Titel: Die Vauclusischen Quellen und die Wasserversorgung der Städte.
Autor: Franz Lang
Fundstelle: Band 319, Jahrgang 1904, S. 243
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Die Vauclusischen Quellen und die Wasserversorgung der Städte. (Schluss von S. 237 d. Bd.) Die Vauclusischen Quellen und die Wasserversorgung der Städte. 8. Wie soll bei der Wasserversorgung der Städte vorgegangen werden? Aus den vorhergehenden Betrachtungen lassen sich folgende Hauptsätze für die Wasserversorgung ableiten: 1. Man errichte keine Wasserleitung, basierend auf Quellen im Kalkgebirge, ausser im Hochgebirge am Rande der Gletscher, denn das Kalkgebirge ist zerklüftet und lässt alle Unreinlichkeiten der Oberfläche unfiltriert hindurch und die aus diesen Quellen gespeisten Wasserleitungen können zur grössten Gefahr für die mit solchem Wasser versorgten Städte werden. 2. Wo bereits solche Leitungen bestehen, sind umfassende Versicherungen der Quellen und eine genaue Ueberwachung des ganzen Niederschlagsgebietes notwendig, damit es nicht verunreinigt wird und eine strenge Meldepflicht bezüglich vorgekommener primärer Typhusfälle, Isolierung der Kranken und strengste Desinfizierung der Wohnungen und Entleerungen derselben durchzuführen. Im Hinblick auf den ersten Satz entsteht die Frage: Nach welchen Gesichtspunkten sollen die Städte das zur Wasserversorgung nötige Wasser beschaffen? Diese Frage kann man im allgemeinen wie folgt beantworten: 1. Man verlege das Schwergewicht auf die Erschliessung des Grundwassers und nicht auf die Aufsuchung von Quellen, deren Herkunft man nicht kennt. 2. Man lasse sich durch den scheinbaren Wasserreichtum der Quellen nicht verlocken, denn die wasserreichen sind die gefährlichsten, und verzichte lieber ganz auf die Zuleitung mittels natürlicher Gravitation, selbst wenn man Pumpen und kostspielige Hebewerke anbringen müsste; die Versorgung einer Stadt mit einwandfreiem Trinkwasser ist damit noch immer nicht hoch bezahlt. 3. Man lasse die Illusion fahren, dass man jede Stadt des Kontinentes mit einwandfreiem, einheitlichen Wasser zu Trink- und Nutzzwecken versorgen könne; in der Regel wird dies bei den grossen Anforderungen an die Menge des Wassers selten möglich sein. 4. Was aber überall möglich sein wird, ist die getrennte Versorgung mit gesundem, kühlem Grundwasser und einwandfreiem Nutzwasser aus Talsperren, Seen und Teichen, denen nur reines, von Abwässern freies Wasser zufliesst. Der Einwand der besonders von ärztlicher Seite gegen eine getrennte Wasserleitung erhoben wird, dass bei solcher Verwechslungen leicht stattfinden und Ansteckungen erfolgen können, wird dann hinfällig, wenn auch das Nutzwasser in gesundheitlicher Beziehung vollkommen einwandfrei ist und aus einer reinen Gegend stammt. Das Nutzwasser kann Oberflächenwasser sein und kann eine höhere Temperatur als das Trinkwasser besitzen, bedarf auch keiner Kohlensäure usw. Es würde auch eine ungerechtfertigte Verschwendung bedeuten, wenn man das in der Natur doch immerhin seltener vorkommende Grundquellwasser zu Nutzzwecken, Strassenbespritzen usw. gebrauchen wollte. Ueberall in der Welt, ausgedehnte Tiefebenen ausgeschlossen, wird sich in nicht allzuweiter Ferne von der Stadt irgend ein Plateau oder Hügelzug finden, an dessen der Stadt zugekehrtem Rande man mit Erfolg auf Grundwasser wird bohren können. Bei dem zerklüfteten Charakter der Erdrinde ist es völlig ausgeschlossen, dass man bei einiger Umsicht nicht die nötige Menge von Trinkwasser guter Beschaffenheit finden und nach erfolgter Hebung mittels Pumpen, Heber usw. selbst oft mit natürlicher Gravitation in die Stadt leiten könnte. Nur