Titel: Zur Frage elektrischer Fernbahnen.
Autor: Ernst Zander
Fundstelle: Band 315, Jahrgang 1900, S. 666
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Zur Frage elektrischer Fernbahnen. Von Zivilingenieur Ernst Zander. Zur Frage elektrischer Fernbahnen. Einleitung. Die Erörterung der Frage elektrischer Fernbahnen hat sich bisher meist in den Bahnen schwärmerischer Zukunftsprojekte gehalten. Mehr oder weniger bewegten sich diese Projekte alle in dem Rahmen des anfangs der 90 er Jahre aufgestellten Zipernowski'schen für eine Bahn zwischen Wien und Budapest, ob sie nun in Europa oder Amerika aufgestellt wurden. Kolossale Geschwindigkeiten, eigene ganz neuartige Bahnkörper, womöglich vier Geleise, von denen zwei dem Lokal- und zwei dem Durchgangsverkehr dienen sollten, ganz abweichende Wagenformen, besonders grosse Spurweiten wurden vorgeschlagen, kurz alle möglichen Dinge, aus denen die Eisenbahntechniker und Volkswirte schliessen mussten, dass die Entwickelung der elektrischen Fernbahnen nur auf besonderen Linien möglich sei, die einen gemeinschaftlichen Betrieb mit den jetzigen Dampfbahnlinien vollständig ausschliessen würden. Mehr als einmal trifft man bei Unterhaltungen über die Zukunft elektrischer Fernbahnen sonst ganz nüchtern denkende Techniker, die sich eine elektrische Fernbahn z.B. zwischen Berlin und Köln ungefähr nach Art des Zipernowski-Projektes vorstellen: Fahrzeit etwa 3 Stunden, Aufenthalt unterwegs 2- bis 3 mal. Im Gegensatz zu diesen Zukunftsschwärmereien kann man mit aller Bestimmtheit den Satz aufstellen, dass elektrische Fernbahnen in absehbarer Zeit gänzlich ausgeschlossen sind, wenn sie sich nicht auf den für sie geeigneten Linien in den Rahmen des heutigen Dampfbahnbetriebes allmählich einreihen lassen. Wenn aber jene phantastischen Projekte die einzigen Vorschläge sind, mit denen die Freunde elektrischer Fernbahnen kommen können, so dürfte das Thema eigentlich ohne weiteres begraben werden. Doch glaube ich, auch etwas näher den heutigen Eisenbahnverkehrs Verhältnissen lässt sich ruhiger und weniger phantastisch, dafür aber aussichtsreicher, über elektrische Fernbahnen reden. Meiner Ansicht nach wäre auch schon folgendes flüchtig skizzierte Bild elektrischer Fernbahnen ein Verkehrsfortschritt, dessen Verwirklichung die Arbeit lohnen dürfte. Denken wir uns, die grösseren Städte miteinander verbindend, von Berlin aus z.B. vorläufig nach Hamburg, Hannover, Magdeburg, Leipzig, Dresden, Stettin, in anderen Gegenden Deutschlands entsprechend, ein Netz elektrischer Fernbahnen, auf denen in Abständen von etwa 1 Stunde in jeder Richtung elektrische Züge mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 100 km laufen. Die Fahrzeiten auch der meisten Schnellzüge auf diesen Linien würden dann um etwa 40 % unterboten werden; rechnet man hierzu die viel häufigere Fahrgelegenheit und die beim Fortfall des Lokomotivrauches und infolge ruhigeren Laufes erheblich grössere Annehmlichkeit, so dürfte sich eine ganz erhebliche Verkehrssteigerung ergeben, die an Hand derjenigen der früheren Pferdebahnen bei deren Umwandlung für elektrischen Betrieb abgeschätzt werden kann und die jedenfalls eine Verbilligung der jetzt bestehenden Eisenbahnfahrpreise erlaubt. Auf Grund dieses allgemeinen Bildes möchte ich im folgenden einige technische und wirtschaftliche Bemerkungen über eine Reihe von damit zusammenhängenden Fragen machen. A. Wirtschaftliche Fragen. Angenommen, die Erreichung des oben skizzierten Zustandes würde als technisch möglich erwiesen, so bleibt doch, bevor man der definitiven technischen Lösung nahe tritt, die Frage zu beantworten: Werden sich die Fahrpreise auf elektrischen Fernbahnen dieser Art nicht teurer stellen als gegenwärtig, gleichen Reinertrag und gleiche Verzinsung des Anlagekapitals vorausgesetzt? Im Rahmen der hier notwendigerweise skizzenhaften Ausführungen lässt sich diese Frage nicht eingehend beantworten.Darum sei im folgenden nur kurz auf die zu untersuchenden Gesichtspunkte hingewiesen. Teilt man die gesamten Betriebskosten bei der Personenbeförderung, denn nur um diese wird es sich vorläufig handeln, in die vier Unterklassen: Kraftkosten, Geleisekosten, Wagenkosten, Bedienungskosten, so