es wird bekanntlich bei dem Gebrauch des Leuchtgases für Gasglühlicht die eigene Leuchtkraft des Gases am Auer-Brenner zuerst vollständig vernichtet, also jetzt schon dem Strumpf ein nicht mehr leuchtendes Gas zugeführt. So liegt denn der Gedanke nahe, direkt auf der Gaszentrale ein schwach oder nicht leuchtendes Gas herzustellen und in die Städte zu leiten. Hierfür ist auch das Wassergas geeignet, da dasselbe allen Anforderungen entspricht: 1. Herstellung von schwach oder nicht leuchtendem Gas. 2. Hohe Flammentemperatur, von welcher bekanntlich die Lichtemission des Auer-Lichts abhängt; es wird beispielsweise ein Platindraht in die Wassergasflamme gehalten, zum Schmelzen (1775°) gebracht, was bei Leuchtgas nicht eintritt. 3. Erzeugung grosser Lichtquellen mit verhältnismässig einfachen Brennerkonstruktionen. 4. Stabilerwerden der Strümpfe über dem Brenner und daher grössere Widerstandsfähigkeit derselben gegen Erschütterungen. (Ist jedenfalls nicht von in Gewicht fallender Bedeutung.) Wichtig ist noch folgende vergleichsweise Kostenberechnung nach Dicke: zu Grunde gelegt ist die Verarbeitung des anfallenden Koks eines Leuchtgaswerkes auf Wassergas, eines Werkes, das 3600000 kg Jahresproduktion hat. Ueber den Kohlen- und Koksverbrauch dieses Mischgases, sowie die prozentuale Zusammensetzung desselben und seine Lichtstärken diene folgendes: Zur Bildung von 1 cbm Leuchtgas sind etwa 3,12 kg Kohle erforderlich, zur Bildung von 1 cbm Wassergas mit den Dellwik-Generatoren höchstens 0,50 kg Kohle oder Koks. Man erhält also aus demselben Gewicht das mehr als sechsfache Gasvolumen. 1000 kg Kohle geben etwa 390 cbm Leuchtgas und etwa 650 kg Koks. Wird von diesem Koks die Unterfeuerung (etwa 18%) der Retorten bestritten, so bleiben zur Vergasung auf Wassergas 470 kg Koks übrig. Diese 470 kg zu mindestens 2 cbm Wassergas geben dann   940 cbm Wassergas hinzu die   290 Leuchtgas –––––––––– oder 1000 kg Kohlen = 1230 cbm Mischgas. Mit solchen Gemischen sind im Auer-Brenner bei 200 l Stundenkonsum 100 HK erreicht worden; dies macht pro 1 cbm Mischgas 500 HK und pro 100 kg ent- und vergaster Kohlen = rund 600000 HK. Die pro 100 kg Kohlen resultierenden 290 cbm Leuchtgas geben bei 110 l Stundenkonsum und 60 Kerzen rund 158000 HK. Man ist also in der Lage: beim Mischgasprozess fast viermal mehr Auer-Licht aus 1000 kg Kohlen zu entwickeln, oder bei derselben Lichtmenge nur etwa ¼ der Kohlen zu entgasen und den resultierenden Koks (nachdem von demselben die Unterfeuerung der Betörten bestritten ist) auf Wassergas zu vergasen und beides zu mischen. 200 l dieses Mischgases ergeben etwa 100 Kerzen; bei 60 Kerzen Auer-Licht würden dann nicht wie jetzt 110 l, sondern etwa 120 l Mischgas verbraucht werden. Um in Mischgas dieselben Lichtmengen zu liefern, würde das Gaswerk anstatt 3600000 cbm dann rund 4982000 cbm Mischgas produzieren müssen. Die 4982000 cbm Mischgas bestehen aus: Leuchtgas: Wassergas = 290 : 940 = 1198200 cbm Leuchtgas und 3783800 Wassergas –––––––––––– Zusammen 4982000 cbm Mischgas. Zur Erzeugung des Leuchtgases sind dann an Kohlen erforderlich 32 cbm pro 100 kg Kohlen = 3760000 kg. Der resultierende Koks (67%) vorstehender    Kohlen würde sein 2519200 kg Für das Wassergas, und zwar für die 