Titel: Die Fortschritte im Eisenhüttenwesen in den letzten fünf Jahren.
Autor: Karl Brisker
Fundstelle: Band 317, Jahrgang 1902, S. 446
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Die Fortschritte im Eisenhüttenwesen in den letzten fünf Jahren. Von Ingenieur Karl Brisker, Assistent an der k. k. Bergakademie in Leoben. (Fortsetzung von S. 220 d. Bd.) Die Fortschritte im Eisenhüttenwesen in den letzten fünf Jahren. II. Die Fortschritte in der Erzeugung von schmiedbarem Eisen. Das Roheisen ist wegen seiner Eigenschaften für die technische Verwendung unbrauchbar. Es nimmt im Eisenhüttenwesen die Stellung eines Zwischenproduktes ein, welches einer weiteren Bearbeitung unterzogen werden muss, um technisch verwertbar zu werden. Dass man zur Darstellung des schmiedbaren Eisens, wie man technisch verwendbares Eisen – mit Ausnahme des Gusseisens selbstverständlich – zusammenfassend nennen kann, diesen Umweg über das Roheisen nehmen muss, bedarf vielleicht einiger ergänzender Worte. In der That wäre es das Ideal, schmiedbares Eisen direkt aus dem Erze zu erzeugen. Und wenn wir uns erinnern, dass bis zum 17. Jahrhundert die Menschheit ihren ganzen Eisenbedarf durch ein direkt aus dem Erze gewonnenes Eisen deckte, so erscheint der moderne Vorgang dem gegenüber fast als ein Rückschritt. Doch ganz abgesehen von den Fragen der Tabelle 3. Die Erzeugung der wichtigsten Staaten an schmiedbarem Eisen in den Jahren 1895 bis 1900 in 1000 t (1000000 kg). Textabbildung Bd. 317, S. 446 Staaten; Schweisseisen; Bessemer-; Thomas-; Martin-; Flusseisen; Deutschland und Luxemburg; Oesterreich-Ungarn; Frankreich; England; Russland; Schweden; Belgien; Vereinigte Staaten von Nordamerika Textabbildung Bd. 317, S. 446 Staaten; Schweisseisen; Bessemer-; Thomas-; Martin-; Flusseisen; Deutschland und Luxemburg; Oesterreich-Ungarn; Frankreich; England; Russland; Schweden; Belgien; Vereinigte Staaten von Nordamerika Qualität und der Quantität, welche die heutige Eisenindustrie zu lösen hat, ist es bisher ganz unmöglich gewesen, den direkten Weg der Eisenerzeugung trotz der vielen Versuche auch nur annähernd so rationell zu gestalten wie den indirekten. Und dieses Moment der rationelleren Gewinnung wird sich immer mehr geltend machen, je grösser jener Teil des Erzzusatzes werden kann, der heute als Zugabe und Reinigungsmittel bei manchen Prozessen erfolgt. Diese Prozesse, die wir des näheren noch kennen lernen werden, erzeugen ja einen Teil des Eisens auf dem direkten Wege, und wenn wir die Menge desselben beurteilen könnten, ergäbe sich vielleicht der interessante Schluss, dass heute bereits mehr Eisen auf dem direkten Wege gewonnen wird als jemals zuvor. Die im vorstehenden gegebene Tabelle 3 gewährt eine Uebersicht über die Menge des von den wichtigsten Staaten erzeugten schmiedbaren Eisens. (Sämtliche Zahlen bedeuten 1000 t à 1000 kg.) Die Zahlen für das Schweisseisen (Puddeleisen) sind leider nur spärliche. Sie schwanken nur in geringem Masse, nur im Zusammenhang mit der allgemeinen Konjunktur. Wir können aus ihnen schliessen, dass für gewisse Zwecke das Puddeleisen noch immer seine bevorzugte Bedeutung hat und der Puddelprozess, wenn er auch quantitativ gegenüber den anderen weit zurücksteht, noch keineswegs abgethan ist. Bei den Flusseisenprozessen, für die zwar ein besseres, aber immerhin noch genug lückenhaftes statistisches Material vorliegt, sehen wir ganz deutlich die überall steigende Bedeutung des Martin-Prozesses und die sinkende des Bessemer-Prozesses. Beim Thomas- oder basischen Windfrischprozesse ist eine Zunahme der Produktionsziffern zu bemerken, doch ist dieselbe prozentuell nicht so hoch wie beim Martin-Betrieb, ein Zeichen, dass der Thomas-Prozess seine Kulminationshöhe erreicht, wenn nicht schon überschritten hat. Die Zahlen, welche für die Vereinigten Staaten von Nordamerika angeführt sind, sind wegen des sprunghaften Charakters der amerikanischen Eisenerzeugung für generelle Schlussfolgerungen nur schwer verwendbar. Es herrscht dort der Bessemer-Prozess bei weitem vor, eignet sich dieser ja besonders für schwankende Erzeugungen. Wir werden, um eine Uebersicht über die Fortschritte auf dem Gebiete der Schmiedeeisenerzeugung gewinnen zu können, zuerst die einzelnen Prinzipien der Prozesse besprechen, dann die Hilfsmittel für ihre Durchführung und schliesslich die Erzeugnisse selbst hinsichtlich der Neuerungen behandeln. 