ergeben sich folgende Vergleiche der Kosten bei Dampf- und elektrischem Betrieb. I. Vergleich der Kraftkosten. Zu vergleichen ist der Arbeitsaufwand bei Dampf- und elektrischem Betrieb, der erforderlich ist, um mit einer bestimmten Geschwindigkeit ein bestimmtes Wagengewicht fortzuziehen (Nutzarbeit). Als Einheitszug sei ein sogen. D-Zug angenommen, bestehend aus vier vierachsigen Personenwagen und einem vierachsigen Gepäckwagen. Vor letzteren ist bei Dampfbetrieb die Lokomotive gespannt, bei elektrischem Betrieb ist der Gepäckwagen als Motorwagen ausgebildet. Das Gewicht eines D-Wagens sei zu 30 t, das des Gepäckwagens bei Dampfbetrieb zu 26 t, bei elektrischem Betrieb einschliesslich der elektrischen Ausrüstung zu 46 t angenommen. Die Dampflokomotive sei für die erstrebte Durchschnittsgeschwindigkeit nach Art des viercylindrigen 2/4 gekuppelten französischen Nordbahntypus gedacht (Dienstgewicht 93 t)Siehe Zeitschr. des Ver. deutsch. Ingenieure, 1898 S. 1188., da dieses Modell in Bezug auf Leistungsfähigkeit und Oekonomie gegenwärtig die Spitze zu halten scheint. Bei einer maximalen Zuggeschwindigkeit von 120 km pro Stunde mögen die Zugwiderstände betragen: Rollwiderstand der Lokomotive 10 kg pro Tonne           „              „    Wagen 7   „    „      „ Luftwiderstand der Lokomotive bei zu-  geschrägter Stirnfläche 600   „ Luftwiderstand des spitz gebauten Motor-  wagens bei elektrischem Betriebe 400   „ Dann beträgt der gesamte am Treibradumfang auftretende Zugwiderstand: bei Dampfbetrieb: [(4 × 30) + (1 × 26)] 7 + [93 × 10] + 600 = 2550 kg; bei elektrischem Betrieb: [(4 × 30) + (1 × 46)] 7 + 400 = 1560 kg und die Arbeit am Treibradumfang bei Dampfbetrieb: \frac{2550\,\times\,33,3}{75}=1130\mbox{ PS}; bei elektrischem Betrieb: \frac{1560\,\times\,33,3}{75}=690\mbox{ PS} Die Zuggewichte betragen nach obigem 239 bezw. 166 t. Um diese Arbeit am Treibradumfang zu leisten, ist im ersteren Falle eine Lokomotivdampfanlage verwandt, im letzteren Falle eine stationäre Dampfanlage mit elektrischer Kraftübertragung durch Dynamos, Leitung und Motoren. Welche Krafterzeugung wird nun pro 1 PS am Radumfang billiger? Für die Berechnung des Dampf- und Kohlenverbrauches der Lokomotiven seien die Angaben benutzt, die Leitzmann in seinem Aufsatze: Versuche mit viercylindrigen Lokomotiven in den Jahrgängen 1898 und 1899 der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure gibt. Danach verbrauchte eine Lokomotive von dem erwähnten französischen Nordbahntypus pro 1 PS, im Zughacken abgegeben, bei 60 % Füllung im Niederdruckcylinder und 120 km pro Stunde Geschwindigkeit 20 kg Dampf pro Stunde. In unserem Falle gibt die Lokomotive (s. oben) \frac{[(4\,\times\,30)+(1\,\times\,26)]\,7\,\times\,33,3}{75}=455\mbox{ PS} am Zughacken ab. Der Dampf verbrauch würde demnach 455 × 20 = 9100 kg pro Stunde betragen, und der Kohlenverbrauch bei 5,5facher Verdampfung 1660 kg. Der Dampf- und Kohlenverbrauch der elektrischen Anlage lässt sich, wie folgt, ermitteln: Die Motoren haben am Radumfang 690 PS zu leisten. Die Nutzeffekte der Uebertragungsmechanismen sind: Motoren 0,92 Leitungsanlage 0,89 Dynamoanlage 0,94 Zusammen also 0,77 Die Dampfmaschinen in der Kraftanlage müssen demnach pro Zug leisten \frac{690}{0,77} rund 900 PS. Moderne liegende Grossdampfmaschinen mit Ueberhitzung werden pro 1 PSe/Stunde weniger als 5,5 kg Dampf gebrauchen. Wird mit letzterer Zahl gerechnet, so werden bei elektrischem Betrieb 900 × 5,5 = 4950 kg Dampf gebraucht oder bei 8,5facher Verdampfung 580 kg Kohle. Der Unterschied im Kohlenverbrauch wird für die Dampflokomotivenbahn noch ungünstiger, wenn man das häufigere Anheizen und den bei schwankender Belastung bei Dampflokomotiven prozentual schneller zunehmenden Kohlenkonsum berücksichtigt. Dieses, entgegen sonst geäusserten Ansichten (frühere Rechnungen obiger Art sind mir nicht bekannt geworden) auffällige Resultat bedarf einer Erläuterung. Dass die angenommenen Dampfverbrauchszahlen für die Lokomotive nicht zu hoch sind, geht daraus hervor, dass bei 9100 kg stündlichem Dampfverbrauch auf 1 PSe, an den Treibradumfang abgegeben, \frac{9100}{1130}=8 kg Dampf kommen. Es dürfte bezweifelt