3783800    cbm, wären nötig (1 cbm = 0,5 kg) 1891900 ––––––––––– Zur Unterfeuerung übrig   627300 kg Rechnet man auf 100 cbm Leuchtgaserzeugung    rund 40 kg Koks-Unterfeuerung   479280 ––––––––––– so bleiben übrig als Rest   148020 kg. welche mit für die Dampferzeugung für das Wassergas herangezogen werden können. Die erforderlichen Kohlen für diese Dampferzeugung betragen (pro 1 cbm Wassergas rund 1 kg Dampf) \frac{3783800\,\times\,1}{7} oder 540000 kg Kohle, bezw. würden zu dem restierenden Koks von 148020 kg noch 390000 kg Kohle einzukaufen sein. Die Gesamtkosten zur Erzeugung von 4982000 cbm Mischgas belaufen sich dann auf 3760000 + 390000 oder rund 4100000 kg, anstatt bei der Produktion der 3600000 cbm Leuchtgas auf 14590000 kg, also weniger als ⅓. Der Verkaufspreis des Leuchtgases ist bei dem Gaswerk durchschnittlich 12,823 Pf. pro 1 cbm und müsste das Mischgas dann bei Berücksichtigung des 9% grösseren Konsums bei Auer-Licht sowohl wie auch der Differenz der Wärmeeinheiten pro 1 cbm mit 11 Pf. verkauft werden. Nachstehend folgt ein Vergleich der Rentabilitäten bei 3600000 cbm Leuchtgas und 4982000 cbm Mischgas, wie ihn Dicke aufgestellt hat. Betriebskosten pro Kubikmeter. Leuchtgas Mischgas Pf.   4,288 Für Kohlen (10100 kg 137 M.) Pf. 1,151   0,086 Feuerungsmaterial ⅓ 0,029   0,042 Gasreinigungsmaterial 10% mehr 0,046   0,614 Gasöfenreparaturen ⅓ höchstens 0,204   0,170 Apparate und Maschinenreparaturen 0,170   0,477 Rohrnetzreparaturen 0,477   0,080 Gasmesserreparaturen 0,080   0,890 Strassenbeleuchtung 0,890   0,713 Sonstige Reparaturen 0,613   0,437 Unkosten 0,437   1,939 Löhne ¼ höchstens 0,485   0,671 Gehälter 0,671   0,044 Pensionen 0,044   0,727 Zinsen 0,450   1,284 Abschreibungen 0,802 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Pf. 12,472 Summa Pf. pro Kubikmeter Pf. 6,549 Nebenerträge pro Kubikmeter. Leuchtgas Mischgas Pf.   0,313 Für Gasmessermiete Pf. 0,313   1,928 Koks 0,000   0,480 Teer ⅓ 0,160   0,316 Ammoniak ⅓ 0,105   0,156 Privatanlagen 0,156   0,304 Abfälle ⅕ etwa 0,061 ––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––––– Pf.   3,497 Summa Pf. pro 1 cbm Pf. 0,795 Selbstkosten für Gas 12,472 – 3,497 = 8,975 Pf. 6,549 – 0,795 = 5,754 Pf. Durchschnittlicher Ertrag pro 1 cbm 12,823 Pf. 11,000 Pf. Reingewinn pro 1 cbm   3,848 Pf.   5,226 Pf. Leuchtgas Mischgas 3600000 cbm zu 3,848 Pf. 4982000 cbm zu 5,246 Pf. = 138500 M. Gesamtgewinn = 262400 M. Vorstehende Rechnung soll den Beweis liefern, dass ausser dem. Wert, den es für ein Gaswerk haben muss, seine erschöpfte Produktionsfähigkeit in so einfacher Weise wieder zu erhöhen, auch ein finanzieller Vorteil bei der Einführung von Mischgas sich ergibt. Dieses Mischgas ist weniger leuchtend und demnach für den Gebrauch von Glühkörpern geeignet. Tür Konsumenten, welche leuchtendere Flammen wünschen oder bedürfen und Karburierung vorziehen, ist diese durch (hinter die Gasuhr des Konsumenten aufgestellte) Benzol-Karburierungsapparate gedacht. Man wäre eventuell in der Lage, solchen Konsumenten je nach den Schwankungen der Benzolpreise bei den um 8,975 – 5,754 = 3,221 Pf. billigeren Selbstkosten gegen Leuchtgas den Kubikmeter Mischgas zu einem Preise zu verkaufen, der keinesfalls die leuchtenderen Flammen