Titel: Luftschraubenversuche von v. Bradsky.
Autor: Rudolf Mewes
Fundstelle: Band 317, Jahrgang 1902, S. 64
Download: XML
Luftschraubenversuche von v. Bradsky. Von Rudolf Mewes, Ingenieur und Physiker. Luftschraubenversuche von v. Bradsky. Im Anfang des vorigen Jahrgangs von D. p. J. 1901 316 29 und 46 habe ich einen längeren Aufsatz über den künstlichen Flug nach Leonardo da Vinci und Karl Buttenstedt veröffentlicht und darin hervorgehoben, dass nach diesen Flugtechnikern die Lösung des Flugrätsels vornehmlich in der Ausnutzung der Elastizität der künstlichen Flügel beruhe. Bisher fehlte es jedoch an methodischen Versuchen zur Prüfung dieser Anschauungen. Dem ist, wenn man von den mit kleineren Modellen angestellten Flugversuchen des Hamburger Kaufmanns Korf absieht, jetzt erst durch eine Reihe von Versuchen mit elastischen Schrauben Buttensted'scher Konstruktion durch Baron v. Bradsky in Paris abgeholfen worden. Ich lasse darüber im Anschluss an die von v. Bradsky zur Verfügung gestellten Versuchsergebnisse folgende Bemerkungen folgen. Textabbildung Bd. 317, S. 64 Fig. 1. Textabbildung Bd. 317, S. 64 Fig. 2. Neben Santos Dumont u.a. rüstet sich auch o. Bradsky in Paris zu den ferneren Wettkämpfen im Reich der Lüfte. Sein Ballon ist mit Flügeln ausgestattet, da er einen Uebergang zur vogelähnlichen Flugmaschine anzustreben sucht. – Zur Zeit ist er damit beschäftigt, die beste Schraubenform durch Versuche herauszufinden, und erprobt seit einiger Zeit ein elastisches Schraubensystem nach Art desjenigen von Buttenstedt in Rüdersdorf-Berlin (vgl. Fig. 1 und 2). Dasselbe hat Buttenstedt bereits 1882 für dynamische Flugmaschinen von dem Gesichtspunkte aus konstruiert, dass alle Fortbewegungsorgane der Luft- und Wassertiere elastisch sind, und dass starre Schraubenflächen, welche aus Zufall unthätig an dynamischen Flugmaschinen stehen bleiben, hemmend auf den Weiterflug wirken und so eine Katastrophe begünstigen. Die Schiffsbautechnik hat in der That inzwischen festgestellt, dass das unangenehme Stossen auf Dampfern von den starren Flügelschrauben herrührt. Dies würde bei elastischen Schrauben fortfallen, denn diese stellen sich selbstthätig in den geeigneten Druckwinkel ein, während, wenn sie unthätig sind, sie sich in die Bewegungsrichtung des Fahrzeugs stellen. Endlich ist diese Schraube im Zentrum flächenfrei, weil Flächen in der Nähe der Welle selbst während schneller Rotation der Schraube nur hemmen. v. Bradsky hat nun i. die Versuche mit 2-, 3-, 4-, 6- und 8flügeligen Schrauben dieser Art begonnen und durch diese Versuche, welche noch nicht abgeschlossen sind, doch schon festgestellt, dass mit acht Flügeln kein so hoher Effekt zu erzielen ist, wie mit nur sechs Flügeln. Diese Thatsache erinnert an die erste Schiffsschraube Ressel's, welche Schneckenform hatte. Als nämlich die hintere Länge dieser Schraube abbrach, ging plötzlich das Schiff schneller. – Mit weniger Fläche leistete also die Schraube mehr. Dasselbe stellten auch Baker und Alexander bei ihren 9 m grossen Luftschrauben fest, welche 32,5 qm bis an die Schraubenwelle reichende Fläche hatten. Bei Anwendung von 10,5 PS übten dieselben einen Druck von 50 kg aus; als jedoch die Flächen um die Hälfte verschmälert wurden und auch noch die Flächen in der Nähe der Schrauben