Titel: Die automatischen Telephone und Vermittelungsumschalter.
Autor: C. H.
Fundstelle: Band 317, Jahrgang 1902, S. 758
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Die automatischen Telephone und Vermittelungsumschalter. [Die automatischen Telephone und Vermittelungsumschalter.] Unter diesem Titel bringt das Journal of the Western Society of Engineers“ im Oktoberheft No. 5 Mitteilungen über einen Vortrag von A. A. Kiett und J. F. Crook vom 17. Septbr. 1902. Hierin wird das Strowger-System erläutert, dessen Verwertungsrechte für die Vereinigten Staaten die Automatic Electric Company erworben hat. Dieses System bei einer grossen Fernsprechanlage zur automatischen Vermittelung zu verwenden, steht die Illinois Telephone and Telegraph Company in Chicago nun im Begriffe. Textabbildung Bd. 317, S. 757 Fig. 1. Teilnehmerapparat für automatische Vermittelungsämter. Der Vortragende glaubt, dass das automatische System zu einem Umschwung auf dem Gebiete der Fernsprechvermittelung führen werde und die höchsten Erwartungen noch übertroffen würden, was selbst die bisherigen Gegner und Kritiker nicht mehr zu bestreiten schienen. Die Vorzüge seien für die Teilnehmer die, dass sie sich nicht mit auf dem Amte thätigen Telephonistinnen herum zu ärgern haben würden und von diesen unabhängig sich selbst ihre Verbindungen in kurzer Zeit herstellen und Zeit ersparen könnten. Bei diesem System der Strowger Automatic Telephone Exchange & Co. kann sich der rufende Teilnehmer durch einige Handgriffe an seinem Telephonapparat mit jedem an das automatische Vermittlungsamt angeschlossenen Teilnehmer ohne Bedienungspersonal auf diesem Amte in Verbindung setzen. Sollte die gewünschte Leitung besetzt sein, so lässt sich die Verbindung nicht herstellen, wodurch auch das Telephongeheimnis besser gewahrt und ein bestehendes Gespräch nicht mit angehört werden kann. An jedem Sprechapparat (Fig. 1 u. 2) befindet sich unterhalb des Mikrophons an der Vorderfläche des Sprechapparates eine um ihre Achse drehbare runde Metallscheibe mit ovalen Vertiefungen, die mit den Zahlen 1–0 (10) oder 0–9 bezeichnet sind und Kontaktstiften entsprechen. Durch Einlegen eines Fingers in die ovale Oeffnung wird die Scheibe gedreht, auf die Teilnehmernummer eingestellt, worauf sie beim Loslassen durch eine Spiralfeder wieder in die ursprüngliche Lage zurückgebracht ward. Will z.B. ein Teilnehmer die Nummer 561 anrufen, so stellt er nacheinander die Zahlen 5 – 6 – 1 ein. Auf dem selbstthätigen Amt stellen sich dann die entsprechenden Ziffern durch einen über die Verbindungsleitung geschlossenen Stromkreis mittels Elektromagneten und Relais zur Sprechleitung vom rufenden zum angerufenen Teilnehmer. Beim Drücken auf den Knopf des anrufenden Teilnehmers wird dann der Stromkreis einer Primärbatterie geschlossen, die Leitung vollends verbunden und der Wecker beim gerufenen Teilnehmer in Bewegung gesetzt. (An Stelle der Drucktaste und Batterie könnte auch unter entsprechender anderer Einrichtung der in Deutschland jetzt eingeführte Induktor – Kurbeldrehung – treten). Textabbildung Bd. 317, S. 757 Fig. 2. Automatischer Vermittelungsumschalter. Als Energie dienen eine auf dem Amte aufgestellte Akkumulatorenbatterie und Motorgeneratoren mit einer Spannung von 1000 Volt. Eine kleine Primärbatterie bei den Teilnehmern dient zur Erregung der Magnete. Vor der Drehung der Anrufscheibe ist der Hörer vom Haken abzuheben und nach Beendigung des Gesprächs, zugleich zwecks Aufhebung der Verbindung