teurer machte, wie vorher bei Leuchtgas. In den Vereinigten Staaten von Amerika, wo das Wassergas mit den alten Generatoren schon seit 1878 gemacht wird, waren 1896 70% alles hergestellten Gases karburiertes Wassergas; in England, wo es sich erst seit 1891 eingeführt, betrug schon 1898 das karburierte Wassergas 24% alles zur Beleuchtung verwendeten Gases. Erweiterungen einer Steinkohlengas-Anlage durch Zumischung von mittels Oel karburiertem Wassergas zum Leuchtgas. Wollten nun Gasanstalten trotz der Mehrkosten die Karburierung mit verzollten Oelen in Retorten durchführen, so würde sich dieselbe nach dem Schema Fig. 5 vollziehen. Textabbildung Bd. 314, S. 83 Fig. 5.Erweiterung einer Steinkohlengasanlage durch Wassergas, karburiert mittels Oel. (Zumischung von karburiertem Wassergas zum Leuchtgas.) Zu den bestehenden Apparaten der Leuchtgasanstalt tritt dann hinzu der Wassergaskoksgenerator, welcher wie bei den in den Fig. 1 bis 3 dargestellten Anstalten nichtleuchtendes Gas in dem Ausgleichbehälter D produziert, ferner ein neuer Kondenser O und ein zweiter Exhaustor P. Der oder die Retortenöfen, welche für karburiertes Wassergas dienen sollen, werden, wenn nicht schon jeder Ofen seine eigene Vorlage hat, von der Hauptvorlage abgetrennt und die Vorlage mit dem Kondenser O und Exhaustor P verbunden. An dem Boden jeder Retorte der für karburiertes Wassergas bestimmten Oefen ist der Wassergaseintritt mittels Regulierhahnes oder Ventils und der Oeleinlauf ebenfalls mit Regulierhahn angebracht. Die Bildung des karburierten Wassergases geht dann hier genau wie bei der vorhin beschriebenen Anlage in Fig. 3 vor sich. Der Exhaustor P saugt das Gas von den Oefen durch den Kondenser O ab. Beide Exhaustoren drücken ihr Gas nach den Reinigern; beide Gase mischen und reinigen sich in denselben und gelangen, die Stationsgasuhr passierend, in den Hauptbehälter. Diese Art der Karburierung (System Mayer) hat sich neuerdings mit grossem Erfolge in Amerika bewährt. Der Retortenofen hat stehende Retorten in einer Anzahl von mindestens sechs Stück; folgende Betriebsdaten liegen darüber vor: Jede einzelne Retorte liefert mit Naphta in 24 Stunden im Minimum 100000 cbf = 2800 cbm Gas, das wäre pro Stunde und Retorte 116 cbm. Mit Petroleumrückständen liefert jede Retorte in 24 Stunden 85000 cbf =2380 cbm; das sind pro Stunde und Retorte rund 100 cbm. Der Retortenofen mit sechs Retorten liefert also in 24 Stunden mit Naphta 16800 cbm und mit Petroleumrückständen 14300 cbm. Die benötigte Fläche des Ofens beträgt 7,5 × 4,1 m, also rund 31 qm; es sind demnach pro 100 cbm in 24 Stunden \frac{31\,\times\,100}{16800}=0,184 qm Fläche erforderlich. Ein Leuchtgasretortenofen mit neun Retorten produziert in 24 Stunden etwa 2400 cbm Gas und benötigt eine Fläche hierfür von 4 × 4 = 16 qm. Jedoch würde hier pro 100 cbm in 24 Stunden eine Fläche von \frac{16\,\times\,100}{2400}=0,66 qm erfordert werden. Die Retortenkarburierung bedarf also bei gleicher Produktion nur etwa ¼ der Ofenfläche wie bei Leuchtgas. Wie schon im vorhergehenden hervorgehoben, steht der Produktion von karburiertem Wassergas mittels Oelen der hohe Zoll entgegen. Da auf Petroleumrückständen der Zoll etwa viermal so hoch ist als ihr Preis an der Grenze (100 