Titel: Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart.
Autor: M. Richter
Fundstelle: Band 317, Jahrgang 1902, S. 558
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Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart. Von Ingenieur M. Richter, Bingen. (Fortsetzung von S. 539 d. Bd.) Schnellbetrieb auf den Eisenbahnen der Gegenwart. 3. Die Maschinen der Nordbahn müssen durch zwei Typen vertreten werden, die in der Tabelle auf S. 543 durch a und b bezeichnet sind. Type a ist der moderne, noch sehr lebensfähige Umbau einer altbekannten, durch Stirling im Jahre 1870 geschaffenen Bauart mit äusseren Cylindern, ziemlich tief liegendem Kessel ohne Dom und sehr hohen Triebrädern. Der Umbau hat vor allem höheren Dampfdruck, dann einen Dom, und endlich einen besseren Führerstand gebracht. Type b ist dagegen eine Neuschöpfung vom Jahre 1898 mit inneren Cylindern, durchweg inneren Rahmen, hochliegendem Kessel mit Dom u.s.w. Die Bremse ist bei beiden Serien derjenigen auf der Westbahn ähnlich; der Tender ist nicht mit Wasserschöpfer versehen, dementsprechend schwerer und an sich unwirtschaftlicher, aber allerdings zum Ausgleich mit besserer Ladeziffer ausgeführt als bei der Ostbahn. Die Nordbahn hat dieser Maschinengattung von jeher auch sehr viel zugemutet. Sogar die älteren Maschinen hatten den D-Zug London-Edinburgh („fliegender Schotte“) mit häufig 48 Achsen hinter dem Tender zu übernehmen bei einer Reisegeschwindigkeit von 80 km/Std. Erstaunlich ist nicht nur die dabei gezeigte Zugkraft, sondern auch die Leistung, die von der ⅓ gekuppelten Lokomotive, dem unmittelbaren Vorgänger der Type b (vordere radial einstellbare Einzelachse statt des jetzigen Drehgestells), entwickelt wurde, also von einem kleinen Kessel auf nur drei Achsen. Als besondere Leistungen wären dabei zu nennen: Die Fahrt London-Leeds 122 km in 1 Stunde 16 Minuten, was einen Durchschnitt von 96,7 km/Std., und Grantham-Doncaster 82 km in 48 Minuten, was einen Durchschnitt von 102,5 km/Std. bedeutet; beide Fahrten sind bei Verspätung schon häufig in dieser Weise gemacht worden, während der Fahrplan freilich geringere Geschwindigkeiten fordert; immerhin beweisen diese Zahlen, was die ungekuppelte Lokomotive zu leisten im stände ist. Von fahrplanmässigen Fahrten ist endlich zu nennen: Schnellste Fahrt der Nordbahn: Peterborough-London 118,5 km in 1 Std. 20 Min.: 88,8 km/Std. Längste, schnellste Weitfahrt: Nottingham-London 207 km in 2 Std. 26 Min.: 85,2 km/Std. Die London- und Nordwestbahn, Südostbahn, London-Brighton- und South Coast-Bahn bauen keine ungekuppelten Lokomotiven, weil die Schwierigkeiten des Längenprofils zu gross sind, als dass die Vorteile der Gattung auszunutzen wären. Die auf diesen Bahnen noch teilweise vorhandenen ⅓ gekuppelten Maschinen sind daher sämtlicl, älterer Abkunft und im Aussterben begriffen. Die Zentral-, Nordost- und Caledonische Bahn verhalten sich dagegen nicht ablehnend; erstere ist erst neuerdings zur Einführung der ungekuppelten Lokomotive übergegangen, während die beiden letzteren sich schon längere Zeit damit ebenfalls befreundet haben, aber ohne dass nach der einmaligen Annahme Neubeschaffungen dieser Art vorgekommen wären; den letzteren scheinen auch zu grosse