Titel: Beitrag zur technischen Thermodynamik.
Fundstelle: Band 315, Jahrgang 1900, S. 64
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Beitrag zur technischen Thermodynamik. (Fortsetzung des Berichtes Bd. 314 S. 92.) Beitrag zur technischen Thermodynamik. In der in D. p. J. 1899 314 92 veröffentlichten Abhandlung „Beitrag zur technischen Thermodynamik“ habe ich für die Berechnung des mechanischen Aequivalents der Wärme die Gleichung \frac{v\,p}{T}\mbox{ At}=R\mbox{ At}=\sim\,422,5 abgeleitet. Der beste Beweis für die Richtigkeit dieser Gleichung ist offenbar dann erbracht, wenn es gelingt, mit Hilfe derselben wichtige Zahlenwerte der Thermodynamik, welche bisher nur durch äusserst umständliche Versuche gefunden werden konnten, unmittelbar zu ermitteln. Wie im nachfolgenden gezeigt wird, gestattet nun die neue Gleichung die Werte ct, cPct, sowie das Verhältnis von \frac{c_p}{c_t}=k durch Rechnung festzustellen. In der bekannten Gleichung d\,Q=c_t\,d\,T+\frac{c_p-c_t}{R}\,p\,d\,v bedeutet \frac{c_p-c_t}{R} das Wärmeäquivalent der Arbeitseinheit. Nach Gleichung \frac{v\,p}{T}\mbox{ At}=R\mbox{ At} wäre also \frac{c_p-c_t}{R}=\frac{1}{R\mbox{ At}} und c_p-c_t=\frac{1}{\mbox{At}}, so dass c_t=c_p-\frac{1}{\mbox{At}} und k=\frac{c_p}{c_t}=\frac{c_p}{c_p-\frac{1}{\mbox{At}}} Als Mittelwert für k ergibt letztere Formel den Wert 1,412, welcher vollkommen mit dem durch Versuche gefundenen Wert übereinstimmt. Ebenso wie die Gleichung\frac{v\,p}{T}\mbox{ At}=R\mbox{ At} gilt auch der Wert k=\frac{c_p}{c_t}=1,412 nur für die sogen. vollkommenen Gase und nicht für Gasverbindungen. Auch die in nachstehender Tabelle angegebenen, mit Hilfe der Gleichung c_t=c_p-\frac{1}{\mbox{At}} berechneten Werte der Grösse ct stimmen genau mit denen überein, die man bisher dadurch ermittelte, dass unter Zuhilfenahme der Newton'schen Formel über die Schallgeschwindigkeit das Verhältnis von cp : ct durch Versuche festgestellt wurde. Für ct müssen hierbei selbstverständlich diejenigen Zahlen in die Tabelle eingesetzt werden, die man früher als die spezifischen Wärmen für konstantes Volumen bezeichnete. Für cp nach Regnault \frac{1}{\mbox{At}} c_t=c_p-\frac{1}{\mbox{At}} ct früher cv Wasserstoff 3,4090 1 2,4090 2,4177 Sauerstoff 0,2175 0,06266 0,15485 0,1543 Stickstoff 0,2438 0,07137 0,1725 0,1728 Luft 0,2375 0,06935 0,1682 0,16844 Kohlenoxyd 0,2450 0,07161 0,1734 0,1737 Dass zwischen Atomgewicht und spezifischer Wärme eine Abhängigkeit besteht, ist bekannt, das lehrt schon das Gesetz von Dulong und Petit: „Das Produkt aus Atomgewicht und spezifischer Wärme ist konstant.“ Dieses Gesetz wird in der Chemie zur Bestimmung des Atomgewichts angewandt. Die von mir abgeleitete Gleichung c_p-c_t=\frac{1}{\mbox{At}} zeigt nun für die vollkommenen Gase die nähere Art der Abhängigkeit zwischen Atomgewicht und spezifischer Wärme. Die Gleichung lehrt, dass derjenige Teil der spezifischen Wärme, der bei einer Wärmezufuhr in Arbeit übergeht, d.h. entweder zur Erzeugung kinetischer Energie oder zur Vermehrung der potentiellen Energie dient, gleich ist dem reciproken Werte des Atomgewichts. Da nun ferner c_p-c_t=\frac{1}{\mbox{At}} und \frac{c_p-c_t}{c_p}=\eta, so wird c_p=\frac{c_p-c_t}{\eta}=\frac{1}{\mbox{At}\,\eta} Unter Annahme des Mittelwertes 1,412 für k ergibt sich für η die Zahl 0,292, so dass c_p=\frac{1}{0,292\mbox{ At}} In nachstehender Tabelle sind die von Regnault durch Versuche ermittelten Werte für cp neben den mit Hilfe der Gleichung c_p=\frac{1}{0,292\mbox{ At}} gefundenen angegeben. Für cp nach Regnault c_p=\frac{1}{0,292\mbox{ At}} Wasserstoff 3,4090 3,4246 Sauerstoff 0,2175 0,2146 Stickstoff 0,2438 0,2444 Luft 0,2375 0,2375 Kohlenoxyd 0,2450 0,2450 Für Wasserstoff weichen die beiden Werte, wie wir sehen, am weitesten, um ungefähr 1 % voneinander ab. Es ist dieses leicht dadurch zu erklären, dass sowohl die Bestimmung der spezifischen Wärme als auch die des Atomgewichts für Wasserstoff am schwierigsten ist. Von besonderer Wichtigkeit ist die Möglichkeit der Berechnung der spezifischen Wärme für die zusammengesetzten Gase, wie z.B. für Wasserdampf, Kohlensäure, Ammoniak u. dgl. Die Gleichung c_p=\frac{1}{0,292} At gestattet nämlich die Berechnung der spezifischen Wärme dieser Gase bei hohen Temperaturen, sobald die zwischen den Molekularatomen bestehenden chemischen Kräfte infolge der Zuführung von Wärme gleich Null geworden sind und diese Gase infolgedessen als Gasgemenge und nicht mehr als Verbindungen aufgefasst werden müssen. Die Berechnung der dem Atomgewichte der einfachen Gase entsprechenden Zahl hat hierbei, wie schon an anderer Stelle in D. p. J. 1899 314 184 erläutert wurde, nach dem Mischungsgesetz zu erfolgen. Bilden doch z.B. 2 l Wasserstoff und 1 l Sauerstoff bei hinreichend hohen Temperaturen 3 l des entstehenden Gemenges. Für stark überhitzten Wasserdampf ist die spezifische Wärme hiernach c_p=\frac{1}{0,292\,.\,5,987}=0,57201. Die spezifische Wärme für Wasserdampf bei niederen Temperaturen ist deshalb bedeutend grösser, weil bei denselben ein Teil der zugeführten Wärme noch dazu dient, die zwischen den Molekularatomen bestehenden chemischen Kräfte zu überwinden. Dieser Teil der zuzuführenden Wärme nimmt mit steigender Temperatur ab und wird beim Wasserdampf etwa bei 400° gleich Null, so dass von dieser Temperatur ab die Zahl 0,57201 als spezifische Wärme für den Wasserdampf oder vielmehr für das Gemenge aus Wasserstoff und Sauerstoff einzusetzen wäre. Worin der Vorteil der Anwendung überhitzten Wasserdampfes beruht, ist hiernach leicht einzusehen. Die Molekulartheorie. Die Molekulartheorie sucht eine Erklärung dafür zu bringen, dass sich bei der Verbindung von Gasen das Gesamtvolumen derselben in einem bestimmten Verhältnis verkleinert. Vereinigt man nämlich 2 Volumenteile Wasserstoff mit 1 Volumenteil Sauerstoff, so findet man, dass sich daraus bei Temperaturen über 100° 2 Volumenteile Wasserdampf bilden, dass sich also das Gesamtvolumen um ⅓ vermindert. Aehnlich bilden 3 l Wasserstoff und1 l Stickstoff nur 2 l Ammoniak. Bei allen Verbindungen von Gasen werden 2 Volumenteile der neuen Verbindung gebildet (d.h. bei entsprechend niedrigen Temperaturen). Zur Erklärung dieser Volumenverkleinerung nimmt nun die Molekulartheorie an, dass alle Körper, also auch die einfachen Gase in ihren kleinsten Teilchen nicht aus Atomen, sondern aus von Atomen gebildeten Molekülen bestehen, die mechanisch nicht, wohl aber chemisch in ihre Bestandteile, die Atome, wieder zerlegt werden können. Die Zahl der Atome, welche sich bei den einfachen Gasen zu den Molekülen vereinigen, wird von der Molekulartheorie so gewählt, dass bei allen Gasen eine gleich grosse Anzahl von Molekülen im Gaszustand stets denselben Raum einnehmen, vorausgesetzt, dass Druck und Temperatur gleich sind. Die Molekulartheorie beruht also auf einer Betrachtung des Verhaltens der Gase in Bezug auf ihr Volumen. Die Kräfte, welche bei chemischen Verbindungen von Gasen auftreten, werden von der Theorie nicht berührt, dieselben