Titel: Moderne Dampfkesselanlagen.
Autor: O.Herre
Fundstelle: Band 317, Jahrgang 1902, S. 45
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Moderne Dampfkesselanlagen. Von O.Herre, Ingenieur und Lehrer. (Fortsetzung von S. 24 d. Bd.) Moderne Dampfkesselanlagen. Besondere Aufmerksamkeit widmet man in neuerer Zeit der Wasserzirkulation der Kessel. Letztere vermag die Verdampfungsfähigkeit der Heizfläche bedeutend zu erhöhen, indem die Dampf blasen, welche sich an der Heizfläche bilden, und welche bei träger Wasserbewegung haften bleiben und als schlechte Wärmeleiter den Wärmedurchgang erschweren, durch die Wasserströmung mitgenommen werden, um kühlerem Wasser Platz zu machen. Auch die Betriebssicherheit wird erhöht, denn die Wasserzirkulation sucht die Entstehung des sogen. Wärmestaues zu verhindern. Schliesslich wird die Ablagerung des Kesselsteins in günstiger Weise beeinflusst, indem an der wirksamsten Heizfläche über der Feuerung, wo sonst bei mangelhafter Wasserbewegung der meiste Kesselstein abgeschieden wird und hier gefährlich werden kann, die Ablagerung durch eine Rohrpumpe, energische Wasserzirkulation bedeutend vermindert wird. Bei den üblichen Walzenkesseln, wo die Speisung am hinteren Kesselende erfolgt, wird ein grosser Teil des Kesselsteins hinten abgeschieden, denn dieser hintere Teil ist naturgemäss von der Wasserbewegung mehr oder minder ausgeschlossen und bildet einen Schlammsack. Durch rechtzeitiges Abblasen des Schlammwassers an dieser Stelle können erhebliche Mengen des Schlammes abgeschieden werden. Textabbildung Bd. 317, S. 45 Fig. 36. Einbau der Dubiau'schen Rohrpumpe. Textabbildung Bd. 317, S. 45 Mehrfacher Walzenkessel mit Dubiau'scher Rohrpumpe von Crépelle-Fontaine. Man kann nun die Wasserzirkulation entweder durch eine zweckentsprechende Bauart des Kessels auf natürlichem Wege oder auch durch künstliche Mittel erreichen. Von den letzteren hat besonders die Dubiau'sche Rohrpumpe weite Verbreitung gefunden. Mit Hilfe derselben lässt sich selbst in Kesseln, die ihrer Bauart nach nur eine geringe Wasserbewegung besitzen, eine energische Zirkulation erreichen, während bei zweckmässiger Bauart der Kessel die natürlich vorhandene Zirkulation bedeutend gesteigert wird. Die Einrichtung und Wirkungsweise der Dubiau'schen Rohrpumpe darf als bekannt vorausgesetzt werden (D. p. J. 1899 313 * 93). In den Fig. 36 bis 42 soll die Benutzung der Rohrpumpe an Walzenkesseln gezeigt werden. Fig. 36 zeigt den Einbau der Dubiau'schen Rohrpumpe für einen einfachen liegenden Cylinderkessel mit Unterfeuerung. Heber der direkt vom Feuer getroffenen Heizfläche wird eine Dampfhaube angeordnet; in derselben bildet sich ein zweiter Wasserspiegel in solcher Höhenlage, dass die schräg abgeschnittenen Enden der Rohre gerade eintauchen. Die Dampf blasen treten nun in die Rohre ein, reissen das umgebende Wasser mit und fördern letzteres in den Rohren in die Höhe. Das geförderte Wasser wird hierauf durch die Haube nach hinten bezw. nach den Seiten des Kessels abgeleitet. Die schräge Form der Rohrenden ergibt eine möglichst feine und gleichmässige Verteilung der Dampf blasen im Wasser; infolge derselben erfolgt der Austritt der Mischung in ruhigem Strome ohne unregelmässiges Emporschleudern von Wasser in den Dampfraum, und die Trennung von Dampf und Wasser geschieht ruhig, wie es sich durch Besichtigung des beleuchteten Inneren eines Kessels zeigte. Das geförderte Wasser wird beständig durch eine gleiche Menge, die unter dem Rande der Haube zufliesst, ersetzt, wodurch eine lebhafte Bespülung der wirksamsten Heizfläche verursacht wird. Auf diese Weise lässt sich bei dem einfachen Walzenkessel, der sonst ohne erhebliche Wasserzirkulation ist, doch eine gute Wasserbewegung erreichen. Die Fig. 37 und 38 zeigen die Anwendung der Dubiau'schen Rohrpumpe