Gefällswechsel im Wege zu stehen. Die Maschine der Nordostbahn ist als Verbundmaschine, System v. Borries-Worsdell (Kl. I, Tabelle 1901 316 350), besonders bemerkenswert. Was endlich die Ausstellungslokomotive der Midlandbahn betrifft, so sei im Anschluss an die weiter oben gemachten Bemerkungen über dieselbe noch hinzugefügt (vgl. 1902 317 64): Hauptgebiet ist die Strecke London-Nottingham für die ungekuppelten Lokomotiven der Midlandbahn; bei einer Länge von 199 km beträgt die Fahrzeit 2 Stunden 23 Minuten, entsprechend 83,7 km/Std.; die Zuglast beträgt 130 bis 200 t hinter dem Tender, und die Zahl der Aufenthalte ist 1 bis 5. Verfeuert wird Süd-Yorkshire-Kohle mit folgendem Effekt: Kohlenverbrauch 7,9 bis 10,1 kg pro 1 km Wasserverbrauch 64,0 bis 83,0 kg pro 1 km. Es ergibt dies die sehr hohe Verdampfungsziffer \frac{\frakfamily{D}}{\frakfamily{B}}=8 ziemlich konstant und einen durchschnittlichen Verbrauch von: 8,7 kg Kohle und 72 kg Wasser pro 1 km, 0,0342 kg Kohle pro 1 t/km, und 1,32 kg Kohle pro 1 PS/Std. Die Zahlen gleichen denjenigen einer sehr guten Verbundlokomotive und bestätigen das auf theoretischem Weg früher für die ungekuppelte Lokomotive abgeleitete. Ueber die neuesten, aber doch schon veralteten Versuche, die ¼ gekuppelte Schnellzuglokomotive auch ausserhalb Englands zu verwerten, möge gesagt werden: Die bayerische Staatsbahn hat im Jahr 1896 bekanntlich sich mit der Krauss'schen Vorspannlokomotive befasst, welche auf der Nürnberger Ausstellung (Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure, 1897 S. 95) das berechtigte Aufsehen wachrief. Die geringe Adhäsion der einen mit 15 t belasteten Achse kann durch eine Hilfstriebachse, welche durch eine besondere Dampfmaschine getrieben und im Bedarfsfalle auf die Schienen gesenkt wird, künstlich vergrössert werden, wobei die Hilfsbelastung durch ein Hebelwerk den drei Laufachsen der Lokomotive entzogen wird. Die Philadelphia- und Readingbahn hat im Jahre 1880 von den Baldwin'schen Lokomotiv-Werken eine ¼ gekuppelte Schnellzuglokomotive mit Wootten'scher Feuerbüchse erhalten. Diese „Loyett Eames“ benannte Maschine (die 5000ste aus den Baldwin-Werken hervorgegangene) erfüllte die an sie gestellten Forderungen nicht, so dass sie nach einigen Fahrten nach England verkauft wurde, wo sie auf der Lancashire-Yorkshirebahn noch bescheidene Dienste that, um im Jahre 1884 bereits völlig zu verschwinden. Sie hätte mit 4 bis 5 Wagen die Strecke Philadelphia-Jersey City, 144 km, in 1 Stunde 30 Minuten zurücklegen sollen, brauchte aber dafür 8 und 10 Minuten länger, so dass der erhoffte Durchschnitt von 97 km/Std. bei weitem nicht erzielt war. Eine neuerdings in Amerika wieder aufgetauchte Vorrichtung zur Vergrösserung der Zugkraft war an Stelle der vorhin erwähnten Vorspannachse die, dass mit Hilfe eines Ausgleichhebels, welcher durch einen Dampfkolben bethätigt wurde, 4½ t Gewicht auf die mit 15½ t belastete Treibachse geworfen und so das Adhäsionsgewicht auf 20 t erhöht werden konnte. Dieselbe Bahn wiederholte im Jahre 1895 den Versuch mit modernen Mitteln noch einmal, indem sie sich wieder aus den Baldwin Locomotive Works eine ähnliche Lokomotive beschaffte. Dieselbe ist mit Wootten'scher Feuerbüchse, sowie mit Vauclain'scher