Titel: Luftbewegungsbilder.
Autor: Karl Steffen
Fundstelle: Band 315, Jahrgang 1900, S. 722
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Luftbewegungsbilder. Von Karl Steffen in Röhrsdorf bei Hainspach, Deutschböhmen. (Fortsetzung von S. 304 d. Bd.) Luftbewegungsbilder. Als ich in obgenannter Abhandlung (S. 307) die Vermutung aussprach, dass durch das rapide Auswerfen gespannter Luftmassen gewissermassen ein Ueberfliessen und Zusammenfliessen mehrerer hintereinander folgender Nebenströmungen zu einer wellenförmigen Schwingungsbewegung und zwar bei besonders raschem Schwingen stattfindet (siehe Fig. 3 b), war ich von einer Vorstellung beherrscht, die sich, wenn auch nicht unmittelbar, so doch mittelbar als richtig zu erweisen scheint. Diese Vorstellung gipfelte in der Voraussetzung, dass die Luftmassen bei so grossartigen dynamischen Wirkungen, wie ich sie zu beweisen unternahm, sich notwendig in eine Bewegungsform begeben müssten, welche durch ihren Charakter schon in die Augen fallend sein musste. Das erzeugte Spannungsgefälle konnte dabei bloss die auslösende Ursache der charakteristischen Luftbewegungsformen sein, denn dieses ist ja selbst keine solche. Weiter musste, so sagte ich mir, die Luftbewegung eine mirbis dahin noch ganz dunkle Umkehrung ihrer Bewegungstendenz vom Flügel zurück zum Flügel erfahren, denn dafür sprechen die ganz gewaltigen Wälzungen der Luftmassen nach vorne und ihre augenscheinlichen Mitwirkungen beim Vortrieb des Flügels. Alle diese Betrachtungen zusammen genommen, gipfelten in der Vermutung, es müsse eine Umbildung der elementaren Auswurfbewegung mehrerer Schwingungsphasen in eine zusammengesetzte Wellenschwingung mit vorläufiger Tendenz stattfinden. Für letztere fehlte mir jedoch die sichtbare Regel und die Raucherscheinungen waren offenbar zu flüchtig, um durch sie das Fehlende zu finden. Darum griff ich zu den erwähnten Versuchen mit den nicht verflüchtigenden Seidenfäden; aber auch diese führten zu keinem befriedigenden Resultat, wenn auch das heftige Vorschlingern des Fadenendes mich in den Vermutungen bestärkte; die Gewissenhaftigkeit, welche allein vor späteren Widersprüchen schützen kann, verbot mir also noch immer, eine bestimmte Behauptung auszusprechen. Ein Zufall führte mich einen Schritt weiter zum Ziele. Ich hatte eine Partie Klappen, wie ich sie zum Bau meiner Maschine benötigte, als unbrauchbar in ein offenes Wasser gelegt, damit sich die provisorisch benutzten Leimverbindungen lösen sollten. Bei dieser Gelegenheit versuchte ich die bekannten Klappenschwingungen auch einmal im Wasser. Der Raum war genügend gross, das Wasser in vollkommen beruhigtem Zustande, und die Schwingungen wurden durch das unbehinderte seitliche Abtreibenlassen so geführt, dass nur regelmässige Wasserbewegung entstehen konnte. Der Umfang der erzeugten Bewegungen war im Verhältnis viel kleiner, als ich bei der Luft wahrgenommen hatte, die Reaktion (Vortrieb) um vieles stärker, aber auch die aufgewandte Arbeit um ebensovieles bedeutender. Das sei übrigens nur nebenbei erwähnt. Die Hauptsache war, dass sich die Vorgänge träger und wegen ihres geringeren Umfanges auch übersichtlicher abspielten, und dies war die mittelbare Ursache, dass ich eine Erscheinung beobachten konnte, die mir bei der Luft bisher entgangen war. Treibt parallel also eine solche Fläche (Klappe), mit ihrem Querprofil zum Wasserspiegel bewegt, ab, so zieht hinter ihr ein tiefer und scharf gezeichneter Trichter wirbelnder Wassermassen, anfänglich mit mehr zentrifugaler Tendenz der Umfangsmassen, später, d. i. am Schluss einer Schwingung, verliert sich diese allmählich und es entsteht eine ganz auffallende Vertiefung der Trichteröffnung. Bei näherer Betrachtung ergab sich, dass