kg etwa 3,50 M.), so müsste also bei der Karburierung mit einem Preise von 14 M. pro 100 kg gerechnet werden! Was nun noch das Kochen und Heizen mit Wassergas betrifft, so stellt sich dieses selbstverständlich auch entsprechend billiger und es können somit die Gaspreise entsprechend niederer gehalten werden. Der Kubikmeter Wassergas liefert 2400 bis 2500 Kal., das Leuchtgas Stuttgarts liefert 5000 bis 5400 Kal. Reines Wassergas müsste daher, um den gleichen Erfolg zu haben, nur halb so teuer als Leuchtgas verkauft werden. Dies ist aber nach den Berechnungen, welche Interessenten in der Schrift von Ingenieur Dicke nachsehen können, kaum möglich. Die Zimmerheizung ist mit Wassergas etwa ⅓ billiger als die mit Steinkohlengas (Leuchtgas) und nur wenig teurer als die Heizung mit Kohle: 1. Steinkohlengas (Stuttgart: 5000 Kal.). 100 kgSteinkohle geben 28 bis 30 cbm Gas, im Mittel29 cbm und 90% Nutzeffekt im Zimmerofen= 130500 Kal. Diese Wärme, den Kubikmeterzu 12 Pf. gerechnet, kostet 29 × 12 = 3,48 M. 2. Wassergas (2450 Kal.). Zu 130500 Kal. sind er-forderlich bei gleichem Nutzeffekt (90%)\frac{130500}{90^{\circ}/_{\circ}\mbox{ von }2450}=59 ohm zu 4 Pf. = 2,36 M. 3. Kohle (7000 Kal.). Nutzeffekt im Zimmerofen16%, es kommen von den 7000 Kal. pro 1 kgKohle nur 1120 Kal. zur Wirkung: \frac{130500}{1120}= 116 kg Kohle = 116 × 1,5 Pf. = 1,74 M. Was die Kosten des Kochens im Hause betrifft, so berechnen sich dieselben bei einem Gaspreis von 12 Pf. für einen mittleren Haushalt inklusive Spülwasser zu 60 bis 96 M., für einen Haushalt von 5 bis 6 Personen zu 40 bis 50 M., während dieselbe Leistung mittels Wassergases mit 40 bis 64 M. bezw. mit 26 bis 33 M. zu erzielen wäre. Bezüglich der Vorteile der Einführung des Wassergases in Gasanstalten sei folgendes zusammengefasst: 1. Die Verwendung des eigenen Koks. Während grosse Gasanstalten sich seither der sich auftürmenden Koksberge nicht erwehren konnten, wird durch die Umwandlung des Koks in Wassergas eine bei weitem höhere Verwertung erreicht als beim Verkauf desselben zu Heizzwecken. (Dies trifft nicht für alle Gasfabriken zuAnmerkung des Referenten.. 2. Die Wassergasapparate beanspruchen kaum ein Fünftel der Fläche der Leuchtgasapparate. Dadurch ist es in den meisten Fällen, in welchen die Leuchtgasfabriken gezwungen wären, zum Behufe notwendiger Vergrösserungen sich zu dislozieren, immer noch möglich, eine Wassergasergänzungsanläge zu errichten, welche dem Bedürfnis für eine Reihe von Jahren genügt. 3. Die Anlagekosten der Apparate für Wassergas sind kleiner als die für Leuchtgas und betragen bei grösseren Anlagen nur etwa ein Fünftel der letzteren. Ebenso sind Unterhaltungskosten und Reparaturen wesentlich geringer. 4. Durch die direkten Ersparnisse an Brennmaterial und Arbeitslöhnen ist es möglich, die Wassergasanlage binnen weniger Jahre zu amortisieren. 5. Die Retortenöfen der Leuchtgasfabriken erfordern eine Zeit von 2 bis 4 Tagen zum Anheizen, während die Dellwik-Generatoren in 1½ bis 2 Stunden zum Betriebe fertig sind. Dadurch lässt sich jedem plötzlich hervortretenden Bedarf rasch genügen. 