1. Die verschiedenen Prozesse zur Erzeugung von schmiedbarem Eisen. 1. Der Puddelprozess. Beim Puddelprozess kann als Neuerung ein auf dem Werke Bonehill zu Hourpes an der Sambre eingeführtes Verfahren genannt werden. Dieses arbeitet mit flüssigem Roheiseneinsatz. Der Hochofen lässt den Abstich in einen heizbaren Sammelofen fliessen. Aus diesem Ofen wird nach Bedarf flüssiges Roheisen entnommen und dieses mittels Gabelpfannen in die einzelnen Puddelöfen gegossen. Zur Beschleunigung des Prozesses werden Erzzuschläge gemacht. Die Puddelöfen, moderne Gasöfen, arbeiten mit teilweiser Regeneration der Abgase. Eine beträchtliche Zeitersparnis ist durch den Wegfall der Schmelzzeit des sonst im festen Zustand eingesetzten Roheisens gewonnen. Dies dürfte jedoch durch die jedenfalls nötige Erhöhung der Bedienungsmannschaft, die ja der Rastzeit während des Einschmelzens dringend bedürftig ist, wieder aufgehoben werden, so dass nur eine Steigerung der Produktionsfähigkeit pro Ofen durch dieses Verfahren erzielt wird, ohne wesentliche Verbilligung des Erzeugnisses. 2. Der Bessemer- oder saure Windfrischprozess. Wir haben schon bei der Betrachtung der Tabelle gesehen, dass der Bessemer-Prozess an Bedeutung verliert. Als Gründe für diese Kurzlebigkeit dieses genialsten aller Eisenprozesse sind zu nennen: die höheren Gestehungskosten, welche dieses mit vielen mechanischen Hilfsmitteln ausgerüstete Verfahren verursacht und die Schwierigkeit der Herstellung eines gleichmässigen Produktes, sowie die Unmöglichkeit, eine misslungene Charge zu retten. Die Hauptforderung dieses Verfahrens, ein siliciumreiches, daher teureres Roheisen, dessen Phosphorgehalt niedrig sein muss, verwenden zu müssen, ist für viele Länder ein Ding der Unmöglichkeit, so z.B. sind von deutschen Erzen 90 % für Bessemer-Roheisen u.geeignet. Ferner das Produkt selbst betreffend, bereitet der hohe Gasgehalt beim Giessen der Blöcke fast unüberwindbare Schwierigkeiten. Nur dort, wo es gilt bei stets wechselnder Produktion ein Eisen zu erzeugen, dessen Eigenschaften keiner besonderen Gleichmässigkeit bedürfen, also beispielsweise bei Schienenmaterial, bei gewöhnlichem Baueisen u. dgl., ist der Bessemer-Prozess vorzüglich am Platz, vorausgesetzt, dass ein billiges und hierfür geeignetes Roheisen vorhanden ist, und diesem Umstände verdankt er auch seine ausgedehnte Anwendung in den amerikanischen Staaten. In diesem Lande, wo der Bessemer-Prozess die grösste Rolle spielt, müssen auch die meisten Fortschritte gemacht worden sein. Sie beziehen sich jedoch fast ausschliesslich auf die Hilfsmittel zu seiner Durchführung, sollen daher unserer Einteilung gemäss erst an späterer Stelle besprochen werden. Textabbildung Bd. 317, S. 447 Fig. 48. Tropena's Konverter. Auf einem Gebiete hat der Bessemer-Prozess eine Umgestaltung seines Wesens erfahren, auf dem der sogen. Kleinbessemerei. Darunter verstehen wir die Anwendung des sauren Windfrischprozesses zur Herstellung eines Eisenmaterials für den Stahlformguss und sonstiger kleindimensionierter Gegenstände. Es ist interessant zu sehen, dass trotz der gerade für diesen Zweck ungeeigneten Eigenschaften des Windfrischeisens (Gasgehalt des Produktes) dennoch Erfolge erzielt wurden. Allerdings ist das Streben aller dieser Verfahren stets darauf gerichtet, die beim eigentlichen Bessemer-Prozesse ungemein rasch