Titel: Die Aufstellung der 3000 Kilo-Watt-Dynamomaschine der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft in Berlin auf der Weltausstellung in Paris 1900.
Autor: Wilh. Gentsch
Fundstelle: Band 316, Jahrgang 1901, S. 133
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Die Aufstellung der 3000 Kilo-Watt-Dynamomaschine der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft in Berlin auf der Weltausstellung in Paris 1900. Von Wilh. Gentsch, Ingenieur und Mitglied des Reichskommissariats. Die Aufstellung der 3000 Kilo-Watt-Dynamomaschine der A.-E.-G. in Berlin auf der Weltausstellung in Paris. Unter den Schaustücken der deutschen Maschinen auf der Weltausstellung in Paris hat die grosse Dynamo der Allgemeinen Elektrizitäts- Gesellschaft in Berlin die Beachtung grösserer Fachkreise gefunden. Die Dynamo, deren Schwestermaschine u.a. in den Berliner Elektrizitäts-Werken mehrfach verwandt worden sind, ist für Drehstrom gebaut, erfordert bei einem cos φ von 0,9 etwa 4000 PS zu ihrem Antrieb und liefert normal bei 83 Touren pro Minute und 100 Wechsel pro Sekunde 3000 Kilo-Watt, ist jedoch in der Anordnung der Wickelungen und Anbringung der Ventilationsspalten im Gehäuse so disponiert, dass sie in weiten Grenzen überlastet werden kann. Das feststehende Gehäuse dieser Dynamo hat einen Durchmesser von 8,6 m, der Magnetinduktor, welcher mit 72 Polen ausgestattet ist, eine solche von 7,4 m. Textabbildung Bd. 316, S. 133 Fig. 1. Textabbildung Bd. 316, S. 133 Fig. 2. Das Gesamtgewicht der Maschine, 160000 kg, verteilt sich derartig, dass auf das Gehäuse 80000 kg, auf den Induktor 70000 kg und die Grundplatten 10000 kg entfallen. Gehäuse und Induktor wurden in je vier Segmente zerlegt, so dass die Maschinenteile auf acht vierachsigen Spezialwagen verladen werden konnten. Je zwei dieser Wagen waren immer einander gleich und zeigt Fig. 7 ein unteres, Fig. 8 ein oberes Gehäuseviertel, Fig. 9 ein unteres und Fig. 10 ein oberes Induktorviertel. Eisenkonstruktionsteile zum Gestelle und sonstige zur Maschine gehörige Stücke machten weitere 30000 kg aus, welches Gewicht noch drei Waggons in Anspruch nahm. Diese in vieler Hinsicht interessante Maschine hatte in der deutschen Sondermaschinenhalle(s. Deutschland in Fig. 3) Aufnahme gefunden, einem zweistöckigen Gebäude von 60 m Länge und etwa 20 m Tiefe. Als man sicher über sie verfügen konnte, war eine endgültige Entscheidung über alle in Betracht kommenden, von der französischen Ausstellungsleitung dem Deutschen Reiche zugeteilten Plätze bereits getroffen worden. Auch in der reichsseitig errichteten Halle war eine Platzzuteilung schon erfolgt, so dass lediglich ein ursprünglich zur Aufnahme eines Dekorationsstückes bestimmt gewesenes Mittelstück der Halle übrig blieb. Teils wegen der sehr beschränkten Platzverhältnisse, teils um die Dynamo in allen Teilen sichtbar zu machen, entschloss sich die Gesellschaft dazu, die Maschine gänzlich über Boden zu setzen. Diese Anordnung machte die Aussparung eines Balkons im ersten Stock der Halle und die Konstruktion einer besonderen zweiarmigen Freitreppe erforderlich, welche von dem Eisenwerk Joly in Wittenberg ausgeführt worden ist. Textabbildung Bd. 316, S. 134 Fig. 3. Textabbildung Bd. 316, S. 134 Fig. 4. Textabbildung Bd. 316, S. 134 Fig. 5. Es entstand aber noch eine weitere, weit schwierigere Aufgabe, nämlich die Montage, welche eine um so heiklere Arbeit darstellen musste, als Hebezeuge für die in Betracht kommenden Gewichte mit der Eisenkonstruktion der in allen Teilen in Ausführung begriffenenHalle nicht in Verbindung gebracht werden konnten. Transport und Montage der Ausstellungsdynamo bilden deshalb eine äusserst interessante technische Leistung, welche es verdient, in weiteren Kreisen beachtet zu werden. Der Sachlage angemessen, wurde eine Eisenkonstruktion gewählt, welche ohne weitausladende Stützpunkte nicht allein kräftig genug sein musste, um die Dynamo zu halten, sondern auch bei