suche man nicht das Wasser, wie dies gewöhnlich der Fall ist, in den Mulden und Vertiefungen der Ebene. Jenes Wasser, welches sich in solchen Mulden vorfindet, ist stagnierendes Wasser, seit Jahrtausenden mit den Auslaugungsprodukten der Erdschichten gemischt, gewöhnlich stark eisenhaltig, mit Gips, Kalk ja selbst Schwefelwasserstoff gesättigt und zum menschlichen Genüsse unbrauchbar. Wenn man wirklich brauchbares Trinkwasser finden will, so muss man Abhänge aufsuchen, ja oft bis zum Rande der Gebirge, ja selbst in die nächsten Gebirgstäler hinaufsteigen, um dort nach fliessendem, bewegten Grundwasser zu suchen, nach unterirdischen Quellen, welche bei ihrer Entstehung kapillare Hohlräume durchlaufen haben. Durch Anlage von Brunnen, die bis in die Klüfte der Gebirge reichen, oder wenn das Gebirge zumeist undurchlässig ist, durch Anlage von unterirdischen Talsperren wird man gewöhnlich bald die nötige Menge von Trinkwasser, sofern man sich nur auf solches beschränkt, erhalten.In Amerika ist die Versorgung der Städte mit Trinkwasser aus den sog. Ring- und Reihenbrunnen und mittels unterirdischer Talsperren sehr gebräuchlich und ich habe letztere schon vor 25 Jahren in Rio de Janeiro angewendet gesehen bei der Gesellschaft Bulhoes-Gabrielli, wo ich selbst beschäftigt war. Man braucht nur das bewährte Verfahren des Abbe Paramelles wieder zu befolgen, um zum Ziele zu gelangen. In den Niederungen, in den Ablagerungen der Flüsse usw. nach brauchbarem Wasser zu suchen, ist völlig aussichtslos, denn man bekommt da entweder stagnierendes Grundwasser oder mangelhaft filtriertes Flusswasser. Um diese Auseinandersetzungen näher zu beleuchten, will ich die Wasserversorgungsfrage von Brunn kurz darstellen, weil diese gewissermaassen ein Schulbeispiel bildet, wie man Wasser suchen soll und wie nicht. 9. Die Wasserversorgung von Brünn. a) das Projekt von Brüsau. Brünn wird gegenwärtig hauptsächlich durch eine einheitliche Wasserleitung aus der Schwarza versorgt; neben derselben bestehen noch zwei kleine Trinkwasserleitungen, welche jedoch kaum nennenswert sind. Das Wasser der Schwarza wird durch ausgedehnte Filteranlagen filtriert und dem Verbrauch zugeführt. Trotzdem hatten wir schon wiederholt Typhusepidemien in der Stadt, zuletzt im Jahre 1901, welche unstreitig den Charakter von Wasserepidemien trugen, denn dieselben traten auch explosionsartig in verschiedenen Stadtteilen zu gleicher Zeit auf und hatten sonst auch alle Merkmale der Wasserepidemien. In der richtigen Erkenntnis, dass die bestehende Wasserleitung aus dem Schwarzaflusse nicht nur unzureichend, sondern auch im hohen Grade gefährlich ist, hat sich die Stadtverwaltung schon seit beinahe zwanzig Jahren bemüht, eine neue Wasserleitung zu beschaffen. Nachdem man nur oberflächlich die nächste Umgebung nach Wasser durchforscht hatte, beschloss man das Brüsauer Kreidegebiet zum Gegenstande der Operationen zu machen und die Stadtgemeinde beharrt noch immer auf der Erforschung dieses Gebietes; obgleich die geotektonischen und hydrologischen Verhältnisse dieser Gegend höchst klar und einfach sind. Vorerst wollte man doch auf die verdächtigen „Quellen“ dieser Gegend nicht greifen und forschte nach „Grundwasser“. Man verzettelte mehrere Jahre durch Abteufung von Probebrunnen in den „cenomanen“ Sanden unterhalb Wlkow, obzwar es einem jeden erfahrenen Hydrotechniker im Vorhinein klar sein musste, dass aus Sandschichten von so geringer Mächtigkeit und kleiner Korngrösse (durchschnittlich unter 1 mm) man unmöglich eine Stadt wie Brunn mit Wasser versorgen kann. Sagt schon Dr. Lueger in seinem Werke: „Ueber die Wasserversorgung der Städte“, ausdrücklich: „Es existiert in ganz Europa kein Talquerschnitt, der gross genug wäre, um bei Vorhandensein von feinen Sanden, wie sie der Mittelrhein führt, eine halbwegs grössere Stadt mit Wasser zu versorgen.