und stürmisch sich vollziehenden Oxydationsvorgänge möglichst zu verlangsamen. Das wichtigste der neueren Verfahren ist das von Tropena (Stahl und Eisen, 1898 S. 183). Der Gebläsewind tritt durch eine Anzahl horizontal angeordneter Düsen auf ein Bad von geschmolzenem Roheisen. Dadurch wird der Oxydationsvorgang verlangsamt, so dass der Prozess kühler geht. Um nun dieser Abkühlung entgegen zu wirken, kann durgh eine zweite über der ersten angeordnete Düsenreihe Luft zur Verbrennung des gebildeten Kohlenoxydgases eingeleitet werden (Fig. 48). Der so gewonnene Stahl soll sich sehr ruhig vergiessen lassen und sich wegen seines geringen Gasgehaltes besonders für dünnwandige Gussstücke eignen. Ein zweiter Konverter von Sherk und Rutter (La Revue Technique, 1898 S. 43) hat fünf horizontale Düsen, die so angeordnet sind, dass nur ein Teil des Windes in das Metall eintritt, während der Rest über dem Metallbade in den Konverter gelangt. Durch Neigen der Birne lässt sich dieses Verhältnis nach Bedarf verändern. 3. Der Thomas- oder basische Windfrischprozess. Wir hörten, dass der Thomas-Prozess seinen Kulminationspunkt erreicht, wenn nicht schon überschritten hat. Immerhin ist er besonders für Deutschland von grösster Wichtigkeit, und er wird, da man es gelernt hat, mit ihm ein durchaus verlässliches Material zu erzeugen, noch lange seine Bedeutung erhalten. Für deutsche Verhältnisse ist bezüglich der Verwendbarkeit eines Prozesses allein seine Wirtschaftlichkeit massgebend. Nachdem nun die in Deutschland verhütteten Erze ein für den Thomas-Prozess vorzüglich geeignetes Roheisen erzielen lassen, durch die Einführung von Mischern, welche das Roheisen des Hochofens dem Konverter flüssig übermitteln, das teure Zwischenglied des Kupolofens entfallen ist, ferner die Haltbarkeit des Konverters durch die Verbesserung der feuerfesten Masse sich erhöht hat, steht dieser Prozess, sofern er in Verbindung mit einem Hochofenwerke betrieben wird, was Wirtschaftlichkeit betrifft, an erster Stelle. Aber auch die Möglichkeit einer grossen Produktion ist durch die Steigerung des Chargengewichtes bis auf 20 t, sowie durch eine Verbindung mit einem Blockwalzwerke gewährleistet. Besonders die zuletzt genannte Kombination mit einem Blockwalzwerke ist für den Thomas-Betrieb, wie überhaupt für jedes Stahlwerk, sehr vorteilhaft, da durch die Möglichkeit, grosse Blöcke giessen zu können, die mit ihrer Gusshitze noch weiter verarbeitet werden, sich die Arbeiten in der Giessgrube und die des Giessens überhaupt bedeutend vereinfachen und daher billiger sind. Versuche durch Teilung des Kalkzuschlages (Scheibler-Prozess) zuerst eine phosphorreichere Schlacke zu gewinnen, sind wieder fallen gelassen worden. Die Windfrischprozesse verlieren immer mehr ihre Bedeutung und an ihre Stelle tritt der Martin-Prozess. Die Gründe für die Unzulänglichkeit der ersteren sind mannigfache. Erstlich verlangen sie zur Durchführung besondere Eigenschaften des Roheisens, der Bessemer-Prozess ein siliciumreiches, der Thomas-Prozess ein phosphorreiches. Es soll aber jedes Roheisen und in jeder beliebigen Menge verarbeitbar sein können. Zweitens handelt es sich immer um die Mitverarbeitung von Altmaterial (Schrott) und zwar gleichfalls in beliebiger Menge, was die Windfrischprozesse nicht ausführen können, da bei ihnen der Schrottzusatz ein ganz bestimmter, nur geringer Teil sein kann. Schliesslich macht sich auch die Qualitätsfrage geltend und auch hierin stehen die genannten Prozesse dem Martin-Prozesse nach, welcher den Reinigungsvorgang zwar nicht so rasch, jedoch gründlicher und für die verschiedensten Zwecke bis zu den erstklassigen Qualitäten vollkommen entsprechend auszuführen vermag. Dass sich die Windfrischprozesse jedoch noch nicht ganz verdrängen liessen, ja sogar heute noch in manchen Ländern an der Spitze stehen, verdanken sie ausschliesslich dem Umstände, dass sie bedeutend höhere Produktionsziffern ermöglichen. Ein Konverter kann 5 bis 6 Martin-Oefen ersetzen und sein Betrieb ist leicht allen Schwankungen in der Produktion anzupassen. 