Titel: Allgemeine Fragen der Technik.
Autor: P. K. von Engelmeyer
Fundstelle: Band 315, Jahrgang 1900, S. 169
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Allgemeine Fragen der Technik. Von Ingenieur P. K. von Engelmeyer, Moskau. (Fortsetzung von S. 85 d. Bd.) Allgemeine Fragen der Technik. Zur Erfindungsfrage. H. Meidinger's Werkchen „Vom Erfinden“ (1892) ist schon wegen des Verfassers höchst interessant. An Meidinger sehen wir in der That, dass oft eine einzige Erfindung (das galvanische Element) genügt, um einem Namen den Weltruf zu schaffen. Noch etwas anderes entdecken wir: wie James Watt (nach einem Brief an seinen Sohn) das Hauptgewicht nicht in die Dampfmaschine, die doch allgemein seinen Namen trägt, sondern in seine Geradeführung legt, und auf die letztere seinen höchsten Anspruch als Erfinder erhebt, so legt auch Meidinger weniger Gewicht auf seine Batterie, als auf seinen Füllofen und seine Gefriermaschine. So verschieden ist die Wertschätzung einer Erfindung seitens des Erfinders selber und seitens der Gesellschaft! Sein Werk hat Meidinger anlässlich einer Jubiläumsfeier verfasst, das zu Ehren des Freiherrn Drais von Sauerbronn im Jahre 1891 in Karlsruhe stattfand. Das Werk soll beweisen, dass Drais kein Erfinder im rechten Sinne des Wortes ist, indem es den Vorgang des Erfindens darstellen und praktische Winke daraus ziehen soll. In die Polemik gegen Drais folgen wir dem Verfasser lieber nicht und besprechen nur seine allgemeinen Auslegungen. Was ist vor allem eine Erfindung? „Eine Erfindung ist etwas, was in der Art der Wirkung, der praktisch verwertbaren Eigenschaften zuvor noch nicht da war“ (S. 24). Diese Worte definieren die Erfindung nach dem Merkmal des Vorhandenseins eines technischen Effektes, welcher zugleichneu sein muss. Meidinger legt überhaupt weniger Gewicht auf die Zusammensetzung einer Erfindung, als auf die Wirkung derselben: „Das Thema muss vor allem gefunden werden, das Vielwissen befähigt hierzu noch nicht. Nur selten wird ein Nichterfinder das Thema zu stellen wissen, dasselbe kann nicht von aussen zugetragen werden, es kommt aus dem Inneren des Erfinders selbst heraus“ (S. 24). „Erfindungen auf chemischem Gebiet erfordern das Experiment, das Resultat ist nicht sicher. Neues wird gefunden. Erfindungen auf mechanischem Gebiet werden durch reines Nachdenken (?) gemacht, das Resultat ist sicher, wie alles, was sich mathematisch berechnen lässt, wenn auch, nicht immer gleich vollkommen; das Versuchen ist auch zumeist nicht erspart, da eben doch nicht immer alles sich von vornherein in genaue Rechnung stellen lässt, aber es wird um so weniger erforderlich, je tiefer das allgemeine positive Wissen des Erfinders ist“ (S. 25). „Erfindungen kann gewissermassen jedermann machen; es sind Gedanken, welche dem sich einstellen, der die Dinge nicht bloss so wie sie sind hinnimmt, sondern über ihre Eigenschaften und ihre Mängel nachzusinnen, der neue Erscheinungen, Erfahrungen, Entdeckungen in ihren Beziehungen zu dem Leben zu erfassen versteht“ (S. 24). „Der Künstler erfindet frei nach Belieben, wie ihm eine Aufgabe gestellt wird, er bedarf nur der Anregung, die eben sowohl von aussen wie aus seinem Inneren kommen kann. Eine gewerbliche Erfindung kann jedoch nicht bestellt werden“ (S. 24). Den letzten Worten können wir nicht beistimmen: es ist kein Grund vorhanden das spontane Erfinden so grundsätzlich von dem Entwerfen nach einem gegebenen Programm zu trennen. Ebensowenig erscheint es ratsam, das technische von dem künstlerischen Schaffen so scharf zu trennen. Man findet eher einen typischen Vorgang, wenn man im Gegenteil alle Arten des Schaffens im Auge beibehält und sie als Erscheinungen einer Ordnung analysiert. Auch erscheint es uns schwer, den bezeichneten Gegensatz zwischen den chemischen und den mechanischen Erfindungen anzunehmen. Die chemischen würden nur gefunden? Und die Ausarbeitung der mechanischen Erfindung bedürfe wirklich nur des Lehnstuhles? Zu diesen eigentümlichen Schlussfolgerungen ist Meidinger dadurch verleitet worden, dass er, seine eigenen Erfindungen analysierend, den intuitiven Phantasiesprung übersieht. Immerhin ist es von grösstem Interesse zu sehen, wie ein erfahrener und allgemein anerkannter Erfinder sich über das Laboratorium seines Geistes äussert. Die Geschichte der Erfindung seines Füllofens stellt Meidinger als Erläuterung dessen, „wie eine Erfindung als Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchung entstehen kann“ (S. 27 und 28): technologische Vorbildung und