Verbundmaschine (Kl. III a 2) ausgestattet; der Führerstand sitzt am Langkessel vor der Feuerbüchse, die Belastung der Treibachse ist nicht weniger als 22 t, so dass die Ausnutzung der grossen Maschinenzugkraft auch ohne besondere Vorrichtung zur Verstärkung der Adhäsion nicht zweifelhaft ist. Der (übrigens vierachsige) Tender von 15,5 cbm Wasserinhalt ist mit Wasserschöpfer versehen. Obwohl diese Lokomotive wohl nie zu den Normalien der Bahn gehören wird, und ohne Nachfolger geblieben ist, sei sie im Gegensatz zu den englischen Bauarten hier dargestellt (Fig. 34a, b). Die Hauptabmessungen sind: Cylinderdurchmesser 30/558 mm Kolbenhub 660 Triebraddurchmesser 2140 Kesseldruck 14,1 at Maschinenzugkraft 5400 kg Adhäsionszugkraft 3640 Aeussere Heizfläche 137 qm Rostfläche 7,01 Adhäsionsgewicht 21,81 t Dienstgewicht 52,3 t Kraftziffer 0,68. Fasst man die Schlüsse zusammen, welche sich aus dieser Uebersicht über die ¼ gekuppelte Lokomotive ergeben, so ist zu sagen: Die Lokomotive mit freier Triebachse hat Zukunft unter gewissen Bedingungen: Für Bahnen mit starkem Oberbau, welcher Achsdrücke bis zu 20 t zulässt, sowie mit Wassertrögen, ist sie zur Beförderung leichterer Züge mit sehr hohen Geschwindigkeiten vorzüglich geeignet. Wenn erforderlich, so muss durch besondere Einrichtungen, wie besonders wirksame Sandstreuer, Gewichtverteilungshebel, Vorspannachsen, der geringen Adhäsion nachgeholfen werden; als einfachstes, billigstes und gefahrloses Mittel zur Vergrösserung der Zugkraft ist der englische Sandstreuer (System Gresham) bewährt. Die Leistung lässt sich ebenfalls noch steigern durch Vergrösserung des Kessels und Mehrbelastung der Laufachsen, noch besser durch Einbau des Ueberhitzers in die Rauchkammer; durch Anwendung des Verbundsystems, der Oelfeuerung. Die Verbundmaschine mit vier Cylindern erlaubt eine fast vollständige Ausgleichung der Massen, somit höchste Tourenzahlen, für welche der leistungsfähige Kessel andererseits stets Dampf im Ueberfluss hat. Textabbildung Bd. 317, S. 559 Philadelphia-Reading. Gestützt auf diese Erkenntnisse möge hier der Entwurf einer Schnellzuglokomotive für eine Zuglast von 150 t hinter dem Tender und eine Geschwindigkeit von 120 km/Std. besprochen werden. Eine oberflächliche Prüfung zeigt, dass an eine ungekuppelte Lokomotive keine höhere Forderung als die genannte gestellt werden darf, welche die Grenze der Rentabilität streift; die verlangte Leistung soll auf horizontaler Strecke, also ohne Zuhilfenahme von Gefällen, geliefert werden. Zugkraft. Es werde mit 100 t das Gewicht der Maschine einschliesslich Tender veranschlagt; dann ist 250 t das ganze Zugsgewicht, somit W=G\,\left(2,4+\frac{V^2}{1300}\right)=250\,\left(2,4+\frac{120^2}{1300}\right)=250\,\cdot\,13,4=3350\mbox{ kg.} Es ist dies jedenfalls die auf den Triebradumfang übertragene indizierte Zugkraft, d.h. diejenige einschliesslich Maschinenreibung. Leistung. N=\frac{W\,V}{270}=3350\,\cdot\,\frac{120}{270}=1500\mbox{ PS.