4. Martin- oder Flammofenprozesse. Der Ausgangspunkt dieser Verfahren ist das Umschmelzen von Alteisen gewesen, das hierbei durch geringe Mengen von Zusatzmaterialien von Oxyden zu befreien war. Man lernte jedoch bald die Mengen der Zusätze, insbesondere Roheisen und Erze, zu vergrössern, um an dem immerhin teuren Altmateriale zu sparen. Gegenwärtig will man sich von diesem überhaupt unabhängig machen und den Martin-Prozess zur Raffination des Roheisens, unter möglichst grosser Mitverarbeitung der billigen Erze benutzen, wobei dann noch das eventuell vorhandene Schrottmaterial mitgenommen wird. Wir sehen also eine völlige Umkehrung des zuerst erstrebten Zweckes. Dieses Ziel, Roheisen, Erze und Schrott in ganz beliebigen Mengen und Zusammensetzungen, wie es eben die lokalen Verhältnisse bedingen, im Martin-Ofen zu bestem schmiedbaren Eisen umzuwandeln, hat sich die moderne Grosseisenindustrie gestellt. Theoretisch, ohne Rücksicht auf die Zeitdauer, ist die Durchführung dieser Aufgaben eine verhältnismässig einfache. Allein die Zeitdauer des Reinigungsvorganges und die mit ihr eng verbundenen wirtschaftlichen Fragen stellen die grossen Schwierigkeiten der Lösung in den Weg. Indem wir nun im folgenden die wichtigsten der modernen Martin-Verfahren charakterisieren wollen, müssen wir zuerst auf den ihnen allen anhaftenden Mangel hinweisen, dass sie lokalen Verhältnissen zu sehr angepasst sind. a) Talbot-Prozess. Das Talbot'sche Verfahren kann unter den Neuerungen als das universellste bezeichnet werden. Freilich ist es auch das oberflächlichste, denn nur Mittelqualitäten sind mittels desselben selbst an den Orten, wo es zu Haus ist, erzeugt worden. Es liegt demselben vor allem daran, die Produktionsziffer hochzuhalten. Talbot steigert den Inhalt des Martin-Ofens bis auf 130 t, je mehr desto besser! In dem Talbot'schen Ofen befindet sich eine Hauptmasse bereits fertigen Eisens. Auf diesem Bade schwimmt eine hochbasische eisenhaltige Schlacke. Durch Eingiessen eines kleinen Teiles ungereinigten Eisens wirkt die Schlacke Si, C und P abscheidend auf das Eisen, teils schon während des Durchganges, teils während der späteren Berührung mit dem spezifisch leichteren, daher auf dem fertigen Eisenbade schwimmenden Teile des ungereinigten Eisens. Von Zeit zu Zeit wird ein Teil des fertigen Eisens (etwa 20 %) und der in ihrer Oxydationsfähigkeit bereits erschöpften Schlacke abgegossen. Ersterer wird durch Roheisen, letzterer durch Erzzuschläge, Walzensinter, Schweissschlacke ersetzt. Die Durchführung des Prozesses beruht auf der Anwendung eines kippbaren Martin-Ofens. Als Vorteile dieses Verfahrens können angesehen werden, der ununterbrochene Betrieb und die mit ihm verbundenen Ersparnisse an Brennmaterial, der infolge der schützenden Schlackendecke geringere Abbrand, das hohe Ausbringen von Eisen direkt aus dem Erze. Nachteilig erscheint die Forderung, die Badtemperatur stets hochhalten zu müssen, was die Verarbeitung von grösseren Zusatzmengen von Schrott ausschliesst. Wie schon erwähnt, ist dieses Verfahren nur zur Herstellung mittelmässiger Qualitäten verwendbar. b) Bertrand-Thiel-Prozess. Dieser ist einseitiger als der Talbot'sche. Er beruht auf dem Verlangen nach phosphorreichem Roheisen. Dafür ist die Qualität des zu erzielenden Eisens von dem Verfahren unberührt, man kann jede Sorte herstellen. Dieser Prozess besteht im wesentlichen darin, dass Schmelz- und Frischarbeit einer Charge nicht in einem einzigen Ofen vorgenommen werden, sondern in zwei oder drei Oefen. Dieses Zusammenarbeiten wird dadurch ermöglicht, dass die einzelnen Oefen in verschiedenen Niveaus liegen, so dass der Inhalt des einen durch eine Rinne in den