eine Reihe Experimente über Kochherde und Oefen verschiedener Konstruktion (1866 bis 1869) gingen voraus. Dann kam von aussen die Anregung, einen Ofen zurechtzumachen, der keine lästige strahlende Wärme entwickelt, gut ventiliert und möglichst an Brennstoff spart. „Die Mittel, um diesen Mängeln entgegenzuwirken, waren dem Verfasser bekannt, sie finden sich in dem Artikel der Badischen Gewerbezeitung 1867 über Stubenöfen bereits angegeben. So war die Erfindung eines neuen Füllofens sofort gemacht, nachdem die Anregung erfolgte“ (S. 28). So sehr sich Meidinger auch bemüht, die äusseren Umstände dieser Erfindung treu wiederzugeben, so übersieht er den inneren Vorgang, den schöpferischen Phantasiesprung, das eigentliche Erfinden, das in ihm sich vollzog und die Lösung der Aufgabe darbot, weil er diese Arbeit nicht fühlte – denn sie geschieht ausserhalb des Bewusstseins. Ferner bemerken wir noch, dass Meidinger sich selbst widerspricht: die Anregung, das Thema wurde ihm von aussen hergebracht, und früher sagt er, dies wäre nur möglich bei einer künstlerischen, nicht aber bei einer technischen Schöpfung. Auch die Gefriermaschine des Verfassers sei entstanden als notwendige Folge der betreffenden Vorkenntnisse. Das Eigentümliche in ihr sei die Verwendung von Eis mit Kochsalz nicht in festem Zustande, sondern als Brei. Bei seinen Versuchen über Eisschränke bemerkte Meidinger „als neue wissenschaftliche Thatsache, dass Eis in der Kochsalzlösung schmilzt unter bedeutender Erniedrigung der Temperatur. . . . Die Erkenntnis der neuen Thatsache und die Erfindung der neuen Gefriermaschine gingen fast Hand in Hand“ (S. 29). Abermals wird die Grundfunktion, die schaffende Kombination, mit keinem Worte bedacht. Nun kommt die Batterie an die Reihe. Diese soll ein Beispiel dessen liefern, „wie Erfindungen wissenschaftlichen Charakters in der bewussten Absicht, etwas Neues, Vollkommenes zu schaffen, gemacht werden“ (S. 30 bis 31). Die Batterie entstand im Jahre 1859. Die Anregung kam wieder von aussen: der dauernde Betrieb einer elektrischen Pendeluhr wurde angestrebt, zu welchem Behufe alle damals bekannten Batterien nicht konstant genug wirkten. „Anknüpfend an das Vorhandene wurden dann verschiedene Abänderungen versucht und nach mehr als jahrelangen Bemühungen nach verschiedenen Richtungen wurden die Modifikationen des Daniell'schen Prinzips aufgefunden, welche als Meidinger'sche Batterie allgemein bekannt und insbesondere in der Telegraphie zu grosser Anwendung gelangt ist“ (S. 30). Dabei verweist der Verfasser auf Pogg. Ann. d. Phys. 1859 Bd. 108, S. 102 und D. p. J. 1876 219 63 und 220 271. „Die galvanische Batterie ging aus einem praktischen Bedürfnisse hervor; in der Ueberzeugung, dass für den besonderen Zweck etwas Vollkommeneres geschaffen werden könne, als das Bestehende, ging man auf die wissenschaftliche Suche und der Lohn blieb nicht aus, wie in den meisten ähnlichen Fällen, wo eine an sich mögliche Sache mit Verständnis und Ausdauer erstrebt wird“ (S. 32). Alsdann kommt Meidinger auf den Unterschied zwischen Erfindung und Entdeckung. Die Thätigkeit der Gelehrten ist „nur auf das Erkennbare, nicht auf das Verwertbare gerichtet; wenn dieselben auch vieles Neue finden, so erfinden sie jedoch sehr wenig, sie stehen der Praxis zu ferne“ (S. 33). Als Beleg dafür wird der Unterschied zwischen Gramme und Pacinotti erörtert. „Eine Priorität müssen wir Pacinotti zuerkennen, doch aber nicht mehr als die des Gedankens.“ Pacinotti hatte keine Ahnung von der latenten Bedeutung seiner Maschine, er begnügte sich damit, sie veröffentlicht zu haben; sie war ihm eben nur wissenschaftliches Instrument.“ „Sie musste in der That zum zweitenmal erfunden und durch energische geschäftliche Anstrengungen der Welt vorgeführt werden, ehe sie Anerkennung und praktische Verwertung fand. Auch ohne Pacinotti würden wir heute genau so weit in der Entwickelung der Elektrotechnik gekommen sein, ob ohne Gramme, das ist sehr zweifelhaft“ (S. 36). Meidinger betont auch die Notwendigkeit des Fleisses und des Ausdauers, und fügt hinzu, „dass nicht die Begabung allein, sondern nur ihre Paarung mit harter Arbeit von Jugend auf die Grundlage genialer Erfindungen und eines damit zu erzielenden Erfolges sein kann“ (S. 46). In der Fussnote steht noch die Bemerkung, dass man an jenen Erfindungen, die eine sehr einfache Form zu haben scheinen (z.B. der elektrischen Glühlampe), das Werden nicht ansieht, warum sie vielen als „reine Gedankenblitze aus bequemer Ruhelage“ erscheinen (S. 46). In