ich es mit einem verhältnismässig mächtigen Wassercyklon zu thun hatte, der im weiten Umkreis seine wälzenden Wasserringwellen zog und immer im Rücken der Klappe zu haften schien. Die Ringwellen setzten die Klappe in Vibrationen, die lange anhielten. Wird die Schlagrichtung der Klappe rechtzeitig gewechselt, d. i. so lange sich der Cyklon noch nicht verloren, so trifft natürlich die Rückseite der Klappe auf die wälzenden Massen und erhält einen vermehrten Druck. Das auffallendste an der Erscheinung ist aber, dass diese stets im Rücken der Klappe nachwälzende Wassermasse in ihrer Nachwirkung noch lange vorhält, wenn die Klappenschwingung längst aufgehört hat. Ein Aehnliches hatte ich schon oft bei der Bewegung von Luft bemerkt, wenn ich die Luft mit Klappen bearbeitete. Ich hatte dies an einem Licht, das im Rücken der Klappe aufgestellt war, wahrgenommen. Dasselbe zitterte oft, nachdem ich die Klappe bereits aus der Hand gelegt hatte, in Zwischenzeiträumen von mehreren Sekunden so heftig, dass es dem Verlöschen nahe war. Textabbildung Bd. 315, S. 722 Fig. 1. Verwandte Wirkungen müssen von verwandten Ursachen kommen; übrigens liegt gar kein Grund vor, von den hydrodynamischen Vorgängen nicht auf analoge Erscheinungen in dem Luftkreis Rückschlüsse zu machen; im Gegenteil, die Natur der Luft, ihre Beweglichkeit, Elastizität u.s.w. befähigen sie noch mehr als das Wasser zur Entfaltung mächtiger cyklonaler Bewegung. Aus diesen Gründen wurde das weitere Verhalten der ausgeworfenen Luftmassen mit Bezug auf ähnliche Wirbelbildungen untersucht oder mit anderen Worten eine Weiterentwickelung des bereits erkannten Spannungsprozesses im obigen Sinne gesucht. Dabei stellte sich allerdings die sichtbare Nachweisung solcher cyklonaler Strömungen um so schwieriger heraus, je später oder je langsamer die erzeugten Wirkungen der erregenden Ursache nachliefen, weil der Rauch inzwischen verflüchtigte. Trotzdem gelang es wiederholt, schöne Rauchcyklonfäden (Fig. 1) mit Beschleunigung aus dem langgestreckten Entspannungsraumaustreten („Austrittsstelle“ der Figur) und in grossen Bögen über den Rücken der Klappe wegwälzen zu sehen. Je angemessener die Rauchverteilung, desto vollkommener das Bild. Auch entlang der Klappen ist eine gegen die Spitze zu wechselnde Cyklonbewegung zu sehen (Fig. 2), so zwar, dass das Totalbild eigentlich einer Windhose gleicht, die sich mit ihrer stumpfen Spitze zunächst des Drehpunktes der Klappe bewegt. Die Bewegung ist, wie gesagt, eine beschleunigt wachsende und langandauernde, später scheint sich dieselbe in einem Wirbel von schwindender Zentrifugaltendenz zu verlieren. Diese letzten Stadien sind schwer nachzuweisen, weil sie, wie gesagt, erst nach ziemlich bedeutender Zeitdauer eintreten und der Rauch inzwischen verflüchtigt. Textabbildung Bd. 315, S. 722 Fig. 2. Es bestätigt sich also die eingangs gemachte Annahme von Luftcyklonen in unwiderleglicher Weise und in bedeutend grösserem Umfange, als wir beim Wasser gesehen. Aber noch ein anderes wesentliches Merkmal zeichnet die Wirkung dieser kleinen künstlich erzeugten Sturmcyklone vor den Wirkungen der Wassercyklone aus. Hat man im Wasser das Gefühl, und zwar beim Schwingungswechsel, auf träge beharrende Cyklonmassen zu treffen (grosser Arbeitsaufwand der Hand im Vergleich zum Vortrieb), so verraten die Luftcyklone abermals jenes schon bekannte Repulsionsvermögen, das sich um so heftiger entfalten kann, je nachgiebiger und flüchtiger sich der Flügel verhält. Es ist mir bei diesen Versuchen zur unumstösslichen Ueberzeugung geworden, was ich stets als Anstandsregel der Luft gegenüber beobachtete, nämlich, dass eine gewisse feinfühlige Nachgiebigkeit, ein Sichtreibenlassen, die schönsten und grossartigsten