} Entsprechend dem Werte W ist dies die indizierte Leistung. Was die Grösse von W und N betrifft, so kann man wohl oder übel von einer freien Triebachse nicht mehr als etwa 3 ½ t Zugkraft höchstens verlangen, Beharrungszustand vorausgesetzt, während die Leistung allerdings nicht gerade besonders hoch ist; für sich könnte sie wohl noch erhöht werden. Triebraddurchmesser. Mit Rücksicht auf die auszugleichenden Massen u.s.w. sei für V = 120 km/Std. eine minutliche Tourenzahl n = 300 unbedenklich zulässig; dann wird aus n=5310\,\frac{V}{D}\ \ \ \ D=5310\,\frac{V}{n}=5310\,\cdot\,\frac{120}{300}=2120\mbox{ mm.} Heizfläche. Es ist die spezifische Leistung \frac{N}{H}=a\,\sqrt{n}, worin für Heissdampflokomotiven a = 0,5 gesetzt werden kann, somit H'=\frac{N}{a\,\sqrt{n}}=\frac{1500}{0,5\,\sqrt{300}}=173\mbox{ qm.} Mit einem Zuschlag von 10 % für Dampfheizung, sowie für die Mehrleistung, welche die Einrichtung des Zuges mit Achsendynamos zum Zweck der Beleuchtung erfordert, wird endgültig H = 1,1 H' = 1,1 . 173 = 190 qm. Rostfläche. Bei einer Kesselziffer \frac{H}{R}=60 wird R=\frac{H}{60}=\frac{190}{60}=3,17\mbox{ qm.} Die Anordnung des Rostes richtet sich im übrigen nach der Art des Brennstoffs, von dessen Feinheit vor allem die Grösse der freien Rostfläche abhängig ist. Dabei ist für die Verwendung flüssigen Brennstoffs, wie sie bei den grossen Leistungen als Entlastung des Heizers sehr wünschenswert ist, die entsprechende Einrichtung zu treffen. Dienstgewicht. Zur Schätzung desselben sind die Werte des Verhältnisses \frac{H}{L} empirisch aufzustellen. Es beträgt \frac{H}{L}=3,5\mbox{ qm/t} bei den neuesten grossen Viercylinder-Verbundschnellzuglokomotiven, ⅖ Bauart, und zwar ziemlich konstant. Andererseits ist \frac{H}{L}=2,5\mbox{ qm/t} bei der 2/4 gekuppelten preussischen Ueberhitzerlokomotive; ebenso bei den englischen ungekuppelten Lokomotiven. Mit Wahrscheinlichkeit wird daher für eine vierachsige, ungekuppelte Viercylinder-Verbundlokomotive mit Ueberhitzer \frac{H}{L}=3\mbox{ qm/t} anzunehmen sein, was dem Mittel der beiden vorigen Werte gleichkommt, und auch mit Ergebnissen aus empirischen Formeln übereinstimmt. Danach wird L=\frac{H}{\left(\frac{H}{L}\right)}=\frac{190}{3}=63\mbox{ t.} Da das Gesamtgewicht einschliesslich Tender zu 100 t veranschlagt worden ist, so bleibt für den Tender ein Dienstgewicht von 37 t übrig; derselbe wäre somit normal, dreiachsig, hätte 15 cbm Wasserinhalt und 6 t Brennstoff aufzunehmen. Adhäsionsgewicht. Für die Beharrungszugkraft 3350 kg auf der Horizontalen sind mindestens erforderlich La = 18 t auf der Triebachse, dabei wäre der Adhäsionskoeffizient \frac{3350}{18000}=\frac{1}{5,4}=186\mbox{ kg/t}, was für mittlere Verhältnisse wohl stimmt. Bei der Annahme von \frac{W}{L}=\frac{1}{6}\,(167\mbox{ kg/t}), was das gewöhnliche ist, müsste das Adhäsionsgewicht schon 20 t betragen, so dass die Unmöglichkeit einer höheren Belastung als 150 t hinter dem Tender augenscheinlich ist, wenn 120 km/Std. vorgeschrieben sind. Das Anfahren erst recht kann ohne Sandstreuen überhaupt nicht erfolgen. Für einen Koeffizient \frac{W}{L_a}=\frac{1}{3}, welcher im äussersten Fall erzwungen werden kann, wäre dann die grösste Zugkraft der Maschine Z=\frac{18}{3}=6000\mbox{ kg.