Titel: Die elektrische Beleuchtung auf der Pariser Weltausstellung.
Fundstelle: Band 315, Jahrgang 1900, S. 248
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Die elektrische Beleuchtung auf der Pariser Weltausstellung. Die elektrische Beleuchtung auf der Pariser Weltausstellung. Wie es sich von selbst versteht, wird auf der diesjährigen Weltausstellung die elektrische Beleuchtung nicht bloss zur Befriedigung des Bedürfnisses nach Licht ausgenutzt sein, sondern an sich in den verschiedensten Formen und Anwendungen ein hervorragendes Schaustellungsobjekt bilden. Sowohl auf dem ersteren als auf dem letzteren Gebiete ist aber der elektrischen Beleuchtung bei dieser jüngsten Weltausstellung eine so ausgedehnte, grossartige und imposante Rolle als Reklame- und Ausschmückungsmittel zugewiesen, wie dies bisher noch bei keiner ähnlichen Veranstaltung, d.h. überhaupt noch niemals der Fall war. Namentlich wird die Anschmiegung zwischen Beleuchtung und Architektur, wie sie bei mehreren Ausstellungsbauwerkendurchgeführt erscheint, eine besondere Eigentümlichkeit darbieten und möglicherweise für eine künftige Geschmacksrichtung nicht ohne Einfluss sein. Für die Erzeugung der elektrischen Beleuchtung, welch letztere unter der Oberleitung des Generalbetriebsdirektors der Ausstellung, Delaunay-Belleville, der Verwaltung und technischen Aufsicht des Chefingenieurs R. V. Picou überwiesen ist, hat man diesmal, wie bereits an einer anderen Stelle erwähnt wurde (vgl. S. 187 d. Bd.), die enorme Kraftmenge von 15000 PS vorgesehen, während für denselben Zweck bei der nächst früheren Pariser Weltausstellung im Jahre 1889 nur 4000 PS zur Verfügung standen. Wird hierzu der Umstand in Berücksichtigung gezogen, dass natürlich auch alle übrigen Beleuchtungsgattungen, die ja bekanntlich seit den letzteren Jahren ebenfalls vielfache Neuerungen und bedeutende Fortschritte aufzuweisen haben, sich schon des Wettkampfes mit der Elektrizität halber in ihren besten Formen und in zahlreicher, ja massenhafter Vertretung vorhanden sein werden, dann lässt sich in der That gegen die seitens der französischen Ausstellungspublizistik mit Vorliebe gebrauchte Phrase „von einem Meer von Licht“ kaum ein berechtigter Einwurf erheben. Textabbildung Bd. 315, S. 249 Fig. 1.Beleuchtungsanordnung an der Front des Zentralpalais für Elektrizität. Unter diejenigen Baulichkeiten, welche mit besonderer Freigebigkeit elektrisches Licht erhalten haben, gehört naturgemäss in vorderster Reihe das auf dem grossen Ausstellungsplatze am Marsfelde zwischen den Hallen für Ackerbau und Lebensmittel (Fig. 2) befindliche und hinter dem Wasserschloss das der Seine zugekehrte Mittelfeld abschliessende Palais für Elektrotechnik. An der Vorderfront dieses Gebäudes (Fig. 1) werden allein nicht weniger als 5000 Glühlampen, 8 Scheinwerfer und 4 aussergewöhnlich grosse Bogenlampen von 15 Ampère in Verwendung stehen. Davon bilden die zumeist farbigen Glühlampen eigene ornamentale Gruppen, die der Fassadenarchitektur angepasst sind, während die 8 Scheinwerfer sich hinter Durchbrechungen ebenso vieler höher oder niedriger liegender Pylonen befinden, in der Art, wie es die kleine Nebenzeichnung der Fig. 1 erkennen lässt, und ihre Lichtkegel auf die Kaskaden und das Becken des Wasserschlosses, sowie in die Gartenanlagen werfen, welche sich zwischen den beiden Reihen der Ausstellungspaläste des Marsfeldes erstrecken. Die vier grossen Bogenlampen endlich haben ihren Platz ganz zu oberst am Architrav der Mittelpforte und dienen hier im besonderen zur Geltendmachung der die Giebelspitze abkrönenden Figurengruppe. Unmittelbar vor dieser Front befindet sich das Wasserschloss (Fig. 2), von dem in das zu seinen Füssen angebrachte grosse Becken Kaskaden abstürzen, deren Gesamtgefällegrösser ist, als das der