an einem mehrfachen Walzenkessel, bestehend aus zwei Gruppen zu je zwei Etagen. Dieser Kessel wird von der Firma Ch. Crépelle-Fontaine in La Madeleine bei Lille gebaut und ist in Nordfrankreich ziemlich verbreitet. Der vordere, unmittelbar über der Feuerung liegende Verbindungsstutzen ist durch eine Dampfhaube abgeschlossen, welche die bis zum Wasserspiegel führenden Rohre aufnimmt. Der hintere Stutzen ist mit einer Leitkappe im Unterkessel versehen, durch welche das Wasser gezwungen wird, bis an das hintere Kesselende zu strömen. Hierdurch wird auch dieses Kesselende in die Zirkulation eingeschlossen. Textabbildung Bd. 317, S. 45 Walzenkessel mit Dubiau'scher Rohrpumpe. Aehnlich ist die Ausführung bei dem Kessel Fig. 39 und 40, wo die beiden Unterkessel mit dem gemeinsamen Oberkessel an den beiden vorderen Verbindungsstutzen mit Rohrpumpen versehen sind. Bei dem Batteriekessel Fig. 41 und 42 sind die Rohre durch die mittleren Kessel hindurch bis zum Wasserspiegel des Oberkessels geführt. Nachstehend sind die Ergebnisse von Versuchen mit und ohne Dubiau-Pumpe wiedergegeben, die an der Kesselanlage der Compagnie Française Thomson-Houston, Elektrizitätswerk der Trambahn zu Amiens, ausgeführt wurden. Textabbildung Bd. 317, S. 46 Batteriekessel mit Dubiau'scher Rohrpumpe. Das Werk besitzt drei Kessel mit übereinander liegenden Siedern, die mit Dubiau-Pumpe ausgerüstet sind; die Heizfläche jedes Kessels beträgt 95 qm, die Rostfläche 9,72 qm. Tag der Versuche                              1899 12. Sept. 15. Sept. 16. Sept. Versuchsdauer                            Stunden 8,3 6,0 6,25 Betrieb mit oder ohne Dubiau-Pumpe ohne mit mit      „        „     „      „    Ekonomiser mit ohne mit Mittlere Dampfspannung                     at 7,5 7,34 6,28 Temperatur des Speisewassers            ° 23,38 20,9 20,0        „             „          „                       am    Ekonomiser                                      ° 117,45 113,5 Wasser verdampft gesamt                  kg 11785,0 10651,0 13340,0 Dampferzeugung stündlich                  „ 1433,0 1775,0 2135,0 Art des verbrauchten Brennmaterials Briketts v. Anzin, Marinequal. Kohlenverbrauch brutto                     kg 1415,0 1220,0 1437,0 Asche                                                 „ 14,0 16,0 18,5 Schlacke                                             „ 78,0 63,0 87,5 Kohlenverbrauch netto                       „ 1323,0 1141,0 1331,0 Wasser verdampft per 1 kg Kohle    brutto                                              kg 8,328 8,788 9,213 Wasser verdampft per 1 kg Kohle    netto                                               kg 8,907 9,335 10,023 Wasser verdampft per 1 qm Heiz-    fläche und Stunde                          kg 14,9 18,5 22,4 Steigerung des Nutzeffekts des Kessels    mit Dubiau-Pumpe, jedoch ohne    Ekonomiser, gegenüber dem glei-    chen Kessel ohne Dubiau-Pumpe,    aber mit Ekonomiser                      % 5,5 Steigerung der Leistung bei gleichen    Verhältnissen                        % 23,8 Steigerung des Nutzeffekts des Kessels    mit Dubiau-Pumpe und Ekonomiser,    gegenüber dem gleichen Kessel    ohne Dubiau-Pumpe, aber mit    Ekonomiser                                   % 16,2 Steigerung der Leistung bei gleichen    Verhältnissen                                % 48,9 Der gegenwärtige Stand der Anschauungen über den Wert der Dubiau-Pumpen, soweit sie in der Fachliteratur zum Ausdruck gekommen sind, mag in folgender Zusammenfassung wiedergegeben sein mit dem ausdrücklichen Bemerken, dass damit nicht ein fertiges Urteil, sondern der Ausgangspunkt für weitere Klärung der Frage vorliegtNach Ernst Brückner: Ueber Dampfkessel mit Dubiau'scher Rohrpumpe. Zeitschrift des Bayerischen Dampfkessel-Revisionsvereins, 1899 Nr. 1 und 2.. Der Wärmedurchgang durch die Heizfläche