“ Dann ging man höher in die Gegend des famosen „Teiches“ mit „Quellwasser“, welches „mächtig auf seinem Grunde emporsprudelt“ und übersah gänzlich, was jede ältere Katasterkarte zeigt, dass dieser Teich nur ein beim Bahnbau abgeschnittener toter Arm der Zwitta ist und dass das Wasser, welches auf seinem Grunde „emporsprudelt“, nur das im durchlässigen Grunde emporsteigende Zwittawasser selbst ist. Unterhalb des Teiches legte man mit grossen Kosten in den angeschwemmten Schuttkegel einen Probebrunnen an, in welchen man (nach amtlichem Verwaltungsbericht) am Grunde noch Partikel von Indigo gefunden hat, welcher aus den Färbereien von Zwittau vor hundert Jahren hierher geschwemmt wurde. Auf diese Art wurde unnütz Zeit und Geld vergeudet zahllose Messungen, chemische und bakteriologische Untersuchungen gemacht, dort, wo von allem Anfang an der Charakter der Quellen klar sein musste. Da es sich um vauclusische Quellen handelte, so war vorauszusehen, dass in normalen Zeiten, wenn die Filter im Gebirge gut funktionieren, dass Wasser dieser Quellen chemisch und bakteriologisch, (obzwar es sich zum Trinken nicht eignet, denn es schmeckt widerlich und schal), ziemlich einwandfrei sein wird. Solange die Sandfilter, bezw. jene Häutchen oder Membranen welche sich auf demselben bilden, unberührt sind, dringen wohl keine Bazillen hindurch, es brauchen jedoch nur aussergewöhnliche Niederschläge erfolgen und primäre Typhusfälle in den oberhalb liegenden Ortschaften sich ereignen, und die Quellen sind, wie alle vauclusischen Quellen in solchen Fällen, verseucht. Jetzt will man noch einen 2 km langen Tunnel durch den Hörndlberg im durchlässigen Plänerkalk bohren und in demselben eine grosse Anzahl Brunnen graben. Dass man von diesem ungemein kostspieligen und zeitraubenden Experiment Erfolg erwartet, ist völlig unerfindlich!Prof. Fochheimer und andere Fachmänner haben in ihren Gutachten auf die vollkommene Ueberflüssigkeit dieses kostspieligen Bauwerkes hingewiesen. Ich glaube, in der ganzen einschlägigen Fachlitteratur ist ein ähnlicher Fall nicht verzeichnet. Was will man denn mit dem Tunnel? Soll derselbe etwa eine Filtergallerie zum Auffangen der Grundwässer darstellen, wie solche bisher längs des Laufes grösserer Flüsse üblich waren, die jedoch nicht nur zum Auffangen des Grundwassers, dessen Menge immer nebensächlich blieb, sondernzum Abfangen und durchfiltrieren des Flusswassers dienten? Dr. Lueger sagt hierzu: „Ueberall dort, wo man in der Nähe von Oberflächenwässern Grundwässer er-schliessen will, hat man es bewusst oder unbewusst auf die Oberflächenwässer abgesehen. War das Flusswasser ein reines Gebirgswasser, so kam man damit auch zu einem Resultate, man bekam zwar nicht Grundwassser, aber immerhin ein einwandfreies, filtriertes Flusswasser und zahlreiche Wasserleitungen sind auf diesem Wege zustande gekommen. Hier wäre das aber bei dem unsäglich verseuchten Zwittaflusse, wo in 1 cbcm Millionen Fazillen nachgewiesen wurden, denn doch ein gefährliches Wagnis, besonders dann, wenn man mit der Abteufung der Brunnen bis unter. den Spiegel des verseuchten Zwittaflusses gehen würde. Will man das aber nicht, dann hat die ganze Tunnelgrabung absolut keinen Zweck, denn das gesamte Oberflächenwasser kommt ja ohnehin in den vauclusischen Quellen im Tale zu Tage, im beinahe gleichen Niveau wie die Zwitta selbst.