Titel: Benutzung der Hochofengase zur Krafterzeugung durch Gasmotoren.
Autor: F. Mb.
Fundstelle: Band 315, Jahrgang 1900, S. 281
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Benutzung der Hochofengase zur Krafterzeugung durch Gasmotoren. Benutzung der Hochofengase zur Krafterzeugung durch Gasmotoren. „Wir stehen im Beginn einer der grössten Umwälzungen des Maschinenbetriebes, die sich im Hüttenwesen vollziehen wird und vollziehen muss, weil der treibende Wunsch nicht Neuerungsucht, sondern das notwendige Bestreben ist, wirtschaftlich vorteilhafter zu arbeiten, ein Bestreben, dem gerade das deutsche Hüttenwesen in allen seinen Zweigen seinen grossartigen Aufschwung verdankt. Diese Umwälzung muss dann auch mächtig auf alle anderen Betriebe zurückwirken, bei denen der Dampfbetrieb durch einen wirtschaftlich besseren ersetzt werden kann.“ Mit diesen Worten begrüsst Riedler in seinem Buche „Schnellbetrieb“ die Entwickelung des Grossgasmotorenbaues in den letzten Jahren und prophezeit ihm eine grossartige Entwickelung in der nächsten Zukunft. Wir wollen im folgenden berichten, inwieweit der Anfang dazu schon gemacht ist, und schliessen uns dabei im allgemeinen den Ausführungen an, welche Bryan Donkin kürzlich im Engineerveröffentlicht hatVgl. Engineer, Bd. LXXXVIII Nr. 2291, 2293, 2294 vom 24. November, 8. und 15. Dezember 1899., nicht ohne jedoch auch die eine oder andere der weiter unten genannten Schriften bei unseren Mitteilungen zu benutzen. Der eigentliche Gasmotorenbau ist überhaupt erst ein Vierteljahrhundert alt; konnte man doch von einer wirklich lebensfähigen Maschine erst sprechen, als Otto 1876 mit seiner grossen Erfindung hervortrat. Aber schon jetzt können wir drei Phasen in der Entwickelung des Gasmotors unterscheiden. In der ersten benutzte man nur das Leuchtgas und baute nur ganz kleine Maschinen von wenig Pferdestärken, da nur dann bei dem hohen Preise des Leuchtgases die neue Betriebskraft der Dampf kraft gegenüber konkurrenzfähig war. In der zweiten Phase stellte man besondere Apparate, Generatoren, auf, in denen man ein Gas von viel geringerem Heizwert, etwa ⅕ von dem des Leuchtgases erzeugte, dessen Herstellung aber so ungemein billig ist, dass eine Konkurrenz mit den besten Dampfmaschinen ermöglicht wird. Die Grösse der Gasmotoren wuchs in dieser Periode langsam an bis zu etwa 200 PS im Maximum. Da nahm, seit dem Jahre 1897 etwa, die Entwickelung einen ungeahnten Aufschwung infolge der Benutzung der Hochofengase als Krafterzeuger in Gasmotoren, und heute, nach so wenigen Jahren, ist man schon zum Bau von 1200 bis 1500pferdigen Maschinen gelangt. Früher, noch vor 25 Jahren, boten die Hochöfen dem Beschauer ein grossartiges Schauspiel dar, da man die gesamten bei dem Verhüttungsprozess entstandenen Gase beim Austritt aus den Oefen anzündete, wo sie dann mit mächtiger Flamme verbrannten. Man sah aber ein, welch eine enorme Energieverschwendung damit verbunden war, welch eine ungeheure Menge Wärme unausgenutzt verloren ging, und so führte man die Gase zum Teil unter Dampfkessel, um auf diese Weise die für den Hochofen notwendige Kraft zu erzeugen, zum Teil verbrannte man sie in den Winderhitzern, in denen die Gebläseluft für die Hochöfen bis zu hohen Temperaturen, gegenwärtig bis zu 850° C., vorgewärmt wird. Aber die Ausnutzung der Wärme ist bei diesem Verfahren schlecht, und es lassen sich, wenn man statt dessen die Hochofengase direkt im Gasmotor arbeiten lässt, ganz bedeutende Ersparnisse herbeiführen. Man ist bis jetzt, da der Brennstoff ja nichts kostete und nur als Nebenprodukt bei der Eisendarstellung gewonnen wurde, mit diesen Gasen recht verschwenderisch umgegangen; daher verbrauchen namentlich die Winderhitzer unverhältnismässig viel mehr Gas, als die Theorie fordert. Es ist aber kein Zweifel, dass hierin eine Aenderung sofort eintreten wird, sobald man eingesehen hat, ein wie wertvoller Krafterzeuger das Hochofengas für uns ist. Unter