Titel: Die Fortschritte im Eisenhüttenwesen in den letzten fünf Jahren.
Autor: Karl Brisker
Fundstelle: Band 317, Jahrgang 1902, S. 56
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Die Fortschritte im Eisenhüttenwesen in den letzten fünf Jahren. Von Ingenieur Karl Brisker, Assistent an der k. k. Bergakademie in Leoben. (Fortsetzung von S. 49 d. Bd.) Die Fortschritte im Eisenhüttenwesen in den letzten fünf Jahren. Konnten wir die früheren Betrachtungen unter dem gemeinsamen Gesichtspunkte des Strebens nach Massenproduktion anstellen, so wird sich jetzt, wo wir mehr die Details des Hochofenbetriebes zu besprechen haben, als roter Faden das Streben nach rationellem Betriebe kenntlich machen. Dieses äussert sich vorzugsweise in einer möglichst dauerhaften, betriebssicheren Herstellung der einzelnen Apparate und in der weitgehendsten Ausnutzung aller Vorgänge und Erzeugnisse. 4. Fortschritte in den Konstruktionen des Hochofenbaues und der Nebenapparate. Was die Hochöfen als Ganzes betrifft, so ist ihre Grösse in der letzten Zeit eine ganz bedeutende geworden. Die grössten Oefen der Welt dürften gegenwärtig die zu Youngstown sein, welche der National Steel Co. zu Ohio gehören. Sie haben eine lichte Höhe von 32,5 m bei einem Fassungsraum von 760 cbm, einen Durchmesser von 7 m im Kohlsack und 4,5 m im Gestelle, und erzeugen in 24 Stunden 700 t. Es braucht wohl nicht darauf hingewiesen zu werden, dass die Grösse des Ofens eine Funktion lokaler Verhältnisse der Erz- und Koksbeschaffenheit ist, dass also die Grösse des Ofens und die mit ihr verbundene grosse Erzeugung nicht das einzige Zeichen einer fortschreitenden Entwickelung der Hochofenindustrie eines Gebietes sind. Im Gegenteil, nicht selten hat das Streben, die Erzeugung pro Ofen zu vergrössern, zu nicht wirtschaftlich arbeitenden Anlagen geführt. Für den Konstrukteur allerdings bedeuten die mächtigen Oefen der neueren Zeit einen gewaltigen Fortschritt, da die bei kleinen Oefen ausreichenden Konstruktionen sich nicht immer proportional der Vergrösserung verändern liessen, sondern Neuerungen erforderten. Wie sich dies bezüglich der Herbeischaffung der Materialien äusserte, haben wir bereits kennen gelernt. A. Gichtverschlüsse. Ein Hauptaugenmerk erforderten vor allem die Anlagen auf der Gicht des Ofens. Eine Menge neuer Fragen war zu lösen. Wie werden die Materialien zweckmässig in den Ofen gestürzt, so dass sie sich in demselben richtig verteilen? Wie kann man das erzielen, ohne die teure und dazu noch unverlässliche Menschenhand? Welche Art der Kraftanwendung ist die betriebssicherste und zugleich am wenigsten Platz raubende? Wie ist ein Dichthalten des Ofenverschlusses zu erzielen, damit keine Gase, dieses in letzter Zeit so besonders geschätzte Produkt, verloren gehen? Wie vermeidet man Gasverluste bei dem unvermeidlichen Oeffnen des Gichtverschlusses beim Einstürzen des Materials in den Ofen?, Das sind nur einige Fragen von den vielen, die der Lösung harrten und es zum Teil noch immer thun, wie die fortwährend gemachten neuen Vorschläge es erkennen lassen. Die Praxis legt der theoretisch einfachen Lösung in diesem Falle sehr grosse Schwierigkeiten in den Weg. Textabbildung Bd. 317, S. 56 Fig. 25. Brown'scher Gichtverschluss. Bei den in letzter Zeit in Verwendung genommenen Gichtverschlüssen können wir zwei Standpunkte kennzeichnen. Erstlich wird auf Gasverluste keine Rücksicht genommen, sondern das Hauptgewicht auf ein durchaus selbstthätiges Funktionieren der ganzen Gichtvorrichtung gelegt. Für diesen Fall ist der einzig zweckentsprechende Gichtverschluss der Brown'sche (Fig. 25). Auch was die Verteilung des Möllers betrifft, ist durch diese Vorrichtung eine einfache und günstige Lösung gefunden worden. Dieser Apparat wirkt in der Weise, dass das Material in den Trichter A durch irgend eine der schon