berühmten Kaskaden im Parke von Saint Cloud. Textabbildung Bd. 315, S. 249 Fig. 2.Lampenverteilung im Zentralpalais für Elektrizität und Umgebung. Diese ebengenannten WasserfälleSeinerzeit hatte man geplant, das Wasser mittels Anilin dunkelgrün zu färben und demselben ausserdem fluoreszierende Lösungen beizugeben, um eine noch nie dagewesene magische Wirkung zu erzielen; in Anbetracht der riesigen Wassermengen jedoch, die zu färben und schimmernd zu machen gewesen wären, sowie namentlich deshalb, weil man es für zweckdienlich erkannte, das Abfallwasser der Kaskaden als Kühlwasser für die Kondensatoren auszunutzen, wurde der Plan nicht weiter verfolgt.Anm. d. Red. am Marsfelde werden nach Art der bekannten Fontaines lumineuses mit Hilfe von reflektiertem Lichte, das durch farbige Gläser geworfen wird, beleuchtet, überdem sind aber auch die Umfassungsbalustraden und die Gesimse des sämtlichen Mauerwerks der Wasserkunst durch einen reichlichen Aufwand von ständigen elektrischen Lampen geschmückt. Für diesen Zweck hat man zuförderst in den grottenartig überbauten Mittelteil 290 zehnkerzige Glühlichter verteilt, nämlich 68 auf den Balustraden, 120 auf dem horizontalen Hauptgesimse und 102 im Kranze des Hauptbogens. Von den zuletzt angeführten Lampen sind 42 hinter farbigen Glaslinsen angebracht, wodurch sie den Eindruck von in das Bauwerk eingesetzten Edelsteinen hervorbringen. In den an den beiden Längsseiten der Wasserkunst verlaufenden, rechts zu dem Palais der chemischen Industrie, links zum Maschinenpalais gehörigen Galerien, die Loggien bilden (vgl. S. 102 d. Bd.), versehen den Beleuchtungsdienst 568 an den Gesimskonturen verteilte Glühlampen, wovon 150 zu 30 farbigen Bouquets verwendet sind, die die Bogenläufe zieren; 240 weitere zehnkerzige Glühlampen schmücken und beleuchten die beiden Eckpavillons, welche die beiden Seitengalerien abschliessen. Im ganzen stehen also für das Wasserwerk und seine nächste Umgebung 1098 Glühlampen in Verwendung, eine Anzahl, die hinreichen würde, die ganze Strassenbeleuchtung einer ansehnlichen Stadt zu decken. Sehr reichlich sind ferner die beiden Aasstellungsräume für Ackerbau und LebensmittelDiese beiden Ausstellungsräume und der dazwischen errichtete Festsaal sind aus der grossen, von der Weltausstellung 1889 stehen gebliebenen, 150 m Spannweite besitzenden, ehemaligen Maschinenballe durch Adaption gewonnen worden.Anm. d. Red. (Fig. 1) bedacht, wo 36 grosse Bogenlampen zu 20 Ampère und 245 weniger grosse zu 10 Ampère ihr Licht ausströmen. Der grossartigste Aufwand findet sich aber in dem zwischen den beiden vorgenannten Riesenräumen eingebauten, kreisrunden prächtigen Festsaal, der namentlich für die Abhaltung der grossen Musikaufführungen u. dgl. benutzt werden soll, und 12000 Besucher fassen kann; hier erfolgt die Beleuchtung durch nicht weniger als 4500 zehnkerzige Glühlampen; eine Lampenmenge, die innerhalb eines geschlossenen Raumes bisher noch niemals in Verwendung gekommen ist. Textabbildung Bd. 315, S. 250 Fig. 3.Lampenverteilung in den Elyseischen Feldern und an der Alexander-Brücke. Zur Aussen- und Innenbeleuchtung des auf S. 117 und folgende ausführlich beschriebenen, vom Architekten Binet erbauten monumentalen Eingangsthors (Fig. 3) sind 36 teils mit einfachen Reflektoren, teils mit grossen Scheinwerfern verbundene, mächtige Bogenlampen und 3116 Glühlampen verwendet. Erstere, die mit dreiphasigem Wechselstrom von 13 bis 14 Ampère gespeist werden, haben zumeist auf eigenen Kandelabern, dann auf den beiden das Thor flankierenden, hohen Pyramiden und auf der Kuppel, sowie innerhalb derselben ihren Platz, während die Glühlichter im wesentlichen den Konturen des Bauwerkes folgen, oder Rosetten bilden, oder endlich auch hinter farbigen Glaslinsen geborgen, eingesetzte Edelsteine