Titel: Der Dampfüberhitzer System Pielock.
Autor: M. Buhle
Fundstelle: Band 319, Jahrgang 1904, S. 1
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Der Dampfüberhitzer System PielockD. R.-P. 143108, 147229 und D. R. G.-M. 205918, ausgeführt von der Hannoverschen Maschinenbau-A. G. vorm. Georg Egestorff, Linden vor Hannover.. Von M. Buhle, Professor in Dresden. Der Dampfüberhitzer System Pielock. Nachdem sich die Anwendung überhitzten Dampfes bei ortsfesten Dampfkessel- und Dampfmaschinenanlagen schon lange bewährt hatte, ging man erst verhältnismässig spät, etwa seit dem Jahre 1898 dazu über, auch für Lokomotiven Ueberhitzer zu bauen, und zwar war es die Preussische Staatseisenbahn Verwaltung, welche in dieser Richtung bahnbrechend vorgegangen ist und seitdem eingehende Versuche auf dem Gebiete der Heissdampflokomotive ausgeführt hatZeitschr. d. Ver. deutscher Ing. 1902, S. 145 u. f.; 1903, S. 297 u. f., sowie Glasers Annalen für Gewerbe und Bauwesen 1903, II. S. 209 U. f.. Es wurden dabei gute und anerkennenswerte Ergebnisse in bezug auf Kohlen- und Dampfersparnis erzielt und die entschiedene Ueberlegenheit der Heissdampf-Lokomotive gegenüber der Nassdampf-Lokomotive erwiesen. Was die Ausführung der bisherigen UeberhitzerbauartenS. a. D. p. J. 1903, 318, 440. anbetrifft, so kann man von ihnen wohl behaupten, dass sie nach Ueberwindung der anfänglichen Schwierigkeiten, wie sie bei jeder Neuerung unvermeidlichsind, den Anforderungen der Betriebssicherheit genügen. Sie können jedoch ohne kostspieligen Umbau nur bei neu zu erbauenden Lokomotiven angebracht werden und verursachen auch in letzterem Falle noch sehr erhebliche Kosten (bei preussischen 2/4-Schnellzug-Lokomotiven rund 6000 bis 8000 M.)Eisenbahn-Technik der Gegenwart, Bd. I, Lokomotiven, 2. Aufl., S. 416. Textabbildung Bd. 319, S. 1 Anordnung des Ueberhitzers System Pielock im Lokomotivkessel. Dagegen zeichnet sich der Ueberhitzer System Pielock (Fig. 1 u. 2) wegen seiner grossen Einfachheit und Zweckmässigkeit der Anordnung durch einen sehr billigen Preis aus. Die Beschaffung eines Ueberhitzers für eine preussische 2/4-Schnellzuglokomotive zur Ueberhitzung des Dampfes auf etwa 250–300° beträgt rund 1800 bis 2400 Mk. ab Fabrik, einschl. Patent- und Lizenzgebühren und einschl. eines Monteurs zum sachgemässen Einsetzen der Rohre. Der Ueberhitzer von Pielock ist ausser für Lokomotiven für nahezu alle Heizrohrkesselsysteme, wie Lokomobilkessel, ausziehbare Röhrenkessel, Schiffskessel (Zylinderkessel) usw. verwendbar und lässt sich sowohl an neuen wie an vorhandenen Kesseln anbringen. Seine Verwendung für Lokomotivkessel, welche in folgendem ausführlicher behandelt werden soll, geht aus den Fig. 1 bis 5 hervor. Der Ueberhitzer ist im Langkessel unter Benutzung der vorhandenen Rohrheizfläche derart angeordnet, dass die für die Ueberhitzung des Dampfes erforderlichen Heizgase mit zweckentsprechender Temperatur in ihn eintreten, d.h. heiss genug, um bei kleinster Heizfläche die gewünschte Dampftemperatur zu erzielen, und genügend abgekühlt, um einen schädlichen Einfluss der Feuergase auf die Rohre zu verhindernOrgan f. d. Fortschritte des Eisenbahnwesens 1903, S. 150.. Bei dem verhältnismässig geringen Raumbedarf kann entsprechend der Lage und der Grösse (Länge) des Ueberhitzers jede gewünschte Temperatur bis zur höchst zulässigen Grenze von etwa 300 bis 350° erzielt werden. Erglühen der Rohre ist ausgeschlossen, wenn der Ueberhitzer soweit von der Feuerbuchsrohrwand bleibt, dass die Temperatur der Feuergase in ihm 700 bis 800° nicht übersteigt. Beim Stillstand der Lokomotive fällt die Temperatur der Gase in den Rohren so erheblich, dass auch dann, wenn kein Dampf den Ueberhitzer durchstreicht, Erglühen ausgeschlossen ist; jedoch dauert die Ueberhitzung während dieser Zeit an, so dass beim Anfahren stets überhitzter Dampf zur Verfügung steht. Textabbildung Bd. 319, S. 2 Fig. 3. Ueberhitzer System Pielock mit eingestecktem Rohrbündel. Der Ueberhitzer (Fig. 15) besteht im wesentlichen aus einem im Kessel um das vorhandene Rohrsystem gebauten