der That lässt sich diese Thatsache nicht genug wiederholen, um ein richtiges Licht auf das zu werfen, was Meidinger „Laienerfindungen“ nennt. Die Verwertung der Erfindungen besprechend, hebt Meidinger die wichtige Frage hervor, die sich bei jeder Erfindung stellt: ob die Erfindung zeitgemäss erscheint? „So erscheint z.B. die Idee, in unseren Tagen das Handspinnrad noch verbessern zu wollen, eine recht unzeitgemässe – es ist dafür zu spät“ (S. 50). Ebenso wichtig ist die Frage über die örtlichen Verhältnisse: „So würde es sich z.B. kaum empfehlen, in England, wo offene Kaminfeuerung allgemein üblich ist, ein Patent auf einen der bei uns üblichen Oefen zu nehmen, oder in Russland, in Schweden, wo man fast nur Holz brennt, ein Patent auf einen Steinkohlenofen“ u.s.w. (S. 52). Meidinger unterscheidet drei Arten von Erfindungen: 1. ein Verfahren zur Herstellung eines Gegenstandes (Ware); 2. ein Gegenstand bekannter Verwendung in vervollkommneter Ausführung; 3. ein ganz neuer Gegenstand, für dessen Verwendung erst das Bedürfnis geweckt werden muss (S. 53). Diese Klassifikation kann nur gerechtfertigt werden, wenn man den Augenmerk auf die Ausnutzung der fertigen Erfindung richtet. In der Ausarbeitung hingegen fallen die zweite und die dritte Klasse in eins zusammen. Ferner wird gesagt, dass die Verwertung der mechanischen Erfindungen schwieriger ist, als die der chemischen (S. 54). Den Absatz berührend, wird darauf hingewiesen, dass der neue Artikel die Konkurrenz der alten ähnlicher Art zu bekämpfen hat (S. 55), und dabei die handelsmännischen Kunstgriffe besprochen. Der Füllofen des Verfassers liefert hier ein Beispiel dessen, wie stark scheinbar nebensächliche Umstände die Verbreitung auch eminent praktischer Erfindungen hemmen. Im weiteren wird wieder auf den wichtigen Punkt hingewiesen, dass sich der Wert einer Erfindung von vornherein nur schwer festsetzen lässt (S. 60). Zuletzt wird als Beispiel dafür, „wie wertvolle Erfindungen ihrem Urheber nicht den entsprechenden Lohn tragen, wenn er sie nicht aus eigenen Kräften nach jeder Richtung zu entwickeln vermag“ (S. 62), die Geschichte des (1843) vom Mechaniker F. G. Keller erfundenen „Holzstoff“ für Papierfabrikation wiedergegeben. „Die Lektüre einer Schrift über die Herstellung des Papiers, worin dem Bedürfnis nach einem Surrogat für die immer teuerer werdenden Hadern Ausdruck gegeben wurde und die Beobachtung des Baues der Wespennester aus zernagten Holzfäserchen führten ihn auf die Verwendung des geschliffenen Holzes“ (S. 62). An dieses Beispiel darf man die Bemerkung knüpfen (was Meidinger nicht thut), dass somit der Holzstoff einen Beleg dafür liefert, dass es doch jemand gelingen kann, eine eminent praktische Erfindung zu Tage zu fördern, der eigentlich der Spezialität ferne steht, obgleich allerdings solche Einzelfälle nur Ausnahmen bilden und deren Seltenheit nur die umgekehrte Regel bestätigt. E. Hartig's tiefsinnige „Studien in der Praxis des kaiserl. Patentamtes“ (1890) sind für die Lehre von der mechanischen Erfindung ein ebenso klassisches Werk, wie das vorher besprochene von Witt für die Lehre von der chemischen. Das Werk von Hartig enthält noch mehr: es entwickelt auch noch die Grundansicht einer Maschinenlehre, die wir als die technologische genannt und bereits früher besprochen haben (D. p. J. 1899 312 2). Im ersten Abschnitt, den „technologischen Vorstudien“, finden wir noch den Vorschlag, an einem neuen Wissenszweig „der Technologik“ thätig zu sein. Auf diesen Vorschlag haben wir ebenfalls schon hingewiesen (D. p. J. 1899 311 22), und werden wir demselben hier eine grössere Aufmerksamkeit widmen. Das ganze Werk dürfte man eine Vorstudie der Technologik nennen, denn dieser Meister der mechanischen Technologie macht darin zuerst den Versuch, die Denkweise der formellen Logik auf das technische Fach auszubreiten. Der Leser dieses ausgezeichneten Buches muss aber nicht vergessen, dass es nicht in Einem niedergeschrieben, sondern eine Reihe von Studien zusammenbringt, in denen allerdings ein Plan unverkennbar ist. Der Rechtsschutz des geistigen Eigentums des Erfinders ist notwendigerweise grundverschieden von dem Schütze des materiellen Eigentums. „Die gänzlich heterogene Natur der beiden hier in Vergleich gesetzten Rechtsobjekte ergibt sich auch aus anderweiten Erwägungen. Ein materielles Gut, z.B. ein Grundstück, kann aus dem Besitze vieler, aus dem Allgemeinbesitz, in das Privateigentum, in den gesetzlich gesicherten Besitz einzelner übergehen, eine Geistesschöpfung