“ Weiter will man mittels einer 2 km langen Heberleitung alles durch den Tunnel erschlossene Grundwasser sammeln, eine Zentrifugalpumpe aufstellen und durch längere Zeit unter Entnahme von 250 l'' Wasser Pumpversuche anstellen. Es ist ohne Zweifel, dass man diese 250 l'' auf einige Zeit erhalten wird, denn es besteht in dem Hörndlberge ein grosses Reservoir, mit natürlichem, heberförmigen Ausflusse, welches die sogenannte „Hungerquelle speist, die periodisch grössere Mengen Wassers entleert. Nach kurzer Zeit aber, wenn dieser ganze gewaltige Apparat hergestellt sein wird, wird man ohne Zweifel die Erfahrung machen, dass die Menge des Wassers schnell herabsinken und sich schliesslich nur auf der Höhe der jährlichen Niederschlagsmenge erhalten wird. Dies sage ich heute schon im Vorhinein und die Erfahrung wird mir ohne Zweifel Recht geben. Bei bester Schätzung liefert die „Hungerquelle“ andauernd nicht mehr als 30 l'' Wasser, die sogenannte Tunnelquelle 70 l'' zusammen mithin kaum 100 l''. Eine grössere Menge ist auch aus dem Niederschlagsgebiete von 20 qkm durchaus nicht zu erhoffen, dabei ist das Wasser noch mangelhaft filtriertes Oberflächenwasser von 10° C. Es ist also in diesem Gebiete für eine Wasserversorgung von Brunn nichts zu machen, wie sich auch aus dem Folgenden ergibt. Die böhm.-mähr. Kreidetafel reicht in Mähren bis Lettowitz und bildet ein nach Süden herabhängendes Dreieck, dessen unterste Spitze bei Lettowitz endet. Unterhalb der Wasserscheide bei Zwittau entspringt die Zwitta, welche dieses Kreidedreieck bis Lettowitz durchzieht, wo bereits die undurchlässige Grundlage der Kreide, der Hornblendeschiefer zu Tage tritt. Fächerförmig um den Ursprung der Zwitta sind nun rechts und links einige kleine Kreidemulden gelegen, welche ein Niederschlagsgebiet von je etwa 10–20 qkm besitzen. In geologischer Beziehung ist die Kreideformation wieder genau so, wie wir sie schon früher bei Paderborn gesehen haben. Die obersten Kuppen an der Wasserscheide dieser Mulden bildet wieder der Hilssandstein oder Gault, ein bis zwei Kilometer weiter abwärts beginnt jedoch schon der Plänerkalk und Plänersandstein, der vielfach zerklüftet ist und oberflächlich auch den Karstcharakter zeigt. Unterhalb der Gipfel der kleinen Bergkuppen entspringen, zumeist im waldigen Gebiet, kleine Quellen, die zwar brauchbares Trinkwasser liefern aber in Folge des geringen Niederschlagsgebietes nicht nennenswert sind. Sobald diese kleinen Quellen in der Stärke von 1–2 l'', das Kalkgebiet berühren, verschwinden sie in dem Kalke. Weiter unterhalb finden sie allerdings, besonders bei niederschlagsreicher Zeit, eine Fortsetzung durch kleine Bäche, welche in den durchlässigen, (hier an tiefster Stelle jedoch stellenweise durch Abschwemmungen verdichteten) Kalkboden eingeschnitten sind und an denen die dortigen, langgestreckten Ortschaften liegen. Diese Bäche führen nur eine geringe Wassermenge, da die Hauptmasse des Oberflächenwassers während ihres Laufes in den Boden verloren geht. Die einzelnen Mulden haben überdies noch auf der Oberfläche kleinere muldenförmige Vertiefungen und selbst Trichter, welche alles Oberflächenwasser der hier angebauten Gegend in die Tiefe sinken lassen z.B. das Hackelloch usw. Infolgedessen ist die ganze Gegend fast wasserlos und die Bewohner leiden auch grossen Mangel an Trinkwasser. Unten im Tale brechen zwar an verschiedenen Stellen starke Quellen aus dem Kalke hervor, welche bei ihrem Ursprung sofort im Stande sind, Mühlen zu treiben so z.B. die Tunnelquelle, das Hinterwasser, die Bahnhofquellen usw. Auf den ersten Anblick kann aber für den Fachmann kein Zweifel obwalten, dass wir es hier mit keinen echten Quellen, sondern mit den berüchtigten „Vauclusischen Quellen“ zu tun haben. Dass diese geologischen Tatsachen völlig bekannt sind, beweisen die Berichte der Stadtvertretung selbst. So ist z.B. in dem Jahresbericht der Stadt vom Jahre 1896 ein geologisches Gutachten vom Oberbergrat Tietze enthalten, welches an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig lässt. Ich kann nicht umhin, einige Stellen desselben mitzuteilen. Herr Oberbergrat Tietze schreibt S. 355 des erwähnten Jahresberichtes. „Der zu oberst liegende und die Höhen (!) krönende Pläner ist in der Regel sehr wasserdurchlässig, was teils auf seiner Zerklüftung, teils auf der relativen Löslichkeit der ihm beigemischten Kalkteilchen beruht. Damit hängt zusammen, dass sich stellenweise in den vom Pläner eingenommenen Gebieten, sogar Anklänge von Karsterscheinungen zeigen. Damit hängt weiter zusammen der unliebsame Wassermangel, an welchem viele Ortschaften der höchstgelegenen Plänergegenden trotz reichlicher Niederschläge ganz direkt zu leiden haben, so dass man sogar Punkte treffen kann, an welchen sich die Bewohner sogar mit Zisternenwasser begnügen müssen.“ Seite 359: „Weil nun der Pläner, wie früher ebenfalls gezeigt wurde, in einem gewissen Grade auch zur Hervorbringung von Karsterscheinungen geneigt ist, so erklärt sich die überaus grosse Mächtigkeit einzelner, der hier in Frage kommenden Quellen. Solche Quellen nämlich, welche wie die von Hinterwasser nach ihrer Entstehung schon eine Mühle zu treiben vermögen, kommen in der Regel nur in den zur Verkarstung geneigten Kalkgebirgen vor“ usw. Dass bei solchen eingestandenen und offen zu Tage tretenden Verhältnissen das vorerwähnte Projekt überhaupt noch ernstlich verfolgt wird, ist sachlich unerklärlich. Die Tatsachen liegen doch sonnenklar; die ganze Gegend gehört dem Kreidegebiete an, alles Oberflächenwasser versinkt hier in den durchlässigen Boden und tritt im Tale mit dem wenigen echten Quellwasser vermischt als Vauclusische Quellen hervor, mangelhaftfiltriert mit einer Temperatur von 10° C., also als Trinkwasser völlig ungeeignet. Die ganze Gegend leidet unter dem grössten Trinkwassermangel, kein eigentliches Grundwasser und folglich auch keine Brunnen sind daselbst, das nötige Trinkwasser wird von weit her, für die Bewohner durch eigene Leitungen des spärlichen Quellwassers von den Kuppen, für die Bahnbediensteten durch eigene Wasserzüge herbeigeschafft und trotzdem besteht die Brünner Gemeindevertretung bezw. das Bauamt darauf, nur aus dieser Gegend ihr Wasser zu beschaffen. – Wie in den Tagesblättern verbreitet wurde, will die Gemeindevertretung schon jetzt daran gehen, den etwa 2 km langen Stollen in diesem Gebiete zu erbauen, um das angebliche Grundwasser „aufzuschliessen“. Woher dieses Grundwasser jedoch kommen soll, ist völlig unerfindlich, da doch der Plänerkalk zerklüftet ist, auf völlig undurchlässigen Hornblendeschiefer lagert und dieser Schiefer bereits im Tale zu Tage tritt. Man spricht nur fortwährend von grossen Wasserreservoirs im Innern der Gebirge, welche „erschlossen“ werden sollen. Wie wir aus der Natur der Vauclusischen Quellen ersehen haben, so sind allerdings grosse, eigentlich viele kleine Reservoirs im Gebirge zu erhoffen und diese werden auch ohne Zweifel erschlossen werden, allein sie sind nicht mit Grundwasser, nicht mit Trinkwasser erfüllt, sondern mit demselben Wasser, welches im Tale zu Tage tritt. – Und wenn selbst diese Reservoirs mit bestem Grundwasser erfüllt wären, so kann dies bei einer Wasserversorgung für eine Stadt wie Brunn keine Rolle spielen, da selbst die grössten Reservoirs sich mit der Zeit erschöpfenNur 100 l'' konstanten Wassers benötigen für