früher geschilderten selbstthätigen Gichtförderungsvorrichtungen gestürzt wird. Dieser Trichter ist drehbar angeordnet, so zwar, dass er durch ein in den an seinem Umfang angebrachten Zehnkranz eingreifendes Zahnrad um ein beliebig zu bestimmendes Stück verdreht wird. Die Bewegung des Zahnrades erfolgt durch die Bewegung des Gichtaufzuges, indem von den Seilscheiben her durch Zahnradumsetzung die Welle S gedreht wird. Durch die Drehung des Trichters wird das Material in dem Raume B völlig gleichmässig verteilt und durch Senken des Trichters G in den Ofenraum gestürzt. Der zweite Standpunkt, der eingenommen werden kann, ist der, dass man auf ein selbstthätiges Begichten verzichtet und das Augenmerk lieber auf die Vermeidung von Gasverlusten richtet. Dies wird im allgemeinen nur bei Oefen mit geringerer Erzeugung am Platze sein, wo also die Menge der Gichtmaterialien klein ist, insbesondere dort, wo ausserdem eine vollständige Ausnutzung der Gase bezweckt wird. Textabbildung Bd. 317, S. 57 Fig. 26. Buderus'scher Gasfang. Zwei Konstruktionen haben auf diesem Gebiete Anwendung gefunden: der Buderus'sche Gasfang und Dr. Neumark's doppelter Gasfang. Der erstere ist in Fig. 26 skizziert und hat einen doppelten ringförmigen Wasserabschluss A B. Beim Füllen des Gichttrichters ist der Deckel D emporgehoben. Ist das Füllen vollendet, so wird derselbe herabgelassen und in der aus der Zeichnung ersichtlichen Weise durch Wasser abgedichtet. Nun wird der cylindrische Teil E gehoben und das Material stürzt in den Ofen. Einfacher in der Konstruktion, doch völlig gleich in der Wirkungsweise ist der Neumark'sche Gichtverschluss (Fig. 27). Auch hier ist bei der Begichtung der Deckel D emporgehoben, wird dann beim Einstürzen in den Ofen niedergelassen, unter Wasser abgedichtet, wobei der Teil A aufgezogen wird. Das Auf- und Niederlassen der einzelnen Teile erfolgt stets durch doppelt angeordnete Balanciers. Vorteilhaft ist hierbei ausser der Vermeidung von Gasverlusten, die Verhütung von Explosionen, die Verminderung des Gichtstaubes, die grössere Haltbarkeit des Verschlusses, der keiner Gichtflamme ausgesetzt wird, und vor allem die Möglichkeit einer zentralen Abführung der Gichtgase, ein Umstand, der für den guten Gang des Ofens von grosser Bedeutung ist. Bei der Brown'schen Vorrichtung müssen die Gase seitlich abgeleitet werden. Textabbildung Bd. 317, S. 57 Fig. 27. Dr. Neumark's doppelter Gasfang. Viele Ueberlegung hat die Frage erfordert, welche Kraftanwendung für die Bewegung der Gichtverschlüsse am zweckmässigsten sei. Im allgemeinen kommen in Betracht, Bewegung von Hand aus durch eine Winde, Bewegung durch Dampf, hydraulische, pneumatische oder elektrische Motoren. Man muss sich vergegenwärtigen, dass solche Apparate sehr ungünstigen Einflüssen ausgesetzt sind, der Hitze der Gichtflamme einerseits, dem Winterfroste andererseits, ferner dem Staub der Gase, dass eine Ueberwachung derselben schwierig ist, dass ihre Bedienung und Inbetriebsetzung auch von entfernter Stelle möglich sein muss. Was den letzten Punkt betrifft, so schien der elektrische Antrieb zweckmässig, doch machte hier die Hubbegrenzung Schwierigkeiten. Es galt, den Elektromotor in seiner Bewegung unabhängig zu machen von der der Gichtglocke. Dies erreicht die in Fig. 28 skizzierte Anordnung von Schwartze (Stahl und Eisen, 1901 Nr. 10) in einfacher Weise. Der Gichtverschluss ist an einem Hebel aufgehängt, auf dessen längerem Schenkel ein Gewicht G auf einer Schraubenspindel bewegbar angeordnet ist. Die Verschiebung des Gewichtes erfolgt durch einen Elektromotor M1. Nähert sich das Gewicht dem Drehpunkte des Hebels, so wird der Verschluss geöffnet. Die Hubbegrenzung H ist unabhängig vom Motor. Die ganze Vorrichtung ist in einem völlig staubdicht verschlossenen Gehäuse untergebracht. Textabbildung Bd. 317, S. 