nicht; diese lässt nur die Uebertragung in entgegengesetzter Richtung zu; der einzelne, der Erfinder, hat sie zuerst und allein; er könnte, sie für sich behalten; er kann sie aber auch in den Allgemeinbesitz abliefern. Und damit er das nicht unterlasse, räumen wir ihm mittels des Patentschutzes ein zeitweiliges Vorrecht ein“ (S. 129). Der Unterschied zwischen einem Sachgut und einer Erfindung interessiert uns hier nicht aus Rechtsgründen, sondern durch den Umstand, dass er Hartig zu der Technologik führte. „Man kann bei sachlichen Gütern sich mit blossen Anschauungen und Sinneseindrücken begnügen, mit Zahl, Mass und Gewicht der Stücke, man kann hier inventarisieren und katalogisieren, ohne über Namen, Titel und Zeichen hinauszukommen. . . . Anders bei immateriellen, der Tiefe des Menschengeistes entstammenden Gütern und den darauf stützenden Rechten, den Urheberrechten, deren eigentlicher Kern nicht mit jenen körperlichen Dingen verwechselt werden darf, durch welche er zunächst auf unsere Sinne wirkt; hier kann nur die Erkenntnis mittels der Geisteskräfte in Frage kommen; hier müssen aus dem angestrebten Zwecke, der vermittelten Wirkungsweise und den herbeigezogenen körperlichen Hilfsmitteln diejenigen Bestimmungen herausgehoben und zusammengedacht werden, welche erforderlich und zureichend zugleich sind, um für jeden normal gereiften Menschengeist den richtigen Begriff der neuen Schöpfung, z.B. einer neuen Erfindung zu liefern“ (S. 171). „Materielle Güter werden gezählt, gemessen und gewogen, immaterielle Güter werden definiert“ (S. 172). „Nur das technologisch sicher definierbare Neue kann in geordnete Verwaltung genommen werden“ (S. 149). Wir schreiten nun zu dem so wichtigen Unterschiede zwischen Erfindung und Konstruktion. Die veränderte Konstruktion einer Erfindung macht noch keine neue Erfindung. „Gedächte jemand die Maschine in anderen Dimensionen oder in veränderten Grössenverhältnissen zu bauen, ohne die Natur des Arbeitsprozesses zu verändern, so würde gleichfalls jeder Unbefangene eine Rechtsverletzung erkennen, denn auch das Variieren von Abmessungen ist ein dem Konstrukteur geläufiges Thun. Ja auch Gestaltsveränderungen der einzelnen Bestandteile, Substitution einzelner Mechanismen durch andere in der Technik bekannte Getriebe (der sogen. „Aequivalente“ in der Sprache des amerikanischen Patentwesens) würde unsnoch nicht ausserhalb der gerechterweise zu ziehenden Grenzen des Erfindungseigentums versetzen“ (S. 157, 158). Die Hauptsache ist der Arbeitsprozess. „Dieser Arbeitsprozess stellt ein dem Geiste wohl Erkennbares dar, das nach seiner eigensten Natur durchaus homogen ist mit menschlichem Thun, das in der Wirklichkeit einerseits an die körperlichen Bestandteile der Maschine, andererseits an das in der Herstellung begriffene Werkstück geknüpft ist, das zu lückenloser Vorstellung jedoch nur mittels einer Denkhandlung gebracht werden kann. Es repräsentiert die in die Körperwelt versetzte, praktisch erprobte, ihrer Natur nach aber nicht körperliche Konzeption des Erfinders“ (S. 158, 159). „Von allen Irrwegen, welche bei der praktischen Durchführung des Erfindungsschutzes und einer geordneten Patent Verwaltung den hieran Beteiligten sich darbieten, ist für den Bereich der mechanischen Technik die beschränkte Auffassung der Werkzeuge, Maschinen und anderen mechanischen Gebilde nach dem nur sinnlichen Eindrucke, den sie im Stillstande gewähren, einer der verhängnisvollsten“ (S. 136). „Diese körperlichen Mittel sind für den technischen Erfinder nichts anderes, als für den Schriftsteller die Buchstaben und Worte, hinter deren Reihen erst die Vorstellungen, die Begriffe, die Charaktere und ihre Handlungen im Geiste des Hörers und Lesers auftauchen“ (S. 132). „Es ist Aufgabe der Technologik, eine zutreffende Ausbildung dieses Begriffes der Werkerzeugung, also des vom Erfinder gewollten Thuns der Maschine zu bewirken. . . . Was würde nun näher liegen, als diesen Prozess der Werkerzeugung des als neu vorausgesetzten faktischen Zusammenspieles der Maschinenwerkzeuge mit den Werkstücken selbst zum Gegenstande des Rechtsschutzes zu machen?“ (S. 160). Hartig unterscheidet noch zwischen Begriff und Programm einer Erfindung. „Das Programm definiert eine noch ausstehende Erfindung nur aus dem Zwecke, welcher erreicht werden soll; der zur Aufstellung des Patentanspruches geeignete Begriff aber definiert eine schon gemachte Erfindung zugleich aus den materiellen und immateriellen Mitteln, durch welche der Zweck wirklich erreicht wird, von denen jedoch nach einer aus dem Rechtsgefühl erlangten Anleitung nur ein Teil hervorgehoben, der andere fallen zu lassen ist“ (S. 199). Sämtliche Erfindungen (ob mechanisch, ob chemisch) teilt Hartig in folgende sechs Klassen ein: 1. Ein Verfahren, welches mit schon bekannten Arbeitsmitteln durchführbar ist. 2. Ein körperliches Arbeitsmittel (ein Werkzeug, ein Gerät, eine Waffe, ein Instrument, eine Maschine). 