der durch die Erregermaschine bewirkten Drehung des Induktors Vibrationen nicht zeigen durfte. Die allgemeine Disposition der Maschine in der Halle zeigen Fig. 1 und 2. Da es nun nicht möglich war, die einzelnen Dynamoteile bis zur deutschen Maschinenhalle zu führen und sie dort erst von den Eisenbahnwaggons abzuladen, so wurde das folgende Verfahren eingeschlagen. Die Waggons legten in Paris den gewöhnlichen Weg vom Bahnhof Champ de Mars durch die Sue de la Föderation (Fig. 3) bis in das Ausstellungsterrain zurück, wurden daselbst über die Drehscheibe D zum Flohr'schen 25-Tonnenkran A geschoben und von diesem auf normalspurige Spezialwagen umgeladen. Die letzteren wurden nunmehr wieder über die Drehscheibe D auf den zwischen der Haupthalle und dem deutschen Annex verlegten Geleise bis zur Stelle B gezogen. Hier war eine Drehscheibe nicht vorgesehen. Um nun den Wagen weiter von B aus auf das von der Gesellschaft in die Halle verlegte Anschlussgeleise G überzuführen, hatte man die Spezialwagen geteilt ausgeführt, derart, dass das bis B rollende Untergestell ein oberes Gestell trug, welches bei B abrollen und direkt auf das entsprechend hoch gelegte Geleise G auffahren konnte. Diese Spezialwagen wurden von der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft eigens zu dem Zwecke gebaut und mit nach Paris versendet. Zu beiden Seiten des Standortes der Dynamo waren je zwei besonders kräftige Bockwinden errichtet worden, welche zum Heben und zeitweisen Tragen der Maschinenteile dienten. Es wurden nun zum Kran A je ein zusammengehöriges Paar Magnetinduktorviertel und ein Gehäuse viertel gefahren, dort passend auf einen zweiteiligen Spezialwagen montiert und sodann auf dem angegebenen Wege zum Aufstellungsplatz geseilt. Nacheinander schob man erst so die beiden oberen Viertel (vom Induktor und Gehäuse) zusammen, hob sie mittels durchgesteckter Querträger und der Winden hoch, legte die Welle mit dem Erreger unter, brachte die unteren Maschinenteile an ihren Platz und senkte dann die obere Hälfte samt Welle bis zu regelrechter Lage nieder. Nachdem das Trägergestell vollkommen unterbaut war, konnten die Winden entfernt werden. Textabbildung Bd. 316, S. 135 Fig. 6. Textabbildung Bd. 316, S. 135 Fig. 7. Die einzelnen Phasen des Montageverfahrens sind aus den Fig. 4 bis 19 ersichtlich. Fig. 4 zeigt die beiden oberen Gehäuse- und Induktorviertel auf den Spezialwagen w montiert in der Werkstatt der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft, zum Angriff der Winden mittels der Traversen sind besondere Auflageflächen t an den Eadarmen vorgesehen. Auch die unteren Viertel wurden in der Werkstatt auf den Spezialwagen w (Fig. 5) montiert, zugleich mit der unterstützenden Eisenkonstruktion. Der Transportzug (Fig. 6 zeigt denselben auf dem Rangierbahnhof der Maschinenfabrik) musste geschlossen bis Parisüberführt werden; und schon mit dieser Bedingung setzte die aufreibende Thätigkeit ein, welche die ganze Energie und Geschicklichkeit gewandter Ingenieure erforderte. Wie ferner die Umladung von den Eisenbahnwaggons auf die Sonderfahrzeuge vor sich ging, lässt Fig. 11 erkennen. Am Haken des Krans A (Fig. 3) hängt ein vom Eisenbahnwagen abgehobenes unteres Gehäuseviertel. Vor und hinter diesem Wagen stehen zwei weitere Waggons mit den unteren Induktor viert ein. In Fig. 12 hat ein mit einem oberen Gehäuse- und Induktorviertel beladener Spezialwagen die Drehscheibe D (Fig. 3) passiert und befindet sich auf dem Wege nach der deutschen Maschinenhalle (am 18. März 1900). Die Ueberführung dieses Maschinenteiles von der Lowry l auf das Geleis C (Fig. 3) und die Einfahrt auf dem Montagewagen w in das Gebäude erfolgte am selben Tage (Fig. 13). Die auf der Lowry l vorhandenen Schienen waren in gleicher Höhe mit den Schienen des Geleises C, so dass eine Art Schiebebühne gebildet wurde. Textabbildung Bd. 316, S. 135 Fig. 8. Am 19. März befand sich das erste Maschinenviertel zwischen den zugehörigen