der Annahme, dass man die Konstruktion der Winderhitzer nun so verbessert habe, dass es möglich ist, 85 % der durch die verbrannten Gase in ihnen freigewordenen Wärme in die Gebläseluft überzuführen, stellt Lürmann in einem Vortrage, den er in Düsseldorf auf der Hauptversammlung des Vereins deutscher Eisenhüttenleute 1898 gehalten hatVgl. Stenographisches Protokoll der Hauptversammlung des Vereines deutscher Eisenhüttenleute am 23. April 1899. Stahl und Eisen, Nr. 9, 10 und 11., folgende Rechnung auf: Unter bestimmten Annahmen werden für 11 Roheisen 4633 cbm Hochofengase vom Heizwerte 906,5 Wärmeeinheiten erzeugt. Von diesen gehen etwa 10 % durch das Gichten und Undichtigkeiten in den Leitungen verloren, etwa 28 % werden zur Winderhitzung gebraucht, so dass noch 62 % oder 2870 cbm zur Krafterzeugung übrig bleiben. Es sind nun von Lürmann drei Fälle angenommen: 1. kann man, wie das jetzt geschieht, diese 2870 cbm Gase unter Dampfkesseln verbrennen; 2. kann man den einen Teil derselben, der die zum Betriebe des Hochofens nötige Kraft liefert, unter Dampfkesseln verbrennen, den anderen dagegen in Gasmotoren arbeiten lassen; 3. kann man die gesamten 2870 cbm Gase in Gasmaschinen nutzbar machen. Es ergibt sich, dass dann, wenn man den Kraftbedarf des Hochofens selbst abzieht, für andere Zwecke noch übrig bleiben: im Falle 1 3,46 PS/Std. 2 12,50 3 28,16 für 1 t erzeugtes Roheisen. Da in Deutschland im Jahre 1898 20280 t Roheisen im Tage erzeugt sind, so würden für andere Zwecke noch nutzbar zu machen sein: im Falle 1 70000 PS/Std. 2 253500 3 570000 oder im Falle 3 500000 PS/Std. mehr als im Falle 1. Nehmen wir an, wir sollten diese Anzahl von Pferdestärken mit Dampfmaschinen erzeugen, die 1 kg Kohle für 1 PSe/Std. gebrauchen, und der Preis der Kohle betrage für 1 t 10 M., so würde sich für den Fall 3 gegenüber dem Falle 1 eine Ersparnis von 500 . 10 . 365 . 24 = 43,8 Mill. M. im Jahr für die deutsche Eisenindustrie ergeben. Wenn nun auch diese zum Teil auf rein theoretischen Erwägungen beruhende Zahl wohl viel zu hoch gegenüber der wirklichen Ersparnis ist, so gibt sie doch eine Vorstellung davon, welcher grosse Nutzen sich durch eine allgemeine Einführung des Gasmotorenbetriebes auf Hochofenwerken erreichen lässt. Dabei ist noch ganz ausser acht gelassen, dass die sonstigen Betriebskosten, für Abschreibung, Verzinsung, Bedienung, Schmierung und Reparaturen, zusammengenommen nach Angaben von Joh. KörtingZeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, 1899 S. 197. für eine Gasmaschinenanlage von 400 PS um etwa 23 % geringer sind, wie für eine gleich grosse Dampfmaschinenanlage. Aber den grossen Vorteilen, die sich aus den angeführten Zahlen ersehen lassen – und diese werden auch von anderen in ziemlich derselben Grösse angegebenVgl. z.B. Jacoupy, Bulletin de la Société d'encouragement de l'industrie nationale, 1899 S. 797 ff. – standen zu Anfang die schwersten Bedenken gegenüber, die jedoch heute wohl als gehoben bezeichnet werden können. Wir führen davon folgende an: Zunächst glaubte man, dass infolge des geringen Heizwertes des Hochofengases, etwa 1000 W.-E. für 1 cbm Gas, die Abmessungen der Maschinen im Verhältnis zu Leuchtgasmotoren überaus gross werden müssten. Man hat aber zu bedenken, dass für Leuchtgasmotoren das Mischungsverhältnis von Luft zu Gas bedeutend grösser sein muss, als bei diesen Gasen, die einen beträchtlichen Prozentsatz indifferenter Gase, wie Stickstoff und Kohlensäure, enthaltenJacoupy a. a. O. führt z.B. folgende Analyse an:CO216%CO28%H1%N50%Verschiedenes5%––––––––100%. So kommt es, dass das Volumen der angesogenen Ladung nur wenig, etwa 20 %, grösser ist, als es bei einem Leuchtgasmotor von derselben Grösse sein müsste. Die grössere Kompression, die man solchen heizwertarmen Gasen geben kann, ohne Vorzündungen befürchten zu müssen, sorgt dafür, dass die Zündung ebenso leicht und gleichmässig stattfindet wie bei Leuchtgas und macht