werden können, ob die Dampfmaschine der Lokomotive trotz der Verbundwirkung bei so hoher Tourenzahl und Auspuff mit 8 kg Dampf pro PSe/Stunde auskommt. Nach Versuchen von Locher beträgt der Dampf verbrauch pro 1 PS/Stunde: bei V = 50 Stundenkilometer 10,0 kg für V = 60 10,3 V = 70 10,7 V = 80 11,4 V = 90 12,4 Trägt man sich diese Steigerung graphisch auf und verlängert die Kurve, so erhält man bei 7 = 120 bis 125 Stundenkilometer 18 bis 20 kg. Für moderne Verbundlokomotiven werden diese Zahlen natürlich nicht erreicht werden; immerhin scheinen die obigen Annahmen auf Grund des Leitzmann'schen Artikels eher zu niedrig als zu hoch. Unter Berücksichtigung aller dieser Umstände kann man den Kohlenverbrauch bei Dampfbetrieb dreimal so hoch als bei elektrischem Betrieb annehmen. In der Hauptsache kommt die Ueberlegenheit des elektrischen Betriebes bezüglich des Kohlenverbrauches aus zwei Ursachen. Zuerst daher, dass die hohen Bewegungswiderstände der Lokomotive fortfallen. Lässt man den Luftwiderstand, der weder der Lokomotive noch den Wagen, sondern dem ganzen Zug in Rechnung gesetzt werden muss, bei einem Vergleich der Wagen- und Lokomotivwiderstände ausser Ansatz, so verbraucht die Lokomotive für sich: \frac{930\,\times\,33,3}{75} rund 415 PS. Die Wagen verbrauchen: \frac{146\,\times\,7\,\times\,33,3}{75} rund 455 PS. Also fast die Hälfte der Arbeit zur Ueberwindung der Rollwiderstände konsumiert die Lokomotive. Die zweite Hauptursache ist die viel grössere Oekonomie der stationären Kessel und Dampfmaschinen. Da beste liegende Grossdampfmaschinen pro effektive Pferdestärke ungefähr die Hälfte an Dampf verbrauchen im Vergleichzu Lokomotiven, da ferner stationäre Kessel aus der gleichen Menge derselben Kohle etwa um die Hälfte mehr Dampf entwickeln infolge der besseren Ausnutzung der Heizgase u.s.w., so bedingt dieser Umstand schon eine ganz erhebliche Ersparnis. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der Nutzeffekt der Kraftübertragung von den Treibrädern auf die Schienen bei dem elektrischen Antriebe infolge des absolut gleichmassigen Drehmomentes und des geradlinigeren Laufes des Lokomotivwagens ein höherer ist als bei der Dampflokomotive. Um hier anschliessend die Kraftkosten vergleichen zu können, ist es zweckmässig, eine Einheitsstrecke mit bestimmtem Fahrplan dem Vergleich zu Grunde zu legen. Als Einheitsstrecke sei zu diesem Zwecke eine solche von 160 km Länge angenommen (z.B. ungefähr Berlin-Magdeburg, Berlin-Leipzig, Berlin-Halle, Berlin-Stettin, etwa die Hälfte von Berlin-Hamburg, Berlin-Hannover, Berlin-Breslau u.s.w.). Die Züge mögen sich in jeder Richtung in Abständen von 1 Stunde folgen und täglich in jeder Richtung 16 Züge abfahren. Dann sind hierfür vier Züge im Betriebe zu halten. Die tägliche Anzahl Zugkilometer würde dann auf dieser Strecke 5120 betragen, die jährliche Anzahl Zugkilometer 1870000. Pro 1 km Geleiselänge passieren jährlich 5840 Züge = 117000 Achsen bei elektrischem Betrieb und 164000 Achsen bei Dampfbetrieb. I. Die Unkosten für die Kraftlieferung bei Dampfbetrieb betragen: a) Materialverbrauch u.s.w. 1. 1870000 Zugkilometer mit einer mittlerenGeschwindigkeit von 100 km pro Stunde= 18700 Lokomotivstunden zu 1130 PS= 21100000 PSe-Stunden = 211000000 kgDampfverbrauch = 38400000 kg oder 38400 t.  Bei einem Einheitspreise von 17 M.pro Tonne betragen die Kohlenkosten38400 × 17 = 653000 M. 2. Für 211000 cbm Speisewasser, für Schmier-material und zur Abrundung 47000 –––––––––––– Summa 700000 M. b) Rücklagen. 3. 1870000 Lokomotivkilometer, pro Kilo-meter 0,20 M. Reparaturen 374000 4. Abschreibungen auf 15 Lokomotiven (jedezu 125000 km Jahresleistung) 4 % von 1000000 M. 40000 –––––––––––– Summa 414000 M. c) Bedienung. 5. 10 Besetzungen 36000 Die gesamten Kraftkosten bei Dampfbetrieb betragen demnach: a) 700000 M. b) 414000 c) 36 000 ––––––––––––––    Summa 1150000 M. oder- pro 1 km Strecke rund 7200 M. II. Die Kraftkosten bei elektrischem Betrieb betragen: a) Materialverbrauch. 1. ⅓ des Betrages bei Dampflokomotiven-betrieb = 233000 M. b) Rücklagen. 2. 6 % der Anlagekosten der Kraftstation fürReparaturen und Abschreibungen von1520000 M. 91000   (Die Kraftstation erhält 4000 PS Ma-schinenleistung und kostet pro 1 PS 380 M.) 3. 