6. Die Arbeiterzahl kann bei ausschliesslichem Wassergasbetriebe um etwa 80%, bei Mischgas in entsprechendem Verhältnis reduziert werden, da die Bedienung der Apparate eine ausserordentlich einfache ist. Die Beleuchtungsanstalten werden dadurch so gut wie unabhängig von allen Strikes. Gasmotorenbetrieb und Kraftanlagen. Das Wassergas eignet sich seiner rauch- und russlosen Verbrennung wegen für den Betrieb von Gasmotoren, deren viele mit Wassergas von 3 bis 50 zur vollsten Zufriedenheit im Betriebe sind. Schieber. Ventile und Kolben der Motore bleiben bei Wassergas wesentlich reiner als bei Retortengas. Die Konstruktion der Wassergasmotoren ist dieselbe wie die der Leuchtgasmotoren; nur ganz unwesentliche Aenderungen sind an den Eintrittsöffnungen für Gas und Luft am Schieber oder Ventil vorzunehmen; auch ist die Grösse des Modells der Maschine genau dieselbe wie bei Leuchtgas. Was den Gaskonsum betrifft, so ist bei Retortengas bekanntlich bei den kleineren Motoren 1 cbm und bei den grösseren Motoren sind bis zu 0,65 cbm pro 1 erforderlich, während Wassergas bei kleineren Motoren 2 cbm und bei den grösseren Motoren bis zu höchstens 1,3 cbm pro 1 , also das Doppelte bedarf. Wie sich der Wassergasbetrieb bei Motoren stellt, darüber diene (Dicke) folgende vergleichende Berechnung für 250 bei Leuchtgas, Dampf, Dowson-Gas und Wassergas zu folgenden Grundpreisen:     1 cbm Leuchtgas 0,10 M. 100 kg Kesselkohlen 1,20 100 „ Gaskohlen 1,30 100 „ Koks 1,60 100 „ Anthracit 1,60 Arbeitslohn pro Stunde 0,30 I. Leuchtgas: Pro 1 = 0,65 cbm oder 3210 Kal.250 × 0,65 zu 10 Pf. 16,25 M. Also kostet 1 und Stunde \frac{1625}{250}=6,50\mbox{ Pf.} II. Dampf: Pro 1 = 1,5 kg Kohlen und 120 M.pro 10000 kg Kohlen 250 × 1,5 zu 1,2 Pf. 4,50 M. Arbeitslohn, 2 Kessel zu 1 Mann zu 3,00 M.    und 10 Stunden 0,60 Anlage: 2 Dampfkessel zu 125 qm = 26000 M. 1 Schornstein =   5000 „ Montage =   1000 „ –––––––––    32000 M. Amortisation und Verzinsung zu 8% macht pro Stunde =\frac{32000\,\times\,0,08}{300\,\times\,10} 0,85 ––––––––– 5,95 M. Es kostet somit 1 und Stunde \frac{595}{250}=2,38\mbox{ Pf.} III. Dowson-Gas. Pro 1 (nach Deutz inkl. Dampf)= 0,7 kg Anthracit und Koks.Anthracit und Koks 250 × 0,7 zu 1,6 Pf. (160 M.    pro 1000 kg) = 2,80 M. Arbeitslohn 1 Mann zu 3 M. und 10 Stunden    0,30  „ Anlage, Gaserzeugung etwa 15000 M.Amortisation und Verzinsung zu 8%=\frac{0,08\,\times\,15000}{300\,\times\,10}    0,40  „ –––––––    3,50 M. Also pro 1 und Stunde \frac{350}{250}=1,40\mbox{ Pf.} IV. Wassergas. Pro 1 = 1,3 cbm oder 3250 Kal.Pro 1 kg Koks = 2 cbm Wassergas inkl. Dampf-erzeugung: 250 × 1,3 oder \frac{325}{2}=162 kg zu1,6 Pf. = 2,60 M. Arbeitslohn 1 Mann zu 3 M. und 10 Stunden    0,30  „ Anlage, Gaserzeugung etwa 35000 M.Amortisation und Verzinsung zu 8%=\frac{0,08\,\times\,35000}{300\,\times\,10} = 0,95  „ –––––––     3,85 M. Also 1 =\frac{385}{250}=1,54\mbox{ Pf.} Pro -Stunde an Brennmaterial in Pf.: Leuchtgas Dampf Dowson-Gas Wassergas 2,80 1,80 1,12 1,04 Aus Vorstellendem ergibt sich, dass Wassergas an -Brennmaterialverbrauch um 0,08 Pf. pro 1 billiger ist als Dowson-Gas. Inklusive Amortisation und Verzinsung ist das Wassergas pro 1 nur um 0,14 Pf. teurer als Dowson-Gas, vor welchem das Wassergas den Vorzug verdienen soll, weil Wassergas ausser für den Motorenbetrieb zu gleicher Zeit auch für Industriezwecke (Schweissen, Schmelzen, Glühen u.s.w.) und für