werden vielmehr vollkommen ausser acht gelassen. Die Annahme nun, dass eine gleich grosse Anzahl von Molekülen im Gaszustand unter der Bedingung, dass Druck und Temperatur gleich sind, stets denselben Raum einnehmen, setzt voraus, dass das Mariotte-Gay-Lussac'sche Gesetz in gleicher Weise für die vollkommenen, als auch für die unvollkommenen Gase gültig ist. Bei einer Zuführung von Wärme müssten demnach auch bei den unvollkommenen Grasen Spannung und Volumen proportional der Temperatur zunehmen. Dass dieses z.B. für Kohlensäure nicht der Fall ist, dass dieselbe in ihrem Verhalten bei der Wärmezuführung ganz erheblich von dem Mariotte-Gray-Lussac'schen Gesetz abweicht, ist bekannt. Ebensowenig befolgt Ammoniak, überhitzter oder gesättigter Wasserdampf dieses Gesetz. Für den gesättigten Wasserdampf lehrt uns die Regnault'sche Spannungsreihe, dass bei einer Wärmezuführung bei konstantem Volumen die Spannung durchaus nicht verhältnisgleich der Temperatur zunimmt. Die Spannung wächst rascher als die Temperatur. Würde man nun umgekehrt die Spannung konstant setzen, so würde bei einer Wärmezuführung das Volumen rascher zunehmen, als die Temperatur. Der überhitzte Wasserdampf weicht in seinem Verhalten dadurch vom gesättigten ab, dass bei ihm die Spannung in noch schnellerem Masse zunimmt, als dieses beim gesättigten Wasserdampf der Fall ist. Es hat dieses darin seinen Grund, dass beim überhitzten Wasserdampf die zwischen den Molekularatomen bestehenden Kräfte rasch überwunden und vernichtet werden, während sich der gesättigte Wasserdampf von höheren Temperaturen fortwährend wieder mit dem sich eben bildenden Dampfe vermischt, und ihm dadurch neue chemische Kräfte zugeführt werden, die wieder von der zuzuführenden Wärme aufgehoben werden müssen. 2 l Wasserstoff von 200° und 1 l Sauerstoff von derselben Temperatur werden bei einer Vereinigung nicht etwa 2 l Wasserdampf bilden, das resultierende Volumen wird grösser sein als 2 l. Bei einer bestimmten Temperatur werden z.B. 1 l Sauerstoff und 2 l Wasserstoff 2,5 l Wasserdampf bilden. Sollte die Molekulartheorie auch auf diesen Fall angewandt werden, so müsste danach 1 Molekül Wasserstoff, sowie 1 Molekül Sauerstoff aus 2,5 Atomen bestehen. Nehmen wir weiterhin dieselben Mengen Wasserstoff und Sauerstoff, beide bei einer Temperatur von ungefähr 400° zu einer Mischung, so würde das resultierende Volumen 3 und nicht 2 l betragen. Ebenso verhält es sich mit dem Ammoniak, bei welchem bei hinreichend hohen Temperaturen annähernd gar 4 l gebildet werden. Sobald jedoch bei einer Mischung von 3 l Wasserstoff und 1 l Stickstoff das resultierende Volumen 4 l beträgt, wird nicht mehr Ammoniak, sondern ein einfaches Gemenge aus Wasserstoff und Stickstoff gebildet. Bei der Erklärung des Verhaltens der zusammengesetzten Gase ist es unbedingt erforderlich, die bei der Verbindung von Gasen auftretenden Kräfte in Rücksicht zu ziehen; denn treten bei einer Verbindung von Gasen wirklich Kräfte auf, so werden dieselben auch in irgend einer Weise auf das Verhalten der Gase einwirken. Eine auftretende Kraft übt immer eine Wirkung aus! Und so ist die bei der Verbindung von Gasen auftretende Verkleinerung des Gesamtvolumens eine Folge von chemischen Kräften. Die kleinsten Teilchen eines vollkommenen Gases sind die Atome und nicht die Moleküle! Gehen nun die Atome verschiedener Gase Verbindungen ein, so bilden dieselben aus Atomen zusammengesetzte Moleküle. Zwischen den einzelnen Atomen treten hierbei chemische Kräfte