3. Ein körperliches Arbeitserzeugnis, ein Fabrikat, eine Ware. 4. Ein Verfahren mit zugehörigen, zu seiner Ausführung erforderlichen neuen Arbeitsmitteln. 5. Ein Verfahren nebst dem durch dasselbe erlangten neuen Erzeugnis. 6. Ein neues Verfahren, einschliesslich neuer dazu erforderlicher Arbeitsmittel und einschliesslich auch des hiermit erzielten neuen Fabrikates. Will man aber die Zahl der Arten auf ein Minimum zurückführen, so bilden für Hartig ein solches die ersten drei Arten. Den Begriff der Erfindung definiert Hartig folgendermassen: „Erfindung ist Lösung eines technischen Problems, die nach ihrem technologischen Begriff neu und nach Art ihrer Verwirklichung in mindestens einer Ausführungsform vollständig dargelegt ist“ (S. 49). Folgen wir nun Hartig in seiner Darstellung des typischen Verlaufes der technischen Erfindung: „Aus dem tagtäglichen Verlauf der Dinge . . . . ergibt sich ein Mangel, eine Schwierigkeit, ein Uebelstand, dessen Beseitigung erwünscht ist; damit ersteht das technische Problem. Es gilt uns gleich, ob dasselbe von welterschütternder Bedeutung oder nur geringfügig erscheint. Auch das Kleine wird wichtig, wenn es nur viele Menschen interessiert. . . . Das zweite Stadium im Entwickelungslaufe einer Erfindung ist das der Ideen, der Projekte, der Versuche. Viele sind berufen, aber wenige auserwählt. Nur wer mit Ausdauer seinen Geist auf ein Ziel zu richten weiss, wer die Wissenschaft seines Faches beherrscht, wer in der Verwirklichung des Gedachten, in der Ueberführung eines Begriffes in der Wirklichkeit Uebung und Sicherheit erworben hat, findet – erfindet die praktisch mögliche Lösung. . . . Die vollständige Darlegung mindestens einer konkreten Ausführungsform ist hierbei unentbehrlich, damit der Nachweis geführt sei von der wirklichen Vollendung, von der gewiss einmal erfolgten praktischen Durchführung der Erfindung“ (S. 131, 132). Beim Nachdenken über diese Einteilung erschien sie mir als nicht definitiv: in der Ausführung eines auch gegebenen Programms treten ins Spiel zwei grundverschiedene Anlagen, die getrennt werden wollen, das Wissen und das Können. So entstand meine dreiaktige Theorie des Schaffens (D. p. J. 1899 312 130, 145; 313 17, 65), die in der vollständigen Erfindung drei Faktoren hervorhebt: das Wollen, das Wissen und das Können, oder auch: die Intuition, die Reflexion und die Fertigkeit, oder auch: das schaffende Vermögen, die Kenntnis des von anderen Geschaffenen und die gewerbsmässige Routine in der Anwendung des letzteren an die Anforderungen des ersteren. Nach dem Dreiakt schafft der erste Erfinder, aber auch jede partielle Verbesserung einer bestehenden Erfindung muss denselben durchlaufen. In der allgemeinen Evolution der technischen Gebilde, insbesondere der Werkzeuge, will Hartig die Wirkung eines Gesetzes erkennen, den er „Gebrauchswechsel“ nennt, und nicht nur an Handwerkszeugen, sondern auch an Maschinen wahrzunehmen glaubt (vgl. S. 28 u. ff, sodann S. 79 und 214). Das Gesetz selber formuliert Hartig wie folgt: „Sobald erst der Mensch sich zu einem gewissen Zwecke, zu einer gewissen mechanischen Umgestaltung seiner körperlichen Umgebung eines gefundenen Werkzeuges (Urwerkzeuges) bemächtigt hatte, machte er sich nach und nach durch ein tastendes Versuchen andere Gebrauchsweisen, deren dieses Urwerkzeug fähig war, zu eigen und durch hierbei gewonnene Erkenntnis des Erfolges und schrittweise Anpassung des Werkzeuges an jede dieser Gebrauchsweisen setzte er sich mit der Zeit in den bleibenden Besitz einer grösseren Zahl selbst gefertigter Werkzeuge“ (S. 33). Dieses Prinzip könnte höchstens dazu dienen, das unabsehbare Gebiet der Arbeitsmittel in gewisse Familien einzuteilen. Eine solche Familie finden wir bei Hartig: „Die messer-, meissel- und axtförmigen Werkzeuge, die Scheren und Durchschnitte, die Sägen, die Schaber und Hobel, die Bohrer und Fräsen, die Drechslerwerkzeuge und Schraubenschneidezeuge“ (S. 34). Was aber den inneren Zusammenhang der Glieder solcher Familien und besonders die Entstehung derselben betrifft, so gibt hierüber das Prinzip des Gebrauchswechsels wenig Aufschluss, indem