darstellen. Die dem letzterwähnten Zweck dienenden Lampen besitzen 16, alle übrigen Glühlampen 5 NormalkerzenLichtstärke. Auf den in den Ausstellungsraum einbezogenen Gartenanlagen und Avenuen, die zwischen dem ebengenannten Eingangsthore und der Avenue d'Antin liegen, und einerseits von der Avenue des Champs Elysées, andererseits von der Seine (Fig. 3) abgegrenzt werden, sind 174 Bogenlampen verteilt, die mittels Gleichstrom von 10 Ampère gespeist werden, den das Pariser zentrale Elektrizitätswerk als Wechselstrom von 500 bis 550 Volt Spannung liefert, und der in einer Anzahl von Konverters, die im Kellergeschosse des Grossen Palais (vgl. auch S. 213 und folgende) aufgestellt sind, entsprechend umgewandelt wird. Die Lampen sind in eine grosse Zahl von Teilkreisen geschaltet, welche sich derart übergreifen, dass das allfällige Verlöschen einer Lampe oder selbst eine totale Störung in einem der einzelnen Stromkreise in keinem Teile des Ausstellungsraumes eine allgemeine Verfinsterung herbeiführen kann. Als reich und zugleich als ganz besonders schön darf die elektrische Beleuchtung der neuen Brücke Alexander III. bezeichnet werden, welch letztere die aus den Champs Elysées kommende Avenue Nicolas II. (Fig. 3) mit der Esplanade des Invalides verbindet und an sich ein hervorragendes Ausstellungsobjekt monumentalen Charakters von bleibendem Nutzen bildet. Im ganzen sind daselbst 508 Glühlampen zu je 16 Kerzen aufgewendet und zwar zuförderst je 20 solche Lampen an den vier prachtvollen künstlerisch ausgeführten Eckkandelabern, von denen je zwei auf jedem Ufer die Brückeneingänge flankieren. An den beiden Seiten der Brücke werden an den Bögen die Scheitel durch je zehn rosettenartig gruppierte Lampen gekennzeichnet, während die übrigen Glühlichter an den Gesimsen der vier turmartigen Brückenköpfe, dann an den Hauptkonturen der Bogenträger, sowie längs des Brückengeländers ausgeteilt sind. Mit einem Teile der an der Balustrade und an den Seitenbogen angebrachten Lampen sollen zur Regelung des Verkehrs auf der Seine farbige Signale gegeben werden, nämlich weisses, rotes oder grünes Licht oder gewisse Kombinationen, welche den Bootslenkern das Erkennen ermöglichen, ob die Fahrt, das Landen oder Kreuzen unter bezw. nächst der Brücke oder andere Schiffsbewegungen statthaft sind oder nicht. Diese farbigen Lichter sind nach einer, der Brückenarchitektur angepassten Anordnung unter den anderen gewöhnlichen Glühlampen eingeteilt, so dass sie mit den ersteren zu verschiedenen anmutigen Beleuchtungsbildern zusammenwirken, die stromauf wie stromab weithin gesehen werden können. An jedem der vier Brückenköpfe befindet sich ein Transformator, der den für ein Viertel der Brückenbeleuchtung erforderlichen Strom, der an Ort und Stelle hochgespannt eintrifft, für die Lampenspeisung entsprechend umwandelt. Eine sehr beachtenswerte Ausdehnung und reiche Anordnung besitzt endlich auch noch die in das Ausstellungsgebiet einbezogene Esplanade des Invalides, für welche Fig. 4 den Lampenverteilungsplan der an die Rue de Constantine grenzenden Längshälfte des Ausstellungsplatzes ersichtlich macht. Diese Einzeichnung konnte für die zweite an der Rue Fabert liegenden Längshälfte entfallen, weil hier die Lampen nach Zahl und Gattung mit jenen der linken Seite so ziemlich übereinstimmen. An der in der Mittelachse der Esplanade geführten, breiten Strasse und auf den beiden damit zusammenhängenden, an den Quai d'Orsay stossenden Fortsetzungen befinden sich rechts wie links je 25, auf hohen, von verschiedenen Künstlern entworfenen Eisenmasten angebrachte Wechselstrombogenlampen von 20 Ampère und 86 ähnliche grosse Bogenlampen sind in den verschiedenen Ausstellungshallen für die Innenbeleuchtung in Benutzung, während für die Vorhallen, Gartenanlagen und