anderen entleert werden kann. Der Ofen zum Fertigmachen der Charge liegt zu unterst. Bei der Arbeit mit zwei Oefen wird in dem ersten das Roheisen bei sehr hoher Temperatur teilweise vorgefrischt. Wird nun dieses überhitzte Roheisen in den zweiten Ofen, in welchem der Schrottzusatz verarbeitet wird, einfliessen gelassen, so entsteht eine äusserst scharfe Reaktion, die ein schnelleres Fertigwerden der Charge bewirkt. Dadurch erhöht sich die Produktionsfähigkeit in der Zeiteinheit und mit ihr verringern sich die Gestehungskosten. Andere augenscheinliche Vorteile dieses Verfahrens sind die geringeren Ofenerhaltungskosten, da ein Ofen bei geteilter Arbeit nicht so sehr in Anspruch genommen wird. Wegen der geringeren Schlackenmengen ist auch die Einwirkung der Heizgase eine intensivere. Ausserdem erzielt man bei der Verwendung eines phosphorreichen Roheisens eine phosphorreiche Schlacke, also ein sehr gutes Nebenprodukt. c) Daelen-Pszczolka-Prozess. Dieses Verfahren ist hervorgegangen aus dem Bestreben, in den Martin-Ofen ein bereits vorgefrischtes Roheisen einzusetzen, ähnlich wie es der nunmehr aufgegebene Duplexprozess ausführte, welcher den Roheiseneinsatz des Martin-Ofens in der Bessemer-Birne vorblies. Um nun das hiermit verbunden gewesene mehrfache Umgiessen zu ersparen, also Zeit und Wärme zu gewinnen, ist bei Daelen-Pszczolka ein fahrbarer, sauer zugestellter Konverter in Anwendung. Dieser wird beim Hochofen mit flüssigem Roheisen beschickt und durch seitlich eingeführten Wind, der womöglich der Hochofenwindleitung entnommen wird, vorgeblasen. Dann fährt die Vorfrischbirne, welche trogförmig gestaltet ist, damit die Badtiefe nicht zu hoch wird, zum Martin-Ofen und entleert das vorgefrischte Material in denselben. Es soll eine Steigerung der Produktionsziffer um 20 % erreichbar sein. II. Die Hilfsmittel für die Durchführung der Prozesse. Nicht allein im Wesen der Prozesse liegt die Möglichkeit, die Schmiedeeisendarstellung möglichst rationell von statten gehen zu lassen, mehr noch kann durch zweckmässige Einrichtung der Hilfsmittel an den Gestehungskosten gespart werden. Und auf diesem Gebiete, als dem. leichter zu beschreitenden, sehen wir auch viel mehr Fortschritte und Erfolge. Nach zwei Grundsätzen lassen sich die Hilfsmittel für die Stahlerzeugung sondern: erstlich in alle jene Vorrichtungen, die sich auf eine zweckmässige Ausnutzung der Wärme beziehen, und zweitens in jene, welche sich auf die Bewegung der den Reinigungsvorgang durchschreitenden Materialien erstrecken. Vereint mit beidem sehen wir das Bestreben nach möglichster Schonung aller in Betracht kommenden Einrichtungen. Was die auf die Wärmeökonomie Bezug nehmenden Neuerungen betrifft, so ist an erster Stelle die allgemeinere Einführung der Roheisenmischer zu nennen. Die Verwendung von Mischern kann naturgemäss nur dort erfolgen, wo das Stahlwerk in Verbindung mit einem Hochofen arbeitet. Ein Mischer ist nichts anderes als ein grosses Sammelgefäss für flüssiges Roheisen. Mehrere Abstiche des Hochofens können im Mischer im flüssigen Zustande aufbewahrt werden, bis derselbe Teile seines Inhaltes an die Konverter oder Martin-Oefen abgibt. Textabbildung Bd. 317, S. 449 Fig. 49. Kippmischer. Sie erfüllen jedoch nicht allein den Zweck, die Kosten eines abermaligen Einschmelzens des Roheisens zu ersparen, sondern sind auch dazu berufen, Unregelmässigkeiten im Gange des Hochofens und solche in der Zusammensetzung des Materials auszugleichen. Hochofen und Stahlwerk werden dadurch unabhängiger voneinander. Auf amerikanischen Werken sind Mischer teilweise heizbar ausgeführt, so zwar, dass zu beiden Seiten an den Drehungspunkten Petroleum durch Dampf eingespritzt wird. Das Fassungsvermögen der Mischer wächst stetig. Solche mit 250 t Roheiseninhalt sind keineswegs selten. Man kann zwei Gruppen von Mischern unterscheiden: Kippmischer und Rollmischer, je