damit einen zweiten Einwand zu nichte, den man gegen die Benutzung der Hochofengase im Gasmotor erhoben hatte. Ein drittes Bedenken, dass die Zusammensetzung und der Druck des Gases so schwankend sein würden, dass an einen regelmässigen Betrieb nicht zu denken sei, ist durch die Praxis vollkommen widerlegt worden; die Gasglocken, die man der Vorsicht halber in die Leitungen einschaltete, haben sich meist als unnötig oder doch als viel zu gross erwiesen. Eine Hauptschwierigkeit aber schien durch den Staub hervorgerufen zu werden, der sich stets in den Gichtgasen findet. Zwar fällt ein grösser Teil davon in den Leitungen nieder, ein anderer Teil, der mit in den Cylinder gelangt, wird beim Auspuff mit den Abgasen fortgeführt, aber doch ist fast stets eine Reinigung nötig. Dieselbe wird je nach den verschiedenen Verhältnissen verschieden ausgeführt, teils ganz auf trockenem Wege, teils unter gleichzeitiger Benutzung von Wäschern. Die Reinigungsapparate gleichen denen in Kraftgasanlagen. Es sind Koksskrubber und Sägemehlreiniger. Thwaite wendet bei seiner Anlage in den Glasgow-Eisenwerken zu Wishaw noch ausserdem eine elektrische Reinigung an, indem er elektrische Funken durch das Gas schlagen lässt, um dadurch den Metallstaub auszuscheiden. Ueber die Brauchbarkeit dieses Apparates ist nichts bekannt geworden; jedenfalls gelingt aber die Reinigung auch bei stark metallhaltigem Staube auf dem gewöhnlichen Wege. Läuft doch in Friedenshütte ein Motor der Gasmotorenfabrik Deutz, ohne irgend welche Schwierigkeiten zu bereiten, obgleich dort 30 % Zinkstaub in dem Gase enthalten sind. Allerdings gelang dies erst nach langwierigem Ausprobieren der Reinigungsapparate. Ueberhaupt scheint es, dass die Schwierigkeiten, welche durch den Staub hervorgerufen werden, stets zu überwinden sind, wobei allerdings in jedem Falle die betreffenden örtlichen Verhältnisse besonders zu berücksichtigen sind. Ausserdem sollte auch der Motor von vornherein so konstruiert werden, dass ein Ablagern von Staub in Vertiefungen und Ecken möglichst vereitelt wird. Man hatte schliesslich befürchtet, dass Staubteile, welche Alkalien, Erden oder Metalloxyde enthalten, sich mit dem Schmieröl chemisch verbinden, dann bei den hohen Temperaturen verkoken, also in feste Verbindungen übergehen und Verstopfungen in den Kanälen herbeiführen würden. Jedoch hat die Praxis gelehrt, auch die hierdurch entstehenden Schwierigkeiten zu überwinden. So war denn für den Gasmotorenbau nur noch eine Schwierigkeit zu besiegen, die allerdings anfangs unüberwindlich erschien: die Hüttenindustrie brauchte Motoren von 1000 bis 1500 PS, also einer Grösse, wie sie bis dahin von Gasmotoren nicht annähernd erreicht war. Der eincylindrige Viertaktmotor nimmt leicht Abmessungen an, die die Herstellung sehr schwierig und teuer machen, die Dichtung erschweren und die Wirksamkeit des Kühlmantels bis unter ein zulässiges Mass verringern; der Raum, dessen Temperatur eine gewisse Grenze nicht überschreiten darf, weil dann ein Verbrennen des Schmiermaterials und ein Fressen des Kolbens stattfindet und Vorzündungen zu befürchten sind, nimmt nämlich mit dem Kubus des Durchmessers zu, während die Kühlfläche nur dem Quadrate des Cylinderdurchmessers proportional wächst. Um nun allzu grosse Abmessungen zu vermeiden, sind bisher zwei Wege eingeschlagen worden: einmal hat man den bekannten und bewährten Otto'schen Viertakt beibehalten, die Cylinder nur bis zu einem gewissen Durchmesser gebaut und die grössern Maschinen aus mehreren Eincylindermaschinen zusammengesetzt, indem man die Schubstangen auf eine gemeinsame, mehrfach gekröpfte Schwungrad welle arbeiten liess. Diesen Weg hat z.B. die Gasmotorenfabrik Deutz eingeschlagen, die bis zu 250 PS in einem Cylinder erzeugt und also eine 500pferdige Maschine als Zwillings-, eine 1000pferdige als Viercylindermaschine baut. Die letztere stellt sich nicht teurer, ja bei hohem Ungleichförmigkeitsgrade, wie