Verbindungswege zusammen 332 Wechselstrombogenlampen zu 14 Ampère in Verwendung kommen. Ausserdem stehen zur Korridor- und Innenbeleuchtung der auf der Esplanade untergebrachten verschiedenen Baulichkeiten, welche die 12. und 15. Ausstellungsgruppe (Möbel nebst Innendekoration der Wohnungen und „verschiedene“ Industrien) beherbergen, noch 600 Glühlampen zur Verfügung. Unter den früher erwähnten Bogenlampen von 14 Ampère befinden sich an der in die Hauptstrasse eingelegten Kolonnade 34 Stück, die insofern von den übrigen besonders abweichen, als sie sogen. langbrennende Bogenlampen sind, deren Kohlen innerhalb einer luftleeren Glaskugel verbrennen und deren Lichtbogen vorliegendenfalls 500 Watt aufbraucht. Textabbildung Bd. 315, S. 251 Fig. 4.Lampenverteilung auf der Invaliden-Esplanade. Für die sämtlichen geschilderten Beleuchtungsanlagen sind die erforderlichen Stromführungen aus Reinkupferleitungen hergestellt, für die als äusserster statthafter Widerstand 18 Ohm pro Kilometer Länge und 1 qmm Querschnitt bei 15° C. vorgeschrieben war. Gemäss den weiter nochfestgestellten Bedingungen muss jede Leitung, mag sie unterirdisch oder oberirdisch verlegt sein, sowohl durch eine Isolierschicht als darüber durch eine mechanische Schutzhülle gesichert, und eine dieser beiden Hüllen wasserdicht sein. Jede Abzweigung muss durch Schmelzsicherungen geschützt werden, sobald der Strom darin bei 5 oder mehr Ampère eine Spannung bis höchstens 125 Volt besitzt, oder bei maximal 3 Ampère, wenn die Spannung über 125 Volt hinausgeht. Die Kalibrierung der Schmelzsicherungen ist so bemessen, dass sie bei einer Stromstärke, die das Dreifache des Normalstromes erreicht, in Wirksamkeit treten, und damit hierbei die Möglichkeit einer Bogenbildung hintangehalten werde, sind ihre Längen dem örtlichen Potential angepasst, und zwar belaufen sich dieselben bis zu 125 Volt auf 20, bis zu 250 Volt auf 30 und bis zu 500 Volt auf 40 mm. Innerhalb des Beleuchtungsnetzes dürfen grundsätzlich nur solche Umschalter Verwendung finden, die vollständig funkenlos arbeiten. Im allgemeinen werden die Bogenlampen, ohne ihrer sonstigen Eigenart Zwang anzuthun, mit weiten Glaskugeln und Funkentassen ausgestattet sein. An die Glaskugeln ist ferner die Bedingung geknüpft, dass sie mindestens zwei Drittel des vom Voltabogen erzeugten Lichtes durchlassen und durch ziemlich engmaschige Drahtgeflechte geschützt seien, damit in keinem Falle Glassplitter oder innere Lampenteile abfallen können. Was die Glühlampen anbelangt, so werden die einzelnen Gruppen stets ihre besonderen Zuleitungen haben und niemals direkt in die Speiseleitungen geschaltet sein; die für den Schutz der Gruppen angewendeten Schmelzsicherungen sind daher überall von gleicher Art und von den kleinsten der obenerwähnten Abmessungen. Alle auf die elektrischen Beleuchtungsanlagen bezughabenden Sicherungsbestimmungen sind gleich von vorhinein in das allgemeine Bedingungsheft für die Bauausführungen und für den Betrieb der Ausstellung mit aufgenommen gewesen. Wie schliesslich Max de Nansouty, dessen einschlägigen BerichtenVgl. La vie scientifique, 1899 S. 509 und 1900 S. 29. die obigen Daten entnommen sind, ganz besonders hervorhebt, werden in die allgemeine Beleuchtungsanlage sämtlich zur Ausstellung angemeldete Lampen- und Leitungssysteme einbezogen sein, um ihren Wert durch die mehrmonatliche Dienstleistung sozusagen ziffermässig nachweisen zu können. Nur die Hauptwege, sowie jene Räume, die in den Abendstunden stetig von grossen Mengen der Aussteller betreten, und noch einige andere wichtige Beleuchtungsobjekte sind ausschliesslich solchen Lampengattungen vorbehalten geblieben, welche zu bereits durchaus bewährten Anordnungen zählen, und aus vorzüglich leistungsfähigen, verlässlichen Erzeugungsstellen stammen.