es etwa wie Kapp's Organprojektion höchstens in der Kindheit der Technik anwendbar erscheint. Hartig selbst scheint dies gefühlt zu haben, denn er sagt: „Am stärksten zeigt sich die natürliche menschliche Neigung zum Gebrauchswechsel wohl bei den Kindern; das Spielen derselben ist nichts als variierter Gebrauchswechsel . . . . und je lebhafter wir uns beim Lesen dieses Buches (Robinson Crusoe) in eine Art Urzustand des Menschen zurückgeträumt hatten, in welchem derselbe nach einem Ausdrucke Franklin's mit der Säge bohren und mit dem Bohrer sägen durfte, um so härter musste uns dann wohl unsere Lehrzeit mit dem Ueberfluss von Handwerkszeug und ihrer Strafwürdigkeit des Gebrauchswechsels ankommen!“ (S. 41). In der Kindheit der Technik und auch jedes ihrer Zweige (denken wir uns nur die Elektrotechnik der 70er und 80er Jahre) sehen wir in der That eine Fülle Arbeitsmittel entstehen, die unter anderem auch dem Gebrauchswechsel ihr Dasein verdanken. Bald aber führt der Gebrauch eine Auslese herein: eine Unmasse Gestalten verschwindet, nur wenige erweisen sich praktisch. Die Anwendbarkeit dieser erfährt eine immer engere und schärfere Umgrenzung, und der Gebrauchswechsel schwindet mehr und mehr mit dem Reifwerden der betreffenden Technik, bis es in den hoch entwickelten Zweigen gar zur „Strafwürdigkeit des Gebrauchswechsels“ kommt. Es ist dies nichts anderes, als das allgemeinste Gesetz, das H. Spencer in aller Evolution hervorgehoben. Nach Spencer besteht jede Evolution in dem Uebergangevon einer ununterschiedenen und labilen Gleichförmigkeit zu einer differenzierten und stabilen Mannigfaltigkeit. Ich hoffe einmal auf dieses Gesetz näher zurückzukommen und dessen Kundgebung in der Evolution der Technik klarzulegen. Wir kehren aber zu Hartig zurück, speziell zu seiner Technologik. Es ist zu bedauern, dass Hartig nirgends sagt, was er eigentlich unter Technologik versteht. Er gebraucht dies Wort einfach als etwas Bekanntes. Ich bin aber zu der Annahme berechtigt, dass seine „Studien“ insgesamt eine Vorarbeit zu jener Disziplin bilden. Obwohl nun das, was ich noch über die Technologik zu sagen gedenke, sich auf Hartig's Aeusserungen mehr oder minder stützt, so darf ich ihm doch die Verantwortlichkeit hierüber durchaus nicht aufbürden. Die Technik entspriesst der praktischen Empirie. Im Handwerk lässt sich alles gut mit Worten bezeichnen. Das technische Feld erweitert sich aber und die technischen Fäden verflechten sich mit den anderen im grossen Gewebe des gesellschaftlichen Lebens: mit der Wissenschaft, der Kunst, dem Recht u.s.w. Die Wechselwirkung zwischen Technik und Recht gestaltet sich zum Patentwesen. Ganz empirisch entstehen hier Fragen, die indes nur auf theoretischem Wege derart gelöst werden können, dass die Lösung in jedem Einzelfalle für alle Beteiligten eine logische Notwendigkeit besitzt. Diese Aufgabe kann nur gelöst werden, indem man das, was in der Technik empirisch aufgekommen und technologisch geordnet, logisch und diskursiv, d. i. in Gedanke und Wort einfasst, so dass Begriffe entstehen, die nach beiden Seiten hin, nach der technologischen und nach der logischen, sachgemäss, bestimmt und handlich erscheinen. In der Wirklichkeit soll diese Arbeit noch erst begonnen werden, und Hartig gebührt das Verdienst, darauf hingewiesen zu haben. Das ist aber keine leichte Arbeit, auch keine bald verrichtete, denn „die Technik schreitet der Sprachbildung voraus“ (S. 291). Folgen wir nun Hartig in der Aufzeichnung einiger Aufgaben, die sich der Technologik aufstellen. Der allgemeinste Fall einer technischen Arbeit umfasst fünf substantivische Begriffe: „Rohstoff, Erzeugnis, Arbeiter, Werkzeug, Werkstatt,“ welche „mit dem verbalen Begriff des Verfahrens eine Einheit, eine geschlossene Begriffsgruppe ausmachen. . . .“ „Es ist die Aufgabe der Technologik, die Beziehungen dieser fünf substantivischen Begriffe unter sich und zu dem verbalen Begriffe des Verfahrens in jedem einzelnen Falle näher zu erörtern“ (S. 46). „Für die technologischen Untersuchungen kommt am häufigsten das Verhältnis des verbalen Begriffs „Verfahren“ zu dem substantivischen Begriff „Werkzeug“ in Frage, daher es sich empfiehlt, für dasselbe eine besondere Bezeichnung einzuführen, weil dasselbe offenbar nicht mit dem Verhältnis der logischen Unterordnung (von Genus zu Spezies) verwechselt werden darf; es wird hierfür – entsprechend dem hier nicht zu verlassenden engeren Gebiet der Technik – die Ausdrucksweise technische Zugehörigkeit vorgeschlagen“ (S. 47). „Abänderungen