er bei elektrischen Betrieben gefordert wird, namentlich des bedeutend leichteren Schwungrades wegen, wesentlich billiger als ein gleich grosser Eincylindermotor. Das zeigt folgende von Direktor Münzel-Deutz veröffenlichte Zusammenstellung für die Preise einer 1000pferdigen Anlage. Ungleich-förmigkeits-grad Verhältnismässige Preise verschiedener Motortypen: Eincylinder-motor Zwilling Zweicylinder-motor mitgegenüber-liegenden Cy-lindern Viercylinder-motor 1/251/701/125 111 1,050,900,75 0,900,850,75 0,950,750,60 Ausserdem wird auch die Gleichförmigkeit des Ganges bei Ausbleiben der Zündung in einem der Cylinder nicht so gestört, als wenn nur ein Cylinder da ist und in diesem einmal die Zündung versagt. Der zweite Weg, um zu grossen Maschinen mit nicht zu grossen Abmessungen zu gelangen, ist jedoch der, dass man den Viertakt ganz verlässt und zum Zweitaktmotor übergeht. Der Unterschied zwischen beiden besteht darin, dass bei ersterem zwei volle Hübe des Arbeitskolbens zum Hinausschaffen der Verbrennungsrückstände und zum Ansaugen des frischen Gemisches nötig sind, beim Zweitaktmotor dagegen der Auspuff nur einen geringen Teil eines Hubes einnimmt und die Bildung des neuen Gemisches in einem besonderen Cylinder stattfindet, der vom Arbeitscylinder getrennt ist. Von dort wird die frische Ladung in den Arbeitscylinder etwa im Totpunkte hinübergeschafft und dann in demselben in gewöhnlicher Weise komprimiert, so dass bei jedem zweiten Hube, also bei jeder Umdrehung einmal, eine Zündung stattfindet. Naturgemäss ist daher für dieselbe Leistung nur die halbe Kolbenfläche nötig als beim Viertaktmotor; dagegen wird die Einfachheit der Maschine durch das Hinzukommen eines zweiten Cylinders verringert. In Bezug auf die übrigen Vorteile und Nachteile des Zweitaktmotors verweisen wir auf die unten folgende eingehende Beschreibung des Motors von Oechelhäuser. Uebrigens hat man auch teilweise trotz der grossen Abmessungen selbst für ganz grosse Maschinen an dem Eincylinder-Viertaktmotor festgehalten, wie z.B. aus einer Schilderung eines 500 PS starken Motors von Cockerill in Seraing hervorgeht, die wir weiter unten geben. Ueber die ganze Frage kann eine endgültige Entscheidung heute noch nicht gefällt werden. Wer zuerst eine Gasmaschine mit Hochofengas betrieb, darüber sind die Ansichten geteilt. Während Lürmann in seinem oben erwähnten Vortrage dieses Verdienst dem Hörder Bergwerks- und Hüttenverein zuschreibt, sind andere der Ansicht, dass man fast gleichzeitig und unabhängig voneinander in Deutschland, Belgien und England auf diesen Gedanken kamVgl. z.B. E. Meyer, Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, 1899 S. 554 ff.. Textabbildung Bd. 315, S. 283 Fig. 1.Eisenwerke Differdingen, Gasmaschinen mit Dynamos und Gebläsen direkt gekuppelt. In dem letzten Lande stellte zuerst Thwaite 1895 eine 30pferdige Maschine in den Glasgow-Eisenwerken in Wishaw auf. Es war ein Viertaktmotor, System Acmé, der eine Dynamomaschine antrieb und zur Zufriedenheit arbeitete. Aber da man dort die Hochöfen mit schottischer Kohle, statt wie gewöhnlich mit Koks beschickt, so ist das Gas reicher an brennbaren Gasen als das gewöhnliche Hochofengas, und man konnte daher die dort gewonnenen Resultate nicht auf normale Verhältnisse anwenden. Eine kleine 25pferdige Maschine wurde 2 Jahre später in den Frodingham-Eisenwerken bei Doncaster aufgestellt. Ausserdem arbeitet noch eine 160pferdige Maschine in Barrow-in-Furness und einige grosse, neue Anlagen sind geplant. Im allgemeinen aber haben sich die englischen Ingenieure auf diesem Gebiete von ihren Kollegen auf dem Kontinent weit überholen lassen, was um so unbegreiflicher ist, als die Roheisenerzeugung Englands heute noch die bedeutendste aller europäischen Staaten istVgl. Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, 1900 Nr. 12 vom 24. März S. 381.. Textabbildung Bd. 315, S. 284 Fig. 2.Simplex-Gasmaschine auf den Werken zu Seraing. Wenden wir uns jetzt dem Kontinent zu und betrachten zunächst das Ausland, so kommen hier vor allem die Werke von John Cockerill in Seraing bei Lüttich in Betracht, wo der Ingenieur Bailly, ebenfalls im Jahre 1895, zuerst auf den Gedanken kam, die Hochofengase direkt im Gasmotor arbeiten zu lassen. Man betrieb dort zunächst einen kleinen 4pferdigen Motor, einen sogen. Simplex-Motor, wie die in Frankreich sehr verbreitete Bauart genannt wird. Er unterscheidet sich von den in Deutschland üblichen Motoren nicht prinzipiell, sondern nur in Einzelheiten der Konstruktion; so z.B. findet die Zündung des Gemisches dadurch statt, dass durch die Steuerung ein kleiner Schieber geöffnet und so der Kompressionsraum mit einer Kammer in Verbindung gesetzt wird, in der fortdauernd elektrische Funken erzeugt werden, und nicht nur ein einzelner für jede Explosion besonders. Dadurch soll eine sicherere Zündung erreicht werden. Ob hierzu thatsächlich ein Bedürfnis vorliegt, lassen wir dahingestellt. Nach einigem Probieren und Verbesserungen an den arbeitenden Teilen lief die kleine Versuchsmaschine anstandslos 18 Monate, und dann erst ging man daran, eine grosse 200pferdige Maschine zu bauen, welche im April 1898 zu arbeiten begann. Als man jedoch nach einigen Wochen Ablagerungen von Staub in den Eintrittskanälen und der Kompressionskammer bemerkte, wurde die Maschine von Delamare, dem Konstrukteur des Simplex-Motors, vollständig umkonstruiert und läuft nun seit Oktober 1898 ohne jede Störung, sogar mit ausgeschalteter Reinigungsanlage. Nach diesen günstigen Erfolgen haben die Werke zu Seraing angefangen, die ihnen in den Hochofengasen zu Gebote stehende Triebkraft im grossartigsten Massstabe auszunutzen und gleichzeitig begannen sie, auch für andere Werke grosse derartige Anlagen zu liefern. So haben sie für Differdingen in Luxemburg eine Anlage von 4 × 500 PS zum Antrieb der Hochofengebläse, von 3 × 500 PS zum Antrieb von Dynamomaschinen errichtet (vgl. Fig. 1) und für ihren eigenen Bedarf eine Anlage von 4 × 500 PS zum Antrieb der Hochofengebläse (vgl. Fig. 2). Ueber diese Maschinen sind kürzlichEngineering vom 19. Januar 1900 und Stahl und Eisen vom 1. Januar 1900. einige interessante Angaben gemacht worden. Sie besitzen horizontale Tandemanordnung; der Gebläsecylinder steht hinter dem Motorencylinder, und der Kolben des Gebläses sitzt auf der verlängerten Motorkolbenstange. Der Hub ist 1400 mm, der Durchmesser des Motorkolbens 1300 mm, der des Gebläsekolbens 1700 mm. Die minutliche Umdrehungszahl ist 80. Es wird direktes Hochofengas ohne irgend welche Reinigung benutzt, nur findet in einer eisernen Kammer eine Abkühlung bis auf etwa 20° durch Einspritzen von Wasser mittels Körting'scher Streudüsen statt. Irgend welche Schwierigkeiten, insbesondere mit der Dichtung des Motorenkolbens, sind bis jetzt nicht aufgetreten. Das Anlassen geschieht durch Explosion eines Luft-Petroleumdampfgemisches, welches man vorher in den Kompressionsraum pumpt. Von den riesigen Massen, welche hier in Bewegung gesetzt werden, erhält man eine Vorstellung, wenn man bedenkt, dass das Schwungrad von 5 m Durchmesser 35 t und die Kurbelwelle 20 t wiegt. In Deutschland war unbestreitbar der Hörder Bergwerks- und Hüttenverein der erste, welcher eine Gasmaschine mit Hochofengasen in Betrieb setzte. Er beauftragte die Gasmotorenfabrik Deutz, zunächst einen kleinen Versuchsmotor von 12 PS aufzustellen, der dann auch im Jahre 1895 der Benutzung übergeben wurde und so zufriedenstellend arbeitete, dass man den Bau einer 600pferdigen Anlage beschloss. Da die Lieferzeit der Gasmotorenfabrik Deutz zu lang war, so wurde die Anlage der Berlin-Anhaltischen Maschinenbau-Aktiengesellschaft übertragen, die dort zum erstenmal in dem Oechelhäuser-Motor eine sehr eigenartige und interessante Maschine aufstellte. Um die grossen Abmessungen zu vermeiden, hat man hier den zweiten oben angedeuteten Weg eingeschlagen: man ist zum