die Jahresdauer ein Reservoir von 3153600 qcm. und man immer nur wieder für eine konstante Wasserversorgung auf das fliessende Wasser angewiesen ist, dessen Menge einzig und allein von der Grösse des Niederschlagsgebietes abhängt. Nun ist allerdings das ganze Niederschlagsgebiet dieses Kreidedreiecks, einschliesslich des Gebietes der durch Abwässer vollständig verseuchten Zwitta ungefähr 133 qkm gross, jedoch die einzelnen Mulden, welche dieses Gebiet zusammensetzen, sind nicht stufenförmig übereinander, sondern fächerförmig nebeneinander gelagert, so dass man ohne Hebevorrichtungen und kostspielige Leitungen, selbst diese vauclusischen Quellen nicht vereinigen könnte. Jede einzeln für sich decken sie bei Weitem nicht den Bedarf der Stadt Brunn, da die Ergiebigkeit keiner mehr als 100 l'' beträgt und die Stadt Brunn, bei einheitlicher Wasserversorgung eine Wassermenge von 200–250 l'' benötigt. Wenn noch dieses Niederschlagsgebiet in nächster Nähe der Stadt und rein wäre, so hätte dieses Projekt noch einigen Sinn, allein das Gebiet ist im Mittel 70 km weit entfernt und die Zuleitung würde auch in dem engen und vielfach gewundenen Zwittatale die grössten Schwierigkeiten verursachen, abgesehen auch von den enormen Kosten welche die Ablösung der Wasserrechte mit sich bringen würde. Aus hygienischen Gründen ist dieses Projekt aber vollends unmöglich, denn um die ungeheure Gefahr der Verseuchung der Quellen zu mindern, müssten in den tributären Gebieten derselben die umfassendsten Vorsichtsmassregeln getroffen werden. So müsste z.B. der Rotmühlerbach, längs seines ganzen Laufes ausbetonniert werden, die Ortschaften: Mähr.-Böhm. Rothmühl und Bohnau mit einer Kanalisation versehen, die Senkgruben und Düngerstellen undurchlässig gemacht, der Hörndlberg, sowie das ganze tributäre Gebiet aufgeforstet werden usw. b) Das Projekt von Drahan-Jedownitz. Angeregt durch die Wassermisere, unter der wir alle in Brunn leiden, und veranlasst durch die letzte Typhusepidemie, welche wir überstanden haben, habe ich mich der Sache als Fachmann, obzwar unberufen, angenommen und auf das uns so nahe (im Mittel kaum 25 km) gelegene Niederschlagsgebiet des Drahaner Plateaus hingewiesen, welches frei von Abwässern und zum grössten Teile bewaldet, von der Natur wie geschaffen erscheint, um Brunn für alle Zukunft mit gesundem Trinkwasser zu versorgen. Ich habe keine Mühe und kein Opfer gescheut, um nach Aufforderung des damaligen Referenten Baron D'Elvert ein vollständiges generelles Projekt der Wasserversorgung für Brunn zu beschaffen, welches im Nachstehenden erörtert sein möge. Der südwestliche Teil des Drahaner Plateaus, der gegen Brunn geneigt ist, besteht aus vier übereinander und nicht nebeneinander liegenden Stufen und umfasst etwa 153 qkm zumeist bewaldetes Terrain, unsere „mähr. Schweiz“ genannt, in welchem sich keine Industrie, keine Abwässer sondern die ausgedehnten Forste der Fürsten Salm und Lichtenstein befinden. In der Mitte dieses Gebietes liegen in einer Meereshöhe von 460 m bei Jedownitz die grössten Teiche der ganzen Gegend welche über 3 km lang sind und schon im jetzigen Zustande über 1½ Millionen Kubikmeter völlig einwandfreien Wassers umfassen.Diese Teiche können zu künstlichen Talsperren erweitert und ausgebaut, leicht die doppelte Menge Wasser fassen. Diese Teiche werden von Quellen gespeist, welche durch ein völlig reines Wiesental über 4 km weit aus einer Höhe von 510 m aus reinstem Waldgebiete (ehem. Tiergarten des Fürsten Salm) kommen und darüber steigt das Terrain bis Protivanov bis auf 727 m. Ich habe Gelegenheit gehabt, im Verlauf der Kommissionen, welche von der Stadtgemeinde