des zur Ausübung eines gewissen Verfahrens dienenden Werkzeuges, welche nicht über den Begriff dieses Verfahrens hinausführen, nennen wir Konstruktionen, solche Abänderungen jedoch, welche ein begrifflich neues Verfahren begründen, erkennen wir als technische Erfindungen an“ (S. 47, 48). Die Technologik hat die Aufgabe, die technische Zugehörigkeit mit der logischen Unterordnung in Einklang zu bringen. Vor allem stösst man auf die Schwierigkeit eines doppelten Wesens der technischen Erfindung. Sie erscheint zuerst als ein Gegenstand, kann beschrieben und katalogisiert werden. Eine solche Beschreibung gibt indes nicht das einheitliche Objekt einer Erfindung, welches in der Lösung eines bestimmten Problems besteht. In dem müssen wir Hartig beistimmen, „dass eine dem Geiste entstammende, die Lösung eines bestimmten Problems bewirkende Schöpfung doch zunächst eine begrifflich einheitliche Auffassung vertragen muss, welcher auch eine eindeutige sprachliche Formulierung, eine technologische Definition entspricht“ (S. 146); dass ferner „der Gegenstand einer technischen Erfindung für die patentrechtliche Behandlung immer die begriffliche Auffassung fordert, durch die nur anschauliche Auffassung nicht erschöpft werden kann“ (S. 212). „Um den Gegenstand einer neuen Erfindung fehlerfrei definieren zu können, ist nicht mehr erforderlich, als dass der Erfinder sich darüber entscheide, welchem Gattungsbegriffe seine Schöpfung untergeordnet werden soll, und dass er sich darüber klar werde, welche bestimmenden Merkmale für dieselbe als neu und als notwendig zugleich zu erachten sind“ (S. 213). Der Begriff einer Erfindung liegt zwischen Prinzip und Ausführungsform. Das Prinzip allein ist zu allgemein, die einzelne Ausführungsform, nur anschaulich erfasst, ist zu konkret (vgl. S. 230). Hartig geht nicht weiter. Stützen wir uns aber auf die dreiaktige Theorie, so sind wir im stände, den richtigen Punkt anzugeben, wo eben der Begriff zwischen dem Prinzip und der Ausführungsform zu stehen kommt: Das Prinzip ist das Ergebnis des ersten Aktes, der Begriff des zweiten und die Ausführung des dritten. Soll die vorgeschlagene Disziplin, die Technologik, eine Ausbildung erfahren, so wird sie voraussichtlich die dreiaktige Theorie in sich aufnehmen. Hartig legt ein grosses Gewicht auf den Unterschied zwischen verbalen und substantivischen Begriffen und äussert unter anderem folgende Meinung: „Die formale Denklehre hat ihrerseits – soweit dem Verfasser bekannt geworden – diese Beziehungen, also die gegenseitige Abhängigkeit der substantivischen von den verbalen Begriffen zur Zeit noch nicht fertig ausgebildet, wie etwa die Abhängigkeit substantivischer Begriffe unter sich oder verbaler Begriffe unter sich; der Grund hierfür mag darin zu finden sein, dass diese Wissenschaft die Herbeiziehung von Beobachtungsmaterial aus der Technik, aus dem umfassenden Gebiet des menschlichen Thuns, in welchem menschliches Denken und menschliches Sprechen seine eigentliche Wurzel hat, bisher fast gänzlich versäumte“ (S. 234). Mit dieser bedeutungsschweren Mahnung an die formale Logik scheiden wir von Hartig. Jedoch unwillig! Seine „Studien“ enthalten eine ganze Menge Wegweiser für die zukünftige logische und juristische Behandlung der technischen Leistungen. Mag wohl die Technologik zunächst ihre Berechtigung in dem Nutzen finden, den aus derselben die rechtliche Verwaltung der Urheberrechte ziehen, so wird sie auch für die theoretische Weiterbildung der Technologie selber mit der Zeit gar unentbehrlich werden. Dass dabei auch die formale Logik in sich selber neue Bahnen erschliessen wird, glaube ich mit Hartig um so leichter, als ich der Ueberzeugung bin, dass auch die Psychologie für sich einen grossen Nutzen ziehen wird, wenn sie sich dereinst der Untersuchung des technischen Schaffens zuwenden wird. Für jede denkende Analyse bietet die Technik den grossen Vorteil, dass in ihr Prinzipien, Ideen und Begriffe durchweg ihre sachliche Korrelate haben, und dass die Uebereinstimmung, die jedesmal zwischen Idee und deren Ausführung herrscht, in Mass und Zahl ausgedrückt werden kann. Die unmittelbare Durchführung der meisten von Hartig entwickelten Prinzipien und deren Anwendung an die Patentpraxis finden wir in dem Werke von W. Stercken: „Erlangung und Sicherung eines deutschen Patentes“ (1892), in spezieller Anpassung an das neue deutsche Patentgesetz. Das Buch soll nur eine Handführung für die Praxis sein. Darum sind prinzipielle Fragen nur im minimalen Umfange berührt. So bleibt z.B., im Einklänge mit dem Patentgesetz, die Frage „was ist eine Erfindung?