} Grössere Kräfte können aber bequem dadurch erzielt werden, dass der Zug beim Verlassen der Station bis zu einer gewissen Geschwindigkeit, etwa 40 km/Std., kräftigen Nachschub erhält, und zwar auch auf wagerechter oder fallender Strecke. Es werden dadurch Vorspannachsen oder andere technische Verwickelungen im Lokomotivorganismus unnötig. Da der Zug nur auf grossen Bahnhöfen hält und für den mehr lokalen Zwecken dienenden Schnellzugverkehr mit seinen häufiger haltenden, schweren Zügen niemals eine solche Lokomotive verwendbar ist, wie die hier in Berechnung stehende, so ist wohl immer eine Schiebelokomotive vorhanden, und jede gewöhnliche 3/3 gekuppelte Rangierlokomotive eignet sich dazu. Ohne besondere Kosten könnte auf diese (jetzt noch nirgends übliche) Weise bequem eine sehr grosse Beschleunigung erzielt werden. Die Gewichtsverteilung wäre die, dass die beiden Achsen des führenden Drehgestells, sowie die hintere Laufachse unter der Feuerbüchse mit je 15 t, die Triebachse mit 18 t belastet werden. Eine fünfte Achse ist unnötig und auch schwer unterzubringen. Das Gewicht einer im übrigen ganz gleichartigen Lokomotive mit höheren Triebrädern wäre grösser als dasjenige der hier gewählten Lokomotive, weil für gleiche Geschwindigkeit geringere Tourenzahl und daher geringere spezifische Leistung folgen würde, so dass für gleiche Leistung die Heizfläche und damit das Kesselgewicht grösser gemacht werden müsste. Dabei wäre die Zugkraft kleiner, so dass eine grössere Dampfmaschine mit wieder grösserem Gewicht, oder eine grössere Füllung mit kleinerem thermischem Wirkungsgrad erforderlich würde. Für die Ruhe des Ganges würden endlich höhere Triebräder bei richtiger Konstruktion nichts bessern, nur die Sparsamkeit wäre etwas grösser wegen der gringeren Forcierung; dieser einzige Vorteil, welcher, wie gesagt, bei der Dampflokomotive stets zurücktreten muss, wäre durch eine Verwickelung von Nachteilen erreicht, so dass die Triebräder mit ihrer Tourenzahl von 300 mit 2120 mm Durchmesser richtig gewählt erscheinen. Kesseldruck. Für die Viercylinder-Verbundmaschine ist eine Dampfspannung von 16 at (absolut) üblich, und soll auch trotz des Ueberhitzers beibehalten werden, gerade um eine genügende Kraftreserve dauernd vorrätig zu finden. Kolbenhub. Setzt man für die Geschwindigkeit von 120 km/Std. die Kolbengeschwindigkeit c = 6 m/Sek., so wird wegen c=\frac{n\,s}{30} s=\frac{30\,c}{n}=\frac{30\,\cdot\,6}{300}=600\mbox{ mm.} Dieser Wert ist ein sehr gebräuchlicher und verursacht bei der hohen Tourenzahl keine Störungen der Ruhe des Ganges, während er andererseits gross genug ist für die verhältnismässig geringe Zugkraft. Cylinderdurchmesser. Die Berechnung kann von der Zugkraft oder vom besten Dampf verbrauch ausgehen, ersteres bei ungleichmässig und stark, letzteres bei gleichmässig und geringer beanspruchten Zugkräften, d.h. ersteres bei Gebirgs-, letzteres bei Flachlandlokomotiven. Mit Rücksicht auf die vorliegenden Bedingungen kann nur die zweite Berechnung in Frage kommen. Dabei wird der Inhalt des Hochdruckcylinders in Beziehung zur Grösse der Heizfläche gesetzt und durch das Verhältnis \frac{C}{H} in Liter pro 1 qm ausgedrückt. Dieses schwankt zwischen 0,6 und 1 l/qm und werde hier, um Ueberschätzung des Kessels zu vermeiden, mit 0,85 l/qm angenommen. Dann ist aus \frac{d^2\,\pi}{4}\,\frac{s}{H}=\left(\frac{C}{H}\right) d'=\sqrt{\left(\frac{C}{H}\right)\,\frac{4\,H}{\pi\,s}}=\sqrt{0,85\,\cdot\,\frac{4\,\cdot\,190}{\pi\,\cdot\,6}}=585\mbox{ mm.