Zweitaktmotor übergegangen. Jetzt hat die Ascherslebener Maschinenbau-Aktiengesellschaft den Bau dieser Maschinen übernommen, und zwar hat sie ihnen die Gestalt gegeben, welche aus Fig. 3 hervorgeht, die einen horizontalen Schnitt durch den Arbeitscylinder zeigt. Fig. 4 gibt ein an diesem Motor abgenommenes Indikatordiagramm wieder. In einem langen Cylinder bewegen sich zwei Kolben K1 und K2 in entgegengesetzter Richtung; beide arbeiten auf eine und dieselbe dreifach gekröpfte Kurbelwelle, und zwar der eine Kolben direkt auf die mittlere Kurbel, der andere vermittelst einer Traverse und zweier Schubstangen auf die beiden äusseren Kurbeln, welche gegen die mittlere um 180° versetzt sind. Von der Traverse aus wird ausserdem noch eine doppeltwirkende Luftpumpe G angetrieben. Befinden sich die Kolben in ihren inneren Totpunkten, so bilden sie zwischen sich den Kompressionsraum. Nehmen wir an, der Motor sei im Betriebe, und es enthalte dieser Raum eine Mischung von Hochofengas und Luft von etwa 8 bis 10 at Ueberdruck. Wird jetzt diese Mischung elektrisch entzündet, so fliegen die beiden Kolben nach aussen und wirken auf die Kurbelwelle im gleichen Sinne. Ziemlich gegen Ende des Hubes, im Diagramm beim Punkte a, legt der Kolben K1 Schlitze C frei, durch welche die verbrannten Gase in den Auspuff Ra stürzen können. Gleichzeitig gibt der Kolben K2 Schlitze A frei, welche mit der Luftkammer R in Verbindung stehen. In dieser befindet sich Luft von etwas über Atmosphärenpressung, welche der Kolben der Luftpumpe G auf der vorderen Seite durch die Oeffnung S angesogen und durch D in die Luftkammer R hineingedrückt hat. Sobald nun die Schlitze A freigegeben sind, strömt diese Luft in den Cylinder, treibt die noch vorhandenen Verbrennungsrückstände vor sich her zu den Schlitzen C hinaus und bewirkt ausserdem noch eine sehr energische innere Kühlung des Cylinders. Inzwischen sind aber die Kolben noch weiter auseinander gegangen und K2 gibt dabei kurz vor seinem äusseren Totpunkte die Schlitze Q frei, welche ihrerseits mit dem hinteren Teile der Luftpumpe in Verbindung stehen. Dieser hat durch N Gas und Luft angesogen und es durch O in den Mischungsraum P gedrückt, indem es nun unter derselben Pressung steht wie die Luft in R. Sobald die Schlitze Q geöffnet sind, tritt diese Mischung in den Cylinder ein und wird beim Zurückgehen der Kolben komprimiert. Textabbildung Bd. 315, S. 285 Fig. 3.300- bis 600pferdiger Oechelhäuser Zweitakt-Gasmotor. Um Verluste von Gas durch die offenen Auspufföffnungen zu vermeiden, sind die Abmessungen des Arbeitscylinders so gewählt, dass die grösste angesaugte Ladung, bei maximaler Geschwindigkeit der Maschine, höchstens 70 % des ganzen Cylindervolumens beträgt. Soll die Geschwindigkeit in kleinen Grenzen geregelt werden, so geschieht das dadurch, dass der Regulator das Mischungsverhältnis von Luft zu Gas verändert; falls grössere Grenzen statthaft sind, so wird, da das dann ökonomischer ist, die Menge des angesaugten Gemisches verändert. Der Regulator muss demnach gleichzeitig auf den Gaszuflusshahn H und das Rücklaufventil V wirken. Wird nämlich dieses letztere geöffnet, so kann ein Teil der Mischung aus dem Rohre O in das Saugrohr K übertreten. Aus dieser Beschreibung geht einmal hervor, dass mit Ausnahme des kleinen Ventiles V die ganze Steuerung ohne Ventile geschieht, was bei solch grossen Motoren, wo sonst die Ventilstangen sich leicht durch das Heisswerden verziehen, die Ventile dann hängen bleiben und schlecht dicht zu halten sind, eine sehr grosse Annehmlichkeit bildet. Ausserdem sind aber auch alle Ecken und Höhlungen im Arbeitscylinder hierdurch vermieden, in denen sich der Staub absetzen könnte. Namentlich diese Eigenschaft dürfte den Motor für Hochofengase besonders geeignet machen. Zweitens ist ohne weiteres ersichtlich, dass die Abmessungen einer solchen Maschine nur den vierten Teil vondenen eines gleich starken eincylindrigen Viertaktmotors