Lufteffekte entbindet; dagegen unvernünftiges Drauflosschlagen (Gewalt) die schwungvollen Bewegungsformen der Luft knickt, zerdrückt, oder wie man's nennen will, ganz gewiss aber zerstört. Schon Lilienthal hat ähnliche Gedanken ausgesprochen (Der Vogelflug, S. 84); hat aber Lilienthal die rohe Behandlungsweise der ebenen Flächenform zur Last gelegt, und an ihre Stelle gewölbte Flächen als die geschickteren gesetzt, so sehen wir jetzt, dass diese gerügte Behandlungsweise nicht in einer passiven Flächenform, sondern in einer ungeschickten, dem repulsiven Charakter des Bewegungsmittels nicht angemessenen Flächenführung (Bewegungsform) ihren Grund hat. Lassen wir z.B. die Fläche nicht glatt abtreiben, so kann der wirkungsvolle Cyklon nicht entstehen, weil ihm der Entwickelungsraum, das langgestreckte Minimum (Gefälle), hinter dem Flügel nicht frei gemacht wird, in welches, wie bekannt, die hochgespannten Luftmassen einstürzen müssen, um jene mächtige tangentiale Anfangsbeschleunigung anzunehmen, welche zur Cyklonbildung führt. Statt sich in dem Gefällsraum zu formieren, branden die Luftmassen und zersplittern sich in unzähligen divergierenden Richtungen in kleine Cyklönchen (Wirbel), die ohne gemeinschaftlicher Rotationsachse nicht jene Thätigkeit entfalten, welche noch zur Erörterung gelangt. Es steht nun die Frage darum, in welcher Weise diese Cyklone sich an der Erzeugung der erwähnten Spannungseffekte beteiligen. Wir wollen uns vorerst die Entstehungsweise des Cyklons vergegenwärtigen. Die Wirkung der Klappe auf die gespannten Luftmassen an der jeweiligen Brustfläche der Klappe ist eine doppelte; beide vollziehen sich fast gleichzeitig. Einerseits wirft die Klappe die genannten Luftmassen in den Entspannungsraum nach hinten aus, was durch das selbsterzeugte Spannungsgefälle beschleunigt wird; andererseits wird die Klappe selbst und rückwirkend durch den empfangenen elastischen Repulsionsstoss der gespannten Luftmassen angetrieben und zieht die eben ausgeworfenen Luftmassen wieder nach sich, weil das Minimum im Rücken der Fläche immer neue Entspannung erleidet. In dieser Richtung wirkt die Klappe als Saugnapf. Es entsteht da, wie wir schon früher gesehen haben (S. 304 d. Bd. Fig. 1), doch immer wieder die Luftschleife vom Maximum ins Minimum; aber durch das Auswerfen ist diese Schleife gewissermassen ausgeweitet oder gedehnt worden zu einem grossen Bogen oder Ring, und dieser Luftring bekommt ausserdem durch die einseitig angreifende Tangentialbeschleunigung zunächst der Austrittsstelle des Luftringes eine Drehtendenz, welche dem Ring nebst seinem Bestreben, am Rücken der Klappe haften zu bleiben, wälzen hilft. Die untere Begrenzungslinie des langgestreckten Minimums hinter der Klappe bildet sozusagen die Rollbahn des Cyklons. Es ist ferner leicht einzusehen, dass die Zentrifugaltendenz dieses rotierenden Luftmassenringes eine Ausdehnung (Expansion) in radialer Richtung bewirkt und demselben jene schöne kreisförmig ausgeglichene Rundung gibt, die wir an der Erscheinung thatsächlich beobachten. Im Innern des Luftringes liegt ein Minimum von bedeutender Entspannung, denn die Luftschleife hat sich sozusagen um den Entspannungsraum im Rücken der Fläche herumgeschlungen und schliesst wie ein Wallgürtel von gespannten Luftmassen den Innenraum von dem umliegenden normalgespannten Felde ab; der Innenraum steht nur mit dem Maximum an der Brustseite der Klappe in Verbindung, und bildet für dieses einen Gefällsraum oder ein Zugloch. Sollten, was ja nicht zu wundern wäre, noch Zweifel bestanden haben, ob das früher behauptete hohe Spannungsgefälle ohne Schutz gegen die im Rücken der Klappe zusammenschliessenden normalgespannten Luftmassen auch wirklich so lange vorhalten