nach der Art wie ihre Bewegung erfolgt (vgl. Stahl und Eisen, 1902 S. 312). Erstere sind in der Anlage einfacher, bedürfen aber zu ihrer Bewegung eines grösseren Kraftaufwandes. Der in Fig. 49 skizzierte Mischer ist für 250 t berechnet und hat eine cylindrische Form mit einer Länge von 8,3 m, bei einem Durchmesser von 4,6 m. Die Ausmauerung erfolgt am zweckmässigsten mit allerbesten Magnesitsteinen. Bewegt wird derselbe mit Hilfe eines hydraulischen Plungers, der Schwerpunkt des Mischers muss auch im entleerten Zustande eine Drehung im Sinne der Eingussöffnung bewirken können, die Zuleitungsöffnungen des Druckwassers müssen so klein sein, dass im Falle des Versagens der Hydraulik ein nur allmähliches Niedergehen des Mischers erfolgen kann. Textabbildung Bd. 317, S. 449 Fig. 50. Rollmischer. Der in Fig. 50 gezeichnete Rollmischer ruht auf zehn Rollen, deren Lager auf vier mit dem Fundament verankerten Kastenträgern angeordnet sind. „Zwei Laufkränze und zwei Zahnkränze sind mit dem cylindrischen Teil des Mischers verschraubt. Mit Rücksicht auf die im Ausgusse enthaltene grössere Eisenmasse ist der Rollkranz nicht konzentrisch mit dem Mischer angeordnet, sondern exzentrisch, damit in allen Stellungen des Mischers und bei den verschiedenen Füllungen auf der Seite des Eingusses das Uebergewicht bleibt, um ihn aufzurichten. Das Kippen wird durch einen Elektromotor von 26 PS mittels Schnecke und Zahnradvorgelege bewirkt, doch sind auch zwei als Reserve dienende oscillierende Plunger angeordnet.“ Während bei den Flusseisenprozessen die zur Erzeugung des Stahles nötige Wärmemenge durch die im Eisenbade selbst enthaltenen Brennstoffe bestritten werden muss, ist beim Martin-Verfahren wegen der längeren Dauer des Prozesses diese Wärmemenge nicht aasreichend und es muss durch Heizgase dem Ofen Wärme zugeführt werden. Zur Erzeugung dieser Gase dienen Generatoren, deren Ausgestaltung auf dem Grundsatze beruht, dass jede Kohle, auch minderwertige, zur Erzeugung von Gasen herbeigezogen werden kann. Für die Zuführung der Kohlen zu den Generatoren galt es, selbstthätige Beschickungsvorrichtungen anzuwenden, die wir hier jedoch nicht näher zu berücksichtigen brauchen, da uns die Prinzipien ohnehin von der Materialbewegung beim Hochofen her bekannt sind. Auch auf eine Reinigung der Gase wurde Bedacht genommen durch Einschaltung von Staubkammern hinter den Gaserzeugern. Je nach der Art des verwendeten Brennstoffes ging man mehr oder weniger dazu über, durch Einführung von Wasserdampf in die Generatoren die Heizkraft der Gase durch den bei der Zerlegung des Wassers freiwerdenden Wasserstoff zu erhöhen. Die Bewegung der Gase erfolgt durch die Saugwirkung einer hohen Esse. Für die Wärmeökonomie war es nun von grosser Wichtigkeit, eine gute Regelung des Gas- und Luftstromes zu erzielen, und insbesondere die zur Vorwärmung desselben dienenden Regeneratoren gut auszunutzen. Dies erzielte Schönwälder durch die Einführung von Regulierungsklappen in die Gas- und Luftleitungen zwischen den Umsteuerungsventilen und den Regeneratoren. Textabbildung Bd. 317, S. 449 Fig. 51. Martin-Drehofen (System Campbell). Selbstverständlich ist die Ofenkonstruktion an und für sich für eine richtige Wärmeökonomie sehr wichtig. Vor allem muss die Anlage der Regeneratoren so erfolgen, dass einerseits die Steine fähig bleiben, die Wärme der Abgase aufzunehmen, andererseits der Durchgangsquerschnitt so gewählt werden, dass alle Teile der Kammern möglichst gleichmässig an der Wärmeübertragung teilnehmen. Es ist daher wichtig, den Eintritt von Staub und Schlacke möglichst hintanzuhalten (durch Einschaltung von Staub- und Schlackenkammern), damit die Steine weder durch die auflösende Wirkung der Schlacke vorzeitig zerstört werden, noch der Staub die Züge verlegen kann. Es ist ferner darauf Rücksicht genommen worden, dass eine Entlastung aller höheren