zu betragen brauchen, da wir es hier mit einem im Zweitakt und mit zwei Kolben arbeitenden Motor zu thun haben. So hat z.B. eine Maschine von 500 PSe einen Cylinderdurchmesser von 650 mm, eine Maschine von 1000 PSe einen Cylinderdurchmesser von 935 mm. Es sind denn auch eine ganze Reihe solcher Motoren bis zu einer Grösse von 1000 PS im Bau begriffen. Das Bedeutendste aber leistet auf diesem Gebiete die Gasmotorenfabrik Deutz, welche schon einige grosse Anlagen für Hochofengas aufgestellt hat (vgl. Fig. 5), so fünf 200pferdige Motoren in Friedenshütte in Oberschlesien, eine 600pferdige und zwei 300pferdige in Oberhausen. Im ganzen hat sie Aufträge von über 12000 PS für Hochofengas. Auch von Gebrüder Körting, Körtingsdorf bei Hannover, und der Maschinenbaugesellschaft Nürnberg wird berichtet, dass sie Anlagen von mehreren hundert Pferdestärken teils errichtet haben, teils zu errichten beauftragt sind. Textabbildung Bd. 315, S. 285 Fig. 4.Indikatordiagramm zu dem 600pferdigen Oechelhäuser Zweitakt-Gasmotor zu Hörde. Von Veröffentlichungen über Versuche an solchen Gichtgasmotoren sind namentlich zwei zu nennen: die eine von Witz über Versuche an der 200pferdigen Simplex-Maschine in Seraing; die Maschine, welche einen Cylinderdurchmesser von 800 mm, einen Hub von 1000 mm hat, machte 150 Umdrehungen, und zwar lief sie sehr regelmässig; praktisch waren Aenderungen in den Umdrehungszahlen und im Gasverbrauch nicht vorhanden, trotzdem das Gas aus vier verschiedenen in gewöhnlicher Weise betriebenen Hochöfen genommen wurde. Sie entwickelte 181 PSe bei einem mechanischen Wirkungsgrade von 85 % und verbrauchte 3,33 cbm von 981 W.-E. Heizwert für 1 PSe und 1 St. Der Wasserverbrauch der Koksskrubber, die aber, wie schon erwähnt, nach dem Umbau der Maschine ausgeschaltet wurden, betrug 30 l für 1 PSe und 1 St. Die Kompression stieg auf 8 at. Die zweite Veröffentlichung rührt von E. Meyer her. Sie betrifft Versuche an der 60pferdigen Gichtgasmotorenanlage im Hochofenwerke Differdingen (Luxemburg), die von der Berlin-Anhaltischen Maschinenbau-Aktiengesellschaft gebaut ist und mit zur Erzeugung des elektrischen Lichtes für das Hochofenwerk dient. Die Maschine brauchte im Mittel 3,18 cbm von 941 W.-E. Heizwert für 1 PSe und 1 St. bei voller Belastung, 4,08 cbm von 948 W.-E. Heizwert für 1 PSe und 1 St. bei halber Balastung. Der Wirkungsgrad betrug dabei 71 % bezw. 61%. Von der gesamten zugeführten Wärme wurden 29,9 % bezw. 27,4 % in indizierte Arbeit umgesetzt, also ebensoviel wie in unseren besten LeuchtgasmotorenWir geben an dieser Stelle für denjenigen unserer Leser, welcher sich mit dem behandelten Gegenstande näher zu beschäftigen beabsichtigt, eine Zusammenstellung der bisher darüber erschienenen hauptsächlichen Veröffentlichungen:Deutsche Berichte:Lürmann: Vortrag auf der Hauptversammlung des Vereines deutscher Eisenhüttenleute, 27. Februar 1898. Stahl und Eisen, 1898 Nr. 6.– Vortrag auf der Hauptversammlung des Vereines deutscher Eisenhüttenleute, 23. April 1899 undE. Meyer: Vortrag ebendaselbst; sowie Diskussion. Stahl und Eisen, 1899 Nr. 11.Zeyringer: Ueber die Verwendung der Hochofengase. Stahl und Eisen, 1899 S. 664.E. Meyer: Die Benutzung der Hochofengase zum Betriebe von Gichtgasmotoren und Versuche an der 60 PS-Anlage in Differdingen. Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, 1899 S. 448 ff., S. 483.– Grosse Gasmaschinen. Vortrag, gehalten auf der Hauptversammlung des Vereines deutscher Ingenieure. Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, 1900 Nr. 10 und 11.Münzel: Ueber die zunehmende Anwendung von grossen Gasmotoren in modernen Kraftbetrieben. Stahl und Eisen, 1900 S. 315 ff. und Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure, Nr. 13 vom 31. März 1900 S. 401.Französische Berichte:Hubert: Annales des Minen de Belgique, Tome II 1897 (übersetzt in Stahl und Eisen, 1898 S. 361).Lencauchez: Vortrag in der Sitzung der Abteilung Paris der Société de l'Industrie minerale, 8. November 1897.Dutreux: Génie civil, 1898 S. 191 ff.Witz: Bericht über die Versuche in den Werken von Cockerill. Revue universelle des Mines, August 1898.Savage: Revue universelle des Mines, Juli 1899.Jacoupy: Bulletin de l'encouragement de l'industrie nationale, 1899 S. 797 ff.