könne, so bildet diese neue Weiterentwickelung der Sachlage den sinnfällig werdenden Beweis gegen diese Zweifel. Die Cyklonerscheinung verbildlicht uns somit den Vorgang, den wir in dem früheren Aufsatze bloss aus dem Verhalten der (beschleunigt vortreibenden) Klappe notwendig folgern mussten, nunmehr in einer für Verstand und Auge erst recht erkennbaren Art und Weise – nichts weiter; man muss sich wohl hüten, Ursache (erzeugtes Spannungsgefälle) und Wirkung (Luftbewegungsform) zu verwechseln und so etwa in den alten Fehler der Flugdynamiker zu fallen, weil sonst abermals der eigentliche Massstab für die Ursachgrössen verkannt, und in dem Chaos der Erscheinungen das treibende Agens verschwindet. Nebensächlichkeiten fesseln nur allzusehr das Auge vieler Forscher und lenken seinen Blick vom Brennpunkt der Erscheinung ab, und dann beginnt die ruhelose Jagd nach den Ursachen, der Ursachen ohne Ziel und Ende. Es läge eben nahe, bei Wahrnehmung der oben gezeigten Cyklonerscheinungen in das Lied von den direkt flugfördernden Zentrifugalwirkungen als angebliche Ursache einzustimmen, wie dies z.B. Lilienthal und andere gethan; aber man vergisst, dass diese die Zentrifugalwirkungen eben nicht wären, wenn das künstlich erzeugte Spannungsgefälle nicht wäre; dass die Cyklonerscheinung als Luftbewegungsform nur die Endentwickelungsform des Spannungsprozesses ist, also Spannung in Bewegung umgesetzt wurde und letztere nur die Akkumulationsform neuer Spannungen ist – also neuer Ursachen; oder auch die dynamische Gleichgewichtsform der Luftbewegung, in welcher diese ein potenziertes Spannungsvermögen besitzt, keineswegs aber von einer Wirkung plötzlich zur Ursache wird. Das wäre sinnverwirrend und würde die Flugwissenschaft alsbald wieder in jenes mysteriöse Dunkel zurückstossen, welches sie gleich einer Geheimwissenschaft umfing, und welches reale Menschen anwiderte. Und damit haben wir auch schon gesagt, welcher Natur die eigentlich flugfördernden Ursachen wieder sind. Es sind die inneren Spannungen des Cyklons, welcher über den Rücken der Klappe wegwälzt und welcher die Klappe jedesmal beim Schwingungswechsel begegnet (Fig. 1). Diese Spannungen sind naturgemäss am grössten, so lange die Zentrifugaltendenz der rotierenden Umfangsmassen beschleunigt wirkt – weil sich da der Luftball sozusagen bläht und seine ganze Repulsionsenergie abzugeben im stände ist. Dieses Stadium tritt in dem Moment vollständig ein, wenn der Schwingungswechsel eingetreten ist, denn dann drückt die Klappe den Cyklon mit ihrer Rückenseite ein, und der entspannte Raum im Innern desselben füllt sich rapid und zwar von der anderen Seite der Klappe her, durch die vorne entstandeneKommunikation mit dem umliegenden normalgespannten Luftfelde, mit Luftmassen, so zwar, dass inmitten des Cyklons ein Maximum entsteht. Diese gespannten Luftmassen stossen sich vom äusseren Rande des Cyklons (jetzt Anticyklon) ab und wirbeln in der Anticyklonachse zusammen. In der Zeichnung ist dieses Stadium durch den punktierten Kreis zunächst der nächstfolgenden Schwingungslage der Klappe dargestellt. Der Zeitpunkt der grössten Cykloneffekte ist aber ein verhältnismässig kurzer Augenblick und trifft mit einem kurzen Intervall in der Tieflage der nächsten Schwingung ein – vorausgesetzt, dass die Schwingungswege, welche aus dem horizontalen Abtriebsweg und der Ausschlagshöhe resultieren, mit dem Flächenareal und deren elastischem Klappvermögen in einer gewissen, mir noch etwas dunklen Harmonie stehen. Gewisse auffallende Erscheinungen bestätigen dies. Zum Beispiel erhält man immer dann den grössten Effekt, wenn man in der Tief läge oder Hochlage einen kurzen Moment aushält. Es besteht also zwischen dem korrespondierenden Verlauf der