Beleuchtung und Heizung Anwendung finden kann, was alles bei Dowson-Gas bekanntlich nicht möglich ist. Auch für Gasbahnen dürfte sich das Wassergas eignen, da dessen gute Eigenschaften in der Gasmaschine bekannt sind und dasselbe eine geruchlose Verbrennung gibt. Das in Rezipienten unter den Waggons mitzuführende Gas-Quantum müsste hier allerdings etwa das Doppelte sein wie bei Leuchtgas, was wohl kaum nennenswerte technische Schwierigkeiten bereiten dürfte. Kraftanlagen für elektrische Zentralen. Aus den Berechnungen für Gasmotoren ergibt sich, dass Gasmotoren, mit Wassergas betrieben, auch als Kraftquelle für elektrische Zentralen mit Vorteil an Stelle von Dampfmaschinen und als Kraftreserve sich eignen. Ueber die billige Herstellung der Elektrizität durch Wassergasgespeiste Motoren sind insbesondere in England entsprechende Erfahrungen vorhanden (Prof. Lewes, Chef der städtischen Gaskontrollbehörde zu London, Vortrag). Soweit die Angaben des interessanten Dicke'schen Berichtes. Erfahrungen nicht Beteiligter dürften jedoch auch abzuwarten bleiben, ehe man sich ein vollkommenes Urteil bilden kann. Die günstigen Ergebnisse der Königsberger Anlage sprechen zwar für eine gute Zukunft der Wassergasindustrie, Referent glaubt aber immerhin bei seiner Kenntnis der Eigenschaften des Wassergases und des Leuchtgases und der Betriebe, dass das Wassergas nun nicht so grosse Vorzüge nach jeder Richtung hin vor dem Leuchtgas hat, dass man letzterer Industrie etwa den Untergang in absehbarer Zeit prophezeien könnte. Ich glaube nicht, etwa pro domo zu reden, wenn ich es für grössere Städte nicht als erstrebenswert ansehen kann, etwa zum reinen Wassergasbetrieb überzugehen, dagegen ist es keine Frage, dass dem Wassergas eine achtunggebietende Bedeutung in der Gastechnik zukommt. Für die Versorgung kleiner Orte mit Licht und Heizgas, wo sich die Errichtung einer Steinkohlengasanlage nicht lohnt, ist es dem Acetylen und anderen Beleuchtungsarten vorzuziehen, auch den Ergänzungsanlagen für Steinkohlengaswerke, insbesondere wenn bei letzteren ungünstige örtliche Verhältnisse (Platzfrage etc.) gegen eine sofortige Vergrösserung der bestehenden Steinkohlengasanlage sprechen, dürfte ihre allmähliche Benutzung in den Gaswerken vorhergesagt werden können. Seine Bedeutung in den industriellen Werken ist ausser allem Zweifel. Der Gastechniker, der die Fortschritte auf dem Gebiete der Beleuchtungsindustrie zu verfolgen und eventuell die Betriebsunternehmer zu beraten hat, wird jedoch, wie schon erwähnt, gut thun, weitere Erfahrungen abzuwarten, man wird ja nächstens ausser von Königsberg auch noch von anderen Städten Berichte erwarten dürfen. Litteratur. H. Dicke, Dellwik-Fleischer's Wassergassystem. Bunte, Journ. für Gasbel., 1898 Heft 35. A. Sailler, Schweikhart's Zeitschrift, 1898 Heft 15. v. Langer, Gastechniker, Wien 1898 Heft 3. Lewes, Prof. d. Chemie, Chief Gas Examinor of the City of The Gas World, London, Vol. XXVI Nr. 674. Stellfox, The Journal of Gas Lighting, 1898 Vol. LXXI S. 1464. Croissant, Ludwigshafen, Journal für Gasbeleuchtung, 1899 Heft 6. Geitel, Polyt. Centralblatt, 1898 Heft 20 S. 249. Dellwik-Anlage in Königsberg (Direktor Krieger, Ingenieur Koffert), Journal für Gasbeleuchtung, 1898 S. 841.