57 Fig. 28. Schwartze'sche Hubvorrichtung für den Gichtverschluss. Textabbildung Bd. 317, S. 57 Fig. 29. Gichtglockenaufzug der Union-Elektrizitätsgesellschaft. Dieser sinnreichen Bewegungsvorrichtung stehen, was elektrische Kraftanwendung betrifft, zumeist elektrisch angetriebene Winden gegenüber. Die hierbei des öfteren erzielten schlechten Betriebsergebnisse sind zumeist auf eine missverstandene Anwendung von für diesen Zweck nicht brauchbaren Konstruktionen zurückzuführen. Die Union-Elekrizitäts-Gesellschaft Berlin baut Gichtglockenaufzüge, die, wie Fig. 29 zeigt, elektrisch angetriebene Schraubenwinden sind. Der Motor M1 ist wasser- und staubdicht gekapselt, das Rädertriebwerk arbeitet in einem Oelbade, das gleichfalls völlig abgeschlossen ist, und die Bewegung des Gichtverschlusses wird von der vertikal beweglichen Mutter M abgeleitet. Bei Erreichung der Hubbegrenzungen schaltet sich der Motor selbstthätig aus. (Ausführlichere Mitteilungen sind in Stahl und Eisen, 1901 S. 1353, enthalten.) Textabbildung Bd. 317, S. 57 Fig. 30. Ridgway'sches Lufthebezeug. Fig. 30 skizziert eine sehr einfache Bewegungsvorrichtung, das Ridgway'sche Lufthebezeug (Stahl und Eisen, 1901 S. 734). Die Wirkungsweise ist aus der Zeichnung ersichtlich. Die Winde W ist für Reservezwecke vorgesehen. Zum Betriebe ist ein eigener Kompressor erforderlich und es wäre vorteilhaft, wenn die Druckluft des Hochofengebläses für diesen Zweck nutzbar gemacht werden könnte. Die pneumatischen Bewegungsvorrichtungen haben den Vorteil vor den hydraulischen voraus, dass sie im Winter vor dem Einfrieren geschützt sind. B. Gasleitung und Gasreinigung. In Verbindung mit den Gichtverschlüssen und Gasfängen sollen die Gasleitungen und jene in dieselben eingeschalteten Gasreinigungsapparate besprochen werden. Bezüglich der ersteren sind wichtige Neuerungen nicht zu berichten, dafür ist das Gebiet der Gichtgasreinigung in den letzten Jahren ein überaus ergiebiges gewesen. Die Gichtgase reissen aus dem Ofen grobe und feine Staubteile, vom Erz, Koks und Kalkstein herrührend, mit, und während es möglich ist, lediglich durch Geschwindigkeitsänderungen und Richtungsänderungen in sogen. Trockenreinigern sie von dem groben Staube zu befreien, bereitet die Absonderung des feinen Staubes die grössten Schwierigkeiten. So lange die Gichtgase ausschliesslich nur zur Winderhitzung und Kesselfeuerung benutzt wurden, brauchte man sich um diesen feinen Staubgehalt nicht zu kümmern, obzwar gleich hier bemerkt werden soll, dass insbesondere die Winderhitzungsapparate durch den Staubgehalt ziemlich stark bezüglich ihrer Dauerhaftigkeit und Heizkraft beeinflusst werden. Als jedoch die Gichtgase zum Betriebe von Gasmotoren herangezogen wurden, war die völlige Reinigung vom Staube eine Lebensfrage. Dazu kam hier noch die Forderung der Wasserdampfabscheidung, die glücklicherweise mit der Reinigung vom Staub Hand in Hand geht. Textabbildung Bd. 317, S. 58 Fig. 31. Sägemehlreiniger der Friedenshütte. Eine der ersten Anlagen, welche das Gichtgas zum Motorbetrieb verwendete, die Friedenshütte in Oberschlesien, reinigt ihre Gase durch die in Fig. 31 skizzierten Sägemehlreiniger. Eine ausführliche Beschreibung der ganzen Anlage ist in Stahl und Eisen, 1901 S. 442, enthalten. Diese Reinigungsvorrichtungen, von denen auf der genannten Anlage 16 Stück, je vier an eine Zuleitung, je acht an eine Ableitung angeschlossen, vorhanden sind, enthalten zwei Holzroste, die mit grober Sackleinwand belegt werden, worauf dann eine 70 mm hohe Schicht Sägemehl gestreut wird. Das Gas, welches zuvor Trockenreiniger passiert hat, durchstreicht diese beiden Lagen und ist nach seinem Austritte rein und trocken. Man kann sich von der vorzüglichen Wirkungsweise dieser Reiniger leicht überzeugen, wenn man die Gase vor und nach dem Passieren derselben