nebeneinander ziehenden Klappen und Luftschwingungen ein Zeitintervall, das um so grösser wird, je grösser die angewandten Klappenflächen sind. Ferner ist dieses Intervall auch um so grösser, je angemessener der Elastizitätsgrad der Klappenfahne ist. Uebrigens haben wir für dieses merkwürdige, aber ganz gewiss erklärliche Phänomen einen drastischen Beweis in der Thatsache, dass die Vögel je nach ihrer Grösse einen ganz bestimmten Rhythmus ihrer Flügelschläge einhalten, oder genauer gesagt, der grösseren Fläche und dem flacheren Auswurfwinkel eine um so grössere Schleife entspricht, weil sich mehr ergriffene Massen mit einem kleineren Umfangswinkel oder Tangentialwinkel ihrer Beschleunigung beteiligen. Dieser vollkommeneren Ausbildung des Cyklons entspricht eine grössere Zeitdauer der Entwickelung (Intervall), aber auch eine mächtigere Entwickelung. Dieses Zeitintervall ist die messbare Grösse jener schon früher bezeichneten Ausgleichsverzögerung, welche als Hauptursache des auffallenden Wachsens der Repulsionsstösse genannt wurde. Es ist also diese vielleicht noch problematisch, weil unmessbar erschienene „Ausgleichsverzögerung“ zu einem messbaren und damit nachweisbaren Faktor der Flugbewegung geworden. Das Zeitintervall der hintereinander verlaufenden Klappen und Luftbewegungen (Schwingungen) wird natürlich in dem Rhythmus der Flügelschwingungen erkennbar, als das Zeitmass derselben. Es ist bedingt durch das notwendig zuwartende Verhalten des Flügels, bis die Cyklonwirkungen eintreten, und das rechtzeitige Umsetzen der Schwingungen, wenn die Cyklonwirkungen erschöpft sind, d. i. also der Takt. Wird man fliegen wollen, so wird man dieses wichtigste Element der Flugbewegung beachten müssen. Es wäre ganz unsinnig, mit grossen Flügeln grosse Schlaggeschwindigkeiten, mit kleinen Flügeln kleine Schlaggeschwindigkeiten ohne Anpassung an die Zeitdauer der stets nachlaufenden und zwar um so langsamer nachlaufenden Cyklonschwingungen, je grösser der Flügel ist, zu wählen. Darin unterscheidet sich die technische Seite des Flugproblems von anderen technischen Disziplinen, dass es gleichsam in den Rhythmus, in den Takt des Bewegungsmittels – und da dieses ein Naturobjekt ist, das strengen, von aussen her einwirkenden Naturgesetzen unterliegt – in den Rhythmus der natürlichen Bewegungserscheinungen mit einstimmen muss, wenn nicht eine Dissonanz erklingen soll. Nehmen wir z.B. den Fall, wir schlagen den Anticyklon mit plötzlich wachsender Klappenbeschleunigung durch, so wird der letztere zerdrückt und es entsteht ein momentaner Spannungsabfall nach allen Seiten. Die Folge ist das von Lilienthal oft erwähnte plötzliche Abfallen der Bewegung, ein förmliches Einbrechen nach unten mit allen seinen Gefahren; oder es entsteht, was noch gefährlicher ist, ein gewaltiges Kippmoment um die Schwerachse, wenn der Cyklon stärker ist und den Flügel rückwärts durchdrückt. Der natürliche Uebergang des Anticyklons in den Cyklon derselben Schwingung vollzieht sich langsam und im Verlauf der schwindenden Zentrifugaltendenz der Cyklonmassen, durch Umkehrung der letzteren in eine solche von umgekehrter Beschleunigung (siehe Pfeilrichtung des nächstfolgenden Cyklons, Schwingungslage 2). In dieser Lage wird sich der Spannungsbereich des Maximum auf eine bedeutend grössere Menge von Luftmasse erstrecken, weil der Anticyklon selbst Spannungsmassen mitgebracht hat, daher die wachsende Grösse des nächsten Cyklons bezw. des nächsten Minimum; es findet also thatsächlich auch ein mittelbares Ueberströmen von Auswurfmassen der vorhergehenden Schwingung in die Auswurfbewegung der nächstfolgenden Schwingung statt – somit also keine direkte Ueberströmung, wie anfangs nur vermutungsweise ausgesprochen wurde. Dafür