Kasten, der gegen das umgebende Wasser leicht abgedichtet werden kann, da in dem Kasten der gleiche Druck herrscht wie im Kessel. Dieser Kasten wird durch Trennwände in verschiedene Abteilungen zerlegt, wodurch möglichst lange und innige Berührung des Dampfes mit den Heizrohren erreicht wird. Der Eintritt des Dampfes in den Ueberhitzerkasten erfolgt unter Kesseldruck durch Einströmungsrohre E1 und E2 (Fig. 1). Der Dampfdurchstreicht die einzelnen Kammern in der Richtung der eingezeichneten Pfeile und tritt durch das Rohr A aus dem Ueberhitzer in einen den Regulatorkopf umgebenden Kasten. Textabbildung Bd. 319, S. 3 Ueberhitzer System Pielock mit Dampf-Ein- und Ausströmrohren und Regierkasten. Die Temperatur des überhitzten Dampfes gibt ein in den Kasten hineinreichendes Thermometer T an, dessen Skala mit grossen Zahlen versehen ist und vom Führerstande aus gut beobachtet werden kann. Durch ein von dem Regulator durch den Domfuss führendes Rohr R kann überhitzter Dampf zur Luftpumpe, zur Schienenreinigung, zur Heizung usw. abgegeben werdenAuf der Petersburg-Warschauer Bahn findet der überhitzte Dampf auch Verwendung zur Desinfektion der Viehwagen.. Am Boden des Ueberhitzerkastens ist ein Ablassrohr angeordnet, das durch einen Hahn ausserhalb des Kesselmantels abgeschlossen wird. Bei etwa vorkommenden Mängeln kann durch Oeffnen des Hahnes der Grad der Undichtigkeit des Ueberhitzers festgestellt werden. Der Einbau des Ueberhitzers geht in der Weise vor sich, dass der Ueberhitzerkasten vor dem Einbringen der vorderen bezw. hinteren Rohrwand in den Langkessel eingebracht und an seiner bestimmten Stelle vorläufig festgehalten wird. An vorhandenen Lokomotiven erfolgt der Einbau am zweckmässigsten bei Erneuerung der Heizrohre oder gelegentlich der inneren Revision. Nachdem die Rohrwände in den Kessel eingebracht sind, werden die Heizrohre eingezogen und zunächst in den Ueberhitzerrohrwänden, dann in der Feuerbuchs- und zuletzt in der Rauchkammer-Rohrwand eingewalzt. In die Ueberhitzerrohrwände werden die Rohre mit einer besonders hierzu gebauten Dichtmaschine nur leicht, ohne Anwendung von Schlägen auf den Dorn derselben eingewalzt; diese leichte Abdichtung genügt, da im Ueberhitzerkasten dieselbe Spannung herrscht wie ausserhalb desselben. Die Heizrohrlöcher sind in der vorderen Ueberhitzer-Rohrwand etwas weiter gebohrt als in der hinteren und in dieser etwas weiter als in der Feuerbuchs-Rohrwand, um leichtes Ausbringen der Rohre zu ermöglichen. Eine besondere Befestigung des Ueberhitzerkastens ist unnötig, da- derselbe im Kesselwasser schwimmt und ein etwaiger Ueberschuss an Gewicht auf eine grosse Anzahl Rohre übertragen wird. Für neue Lokomotiven, bei denen Kolbenschiebervorgesehen sind, verwendet man zweckmässig eine Ueberhitzung von 300–350° C., während man bei vorhandenen Lokomotiven, bei denen die Flachschieber beibehalten werden, nicht über 260–280° gehen sollte. Die bisher mit dem Pielockschen Ueberhitzer gemachten Erfahrungen haben die auf ihn gesetzten Erwartungen vollkommen gerechtfertigt. Beispielsweise wurde bei Versuchen, welche seitens der Preussischen Staatseisenbahnverwaltung auf Veranlassung des Ministers der öffentlichen Arbeiten ausgeführt wurden, ein Mehrverbrauch an Kohlen von 15 v. H. und an Wasser von 18 v. H. bei gleichartigen Nassdampf-Lokomotiven festgestellt. Bei den genannten Temperaturen haben sich die Flachschieber, mit denen die betreffenden Lokomotiven ausgerüstet waren, bei geeigneter Schmierung durchaus brauchbar erwiesen. Die Ueberhitzer selbst haben keinerlei Anlass zu irgend welcher Beanstandung gegeben. Textabbildung Bd. 319, S. 4 Fig. 6. Vierzylindrige ⅖-gek. Verbund-Schnellzug-Lokomotive mit Pielock-Ueberhitzer, Bauart der Hannoverschen Maschinenbau-A.-G. vorm. Egestorff. Fig. 6 veranschaulicht eine vierzylindrige, ⅖-gek. Verbund-Schnellzug-Lokomotive, Patent von Bornes, welche mit Pielockschem Ueberhitzer ausgestattet ist. Dieselbe wurde von der Hannoverschen Maschinenbau-A.-G. vormals Georg Egestorff, Linden vor Hannover, für die Weltausstellung in St. Louis 1904 erbaut.