7 % der Anlagekosten der Leitungsanlagefür Reparaturen und Abschreibungen von3200000 M. 224000   (Der Kilometer Leitung für zweigeleisigeStrecke ist mit 20000 M. angenommen.) 4. 8 % des elektrischen Teiles von 6 Motor-wagen von 250000 M. 20000 –––––––––––– Summa 335000 M. c) Bedienung. 10 Zugmaschinisten 24000 10 Stationsmaschinisten 16000 12 Heizer 12000 –––––––––––– Summa 52000 M. Die gesamten Kraftkosten bei elektrischem Betrieb betragen demnach: a) 233000 M. b) 335000 c) 52000 –––––––––––– Summa 620000 M. oder pro 1 km Strecke rund 3900 M. Ersparnis demnach 530000 M. oder pro 1 km Strecke rund 3300 M. II. Vergleich der Oberbaukosten. Für die Beurteilung der Frage, wie viel sich bei elektrischem Betriebe an Kosten für Unterhaltung und Abschreibung des Oberbaues gegenüber Dampfbetrieb mit gleicher oder angenäherter Geschwindigkeit und Leistungsfähigkeit sparen lässt, wäre es sehr wichtig, die Abnutzung des Oberbaues durch Dampflokomotive und Wagen zahlenmässig trennen zu können. Leider enthält die einschlägige Litteratur meines Wissens keine Anhaltspunkte hierüber; wir sind daher darauf angewiesen, zur allgemeinen Abschätzung dieses Unterschiedes andere Zahlen heranzuziehen. Es sind für unsere Betrachtung hauptsächlich drei Arten der Geleiseabnutzung zu unterscheiden: 1. Abnutzung durch das Rollen der Last einschliesslich der vertikalen Schläge auf die Schienenstösse. 2. Abnutzung durch die Uebertragung der Zugkraft vom Umfang der Treibräder auf die Schienenoberfläche. 3. Abnutzung durch horizontale Stösse. In allen drei Punkten wird sich der elektrische Zug wesentlich günstiger als der Dampfzug verhalten, wie folgende Betrachtung zeigt: 1. Nimmt man die Abnutzung durch das Hollen der Last und die vertikalen Schläge auf die Schienenstösse proportional der darüber rollenden Last bei in beiden Fällen gleicher Geschwindigkeit an, so begeht man einen gewissen Fehler zu Gunsten des Dampfzuges. Der Dampfzug enthält etwa acht Achsen, diejenigen unter der Lokomotive, deren Last ganz erheblich schlechter abgefedert ist (nur je einmal mittels sehr steifer, verhältnismässig kurzer Blattfedern), als diejenige eines modernen Personenwagens auf Drehgestellen, der mittels weich arbeitender Federn zweimal, neuerdings sogar dreimal abgefedert ist. Hieraus folgt, dass, zumal unter Berücksichtigung der Wirkung der Triebradgegengewichte bei den Dampflokomotiven, die erste Art der Abnutzung besonders an den Stössen auch für gleiche Lasten beim Dampfzug erheblich grösser auffallen wird als beim elektrischen Zug. Ganz besonders ist hier die Wirkung der Gegengewichte zu beachten, die bei den fraglichen Geschwindigkeiten so weit gehen kann, dass sie den Schienendruck der Treibräder in der obersten Stellung fast oder ganz aufhebt, in der untersten Stellung dagegen (infolge der Wirkung der Fliehkraft) verdoppelt. Die Last des elektrischen Zuges ist für gleiche Transportleistung nach der weiter vorn gemachten Aufstellung im Verhältnis von 239 : 166, d.h. um 30 % kleiner. Je nachdem man nun den Einfluss der harten Lokomotivfederung bemessen will, beträgt die Ersparnis bei elektrischem Betrieb an Abnutzung der ersten Art mehr oder weniger über 30 %. Der Verfasser neigt dazu, den Lokomotiveinfluss sehr hoch zu veranschlagen, besonders bezüglich der Schienenstösse und glaubt, dass die Gesamtersparnis wohl 50 % erreichen dürfte; der Sicherheit halber soll in unsere Rechnung nur 40 % eingesetzt werden. 2. Die Uebertragung der Zugkraft auf die Schienen und die daraus resultierende Abnutzung ist gleichfalls grundsätzlich verschieden bei beiden Systemen, Dampf- und elektrischen Zügen. Bei letzteren übertragen die Elektromotoren mit einem für alle Drehungswinkel völlig gleichmässigen Drehmoment auf getrennt angetriebene Achsen die Zugkraft, erreichen also schlechterdings das Ideal eines Adhäsionsantriebes. Bei Dampfbetrieb erhalten die Triebräder einen zwischen einem Maximum und einem Minimum regelmässig schwankenden Umfangsdruck, je nach der Kolben- und Kurbelstellung. Ausserdem sind zwei Achsen gekuppelt und damit ist ein fortwährendes, wenn auch meistens geringes, gegenseitiges Gleiten der