findet aber die notwendig erkannte wachsende Speisung (Massenregeneration) mit Luftmassen von Schwingung zu Schwingung statt, und ist auch die Umsetzung von Luftbewegung (Wellenschwingung) mit rückläufiger Tendenz in eine solche mit vorläufiger Tendenz unschwer einzusehen. Diesbezüglich wird sich noch manche interessante Enthüllung machen lassen, insbesondere auch dann, wenn die mathematische Formulierung der ganzen Vorgänge geschehen wird, die gegenwärtig noch zurückgestellt werden muss, bis das Erscheinungsbild als solches durchaus aufgedeckt ist. Bevor aber die Erscheinung noch weiter ins Kleine beschrieben wird, möchte ich gewissermassen einer fehlerhaften Auffassung der beschriebenen Vorgänge schon jetzt vorgreifen. Gestützt auf die Erfahrungen, welche man von der mächtigen Beharrungswirkung rotierender Massen auf eine freie Achse gemacht hat, z.B. beim Kreisel, könnte man sehr leicht diese oder z.B. auch die Umschwungsbeschleunigung der Masse als das eigentlich treibende Agens des Klappenvortriebes hinstellen. Es ist in dieser Beziehung mit dem Begriffe „Beharrung“ schon manche täuschende Hypothese entstanden und diese übertragen auf zu leistende Arbeitsprozesse, gewissermassen als „arbeitleistend“ oder „arbeitsparend“ angenommen worden. Diese Vorstellung, fürchte ich, könnte auch den wahren Inhalt meiner Spannungshypothese, welche elastische Wellenschwingungen, nicht lokomotorische Massenbewegung als treibendes Agens setzt, falsch deuten. Die lokomotorischen Luftbewegungen sind bloss die Vermittler höherer Spannungsformen der Luft, wie schon gesagt, das Endprodukt ist immer wieder neue Spannung, welche sich selbstthätig durch Entspannung in Selbstschwingung der Luft umsetzt. Die Beharrung der im Rücken der Klappe wandernden Cyklonachse hat nichts anderes zur Folge, als dass der Cyklon gewissermassen an der Fläche haftet, die innere Spannung wirkt nicht ebenso passiv, diese wirkt repulsiv oder stossend, weil sie aus ihrem örtlich gespannten Zustande von selbst in die Normalspannung drängt, was die Beharrung oder auch eine ihrer Formen, die Zentrifugalmassenwirkung, nicht thun kann. Es ist daher eine direkte Einwirkung der Zentrifugalbeschleunigung der Luft auf die Klappe ausgeschlossen – wie schon gesagt. Andererseits sind aber auch Spannungswirkungen ohne Vermittelung durch lokomotorische Luftbewegung, wie dies z.B. Emil Jakob behauptet, nicht nachzuweisen und dürfte die Nichtbeachtung der wichtigen, in die Augen fallenden Bewegungen, diese Theorie sich in dasselbe mystische Dunkel stossen, das vordem die von Emil Jakob bekämpfte Luftwiderstandstheorie umfing. Dagegen hat die Cyklonaltheorie Mr. Herings (Amerika) den Vorzug einer lebendigen Greifbarkeit, also von vornherein eine reale Aussenseite; jedoch beschäftigt sich dieselbe nicht mit selbsterzeugten Cyklonwirkungen, sondern mit jenen bekannten cyklonartigen Luftbewegungen, welche ohne unseren Willen einen Einfluss auf die Segelbewegung mit Segelapparaten nehmen. Und doch kann es sich bei einem Fall von Selbst- oder Willkürbewegung, wie er uns bei der praktischen Lösung der Flugfrage zur Aufgabe gestellt ist, nicht um zufällig sich ereignende Faktoren, sondern nur um selbst zu schaffende Faktoren handeln, weil wir uns ansonsten wieder in derselben leidenden Rolle befinden, wie bei der unlenkbaren Ballonbewegung. Immerhin hat Herings auf die gewaltigen Cyklonwirkungen beim Segeln hingewiesen, welche oft so mächtig sind, dass sie einen Segelflugapparat zum vollständigen Kippen um 180° um die Cyklonachse bringen; lässt der Flieger den Apparat rechtzeitig los, so gelangt er später als der letztere zu Boden, und zwar kommt er auf dem vollkommen umgestürzten Apparat zu stehen oder zu liegen. Wir brauchen weiteres