auf die Handfläche blasen lässt. Vor dem Eintritt bildet sich auf der Hand in wenigen Sekunden ein nasser, schwarzer Fleck, hinter dem Reiniger ist nur ein trockener Luftstrom zu verspüren und auch nach längerer Zeit keine Spur eines Stäubchens zu bemerken. Diese Apparate reinigen das Gas bis auf einen Staubgehalt von 0,002 g pro Kubikmeter, bei einem Wassergehalt von 5 g pro Kubikmeter. Trotz dieser vorzüglichen Wirkung sind sie nicht mehr vorbildlich, da die Unterhaltungskosten zu gross sind. Es erfordert 1 cbm minutlicher Gasdurchgang 1 cbm Sägemehl pro Monat bei einem Preise von etwa 1,50 M. Textabbildung Bd. 317, S. 58 Fig. 32. Klönne'scher Gasreiniger. Ausser diesem Prinzip der Filtrierung der Gase kann das innige Vermengen mit Wasser eine Reinigung des Gases erzielen. Der in Fig. 32 gezeichnete Klönne'sche Reiniger führt die Gase durch ringförmige Siebe, über die Wasser rieselt. Einfacher lässt sich das mit den bekannten Koksskrubbern erreichen, in denen die Gase gezwungen sind, eine ziemlich hohe mit Wasser berieselte Koksschichte zu durchdringen. Fig. 33 skizziert (nach Stahl und Eisen, 1901 S. 443) einen Vorschlag der Gebr. Körting in Hannover, der eine Kombination beider Reinigungsverfahren ist. Die Gase werden bei D durch einen Dampf Strahlapparat angesaugt, passieren einen Koksskrubber K, einen Wasserabscheidetopf W, darauf drei Sägemehlfilter, und gelangen dann durch einen zweiten Wassertopf in einen Gasbehälter, wo sie aufgesammelt werden. Textabbildung Bd. 317, S. 58 Fig. 33. Körting'scher Gasreiniger. Da die Gasmenge eines Hochofens sehr bedeutend ist – pro 1 t Roheisen etwa 4500 cbm, d. i. bei einer Erzeugung von 300 t pro Ofen und Tag etwa 1000 cbm pro Minute –, so sind alle diese Anlagen zu umfangreich und daher zu kostspielig in der Anlage und Unterhaltung. Allerdings werden ja nicht alle Gase dieser vollständigen Reinigung unterworfen, aber immerhin genug grosse Mengen. Man musste daher trachten, den ganzen Vorgang der Reinigung zu beschleunigen, um diese Apparate in gedrängterer Form zu erhalten. Die Geschwindigkeit des Gasstromes musste zuerst erhöht werden, das führte zur Anwendung von Ventilatoren. Man beobachtete schon beim trockenen Ventilator eine grössere Staubabsonderung, die sich erhöhte, ja beinahe vollständig wurde, wenn man Wasser in denselben einführte. Textabbildung Bd. 317, S. 58 Fig. 34. Windhausen'scher Ventilator-Gasreiniger. Es ist hier nicht der Platz auf die Streitigkeiten einzugehen, die sich bezüglich der Erfindung und Verwendung dieses Prinzips zur Gasreinigung in der letzten Zeit abgespielt haben. Wir skizzieren das Problem in Fig. 34, wie es von Franz Windhausen erdacht und bereits 1883 patentiert wurde. Die Gase treten, von einem Ventilator angesaugt, in einen cylindrischen Raum und werden durch die mitrotierende Trommel spiralförmig gegen die Wand gedrückt, wo ihnen ein gleichfalls spiralförmig herabrieselnder Wasserstrahl entgegenkommt. Durch die hierbei erfolgende innige Berührung mit dem Wasser nimmt dieses allen Staub der Gase auf. In neuester Zeit hat Theisen dieses Zentrifugal-Gasreinigungsverfahren, wie er es nennt, wieder aufgenommen und gleichfalls ein Patent erhalten (vgl. Stahl und Eisen, 1900 S. 1037, 1901 S. 9, 511, 709, 759, 759). Theisen hat das Verdienst, diese Vorrichtung zwar nicht erfunden, wohl aber für die spezielle Verwendung von Gichtgasen ausgearbeitet zu haben. Auch sollen seine Apparate wirtschaftlicher arbeiten als es der gewöhnliche Ventilator thun würde, was schon aus der geringeren Umfangsgeschwindigkeit, mit der sein Gasreiniger läuft, hervorgeht. Sind auf diesem Gebiete in kurzer Zeit namhafte Erfolge erzielt worden, so ist es doch keineswegs abgeschlossen, und wir dürften in Kürze bei der Wichtigkeit der Frage von weiteren Fortschritten zu hören bekommen. (Fortsetzung folgt.)