Treibräder auf den Schienen verbunden. Der Unterschiedzwischen beiden Antriebsarten drückt sich am augenfälligsten in der grossen Verschiedenheit der Adhäsionskoeffizienten bei elektrischem Einzelachsenantrieb und Dampfantrieb auf Kuppelachsen aus. In Zahlen lässt sich die Ersparnis an der Abnutzung der zweiten Art bei elektrischem Antrieb natürlich nicht ausdrücken, höchstens durch den Hinweis auf die Verschiedenheit der Adhäsionskoeffizienten, bei Dampfbetrieb gleich etwa 0,15, bei elektrischem Einzelantrieb mindestens 0,20; mit anderen Worten: das gleiche Adhäsionsgewicht zieht bei elektrischem Einzelantrieb 33 % mehr als bei Dampfantrieb auf Kuppelachsen. Diese Zahlen lassen sich zwar nicht direkt auf die Ersparnis der zweiten Art übertragen, immerhin aber geben sie eine ungefähre Vorstellung von ihrer Grösse. 3. Die Ersparnis, die sich bei Anwendung elektrischen Betriebes durch die ganz erhebliche Verringerung der horizontalen Stösse ergibt, dürfte eine ganz erhebliche werden. Wer je auf einer Schnellzuglokomotive gefahren ist, weiss, wie dieser starre, fast ungefederte Koloss gegen die Schienen hämmert, derart, dass es jeden Neuling Wunder nimmt, wie ein derartig eckendes, zickzackförmig bald links, bald rechts gegen die Schienenköpfe anschlagendes Fahrzeug überhaupt in den Schienen bleibt. Man hat ja von eisenbahntechnischer Seite, nachdem man sah, dass Schienen, Bolzen und Bettung hielten, auf mancherlei Art hinterher zu beweisen gesucht, weshalb sie halten, das dürfte aber jedenfalls feststehen, dass der in Deutschland gegenwärtig vorhandene Oberbau bei Dampfbetrieb keine nennenswerte Geschwindigkeitssteigerung mehr zulässt, ohne die Grenzen der Betriebssicherheit zu übersteigen. Die schlingernden und eckenden Bewegungen der Lokomotive lassen sich zwar durch kräftiges Anziehen der Kupplung von den Wagen im wesentlichen fernhalten, immerhin kommt es vor, dass sich diese Bewegungen durch den ganzen Zug fortpflanzen und so zu weiteren Abnutzungen Anlass geben. Der völlige Mangel hin und her gehender Teile bei elektrischen Motorwagen lässt dagegen eine gleichmässig ruhige Fahrt, frei von jenen regelmässigen horizontalen Stössen erwarten, sowohl für den Motorwagen, als auch für die angehängten Personenwagen. Es dürfte wahrscheinlich sein, dass sich unser heutiger deutscher Oberbau, soweit er jetzt den D-Zugverkehr zulässt, bei elektrischem Betrieb sehr wohl für Geschwindigkeiten bis zu 120 km pro Stunde und darüber ohne weiteres eignet, wenigstens in den geraden Strecken, und dass auf Strecken, auf denen gegenwärtig ein Bedürfnis nach Erhöhung der bestehenden Dampfzuggeschwindigkeit vorhanden ist, abgesehen von den verminderten Unterhaltungskosten, auch an Anlagekosten für Verstärkung der Geleise durch Einführung elektrischen Betriebes erheblich gespart werden kann. Ueberblickt man daher die bei dem Konto Oberbau durch Einführung elektrischen Betriebes zu machenden Ersparnisse, so muss man zugeben, dass sie einen erheblichen Prozentsatz der für gleiche Geschwindigkeit und Beförderungsleistung zu machenden Ausgaben bei Dampfbetrieb erreichen. Die Summen, um die es sich hierbei handelt, gehen aus den weiter unten angeführten, den 1898 erschienenen Statistischen Nachrichten von den Eisenbahnen des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen für das Rechnungsjahr 1896 entnommenen Zahlen hervor. III. Vergleich der Wagenkosten. In den Kosten der Wagenunterhaltung werden ähnliche Unterschiede nicht hervortreten. Bemerkenswert ist immerhin bei elektrischem Betriebe die billigere Reinigung der Wagen innen und aussen, wegen des Fortfalles des Lokomotivrusses und Hauches, sowie die fast kostenlose elektrische Beleuchtung des Zuges (die Lampenbrennstunde dürfte auf weniger als 1 Pf. kommen). IV. Vergleich der Bedienungskosten. An Bedienungskosten lässt sich eventuell pro Zug ein Heizer sparen. Damit der Lokomotivführer nicht allein bei der Führung des Zuges ist, lässt sich der Platz für den Packmeister oder den Zugführer in dem Raum für den Lokomotivführer anweisen. Irgendwie erheblichen Einfluss auf die Zugkosten hat dieser Umstand natürlich nicht. V. Zusammenstellung der möglichen Ersparnisse pro Kilometer