auf, deren Wirkung sich in einer Volumenverkleinerung des Gases äussert. Führt man sodann einem zusammengesetzten Gase Wärme zu, so dient ein Teil dieser Wärme dazu, die zwischen den Molekularatomen bestehenden Kräfte allmählich und stetig aufzuheben. Um so niedriger die Temperatur des betreffenden Gases, um so grösser ist der Teil der Wärme, der zur Aufhebung der Kräfte dient, um so weniger Wärme wird also zur Aenderung des Volumens, der Spannung und der Temperatur übrig bleiben, d.h. um so unvollkommener befolgen diese Gase bei diesen Temperaturen das Mariotte-Gay-Lussac'sche Gesetz, das nur dann vollkommen gilt, wenn sämtliche zugeführte Wärme zur Aenderung dieser drei Grossen aufgewandt wird; denn nur auf diese drei Grössen bezieht sich das Gesetz. Je höher aber die Temperaturen werden, um so weniger Wärme dient zur Aufhebung der nur mehr schwachen chemischen Kräfte, um so mehr befolgen dann die Gase das Mariotte-Gay-Lussac'sche Gesetz. Bei einer gewissen Temperatur werden die chemischen Kräfte bei den zusammengesetzten Gasen gleich Null gesetzt werden können und über dieser Temperatur hinaus sind die Gase als Gasgemenge und nicht mehr als Verbindungen anzusehen und bei den Rechnungen als solche zu behandeln. Es werden bei diesen Temperaturen keine Moleküle mehr gebildet, sondern freie Atome, genau ebenso wie bei den vollkommenen Gasen und allen Elementen. Einen Verteidiger der Molekulartheorie möchte ich noch auf folgende Punkte aufmerksam machen. 1. Bei jeder Verbindung treten Kräfte auf. Ist diesesnun auch dann der Fall, wenn sich die Atome eines Elementes zu Molekülen desselben Elementes verbinden? Ist dem so, worin äussern sich dann diese Kräfte? 2. Nach der Molekulartheorie sind die Moleküle eines Elementes chemisch in ihre Atome zerlegbar. Nun kann, wie wir wissen, jede chemische Verbindung durch Erhitzung, d.h. durch Zufuhr von Wärme in ihre Bestandteile zerlegt werden, oder die zwischen den Molekularatomen einer Verbindung bestehenden Kräfte können durch Wärme überwunden und vernichtet werden. Ist dieses auch bei den Molekülen eines Elementes der Fall, dann werden wenigstens bei hohen Temperaturen freie Atome gebildet. 3. Werden jedoch auch bei hohen Temperaturen Moleküle und keine Atome gebildet, so muss eine Vereinigung oder Bindung der Atome zu Molekülen auch bei hohen Temperaturen eintreten können; denn ein Molekül Ammoniak z.B. muss sich, wenn es durch Erhitzung zerlegt wird, zunächst in freie Atome auflösen. Der chemischen Zusammensetzung (NH3) nach müssen sich bei diesem Gase wenigstens zunächst ein freies Atom Wasserstoff, sowie ein freies Atom Stickstoff bilden. Wenn sich nun diese freien Atome auch bei hohen Temperaturen wieder zu Molekülen vereinigen, muss dann nicht eine wahrnehmbare plötzliche Verkleinerung des Volumens oder der Spannung eintreten? Wir sehen, sobald man das Verhalten der Gase auch bei hohen Temperaturen, sowie vom dynamischen Standpunkte betrachtet, ergeben sich für die Molekulartheorie unüberwindliche Schwierigkeiten. Dass lediglich eine Betrachtung des Verhaltens der Gase in Bezug auf ihr Volumen vor und nach Eingang der Verbindung einen Schluss auf ihre innere Zusammensetzung nicht zulässt, zumal diese Betrachtung sich nur auf das Verhalten der Gase bei niederen Temperaturen erstreckt, ist leicht einzusehen. Es ist unbedingt erforderlich, das Verhalten der Gase beim Eingang von Verbindungen auch vom dynamischen Standpunkt zu betrachten und in das lebensvolle Innere der Naturkörper einzudringen.