doch dort stattgefunden haben mit Dr. Lueger aus Stuttgart, dieses Tal zu begehen und er hat sich wiederholt bei dieser Gelegenheit ausgedrückt, dass er nirgends in der Welt ein so schönes und reines Niederschlagsgebiet vorgefunden hat. (Er nannte es wiederholt „herrlich“.) Die geologische Formation des ganzen Drahaner Plateaus bildet, wie wohl in Fachkreisen bekannt sein dürfte, eine in hydrologischer Beziehung vorzügliche Grauwacke, deren Wässer fast chemisch rein sind und nicht einmal durch salpetersaures Quecksilberoxyd einen Niederschlag geben. Dass fliessendes Grundwasser hier überall vorhanden sein muss, bezeugen unzweifelhaft die Grundwasserspiegel der bestehenden Brunnen und die von mir abgeteuften Bohrlöcher, welche Höhenunterschiede von 460 bis 720 m darstellen. Ueberall in den Tälern, wo ich bohren oder graben liess, kam ich auf etwa 1 m unter Terrain bereits auf Grundwasser. Dass man ein solches Niederschlagsgebiet gegen das Kalkgebiet von Brüsau zurückstellen konnte, ist unbegreiflich. Von den Jedownitzer Teichen aus wäre die Stadt mit etwa 150 l'' Nutzwasser für alle Zeit hinlänglich versorgt. Durch Fassung der Quellzuflüsse und wenn noch nötig, und wie auch Dr. Lueger geraten hat, durch Abteufung von Brunnen in der reinen Grauwacke, wären mit Leichtigkeit 50–100 l'' Trinkwasser zu beschaffen. – Zudem hätte die Stadt Brunn noch in dem zunächst höher gelegenen Niederschlagsgebiete von Hollstein in der reinen Bielavoda und deren Grundwasser ein Reservoir für alle Zeit. Und dennoch ist dieses Projekt und selbst die Probebohrungen, die versprochen wurden und auch von Dr. Lueger dringend angeraten wurden, bisher nicht ausgeführt, ja nicht einmal in ernstliche Betrachtung gezogen worden, trotz dringender Not an Trinkwasser stets drohender Typhusepidemie. Es braucht ja nur im Oberlaufe des Schwarzaflusses, aus der Gegend, woher wir bisher das Trinkwasser beziehen, ein primärer Typhusfall sich wieder ereignen und wir haben die Typhusepidemie wieder in der Stadt. Deshalb und nicht im eigenen Interesse, da ich bisher völlig selbstlos der Stadt nur die grössten Opfer gebracht, übergebe ich diese Zeilen der Oeffentlichkeit und der Beurteilung wirklicher Fachleute. Mögen wirkliche Fachleute unparteiisch urteilen, ob bei diesen Verhältnissen und besonders in dem, was ich über die vauclusischen Quellen geschrieben habe, ich recht behalte oder nicht. Zugleich glaube ich, dass diese meine Ausführungen nicht nur für Brunn allein, sondern auch für viele Städte des Kontinentes von grossem Nutzen und Interesse sein könnten. Sehr häufig liest man in den Tagesblättern von dieser oder jener Stadt, welche eine Wasserleitung einzurichten beabsichtigt und wegen Unkenntnis der Grundsätze einer solchen für die Vorarbeiten und Untersuchungen grosse Summen anwendet, ohne zum Ziele zu gelangen. Andererseits hört man oft von bestehenden Wasserleitungen, dass trotz derselben der Typhus in den Städten gewöhnlich stärker herrscht als vor Errichtung derselben. Sind solche Orte im Kreide- oder Kalkgebiet gelegen und ist die Wasserversorgung auf diese berüchtigten vauclusischen Quellen gestützt, dann ist es die heiligste Pflicht der betreffenden Gemeindevertretung nichts zu beschönigen und unverweilt die nötigen Mittel zur Sanierung dieser Leitungen zu ergreifen. – Möge dies baldmöglichst und überall geschehen! – Meinen besonderen Dank statte ich bei dieser Gelegenheit dem Herrn Prof. Dr. Gärtner ab, für die freundliche Erlaubnis der Veröffentlichung einzelner Stellen seiner Abhandlung: „Die Quellen in ihren Beziehungen zum Grundwasser und zum Typhus.“ Brunn, im Jänner 1904. Franz Lang, Ingenieur.