Betriebslänge bezw. pro Zugkilometer. Die oben angeführte mögliche Ersparnis an Kraftkosten betrug pro Kilometer Strecke 3300 M. Die Unterhaltungskosten pro Kilometer Geleislänge für einen derartigen Verkehr können mit für unsere Zwecke genügend genauer Annäherung geschätzt werden aus den Angaben der schon oben erwähnten Statistischen Nachrichten. Es wurden im Jahre 1896 von den preussischen Lokomotiven zurückgelegt rund 240 Millionen Zugkilometer auf rund 39000 km Geleisen, oder pro 1 km Geleis 6150 Zugkilometer. Die Unterhaltungskosten pro Kilometer Geleis betragen abzüglich der Unkosten für Gebäude und Telegraphen etwa 3000 M. Weiter verausgabte die Main-Neckar-Bahn, die als kürzere Strecke mit eigener Verrechnung und etwa 20 Schnellzügen pro Tag in beiden Richtungen zusammen am ehesten einen Schluss auf den dichten elektrischen Betrieb zulässt, pro Kilometer zweigeleisige Strecke 6640 M. für Bahnaufsicht und Bahnunterhaltung. Hiervon sind für Gebäude, Telegraphen u.s.w. rund 15 % abzuziehen, so dass rund 5600 M. für die Unterhaltung des Ober- und Unterbaues, für sachliche und Personalabgaben verbleiben, oder pro Geleiskilometer 2800 M. Zwar leistete die Bahn erheblich mehr Zugkilometer pro Kilometer Betriebslänge, als oben für die elektrischen Züge berechnet wurde, doch betrug andererseits die mittlere Schnellzugsgeschwindigkeit nur 50 bis 60 km pro Stunde, so dass bei Dampfbetrieb und der doppelten Geschwindigkeit, vorläufig, abgesehen von dem viel höheren Anlagekapital, wahrscheinlich erheblich höhere Unterhaltungskosten sich ergeben würden. Einen weiteren Anhalt bieten die Unterhaltungskosten des Oberbaues der Ludwigs-Eisenbahn (Nürnberg-Fürth), die in beinahe ausschliesslichem Personenverkehr rund 30000 Züge im Jahre 1896 über die Strecke liess. Das ist zwar an Zügen erheblich mehr, als auf der weiter vorn skizzierten Vergleichsstrecke, da jedoch auf dieser die Züge eine weit höhere Geschwindigkeit, mehr Achsen und höhere Achsdrücke haben, so dürfte auf der Vergleichsstrecke bei Dampfbetrieb die Streckenunterhaltungskosten der Ludwigs-Eisenbahn mindestens erreicht, wenn nicht überschritten werden. Da diese pro Kilometer zweigeleisige Strecke 10170 M. betrugen, so sei für die Vergleichsstrecke pro Kilometer der Betrag von 11000 M. angenommen. Berücksichtigt man die weiter vorn gegebenen Ausführungen über Oberbauabnutzung, so dürfte es niedrig geschätzt sein, wenn man bei elektrischem Schnellbetrieb pro Kilometer Betriebslänge 4000 M. Ersparnis gegenüber dem gleich leistungsfähigen Dampfbetrieb annimmt, darin einbegriffen 4 % Zinsen für den Mehrbetrag an Anlagekapital, der bei Einführung von Schnellbetrieb mit Dampflokomotiven aufgewendet werden müsste. Unter Vernachlässigung der kleinen Ersparnisse für Wagenunterhaltung und Bedienung würden dann pro Kilometer Betriebslänge 7300 M. Ersparnisse an den bisher verglichenen Betriebsausgaben gemacht werden. Obige finanziellen Betrachtungen sind selbstverständlich nicht vollkommen einwandfrei, das Resultat lässt sich durch Verschiebung der Maschinennutzeffekte, der jährlichen Betriebsdauer der elektrischen Kraftstation, der Kohlenpreise u.s.w. zu Gunsten und zu Ungunsten des elektrischen Betriebes verschieben, jedenfalls aber dürfte so viel daraus hervorgehen – und damit wäre der Zweck der finanziellen Einleitung dieser Abhandlung erreicht –, dass die Rentabilität einer elektrischen Vollbahn unter Umständen sehr wohl gesichert sein kann und dass der elektrische Betrieb bei genügender Verkehrsdichte kleinere kilometrische Ausgaben verursacht als der gleichwertige Dampfbetrieb. Es lässt sich auch von einer anderen Betrachtungsweise her zu einem günstigen finanziellen Schluss bezüglich der elektrischen Vollbahnen kommen, und zwar folgendermassen: Es fahren jährlich über die Bahn in beiden Richtungen zusammen 11700 Züge mit 46800 vierachsigen Personenwagen und rund 2,3 Millionen Plätzen. Setzt man zur Erzielung möglichst starken Verkehrs die durchschnittlichen kilometrischen Fahrpreise auf nur 2,5 Pf. fest, so kann man gegenüber der jetzigen Platzausnutzung auf eine bedeutende Steigerung rechnen. Die Ausnutzung beträgt jetzt durchschnittlich bei Personenwagen etwa 26 %, ist bei D-Wagen jedoch schon heute ganz erheblich höher und wird bei einem Tarif von 2,5 Pf. pro Kilometer noch mehr steigen. Nimmt man nun an, dass die Hälfte der Plätze besetzt wird, so ergibt sich eine jährliche kilometrische Einnahme aus dem Personenverkehr von 28700 M. Gelingt eine Steigerung des Verkehrs so weit, dass halbstündiger Zugdienst eingerichtet werden kann, so steigen die jährlichen kilometrischen Einnahmen aus dem Personenverkehr auf 57400 M. Vergleichsweise seien die kilometrischen Einnahmen der preussischen Staatsbahnen aus den oben erwähnten statistischen Nachrichten angeführt. Bei einem durchschnittlichen Anlagekapital von rund 256000 M. pro Kilometer Bahnlänge betrugen die kilometrischen Einnahmen: Aus dem Personenverkehr rund 10500 M. = 27 %    „      „   Güter- u.s.w. Verkehr rund 26700 = 69  „    „   besonderen Quellen rund 1500 =   4  „ ––––––––––– Summa pro 1 km 38700 M. Mit diesen Einnahmen wurde eine Verzinsung des Anlagekapitals von über 7 % erzielt. Berücksichtigt man, dass für die angenommene elektrische Bahnlinie bei stündlicher Zugfolge das Anlagekapital für Personenwagen, Motorwagen und Kraftstationen zusammen noch nicht 20000 M. pro Kilometer beträgt und nimmt man für die Leitungsanlage gleichfalls 20000 M. pro Kilometer an, so könnte der übrige Teil der Bahnanlage über 200000 M. kosten, ehe die Anlagekosten pro 1 km Betriebslänge der preussischen Staatsbahnen erreicht würden. Da nun die preussischen Zahlen unter Einfluss des Güterverkehrs genommen sind, auf dessen Rechnung ein erheblicher Teil der Anlagekosten an Rangiergeleisen, Signalanlagen, Güterschuppen u.s.w. geht, da ferner die Kosten für Lokomotivschuppen und Lokomotivwerkstätten, für Wasserstationen, Kohlenrampen u.s.w. bei elektrischem Betrieb fortfallen, so dürften trotz des etwas teureren Oberbaues die kilometrischen Anlagekosten der elektrischen Fernbahn mindestens nicht höher zu stehen kommen als rund 250000 M. Die kilometrischen Ausgaben werden sich jedoch erheblich niedriger stellen, wie aus folgender Betrachtung hervorgehen dürfte. Die kilometrischen Ausgaben der preussischen Staatsbahnen betrugen (gleichfalls nach den erwähnten statistischen Nachrichten) rund 20500 M. Sie setzen sich wie folgt zusammen: 1. Für allgemeine Verwaltung 1960 M. 2.   „   Bahnaufsicht und Bahnverwaltung 4970  „ 3.   „   Verkehrsdienst 7800  „ 4.   „   Zugbeförderungs- und Werkstättendienst 5730  „ Zu den einzelnen Posten bezw. zu den bei der elektrischen Fernbahn für Personenbetrieb möglichen Ersparnissen ist folgendes zu bemerken: 1. Allgemeine Verwaltung 1960 M. Für eine reine Personenbahn ist infolge des einheitlicheren und einfacheren Betriebes und Materiales, infolge des Fortfalles der Güterverrechnung u.s.w. auch eine einfachere allgemeine Verwaltung möglich. Die Ersparnis sei angenommen zu 25 % = 490 M. Der Posten 1. ist an sich wenig erheblich. 2. Die Bahnaufsicht und Bahnerhaltung 4970 M. möge unverändert beibehalten werden, obwohl über 1 km preussischer Staatsbahnen durchschnittlich etwa 460000 Achsen laufen, darunter etwa 70000 bis 80000 Lokomotivachsen, über 1 km elektrischer Fernbahnen jedoch bei dem angenommenen Stundenbetrieb nur etwa 250000 Achsen. 3. Verkehrsdienst 7800 M. Dieser grösste von den vier Posten verspricht auch die wesentlichsten Ersparnisse. Er hat bei den preussischen Staatsbahnen folgende Zusammensetzung: a) Personalkosten für die Oberleitung, den Stations- und Abfertigungsdienst 4180 M. Hiervon dürfte ein erheblicher Posten aus den gleichen Gründen wie unter 1. entbehrlich werden. Die Ersparnis sei angenommen zu 25 % = rund 1050 M. b) Zugbegleitungskosten 1370 M. Die Begleitungskosten der Personenzüge wachsen bei sonst gleichen Verhältnissen angenähert umgekehrt proportional der Durchschnittsgeschwindigkeit der Züge. Diese wächst von etwa 45 km pro Stunde auf etwa 100 km pro Stunde. Die Begleitungskosten für Güterzüge fallen fort. Da eine Trennung der Begleitungskosten für Personen und Güter nicht angegeben ist, sind wir auf eine Schätzung der Ersparnisse angewiesen. Diese möge sich nach der Anzahl der jährlichen Achsen richten und es sei angenommen, dass sich diese Kosten wie die Anzahl Achsen