Böcken b (Fig. 14). Der eine Querträger q wurde sogleich durchgeschoben, um später beim Anziehen der Winden unter die Tragflächen t zu greifen und so die Teile des Induktors und Gehäuses zusammen nach oben zu winden. Am selben Tage wurde noch das andere Viertel eingebracht, so dass am 20. März der ganze obere Teil zum Aufwinden bereit stand (Fig. 15). Die Art der Aufbringung eines der unteren Maschinenviertel macht Fig. 16 erkenntlich. Das Gehäuseviertel ist mit dem schmiedeeisernen Untergestell und dem Montagewagen w in der Haupthalle soeben auf die Lowry l aufgesetzt worden (21. März 1900). Man ersieht, in welch sorgfältiger Weise bereits in den Werkstätten der Allgemeinen Elekrizitäts-Gesellschaft in Berlin auf einen Angriffspunkt des Kranhakens, der genau über dem Schwerpunkt des gesamten Maschinenstückes liegt, Rücksicht genommen wurde. Textabbildung Bd. 316, S. 136 Fig. 9. Inzwischen hatte man, um die unteren Maschinenteile einführen zu können, mit dem Aufwinden des zusammengesetztenoberen Teiles begonnen. Die Arbeit konnte nur von Hand ausgeführt und wegen der notwendig gewesenen grossen Uebersetzung erst am 23. März beendet werden. Fig. 17 lässt an den Böcken b die Spindeln erkennen, an denen die Querträger q aufgewunden worden sind. Rechts unten sieht man die Erregerdynamo bereits gestellt, so dass sie zugleich mit Welle und Lagern, ehe die unteren Teile der Maschine hereingebracht wurden, durch besondere, an den Böcken b angebrachten Flaschenzügen nach oben gebracht werden konnte. Am selben Tage wurde noch ein unteres Viertel eingefahren und das zweite bis an den Annex gebracht. Fig. 18 zeigt den Zustand der Montagearbeiten vom 25. März. Textabbildung Bd. 316, S. 136 Fig. 10. Textabbildung Bd. 316, S. 136 Fig. 11. Die obere Maschinenhälfte hängt in der Luft, das untere hintere Maschinenviertel befindet sich an seinem Platze, nachdem vorher Welle mit Erregermaschine eingesetzt worden sind. Am folgenden Tage (26. März) war schon das letzte Maschinenviertel an Ort und Stelle und konnte mit dem Herablassen des oberen Teiles begonnen werden. Die Zusammensetzungsarbeit, die Anbringung von Treppe, Postamenten und Geländer, sowie die Wegräumung der Böcke, Winden und Querträger wurden am 11. April beendet; die Situation an diesem Tage zeigt Fig. 19. Textabbildung Bd. 316, S. 137 Fig. 12. Der verhältnismässig grosse Aufenthalt zwischen dem 26. März und dem 11. April wurde dadurch verursacht, dass infolge vorgekommener Verschiebung der Maschine zum Gebäude, welche das Trägergestell der Dynamo mit der Treppe der Halle in Kollision brachte, eine Abänderung der Eisenträger an Ort und Stelle bedingte. Diese Arbeit erforderte mehrere Tage, welche eine Unterbrechung der eigentlichen Montagearbeit bedeuteten und von der Dauer derselben gekürzt werden müssen. Von dem Hereinbringen des ersten Maschinensegmentes bis zu dem in Fig. 19 dargestellten betriebsfertigen Zustand der Anlage, als die eigentliche Montagezeit, sind knapp 2½ Wochen zu rechnen. Ist diese Leistung an sich als hervorragend anzuerkennen, sogewinnt sie an Bedeutung durch die mancherlei unvorhergesehenen Widerwärtigkeiten, welche durch die nämlichen bei der Montage beteiligten Kräfte beseitigt werden mussten. So machte die Herrichtung des Durchfahrtsprofils auf dem Wege von der Drehscheibe D zum Annexe, welcher mit Erdhaufen, Buden und Bäumen besetzt war, viel Schwierigkeiten und erforderte öftere Verhandlungen mit der Ausstellungsleitung. Die Arbeiten unter dem Kran mussten stets ohne Pause zu Ende geführt werden, weil das betreffende Geleise ausserordentlich stark besetzt war; es passierten an den in Betracht kommenden Tagen Hunderte von Waggons den die deutsche Dynamogruppe durchschneidenden Strang. Ausserdem waren die Verhältnisse bei der damaligen französischen Manutention derartige, dass die Heranziehung der eigenen Monteure zum Schieben der Waggons geboten erschien. Textabbildung Bd. 316, S. 137 Fig. 13. Textabbildung