über die Gewalt dieser eigentümlichen Luftbewegungsform, z.B. einer Windhose, die ja auch eine Art Cyklon ist, kaum zu erwähnen, diese ist zu bekannt; erst kürzlich berichteten die Zeitungen aus der nächsten Nähe meines Wohnortes von Windhosen, die in einigen Fällen Menschen 30 m weit forttrugen. Wiederholen wir kurz das Gesagte, so sehen wir das bereits im früheren Aufsatze Behauptete sinnfälliger bestätigt, als es damals geschehen konnte. Das Gefälle wächst von Schwingung zu Schwingung im beschleunigten Masse durch die cyklonale Bewegung der Luftmassen, mithin auch die Spannungen der letzteren und der durch diese verursachte Vortrieb des Flügels, und damit haben wir ein Prinzip gefunden, das uns den Flugerhaltungsprozess in befriedigender Weise erklärt. Könnten also noch Zweifel bestehen bezüglich der im früheren Aufsatze erörterten „Erhaltung des Spannungsgefälles“, so fände die letztere durch die eben geschilderten Bewegungsvorgänge abermals eine zwangslose Erklärung bezw. eine ergänzende Verbildlichung durch die noch aussenstehend gewesenen Begleiterscheinungen, und was noch schwerer wiegt, als alles dieses, ist die Thatsache, dass der intimere Umgang mit Flügeln in der Luft diese Erscheinungen ganz verständlich macht. Wir erklären uns jetzt spielend die merkwürdige und manchem Flugdynamiker so rätselhaft als schön vorgekommene Wahrnehmung, dass es im Umgange mit der Luft eines gewissen taktmässigen und wohlabgemessenen Verhaltens bedürfe, um wirkliche Effekte abzuringen; ein blindes, brutales Drauflosschlagen findet ebenso wenig Widerhall, als ein wütendes Einbohren, einfach darum, weil die Luft selbst ein äusserst bewegliches Element ist, in welchem unsere Flügelbewegung bloss intermittiert oder Zwischenschläge machen kann. Zwar haben wir gesehen, dass auch die freibeweglichen Luftmassen sich in wunderbarer Regelmässigkeit neben der Flügelbewegung formieren und anschmiegen, aber die Perioden dieses Nebeneinanderlaufens zweier Schwingungen sind um ein gewisses Zeitmass verschoben; also die Luftwellenschwingungen laufen den Flügelschwingungen nach, und verlangen daher ein gewisses Zuwarten bis zu ihrer Entfaltung und rechtzeitiges Einsetzen im Moment ihrer grössten Entwicklung, und diese Geschicklichkeit, dieser Anstand ist es, was so manchen Flugdynamiker schon auf den Gedanken gebracht hat, dass es einer Feinfühligkeit bedürfe, um der Luft ihr bestes Können abzufühlen – und dass jeder andere Umgang von ihr als roh und brutal mit störrischer Widerharrigkeit beantwortet wird. Vielleicht ist gerade dieser anscheinende Intelligenzgrad der Luft so recht eine weise Einrichtung der Natur; denn er verlangt von dem sie beherrschenden Menschen einen mindestens höheren Grad geistiger und kultureller Entwickelung, als ein Volk von Barbaren besässe, das im Fluge nur ein Mittel schrecklicher Verheerung begrüsste. Eines ist gewiss, so einfach, ich möchte sagen so sinnlos brutal und so wenig künstlerisch wie die Luftwiderstandstheorie das dynamische Flugproblem darstellte, ist dieses nicht. Die Flugkunst wäre wahrlich keine Kunst, wenn sie in einem blossen Drauflosstürmen auf die Luft mit ungeschickt grossen Flächen bestände. Die Flugwissenschaft, welche ganz gewiss berufen ist, die Nährmutter vieler anderen Naturwissenschaften zu werden, die, wie schon so oft, berufen sein werden, in die grossartigen Schönheiten der Natur einzuführen, wäre ihrerseits sehr grobsinnig, wenn alles so wäre, wie die Widerstandstheoretiker sagen; mit einem Wort, sie wäre eine blosse Gewalttheorie, die ihr Leben nicht einmal selbständig ohne der viel geistvolleren Motorentheorie entwickeln könnte; sie wäre das Aschenbrödel der Natur – nicht die souveräne Königin der technischen Wissenschaften.