Temperaturen ausgesetzten Konstruktionsteile stattfindet. Demgemäss hat sich die Lebensdauer der einzelnen Oefen bedeutend erhöht, so dass Chargenzahlen von 1000 nichts unerreichbares mehr sind. Die wichtigste Neuerung auf dem Gebiete des Ofenbaues in den letzten Jahren ist die Einführung der drehbaren Martin-Oefen. Ihre Anwendung ist für den Talbot-Prozess unerlässlich, aber auch für alle anderen Verfahren bieten sie bedeutende Vorteile. Sie erstreben, die Schwierigkeiten beim Entleerendder Oefen zu beheben. Wir können zwei Gruppen unterscheiden: Rollöfen und Kippöfen. Die Einrichtung der ersteren (System Campbell) ist aus Fig. 51 ersichtlich (vgl. Stahl und Eisen, 1899 S. 536). Der Ofen dreht sich um seine eigene Achse auf vier Ringen von beweglichen Rollen, die auf kreisförmigen Bahnen laufen. Es wird von einem horizontal gelagerten Druckwassercylinder bewegt. Zwischen den fixen, getrennt liegenden Luft- und Gaseintrittsöffnungen und der ovalen gemeinsamen Oeffnung des Ofens ist ein Zwischenraum von nur 12 mm, durch welchen kalte Luft einströmen kann. Textabbildung Bd. 317, S. 450 Fig. 52. Kippbarer Martin-Ofen (System Wellmann). In Fig. 52 ist ein kippbarer Martin-Ofen (System Wellmann) skizziert (vgl. Stahl und Eisen, 1899 S. 537). Anstatt der Drehung um die eigene Achse wird der Wellmann-Ofen nach vorn gerollt oder gekippt. Sein Untergestell ist mit zwei Stahlsegmenten versehen, welche von starken Ständern mit horizontaler Oberfläche getragen werden. Das Kippen wird, von zwei hydraulischen Cylindern bewirkt. Das Druckwasser wird auf die obere Kolbenfläche wirken gelassen, damit der Ofen im Falle eines Versagens der Hydraulik von selbst in die normale Lage zurückgeht. Das Ausgiessen besorgt der Ofen durch eine mit der Schnauze direkt verbundene Giesspfanne mit zwei durch Stopfen verschliessbaren Giesslöchern. Bezüglich der Vorteile in der Bewegungsvorrichtung dieser beiden Systeme liesse sich dasselbe sagen, wie bei den Mischern, wo wir dieselben Grundsätze angewandt sahen. Für den Prozessverlauf und die Materialbewegung sind eine ganze Reihe von Vorzügen hervorzuheben. Man kann bei Anwendung eines drehbaren Martin-Ofens jederzeit abgiessen und den Abstich unterbrechen. Sehr vorteilhaft ist der Wegfall des Abstichloches. Durch die bei feststehenden Oefen bedingte gewaltsame Oeffnung dieses Teiles leidet die Zustellung des Herdes beträchtlich. Diese Beschädigung des Ofens kommt also hier in Wegfall. Von grösster Wichtigkeit für eine Erhaltung des Herdes ist aber der Vorteil der Drehöfen, dass man im stände ist, alles Eisen aus dem Ofen abzugiessen, ohne fürchten zu müssen, wie dies bei festen Oefen immer der Fall ist, dass in den kleinen Unebenheiten des Herdes Eisen zurückbleibt, welches bei der nächsten Charge, wird es vorher nicht ausgeschöpft, sich weiter in den Boden einfrisst und schliesslich den Durchbruch einer ganzen Charge zur Folge haben kann. Durch das Freiwerden der Luft- und Gaseinströmungsöffnungen werden diese der Abnutzung stark unterworfenen Teile beim Kippen des Ofens einer Reparatur leichter zugänglich. Alle diese Vorteile, die zusammengefasst eine bedeutende Erleichterung beim Arbeiten und eine längere Haltbarkeit des Ofens bewirken, wiegen die Nachteile der höheren Anlagekosten und der schlechteren Wärmeausnutzung bei weitem auf. Für die Bewegung der Materialien kommen vor allem die Einsatzvorrichtungen in den Ofen in Betracht. Das Einführen der flüssigen Materialien ist durch Giesspfanne und Rinne leicht zu bewerkstelligen, und was die im festen Zustand einzusetzenden betrifft, so ist bei Drehöfen mit Hilfe eines Kranes ebenfalls leicht auszukommen. Die feststehenden Oefen bedürfen jedoch einer besonderen Vorrichtung zum Einführen des festen Materials. Als beste Lösung dieser Aufgabe sei die Einsetzmaschine der Aktiengesellschaft Lauchhammer angeführt. Diese Vorrichtung