Titel: Steuerungen von Automobilmotoren.
Autor: Ludwig von Löw
Fundstelle: Band 319, Jahrgang 1904, S. 516
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Steuerungen von Automobilmotoren. Von Ludwig von Löw, Diplom-Ingenieur. Steuerungen von Automobilmotoren. Textabbildung Bd. 319, S. 516 Fig. 1. Es ist im allgemeinen nicht empfehlenswert, die Achse eines Ventils wagerecht anzuordnen, da in diesem Fall die Führungen – wie Fig. 1 zeigt – einseitig abgenutzt werden, und daher das Ventil schwer dicht zu erhalten ist. Die Reibung, die ein solches Ventil auf seinen Sitzflächen findet, gestattet nämlich nicht, dass das Ventil durch den auf ihm lastenden Druck in seine richtige Lage geschoben wird, wie es bei den langen und spitzen Ventilen geschieht, die zum Abschluss von Wasserbecken gebraucht werden. Man verwendet daher bei liegenden Motoren in der Regel einen Winkelhebel, der ein senkrechtes Arbeiten des Ventils gestattet (s. Fig. 2). Dieser Winkelhebel erfordert ein Gelenk, das besonders bei rasch laufenden Maschinen als eine unangenehme Beigabe erachtet werden muss. – Durch die Anwendung stehenderMotore wird man der beiden Uebelstände enthoben und erreicht damit für Automobile noch einen weiteren Vorzug, der aus Fig. 3 zu erkennen ist, nämlich die schöne Gesamtanordnung bei leichter Zugänglichkeit des Motors und guter Belastungsverteilung auf die Achsen. Diese Bauart von Automobilen ist daher seit einigen Jahren in Europa die fast allein übliche geworden. – Leider hat sich in Hinsicht auf die Teilkonstruktionen eine solche Einheitlichkeit noch nicht eingebürgert. Eines der interessantesten Gebiete nach dieser Richtung hin bilden die Steuerungen, die je nachdem der Motor von der einen oder anderen Firma stammt, grosse grundsätzliche und konstruktive Verschiedenheiten aufweisen. Textabbildung Bd. 319, S. 516 Fig. 2. Seit ungefähr zwei Jahren besteht ein wesentlicher Unterschied bei den Automobilmotoren darin, dass die einen mit gesteuerten Saugventilen ausgerüstet sind, während andere Firmen – z.B. de Dion et Bouton, die überhaupt die rasch laufendsten Motore zustande gebracht hat – an dem selbsttätigen Saugventil festhalten. Ein selbsttätiges Saugventil kann nur bis zu einer gewissen Umlaufzahl des Motors richtig arbeiten, sobald diese überschritten wird, schliesst sich das Ventil zu spät, und ein Teil des eingesaugten Gemisches wird wieder hinausgestossen; man kann dies sehr deutlich fühlen, wenn man die Hand in der Nähe der Oeffnung hält, durch die der Motor die Verbrennungsluft einsaugt. Dieses Verhalten der selbsttätigen Saugventile, bringt aber nicht nur einen teueren Benzinverlust mit sich, sondern macht es auch unmöglich, die Umlaufzahl und mit ihr die Pferdestärkeleistung wesentlich zu steigern. Für Automobilmotore ist aber eine solche Steigerungsmöglichkeit sehr erwünscht, denn die gebräuchlichsten Zahnradwechselgetriebe gestatten nur eine stufenweise Veränderung der Fahrgeschwindigkeit, und zwischen den einzelnen Stufen muss die Vermehrung oder Verminderung der Umlaufzahl des Motors zur Geschwindigkeitsänderung herangezogen werden. Man kann daher sagen, dass für Automobilmotore die Steuerung des Saugventils noch notwendiger ist, als für ortsfeste Maschinen, die ja nur mit ein und derselben Umlauf zahl zu arbeiten haben. Andererseits aber ist in dem beschriebenen Verhalten des selbsttätigen Saugventils ein sehr zuverlässiger Regulator und eine sichere Gewähr dafür zu sehen, dass der Motor nicht durch eine zu hohe Umlaufzahl gefährdet wird. – Man verwendet zwar auch für Automobilmotore Zentrifugalregulatoren; diese werden aber stets mit einer Handhabe verbunden, durch die sie der Führer abschalten kann, wenn eine höhere Umlaufzahl zur Steigerung der Fahrgeschwindigkeit wünschenswert erscheint; es kann also leicht vorkommen, besonders beim Bergauffahren mit den kleinen Uebersetzungen, dass der Motor mit unzulässig hoher Umlaufzahl beansprucht wird. Bei selbsttätigen Saugventilen dagegen ist dies weniger zu befürchten. Textabbildung Bd. 319, S. 517 Fig. 3. Die einfachste Steuerung für Automobilmotore