welle entfernt waren, so dass überhaupt nur noch 9,6 qm Fläche übrig blieben, da brachten bereits 6 PS mit dieser Fläche einen Druck von 43 kg hervor; man hatte also 4,5 PS und 22,9 qm Fläche entbehren können, um dieselbe Leistung zu erzielen. Ferner stellte v. Bradsky fest, dass bei einer Flügelstellung von 45° zur Drehungsebene wohl grössere Umdrehungszahlen, aber geringere Leistungen erzielt wurden, als bei einer Neigung von 22,5°; denn bei ersterer Stellung leistete eine Schraube von 2,85 m Durchmesser durch 350 Umdrehungen in der Minute einen Druck von 41 kg, während im zweiten Falle eine Schraube von nur 2,75 m Durchmesser durch 284 Umdrehungen schon 50 kg Druck lieferte. Die bisher erreichte höchste Wirkung mit einer etwas grösseren Schraube beträgt 70 kg; ein Druck, der einen normalen Menschen hochheben würde. Ueber die Versuchsresultate selbst macht v. Bradsky folgende Angaben: Anzahl derFlügel Anzahl derUmdrehungenpro Minute Zugkraftin kg Stellung desFlügels zurDrehungsebene DoppelteFlügellänge,d.h. Durch-messer derSchraube Druckpro Flügel 8 156 25 o45,0 m2,85 kg  3,1 6 190 25 45,0 2,85   4,2 6 224 27 45,0 2,85   4,8 6 276 34 45,0 2,85   5,3 6 350 41 45,0 2,85   7,0 4 326 31 45,0 2,85   8,0 4 340 33 45,0 2,85   8,2 4 358 39 45,0 2,85 10,0 6 164 29 22,5 2,85   5,0 6 194 39 22,5 2,75   6,7 6 260 49 22,5 2,75   8,2 6 284 50 22,5 2,75 12,3 4 310 44 22,5 2,75 10,0 3 420 44 22,5 2,75 15,0 2 442 33 22,5 2,75 16,5 „Die Tabelle zeigt deutlich, dass eine Steigung von 45° zu gross ist, und dass 22,5° vorzuziehen ist. Trotzdem, dass ich mit derselben Kraft erheblich grössere Umdrehungszahlen erzielte, bleibt die Zugkraft gering. Es geht dabei zu viel Kraft verloren für die Umdrehung des Gestelles. Natürlich spricht dabei aber die Stärke der angewendeten elastischen Federn ein gewichtiges Wort mit; ich hatte sie so bemessen, dass die eines Flügels zusammengenommen bei einer Biegung von etwa 40° 15 kg trugen. Endlich mit sechs Flügeln habe ich die vorhandene Kraft am besten ausgenutzt, während acht zu schwer waren. Bei grösserer Kraft kann sich das meines Erachtens aber ändern. Um etwas Gutes zu machen, möchte ich 3 Monate von früh bis abends nichts anderes machen als Schrauben drehen und 100000 M. verbrauchen können.“ Die Flügel der Schraube bestehen aus Stahlrippen und starkem Webstoff, der straff aufgezogen war; welchen Druck aber die leichte Luftmasse auszuüben vermag, kann man daraus ersehen, dass bei der Rotation der 6flügeligen Schraube der untere linke Flügel an der Stelle zerrissen ist, wo der Arbeiter mit der rechten Hand hinlangt, und dass sich auch bei den meisten anderen Flügeln der Webstoff gereckt hat. Zu bemerken ist noch, dass die Arbeit der Schraube sich günstiger stellen wird, wenn sie in freier Fahrt thätig ist und das freie noch nicht in Bewegung gesetzte Luftmedium als Schraubenmutter benutzt werden kann, was in einem Schuppen nicht möglich ist, weil die Luftmasse hier durch die Schraube in einen stetigen Strom versetzt wird, gegen den die Schraube infolge Ueberholung desselben eine schwerere Arbeit zu leisten hat. Die jetzt bereits vorliegenden Resultate lassen aber die berechtigte Hoffnung zu, dass diese Schraubenart für die kommende dynamische Luftschiffahrt den an sie zu stellenden Erwartungen entsprechen wird.