wieder anzuhängen. Ein Abläuten findet nicht statt. Die Herstellung einer Verbindung soll nur 5 Sekunden in Anspruch nehmen. Die Teilnehmer sind mit dem Amte durch Doppelleitung verbunden und dient die Erde als dritter Leiter beim unmittelbaren Anruf. Bei dem Gespräch selbst ist dann nur die metallische Hin- und Rückleitung eingeschaltet. Bei Vermittelungsämtern von 100 Anschlüssen und weniger wird nur ein Apparat zur automatischen Umschaltung auf dem Amte benötigt, dagegen bei einer Teilnehmerzahl bis zu 1000 müssen dann zehn Stammleitungen verwendet werden, die die Verbindungen der einzelnen Apparate unter einander wieder herstellen. Ist das Netz noch grösser, so erhöht sich die Anzahl der Stammleitungen und deren Gruppen. Die Einzelheiten dieser automatischen Apparate und des Systemes, die für den Techniker das eigentliche Interesse bilden, werden sehr verschwiegen, was zum grössten Teil wohl nur dadurch erklärlich, dass die betreffenden Patente noch nicht erteilt sind. Der Vortragende bemerkte zum Schluss, dass derartige automatische Vermittelungsämter in Fall River und New Bedford errichtet und auch in Berlin ein solches Amt jetzt im Betriebe sei. Ueber letzteres brachten übrigens die deutschen Zeitungen schon kurze Notizen und hatte der Reichsanzeiger dessen in Benutzungnahme für den öffentlichen Verkehr angezeigt. Dieses Berliner Amt ist ein Versuch für die hiesigen Verhältnisse und, wenigstens zunächst, noch sehr zu zweifeln, dass weitere automatischen Aemter, zumal von grösserem Umfange zur Einführung gelangen. Der Gegner und Kritiker dürften, für deutsche Verhältnisse wenigstens, noch sehr viele sein und diese sich nicht so schnell wie in Amerika zu dem amerikanischen System bekehren. Die vorgenannten Stammleitungen entsprechen, wie erläuternd bemerkt sei, gewissermassen den Verbindungsleitungen zwischen unseren einzelnen Vermittelungsämtern. Weiter sei angeführt, dass die vorgenannten amerikanischen automatischen Vermittelungsämter eine grosse Anzahl Teilnehmer aufnehmen und ist das Amt in New Bedford für 10000 Anschlüsse berechnet. Die Leitungen sind in 10 bis 100paarigen (Doppeladern) Bleikabeln in unterirdischen Röhren verlegt. Die Jahresgebühr betrug unabhängig von der Gesprächsanzahl früher 48–96 Dollar (200–400 M.). Die „Automatic Telephone Company“ erzielt jetzt 24 Dollar (100 M.) für einen Wohnungsanschluss und 56 Dollar (150 M.) für einen Geschäftsanschluss jährlich. In dem Bell-Fernsprechnetz (Fall River) stellen sich die Gebühren auf 300 und 390 M. Die elektrische Energie wird in einem Aufsatz der Electrical World and Engineer auf 76,2 K. W.-Stunden und nach hiesiger Geldwährung umgerechnet mit ca. 29 M. bewertet. Dieselben Kosten betrugen bei dem Amt in Fall River ca. 49 M. Hiermit stellen sich die Energiekosten auf den Teilnehmer berechnet mit 5–8 Pf. ungefähr ebenso wie bei den Vermittelungsämtern mit Bedienungspersonal. Bei letzteren kommen, was bei den automatischen Aemtern fortfällt, die Kosten für das Personal sehr in Betracht und haben deshalb die automatischen Vermittelungsämter einen wesentlich billigeren Betrieb, wenn dieser Vorzug nicht durch wohl leichter vorkommende Betriebsstörungen und durch die grössere Kapitalsanlage und deren Amortisation und Verzinsung wieder aufgehoben wird. Im übrigen bestehen in Amerika bereits verschiedene Systeme automatischer Vermittelungsämter, und berichtete kürzlich die in New-York erscheinende Electrical-Review in grossen Zügen über das Faller System. C. H.