(Die drei letzten Berichte fassen die bis zum Zeitpunkt ihres Erscheinens in Fachzeitschriften enthaltenen Resultate zusammen.)M. E. Demenge: Revue générelle des Sciences, 15. Februar und 28. Februar 1900.Englische Berichte:Greiner: Vortrag. Iron and Steel Institute. London, 3. Mai 1898 (übersetzt in Stahl und Eisen, 1898 S. 495 ff., gleichzeitig ist hier auch berichtet über einen Vortrag von Thwaite).Bryan Donkin: Utilisation of High-Furnace Gases for Power inGas-engines. Engineer, 24. November, 8. und 15. Dezember 1899.Utilisation of Blast-Furnace Gases in the Generation of Electricity. Electrical Review. London, 15. Dezember 1899.. Es ist nun die Frage aufgeworfen worden, wozu die Hüttenwerke die enorme Energiemenge, die ihnen bei der Ausnutzung der Hochofengase im Gasmotor zur Verfügung steht, verwenden sollen. Zunächst ist natürlich die für die Hochöfen selbst nötige Energie zu liefern, die zum grössten Teile durch die Gebläsemaschinen aufgezehrt wird. Es war aber bislang nicht möglich, Hochofengebläse mit einer so hohen Tourenzahl laufen zu lassen, wie sie aus ökonomischen Gründen für den Gasmotor zu wünschen ist, und zwar lag das namentlich an der Konstruktion der Gebläseventile. Schon heute aber liegen drei Gebläseventile neuerer Konstruktion vor, welche solche hohen Tourenzahlen ohne weiteres gestatten. Ohne hier sonst auf die Sache einzugehen, da das zu weit führen würde, nennen wir nur die Namen dieser Gebläseventile unter Mitteilung der Quellen, in denen Näheres darüber zu finden ist und behalten uns eine eingehendere Besprechung für einen späteren Aufsatz vor. Textabbildung Bd. 315, S. 286 Fig. 5.200- bis 1000pferdige Gasmotoren, gebaut von der Gasmotorenfabrik Deutz. 1. Die Lenkerventile von Lang-Hörbiger (D. R. P. 87267 und Vortrag von Lürmann a. a. O.). 2. Die rückläufigen Ventile von Riedler-Stumpf („Schnellbetrieb“ von Riedler oder Stahl und Eisen, 1899 S. 761 ff., D. R. P. 99398). 3. Die Kolbenventile (Transactions of the Am. Soc. of Mech. Eng., Vol. XX 1899 S. 967 ff., oder Zeitschr. d. Ver. deutscher Ing., 1899 S. 939, oder Stahl und Eisen, 1899 S. 1052). Die nicht für den Hochofen notwendige Energie kann man heute mit Leichtigkeit in elektrische Energie umsetzen, da sich bei den jetzt gebauten Gasmotoren ein so grosser Gleichförmigkeitsgrad erzielen lässt, dass sogar eine direkte Kuppelung zwischen Dynamomaschine und Motor ermöglicht wird; das haben Gebrüder Körting seit Jahren durch ihre „Gasdynamos“ bewiesen. Die elektrische Energie lässt sich ja dann aber in der verschiedensten Weise ausnutzen und eventuell auch, ohne zu teuer zu werden, nicht unbeträchtlich weit fortleiten. So beabsichtigt man z.B. mit der in Gr. Ilsede bei Peine erzeugten elektrischen Energie das mehrere Kilometer entfernt liegende Peiner Walzwerk zu betreiben und die Stadt Peine mit Licht zu versorgen; an anderen Stellen ist die Errichtung grosser Calciumkarbidfabriken im Anschluss an das Hochofenwerk geplantVgl. Stahl und Eisen, 1. März 1900. u.s.f. Wollen wir nun auch nicht den wohl mehr humoristisch gemeinten Aeusserungen eines französischen Ingenieurs zustimmen, der in einem Berichte über in Seraing unternommene Versuche sagt: „Das Eisen wird einst ein Nebenprodukt des Hochofens bilden, dessen Hauptaufgabe es sein wird, Licht und Kraft zu liefern“, so ist doch angesichts der oben geschilderten ungemein raschen Entwickelung wohl zu erwarten, dass in nicht zu ferner Zukunft jederHochofen ein Zentrum bilden wird, von welchem aus gewaltige Motoren mit Kraft versorgt und der gesamten Industrie der Umgegend neue Hilfskräfte zugeführt werden. März 1900. F. Mb.