Bd. 316, S. 137 Fig. 14. In entsprechender Weise ist nach Beendigung der Ausstellung der Abbau der Dynamo erfolgt, welche sofort nach ihrer Rückkunft bei den Berliner Elektrizitäts-Werken Verwendung finden wird. Eine Dynamo gleichen Modells, angetrieben durch eine liegende Viercylinder-Expansionsmaschine ist in der Zentrale „Oberspree“ dieser Werke in Betrieb. Textabbildung Bd. 316, S. 138 Fig. 15. Textabbildung Bd. 316, S. 138 Fig. 16. Textabbildung Bd. 316, S. 138 Fig. 17. Maschinen der gleichen Grosse waren zur Zeit der Weltausstellung acht Stück in den Werkstätten der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft im Bau, während dreizehn weitere in Vorbereitung sich befanden. Die Maschinen sind bestimmt zur Erzeugung hochgespannten Drehstromes in den Zentralen Oberspree und Moabit der Berliner Elektrizitäts-Werke. Der Hochspannungsstrom wird von diesen Zentralen aus einerseits in den Vororten Berlins direkt als Drehstrom verteilt; andererseits soll er in einer Anzahl in Berlinselbst im Bau befindlichen Unterstationen in Gleichstrom umgewandelt werden, um mit den daselbst bereits im Betrieb befindlichen Dampfmaschinenzentralen elektrischen Strom für die Beleuchtung und Kraftübertragung sowie für den Strassenbahnbetrieb Berlins zu liefern. Die Dynamomaschinen werden in ihrer endgültigen Aufstellung durch je eine Viercylinderdampfmaschine mit dreifacher Expansion und von horizontaler Bauart angetrieben; für die Ausstellung war eine Dampfmaschine solcher Grosse nicht zu beschaffen, so dass die Dynamo ohne Antriebsmaschine ausgestellt werden musste. Dies bildet auch den Hauptgrund, weshalb sie nicht in der grossen Halle des Palais de l'Electricité, sondern in dem Annexe allemande aufgestellt worden istEinem Berichte von Oskar von Miller eines unserer bedeutendsten Elektrotechniker, entnehmen wir der Frankfurter Zeitung vom 25. August 1900 folgenden Ausspruch: „Es ist eine, nicht nur von den Deutschen behauptete, sondern auch von Engländern, Amerikanern und in taktvoller und gerechter Weise insbesondere auch von den Franzosen selbst anerkannte Thatsache, dass die deutsche Ausstellung weitaus am grossartigsten und bedeutungsvollsten ist, und dass die Darbietungen der anderen Nationen nicht an sie heranreichen. Indem wir dies mit Genugthuung konstatieren, können wir doch das Bedauern darüber nicht unterdrücken, dass der deutschen elektrischen Industrie gleichwohl nicht Gelegenheit geboten wurde, ihre Leistungen im vollen Umfang zur Geltung zu bringen. Die von den deutschen Firmen im Betrieb vorgeführten vier Dampfdynamomaschinen von durchschnittlich 2000 PS sind die grössten der Ausstellung, doch was besagen sie gegenüber der Thatsache, dass Maschinen von 4000 bis 5000 PS heute zu unseren Normaltypen gehören, wie solche demnächst z.B. auch in Frankfurt selbst zur Aufstellung kommen sollen! Solche Riesenmaschinen im regulären Betrieb vorzuführen, wäre Sache der Weltausstellung gewesen. Es musste gezeigt werden, dass das Bedürfnis nach solchen Einheiten in Deutschland bereits besteht. Zu einer Zeit, wo in Deutschland alle möglichen Systeme elektrischer Bahnen bereits erprobt sind, wo der elektrische Schnell- und Fernbetrieb unter Mitwirkung deutscher Firmen bereits zur praktischen Einführung gelangen soll, und wo deutsche Firmen wohl an 100000 PS für elektrochemische Zwecke geliefert haben, musste der deutschen Industrie Gelegenheit gegeben werden, ihr vielseitiges Können an der Lösung der vorerwähnten grossen Probleme zu erweisen.“ Welch ein bescheidenes Plätzchen war aber diesem mit so grosser Mühe, so grossen Kosten und mit so viel aufreibender Arbeit aufgestellten grössten und bedeutendsten Ausstellungsstück der deutschen Starkstromtechnik zugewiesen in dem von nur dem kleineren Teile der Ausstellungsbesucher beachteten, von dem Verkehrsstrom nicht berührten, unansehnlichen Annexe! D. R. Textabbildung Bd. 316, S. 139 Fig. 18. Textabbildung Bd. 316, S. 139 Fig. 19.