“ unerörtert. Die Frage scheint in der That der Praxis fern zu stehen. Das ist aber nicht der Fall, und an Stercken sehen wir dies: indem er gleich zu den gesetzlichen Anforderungen auf Verwertbarkeit und Neuheit übergeht, sagt er: „Liegt ein Verstoss gegen die Naturgesetze nicht vor, so ist die Erfindung als gewerblich verwertbar anzusehen“ (S. 5). Wäre die Erfindung definiert, wäre auch dieser Satz präzis. Das ist er aber nicht und umfasst bedeutend mehr, als die Erfindungen: alle naturwissenschaftlichen Entdeckungen, alle Methoden, z.B. dieDifferentialrechnung, ferner architektonische Bauten, Kunstwerke, wenn sie nur kein Absurdum bergen. Das sagen wir allerdings nur beiläufig, um zu zeigen, dass auch in einer rein praktischen Zwecken gewidmeten Schrift der Mangel an theoretischer Formulierung sich rächen kann. Der hervorgehobene Mangel liegt aber dem Gesetze inne, und Stercken ist bloss dessen Kommentator. Was nun folgt, erkennen wir als eine Abkürzung und Durchführung der Hartig'schen Ansicht. „Eine einfache Ueberlegung ergibt nun, dass ein Patent bezw. dessen Anspruch einen um so grösseren Umfang, als auch einen um so höheren rechtlichen Wert hat, je weniger Merkmale der Anspruch für die Erfindung, welche Gegenstand des Patentes werden soll, feststellt; denn um so grösser wird die Wahrscheinlichkeit, dass spätere Erfindungen diese Merkmale besitzen, also in den Bereich des Patentes treten. Hieraus ergibt sich, dass der Patentanspruch die Neuheit der Erfindung auf möglichst wenig Merkmale gründen soll“ (S. 18). Hierauf wird erläutert, dass in einer gegebenen Erfindung nicht alle Teile derselben (körperliche Teile bei greifbaren Gegenständen und zeitliche Vorgänge bei Verfahren) für die Bestimmung der Erfindung wesentlich sind: „Für die Definition der Erfindung kommen also nur diejenigen Bestandteile in Betracht, welche unentbehrlich sind, und die durch keine anderen Bestandteile ersetzt werden können. Diese Bestandteile sind die bestimmenden Merkmale der Erfindung“ (S. 19). „Die aus dem Gattungsbegriff und den bestimmenden Merkmalen bestehende Definition der Erfindung muss . . . . unter allen Umständen erkennen lassen, wodurch sie sich von bereits Bestehendem unterscheidet, und ob später Erfundenes in ihren Bereich tritt“ (S. 20). Stercken unterscheidet nur zwei Gruppen von Erfindungen: die Verfahren und die körperlichen Gegenstände. „Ein auf ein Verfahren bezüglicher Anspruch braucht unter Umständen gar keinen Bezug auf maschinelle Einrichtungen zu nehmen. . . . Es ist deshalb die Erfindung stets darauf zu prüfen, ob sie ein neues Verfahren umschliesst, in welchem Falle der Patentanspruch unbedingt auf dieses gerichtet werden muss, damit die Erfindung thatsächlichen Schutz geniesst“ (S. 21, 22). Hernach berichtet Stercken über die wichtige Frage von der Einheitlichkeit einer Erfindung, die viele Teile enthält. „Es ist richtig, dass, wenn jemand ein Verfahren zur Herstellung eines bestimmten Erzeugnisses und ein Arbeitsmittel zur Ausführung dieses Verfahrens erfunden hat, sowohl das Verfahren als auch das Arbeitsmittel als in den Rahmen der einen Erfindung fallend erachtet werden, so müssen auch beide durch ein einziges Patent geschützt werden können. . . . Der auf das Arbeitsmittel bezügliche Patentanspruch muss deshalb zu dem ersten, dem Hauptpatentanspruch, welches das Verfahren feststellt, im Verhältnis der technischen Zugehörigkeit stehen“ (S. 23). Im weiteren enthält die Schrift eine lange Reihe Beschreibungen von Erfindungen, die teils richtig, teils mit Absicht falsch verfasst worden sind. Für den Praktiker bietet dieser Teil ein besonderes Interesse. In unserer theoretischen Umschau gehen wir aber an demselben vorüber. Was für die Philosophie der Technik das Unterrichtswesen, ist für die Theorie der Erfindung das Patentwesen: beide schlagen heutigen Tages die Brücke von der unmittelbaren Praxis zu der noch vor kurzem einsam gestandenen Höhe der Theorie, des abstrakten, philosophischen Denkens. Und darin erkennen wir noch eine Einwirkung der so rasch emporgeschwungenen technischen Hochschule, welche zugleich, und wahrscheinlich schon in der nächsten Zukunft, ein versöhnendes gemeinschaftliches Arbeitsfeld für die technische und die allgemeine Hochschule erschliessen wird. Welche wissenschaftliche Horizonte, welche Einwirkungen auf das praktische Leben sich dabei eröffnen werden, davon können wir uns vorerst kein bestimmtes Bild machen. (Fortsetzung folgt.)