} Dies ist der Durchmesser eines Hochdruckcylinders. Zu gross ist derselbe nicht, wenn man bedenkt, dass bei der Borsig'schen Heissdampflokomotive derselbe bei der geringen Kesselheizfläche von 108 qm bereits 500 mm beträgt. Wird der Cylinder halbiert, so wird d=\frac{d'}{\sqrt{2}}=\frac{585}{1,41}=415\mbox{ mm.} Passend ist ferner ein Kolbenflächenverhältnis \frac{f_1}{f}=2,5, so dass d1' = d' √2,5 = 1,58 . 585 = 925 mm für den Durchmesser des Niederdruckcylinders folgt. Wird auch dieser geteilt, so ergibt sich d_1=\frac{d'_1}{\sqrt{2}}=\frac{925}{1,41}=655\mbox{ mm.} Man hat nun für die Dampfmaschine folgende Auswahl: Zwillingsmaschine,symmetrisch d s = 585= 600 mm zweimal Verbundmaschine,unsymmetrisch,Kl. I d d 1 s = 585= 925= 600 mm Hochdruck einmalNiederdruck einmal Verbundmaschine,symmetrisch,Kl. III b 1 d d 1 s = 415= 655= 600 mm Hochdruck zweimalNiederdruck zweimal Unter diesen hat die Zwillingsmaschine den Vorteil der Einfachheit und der geringsten schwingenden Massen, die Viercylinder-Verbundmaschine dagegen den Vorteil der ausgeglichenen Massen, welcher jedenfalls überwiegt, wenn auch die schwingenden Massen doppelt so gross sind und die Einfachheit eingebüsst ist. Es ist dann das Paar Hochdruckcylinder innerhalb (wegen der verfügbaren Rahmenbreite bei inneren Rahmen), das Paar Niederdruckcylinder ausserhalb der Rahmen unterzubringen, alle vier horizontal in einer Reihe unter der Rauchkammer, über der Drehgestellmitte. Die Hochdruckcylinder sind vorn zu schliessen, um bei dem hohen Eintrittsdruck eine Quelle von Undichtheiten zu umgehen, während die Niederdruckkolben mit Kopfstangen zu versehen sind, weil einerseits der Druck viel geringer ist, andererseits die schweren Kolben gut geführt sein müssen. Ausstattung. Führerstand und Rauchkammer sind mit Luftschneideflächen auszurüsten; der Tender erhält Wasserschöpfer. Im grossen und ganzen kann das hier Gesagte für die Grundzüge in der Berechnung einer ungekuppelten Schnellzuglokomotive stärkster Leistung massgebend sein, soweit es sich um Hauptabmessungen und Gesamtanordnung handelt. Auf Ausführlicheres kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden, um so mehr als die ungekuppelte Lokomotive nur für leichte Züge bis zu 150 t bei der gegebenen Geschwindigkeit von 120 km/Std. brauchbar ist und bei uns wohl kaum je auftreten wird, da man die hohen Achsdrücke nicht kennt und auch den kommerziellen Wirkungsgrad \eta_1=1-\frac{M}{G} möglichst hoch zu nehmen sucht, welcher in dem ausgeführten Beispiel nur 1-\frac{100}{250}=0,6 ist. Genau betrachtet kann auch der Vorteil des leichten Ganges und der geringen Unterhaltungskosten, sowie der Sparsamkeit, welche der höhere mechanische Wirkungsgrad der ungekuppelten Maschine bedingt, nicht so schwerwiegend sein, dass man dafür einen geringen kommerziellen Wirkungsgrad in Kauf nimmt und bloss der freien Triebachse zuliebe die Fähigkeiten der Maschine hinsichtlich der Entwickelung von Zugkraft unterdrückt, sobald diese Fähigkeiten durch einen grossen, schweren und spezifisch ebenfalls äusserst leistungsfähigen Kessel einmal vorhanden sind. Die Mehrbelastung der Triebachse bis auf 22 t, welche in Amerika unbedenklich vorgenommen wird, gibt eine Adhäsion von etwa \frac{1}{5}\,\cdot\,22000=4400 kg im besten Fall (die Amerikaner rechnen sogar \frac{1}{4}\,\cdot\,22000=5500 kg), somit für den Beharrungszustand freilich geholfen wäre; da aber der kontinentale Oberbau überhaupt erst auf 16,5 t angekommen ist, so ist diese Lösung nur für Amerika brauchbar, und selbst da ist die ungekuppelte Maschine so gut wie nicht vorhanden (im ganzen nur zwei Stück). Der einzige Ausweg ist die Kuppelung einer zweiten Achse; ohne geringste Aenderungen im übrigen ist die hintere Laufachse durch eine gekuppelte Treibachse zu ersetzen. Nimmt man wieder als Beispiel die eben berechnete Schnellzuglokomotive, so kommt bei gleicher Lastverteilung bei 63 t Dienstgewicht auf das vordere Drehgestell eine Belastung von 30 t, auf die zwei Triebachsen von je 16,5 t, d.h. 15 t Adhäsionsgewicht mehr. Die verfügbare Zugkraft ist dann bei 331 Triebachsbelastung 33\,\cdot\,\frac{1}{6}=5500 kg bis 33\,\cdot\,\frac{1}{5}=6600 kg, Beträge, welche im Schnellzug nie erforderlich sind; aber mühelos und ohne Anstrengung des Oberbaues können dann diejenigen Zugkräfte dauernd abgegeben und überschritten werden, welche für die ungekuppelte Maschine die äusserste mögliche Grenze bedeuten. Auch, an Dampf fehlt es bei dem grossen Kessel nicht; denn bei 190 qm Kesselheizfläche (ohne Ueberhitzer gerechnet) können, nach den Versuchen mit der 2/4 gekuppelten Ueberhitzerlokomotive der Preussischen Staatsbahn zu schliessen, bis 2000 PSi erwartet werden. 15 t tote Last sind verschwunden, der kommerzielle Wirkungsgrad ist bedeutend gestiegen. Auf Ersparnisse an Brennstoff und Reparaturkosten hat man verzichtet, dafür aber an Anlagekosten und an Mannschaft gespart, indem nun fast die doppelte Belastung an die Lokomotive vom gleichen Dienstgewicht gehängt Werden kann, bezw. für gleiche Nutzlast eine Lokomotive gespart hat, ohne an Geschwindigkeit verloren zu haben. Eine kurze Rechnung bestätigt dies. Als Kesselleistung sei wieder angenommen N = 2000 PS. Dann ist bei V = 120 km/Std. aus N=\frac{W\,V}{270} W=\frac{270\,N}{V}=\frac{270\,\cdot\,2000}{120}=4500\mbox{ kg.} Ferner ist W=G\,\left(2,4+\frac{V^2}{1300}\right)=G\,\left(2,4+\frac{120^2}{1300}\right)=G\,\cdot\,13,4, somit G=\frac{W}{13,4}=\frac{4500}{13,4}=335 t im ganzen. Da die Lokomotive mit Tender 100 t wiegen soll, so beträgt die Zuglast hinter dem Tender 235 t, gegen 150 t bei der ungekuppelten Lokomotive, welche infolge zu geringer Adhäsion die Meximalleistung von 2000 PS, deren der Kessel fähig wäre, nicht abgeben bezw. nicht in Zugkraft umsetzen kann. Was hier für die äusserst denkbaren Fälle gerechnet ist, wird auch für normale Beanspruchungen gleiche Gegensätze zeigen. Der kommerzielle Wirkungsgrad für die 2/4 gekuppelte Lokomotive bei 120 km/Std. ist dann \eta_1=1-\frac{100}{335}=0,7, also 10 % besser noch als bei der nicht gekuppelten bei grösster Zugkraft. Bei geringeren Geschwindigkeiten, aber höheren Belastungen wird η1 noch besser bei der ersteren, Während die zweite jeder Erhöhung ihrer Zugkraft unzugänglich ist. Geht man zum Schluss von der grössten Zugkraft aus, so zeigt sich: Es sei \frac{W}{L_{\alpha}}=\frac{1}{5}, dann wird 1.\ W=\frac{1}{5}\,\cdot\,18\,t=3600\mbox{ kg }\left(\frac{1}{4}\right). 2.