zeigt Fig. 4 (de Dion et Bouton). Ausser dem Vorzug der Einfachheit muss der Umstand gerühmt werden, dass man beim Oeffnen des Kompressionsraums – durch Herausnehmen des Saugventils e – zugleich beide Ventile vor Augen hat; ferner wird das Auspuffventil während des Saughubes durch das einströmende Gemisch gut gekühlt. Man hat versucht, die Vorteile dieser Anordnung auf Motore mit gesteuerten Saugventilen zu übertragen (siehe Fig. 5), indem man durch den punktierten Nocken und die mit zwei Anschlägen versehene Stange se se das Saugventil betätigen lässt. Diese Konstruktion kommt ausser bei Motorräder nur ganz vereinzelt vor (Liliputwagen von Bergmann), denn sie ist für stärkere Beanspruchungen nicht geeignet. An grösseren Fahrzeugmotoren findet man auch eine Konstruktion (Atlasmotor von Wenzel), bei der dieAnschlagstange se se durch ein Hebelwerk ersetzt ist, wie wir es an Fig. 8 zu betrachten haben. Textabbildung Bd. 319, S. 517 Die älteste Anordnung der Saugventilsteuerung für Automobilmotore stammt von den Daimlerwerken und ist in Fig. 6 dargestellt. Das Auspuffventil wird hier nicht mehr durch das einströmende Gemisch gekühlt. Der Kompressionsraum kann nicht so klein gemacht werden, wie bei den obigen Ausführungen, besitzt eine grössere Abkühlfläche und ist stets mit zwei Verschlüssen versehen, die zum Herausnehmen und Nachschleifen der Ventile dienen. Textabbildung Bd. 319, S. 517 Einfacher ist die durch die Fig. 7a und 7b veranschaulichte Konstruktion, denn sie kommt mit einer Nockenwelle aus. Ob hierin aber eine Ueberlegenheit gegenüber der Bauart von Fig. 6 zu erblicken ist, bleibt fraglich, denn nun dient meistens diese eine Welle direkt oder indirekt 1) für die Auspuffventile, 2) für die Einlassventile, 3) zum Antrieb der magnet-elektrischen Dynamomaschine, 4) zur Betätigung der Unterbrechungsmechanismen, die in den Kompressionsräumen die Zündfunken hervorrufen, 5) für den Regulator und 6) für die Kühlwasserpumpe. Wenn man so viele Organe auf einer Seite der Maschine zusammenpackt, so werden die einzelnen Teile schwer zugänglich und eine kleine Betriebsstörung erfordert häufig das Entfernen vieler Teile, die gar nicht in Mitleidenschaft gezogen sind. – Diese Anordnung wird von den meisten Firmen gewählt, die gesteuerte Saugventile verwenden. Textabbildung Bd. 319, S. 518 Fig. 8. Textabbildung Bd. 319, S. 518 Fig. 9. Textabbildung Bd. 319, S. 518 Fig. 10. Aus dem Streben nach einem kleineren Kompressionsraum, das für Spiritusmotore Berechtigung hat, ist die durch Fig. 8 (neuere Konstruktion der Daimlerwerke) gekennzeichnete Bauart entstanden. Ihr Hauptnachteil ist das Gelenk in der Steuerung, und ferner haben die zu beschleunigenden Teile eine grössere Masse, als bei den Anordnungen von Fig. 6 und 7. – Man kann bei derartig hängenden Saugventilen auch mit einer Nockenwelle –wie in Fig. 7 – auskommen, wovon beispielsweise die Automobilfabrik von Horch Gebrauch macht. Die richtige Erkenntnis, dass man danach streben muss, bei den raschlaufenden Automobilmotoren die hin- und hergehenden Steuerungsteile tunlichst zu verkleinern und mit den rotierenden so nahe als möglich an die zu betätigenden Organe heranzugehen, bringt die Lastwagenfirma von Büssing mit der Bauart von Fig. 9 zum Ausdruck. (Der Einfachheit halber ist hier eine Kette zum Antrieb der Steuerwelle gezeichnet, in Wirklichkeit ist eine aufrechte Welle und Schraubenräder in Anwendung.) Leider hat diese Anordnung wieder den Nachteil, Gelenke in der Steuerung und einen Kompressionsraum mit grosser Kühlfläche zu besitzen. – Diese Uebelstände sind bei Fig. 10 vermieden. Es lässt sich zurzeit noch nicht übersehen, welche dieser Konstruktionen einmal die andere verdrängt, oder ob die ventillose Zweitaktmaschine (Körting) der Fahrzeugmotor der Zukunft wird; sobald man aber durch Diskusgetriebe (Maurer) oder elektrische Kraftübertragung (Lohner-Porsche) dafür sorgt, dass der Motor stets mit gleicher Umdrehungszahl arbeiten kann, hat zweifellos die älteste und einfachste Bauart (Fig. 4) – bei genügend massenlosen Ventilen – die grösste Existenzberechtigung.