verringern (exkl. Lokomotivachsen bezw. Motorwagenachsen). Die Ersparnis beträgt dann etwa 50 % = rund 680 M. c) Für das Verschieben der Züge wurden verausgabt 1640 M. Diese Kosten dürften zum grösseren Teil auf das Konto des Güterverkehrs kommen und es sei daher die Ersparnis zu 60 % = 980 M. angenommen. d) Für verschiedene Unkosten, wie sachliche Ausgaben für Bureaubedürfnisse, Geräte, Heizung, Beleuchtung und Reinigung der Züge und Stationen 610 M. Hierbei dürfte neben der Beleuchtung der Stationen besonders die der Wagen erhebliche Ersparnisse ermöglichen, auch die Reinigung wird infolge des fortfallenden Lokomotivrusses und Rauches eine einfachere werden. Die Ersparnis sei zu 25 % angenommen = rund 150 M. Die Summe der geschätzten Ersparnisse beträgt dann für Posten 3. 2860 M. 4. Zugbeförderungs- und Werkstättendienst 5730 M. An dessen Stelle treten die weiter vorn berechneten Kraftkosten bei elektrischem Betrieb, ferner die Unterhaltung des Wagenmaterials. Die Kraftkosten betrugen für 160 km Länge 620000 M.; die Anlagekosten für Wagenmaterial dürften 900000 M. betragen, von welcher Summe 15 % für Unterhaltung und Abschreibung genommen werden sollen = 135000 M. Sodann seien noch 45000 M. für Verschiedenes unter dieser Rubrik eingestellt. Die Kosten ad 4. bei elektrischem Betrieb würden dann 5000 M. pro Kilometer betragen. Die insgesamt möglichen Ersparnisse würden dann nach obigen Schätzungen 4080 M. betragen, so dass den oben geschilderten Einnahmen von 28700 M. Ausgaben im Betrage von 16420 M. gegenüber stehen würden. Der kilometrische Ueberschuss beträgt dann aus dem elektrischenBetrieb 12280 M. Erreicht der Kapitalaufwand, welcher erforderlich ist, um eine derartige elektrische Fernbahn im Anschluss an ein vorhandenes Bahnnetz zu bauen, die volle Höhe der durchschnittlichen Anlagekosten der preussischen Staatsbahnen, so beträgt die erzielte Verzinsung 5 %. Nun wird es aber in einer Reihe von praktischen Fällen genügen, den vorhandenen zwei Geleisen ein drittes, ausschliesslich für den Güterverkehr bestimmtes hinzuzufügen, um die beiden vorhandenen Geleise für den elektrischen Personenbetrieb frei zu bekommen. In diesem Falle ist es sehr wohl möglich, dass der Staat als Unternehmer durch die Einrichtung des elektrischen Betriebes, die technische Lösung natürlich vorausgesetzt, ein lukratives Geschäft macht, zumal die glänzende Eisenbahnrente in Preussen bisher hauptsächlich durch den Güterverkehr erzielt wurde. Mit Dampfbetrieb dagegen würde eine derartige reine Personenschnellbahn wirtschaftlich aussichtslos sein. Die Frage der elektrischen Fernbahnen hat aber für den Staat ein weit wichtigeres „finanzielles“ Interesse, ein Interesse, das allerdings nicht in Prozenten oder in Mark und Pfennig ausgedrückt werden kann. Derartige Fernbahnen, mit ihrer erhöhten Fahrgeschwindigkeit und Bequemlichkeit, ihrer häufigen Fahrgelegenheit, ihren möglichst billigen Fahrpreisen, vervielfachen unter allen Umständen den volkswirtschaftlichen Nutzen der Eisenbahn. Es wäre leicht, hier ein nicht unberechtigtes Zukunftsbild zu entwerfen, wir enthalten uns aber dessen lieber in einer technischen Zeitschrift; eines jedoch wollen wir nicht unterlassen anzudeuten. Die durch solche elektrischen Fernbahnen geschaffenen grossen Hochspannungskraftzentralen sind in der Lage, elektrische Energie auf Entfernungen und zu Preisen abgeben zu können, wie sie bisher im allgemeinen für derartige Zwecke nicht möglich sind. Die nützliche volkswirtschaftliche Wirkung einer derartigen billigen Energieversorgung grosser Landgebiete lässt sich zwar an Beispielen noch nicht zeigen – angenähert vielleicht in der Schweiz –, das dürfte aber von allen Seiten zugegeben werden, dass für dicht bevölkerte Gegenden hieraus eine für die Entwickelung des Volksvermögens und der Volkskultur höchst nützliche Anregung kommen kann, um so mehr, wenn gleichzeitig eine derartige Vervollkommnung des Verkehrs geschaffen wird, wie sie elektrische Fernbahnen bewirken können. Allerdings eine grosse Frage ist bisher noch offen gelassen; sind solche Bahnen in absehbarer Zeit technisch möglich? Diese Frage führt uns zum technischen Teil der Abhandlung. (Schluss folgt.)