\ W=\frac{1}{5}\,\cdot\,33\,t=6600\mbox{ kg }\left(\frac{2}{4}\right). Von hier aus kann auf zweifache Art gerechnet werden: a) Man nimmt an, dass diese Zugkräfte bei einer Geschwindigkeit abgegeben werden, bei welcher, der zugehörigen Tourenzahl entsprechend, der Kessel aufs höchste beansprucht ist (a = 0,6). Diese Geschwindigkeit wird gefunden durch Vereinigung der Gleichungen: N=\frac{W\,V}{270},\ \ N=a\,h\,\sqrt{n},\ \ n=5310\,\frac{V}{D}, woraus V=\frac{5310}{D}\,\left(\frac{270\,a\,H}{W}\right)^2, also 1.\ V=\frac{5310}{2120}\,\left(\frac{270\,\cdot\,0,6\,\cdot\,190}{3600}\right)^2=183\mbox{ km/Std. }\left(\frac{1}{4}\right). 2.\ V=\frac{5310}{2120}\,\left(\frac{270\,\cdot\,0,6\,\cdot\,190}{6600}\right)^2=55\mbox{ km/Std. }\left(\frac{2}{4}\right). Durch Einsetzung erhält man aus W=G\,\left(2,4+\frac{V^2}{1300}\right) 1.\ G=\frac{3600}{2,4+\frac{183^2}{1300}}=\frac{3600}{36}=100\,t\,\left(\frac{1}{4}\right). 2.\ G=\frac{6600}{2,4+\frac{55^2}{1300}}=\frac{6600}{5,4}=1220\,t\,\left(\frac{2}{4}\right). Besonders für die erste ein überraschendes Ergebnis! 183 km/Std. auf der Horizontalen ist für die erste die absolute Geschwindigkeitsgrenze, bei der sie nur noch sich selbst befördern kann, da das gefundene Zugsgewicht mit dem Lokomotivgewicht von 100 t einschliesslich Tender übereinstimmt; im diametralen Gegensatz dazu befindet sich die zweite, welche bei höchster Zugkraft sich als Güterzuglokomotive verwenden lässt. Die kommerziellen Wirkungsgrade sind: 1.\ \eta_1=1-\frac{100}{100}=0,\mbox{ unbrauchbar }\left(\frac{1}{4}\right). 2.\ \eta_1=1-\frac{100}{1220}=\,\sim\,92 ^0/_0\,\left(\frac{2}{4}\right). Dabei sind aber die Leistungen: 1.\ N=3600\,\cdot\,\frac{183}{270}=2440,\mbox{ PS }\left(\frac{1}{4}\right). 2.\ N=6600\,\cdot\,\frac{55}{270}=1350,\mbox{ PS }\left(\frac{2}{4}\right). Die Leistung der ersten ist rein nur auf dem Papier möglich, und wenn auch zu erreichen, kommerziell ganz wertlos. Demgegenüber tritt vorteilhaft die zweite heraus, bei welcher 1150 t hinter dem Tender mit 55 km/Std. befördert werden könnten, allerdings bei Vollbeanspruchung des Kessels. b) Man nimmt eine für die Entwickelung der höchsten Zugkraft wahrscheinliche Geschwindigkeit an, am besten 55 km/Std. aus der vorigen Berechnung. Dann wird für die erste (¼ gekuppelte) Lokomotive: G=\frac{W}{2,4+\frac{V^2}{1300}}=\frac{3600}{2,4+\frac{55^2}{1300}}=\frac{3600}{5,4}=670\mbox{ t,} d.h. 570 t h. T., womit \eta_1=1-\frac{100}{670}=85 %, Immer noch 7 % weniger, als bei der zweiten oben erhalten wurde, und dem verhältnismässigen Minderwert steht noch ein absoluter zur Seite, indem bei 55 km/Std. von der ersten 1220 – 670 = 550 t weniger befördert werden, und das ist die Hauptsache. Werden statt einer 2/4 zwei ¼ gekuppelte Maschinen vor den 1120 t schweren Zug gespannt, so ist endlich bei 55 km/Std.: \eta_1=1-\frac{200}{1320}=85 %, also genau, wie eben erhalten, ohne Berücksichtigung der verdoppelten Mannschaft. Die kommerzielle Unterlegenheit der ungekuppelten Lokomotive ist damit jedenfalls genügend bewiesen und ihre Beschränkung auf ein ganz isoliertes Arbeitsfeld mit allgemein nicht gültigen Bedürfnissen erklärt und begründet. Die folgenden Ausführungen wenden sich daher der 2/4 gekuppelten Lokomotive zu. (Fortsetzung folgt.)