wird durch gesteigerte und geregelte Wasserbewegung gefördert; soweit daher die Dubiau'sche Einrichtung die Wasserzirkulation zu beschleunigen und zu regeln im stände ist, muss dieselbe als ein nützliches Hilfsmittel angesehen werden, das eine ähnliche Wirkung ausübt, wie eine Vergrösserung der Heizfläche; dass die Rohrpumpe an und für sich im stände ist, die beabsichtigte Wasserbewegung hervorzurufen, ist sowohl durch den zu Grunde liegenden physikalischen Vorgang im allgemeinen festgestellt, wie auch in einzelnen Fällen der Anwendung in Dampfkesseln einwandfrei nachgewiesen mit dem praktischen Resultat, dass sich mit derselben ohne Verminderung des Wirkungsgrades und der Dampftrockenheit und ohne missliche Erscheinungen, wie Ueberkochen u.s.w., eine wesentlich grössere Dampfentwickelung erzielen lässt, als ohne dieselbe. 30 bis 40 kg pro Stunde und Quadratmeter Heizfläche sind erreicht worden, also das Doppelte des bisher üblichen. Bei gleichbleibender Dampfproduktion wurde in mehreren Fällen bei ein und demselben Kessel mit Rohrpumpen ein besserer Wirkungsgrad festgestellt, als ohne solche. Von grosser Wichtigkeit ist es, dass bei starker Anstrengung von Kesseln mit Rohrpumpen auf unveränderten Trockenheitsgrad des Dampfes gerechnet werden darf und zwar auf Grund der durch direkte Beobachtung (elektrische Beleuchtung des Kesselinneren) konstatierten ruhigen Lage des Wasserspiegels und aus dem gleichförmigen Austritt des Dampfgemisches aus den „Emulseuren“; diese Erscheinungen werden, wenn sie als sicherer Erfolg der Dubiau'schen Einrichtung – wenigstens für bestimmte Kesselsysteme – eine weitere Bestätigung erfahren, derselben auch da besonders Eingang verschaffen, wo stark schwankender Dampf bedarf vorliegt, und die Bemessung der Anlage auf Grund der Maximalleistung nicht thunlich ist. Für Neuanlagen bedeutet die Anbringung derselben, soweit die Wasserbewegung durch sie noch verbessert werden kann, eine Ersparung an Heizfläche, Kesselgewicht und Raum; ob auch an Anlagekosten, ist uns zur Zeit nicht bekannt. Ein weiterer Vorteil, über den bei dem geringen Alter der Erfindung die Praxis ihr abschliessendes Urteil noch nicht abgegeben haben kann, lässt sich aus dem Vorigen, welcher das Eintreten der beabsichtigten energischen Bespülung der wirksamsten Heizfläche in einer Reihe von Fällen ausser Frage stellt, indirekt ableiten; erstens wird der „Wärmestau“ und damit die Beanspruchung des Kesselmaterials vermindert, zweitens das Zusammenbacken des Schlammes zu dickeren Schichten hintangehalten bezw. an eine geeignete Stelle verlegt. Soweit übrigens bisher Beobachtungen bezüglich der Konservierung von Kesseln mit Rohrpumpen gemacht wurden, zeigten dieselben günstiges Ergebnis (Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1897 Nr. 28). Die Frage, ob sich bei jahrelangem Betrieb die Rohrpumpen selbst frei von Kesselsteinablagerungen und Verstopfungen halten lassen und besonders, ob der Einbau die Unterhaltung des Kessels nicht wesentlich erschwert, ist vor allen anderen noch der Klärung bedürftig. Eine Verstopfung der Pumprohre würde dazu führen, dass der „Hilfswasserspiegel“ bis an den unteren Rand der Haube sinkt, wodurch ein bedeutender Teil des Wasserraumes des Kessels einfach lahm gelegt und die Regellosigkeit der Wasserbewegung im übrigen Teil bedeutend verschlimmert würde. Wenn ferner der Einbau die am stärksten beanspruchten Teile der Wandung schwer zugänglich macht, so ist ebenfalls von vornherein zu erwarten, dass die hieraus im Laufe der Zeit entstehenden Nachteile den Nutzen der Rohrpumpen, der ja im wesentlichen auf Schonung und Reinhaltung der Heizflächen gegründet ist, aufwiegen. Dass die Schonung des Kesseleinsatzes erhöhte Vorsicht beim Reinigen des Kesselinneren erheischt, ist selbstverständlich. (Fortsetzung folgt.)