wird durch vier gleiche Elektromotoren, entsprechend den vier Bewegungen, welche die Maschine auszuführen hat, bewegt. Erstlich ist die ganze Vorrichtung fahrbar, um von einem Ofen zürn zweiten zu gelangen. Für das Einsetzen des Materials sind drei Bewegungen nötig: das Aufheben der muldenförmigen Behälter, das Vorschieben in den Ofen, das Umkehren der Mulde im Ofen, wobei das Material ausgeschüttet wird (vgl. Stahl und Eisen, 1897 S. 399, 708; 1900 S. 996). Die Fortschaffung der in flüssigem Zustande gewonnenen Produkte erfolgt gegenwärtig in folgender Weise. Die Konverter oder Martin-Oefen entleeren ihren Inhalt in eine Giesspfanne, die so gross ist, dass der ganze Abstich in derselben Platz findet. Am Boden der Giesspfanne befinden sich ein oder zwei durch einen Stopfen verschliessbare Giesslöcher, deren präzise Oeffnung und Schliessung durch einen Hebel, seitlich an der Pfanne angebracht, möglich ist. Für den Fall des Versagens dieser muss am Rande der Pfanne eine Schnauze vorgesehen sein, um nötigenfalls über den Rand ausgiessen zu können. Bei den Drehöfen kann die Giesspfanne auch fortfallen und aus dem Ofen direkt in auf einem Wagengestell errichtete Gussformen (Coquillen) vergossen werden (sogen. Wagenguss). Die Giesspfannen sind nun entweder an einem Dreh- oder Fahrkran befestigt oder sie werden in einen Laufkran mittels zweier Zapfen eingehängt. Die Verwendung der Dreh- oder Fahrkrane erfordert die Anlage einer Giessgrube. Das Arbeiten in derselben bedeutet jedoch ein ziemliches Hindernis für eine grosse Produktion und Neuanlagen vollziehen lieber das Giessen auf der Hüttensohle oder sogar auf einem erhöhten Platze. Dies setzt dann aber die Verwendung eines Laufkranes voraus, der die Giesspfanne mit Leichtigkeit auf jedes Niveau zu heben vermag. Als Kraftenergie für die Bewegung der einzelnen Krane finden wir bei Drehkranen ausschliesslich Druckwasser, bei Fahrkranen Dampf (Lokomotivkrane) und bei Laufkranen Elektrizität angewandt. Die beim Giessen zu beobachtenden Massregeln werden wir bei Besprechung der Produkte zu erwähnen Gelegenheit haben. Vergossen wird in gusseiserne Formen (Coquillen). Es ist zweckmässig und wird auch jetzt allgemein geübt, möglichst grosse und dafür wenige Blöcke zu giessen, diese dafür auf einem an das Stahlwerk angeschlossenen Blockwalzwerke noch mit der Gusshitze auf kleinere Dimensionen herabzuwalzen. Einerseits, vereinfachen sich dadurch bedeutend die Kosten des Vergiessens, andererseits erhält das Material durch die weitgehendere mechanische Bearbeitung eine Verbesserung der Qualität. Was die Giessformen betrifft, so spielen dieselben im Betriebe eine wichtige Rolle. Ihre Haltbarkeit ist ein wesentlicher Faktor der Gestehungskosten. Gute, haltbare Coquillen werden, abgesehen von der richtigen Wandstärke, ein Gusseisen besitzen müssen, dessen chemische Zusammensetzung innerhalb folgender Grenzen bleibt: Si 1,6 bis 3,0 %, C 3,3 bis 4,4 %, Mn 0,5 bis 1,1 %, S 0,075 %, P 0,125 %, Cu 0,125 % (Stahl und Eisen, 1899 S. 10). Solche Coquillen werden 200 bis 300 Güsse aushalten können. Nicht unwesentlich ist esl den Abkühlungsverhältnissen der Coquillen mehr Rechnung zu tragen. Es ist allgemein gebräuchlich, die heissen Gussformen mit Wasser abzuspritzen, so zwar, dass die Arbeiter mit Schläuchen die auf einen Ort zusammengestellten Coquillen besprengen. Viel besser dürfte doch die Einrichtung sein, welche ich erst auf einem einzigen Hüttenwerke antraf, die heissen Coquillen in ein Bassin völlig einzutauchen und sie bis zur Abkühlung darin verweilen zu lassen. Die dadurch zwar bewirkte raschere Kühlung hat doch den unzweifelhaften Vorteil der Gleichmässigkeit für sich, während bei dem zuerst geschilderten Vorgange die Coquille auf der einen Seite völlig gekühlt, auf der anderen noch glühend heiss, jedenfalls sehr ungünstige Beanspruchungen erfährt. (Fortsetzung folgt.)