Titel: Die Automobiltechnik im Jahre 1904.
Autor: W. Pfitzner
Fundstelle: Band 319, Jahrgang 1904, S. 761
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Die Automobiltechnik im Jahre 1904. Von Dipl.-Ing. W. Pfitzner, Assistent an der K. Technischen Hochschule, Dresden. (Fortsetzung von S. 511 d. Bd.) Die Automobiltechnik im Jahre 1904. Die Motoren. Eine Uebersicht über Fahrzeugmotoren bot noch vor wenigen Jahren ein recht buntes Bild. Hinsichtlich Anordnung, Form, Bauart, Arbeitsweise konnte man die verschiedenartigsten Ausführungen finden, Versuche, Gedanken in grosser Menge. (Vergl. D. P. J. 1900, 315, 16 u. f. Z. d. V. d. J. 1900.) Heute hat sich dieses Gebiet geklärt, man hat die Vorteile einer bestimmten, der stehenden Bauart überall herausgefunden, und so ist heute in dem stehenden, mehrzylindrigen Viertakt-Explosionsmotor der Fahrzeugmotor zu erblicken. In allen Ländern, die auf eine grössere Zahl von Jahren der Entwickelung auf diesem Gebiete zurückschauen können, ist er fast vollständig Alleinherrscher, d. i. hauptsächlich in Europa. Amerika ist in dieser Beziehung rückständig, dort sind noch vielfach Konstruktionen zu finden, die bei uns längst überwunden sind, besonders die liegende Anordnung der Motoren. Trotzdem kann man auch diesen Ausführungen eine gewisse Anerkennung nicht versagen, da sie in sich zu hoher Vollendung durchgebildet sind. Textabbildung Bd. 319, S. 760 Fig. 17. Oldsmobile. Es sind dies die leichtesten amerikanischen Automobile, bekannt unter den Namen: Oldsmobile, Buckmobile, Fordmobile usw., die in ihren äusseren Formen (Fig. 17) den in Amerika sehr verbreiteten Dampfwagen der Locomobile Compagnie nachgebildet sind, und die infolge ihrer geräuschlosen und elastischen Gangart auch hier Aufsehen erregt haben. Diese Fahrzeuge sind ein guter Beleg dafür, dass es der Amerikaner stets versteht, mit den einfachstenMitteln, aber unter sorgfältigster Beobachtung der Anforderungen des Betriebes zu arbeiten. Die Fahrzeuge sind nach europäischen Begriffen beinahe unmöglich, trotzdem laufen sie, und zwar gut, allerdings vielleicht nur sehr kurze Zeit, dafür aber sind sie unglaublich billig, eine Folge der Einfachheit und der Massenherstellung. Die Motoren solcher Fahrzeuge sind liegende Einzylindermaschinen, neuerdings auch Zweizylinder und zwar mit den Kolben gegeneinander auf dieselbe Kurbelwelle arbeitend. Charakteristisch für sie ist das schwere, grosse Schwungrad, das gegenüber europäischen Ausführungen ein 4–6 faches Schwungmoment besitzt. Mit Hilfe dieser grossen Schwungmassen wird der auffallend weiche und elastische Gang der Wagen erzielt, es ist z.B. möglich, mit einem solchen Fahrzeug, auch mit einem Zylinder nur, aus dem Stillstand heraus eine gewöhnliche Treppe hinaufzufahren und dergl. Von solchen Motoren geben die Fig. 18 und 19 ein Bild. Fig. 18 stellt gleichzeitig den Einbau des Motors mit dem Wechselgetriebe in den Fahrzeugrahmen dar. Die Ventile, an solchen Maschinen immer wagerecht liegend, sind zum Teil alle gesteuert (Fig. 19), oft ist das Einlassventil automatisch (Fig. 18). Auch über die Zylinderkonstruktion ist das wichtigste zu sehen, in Fig. 18 sind die Wassermäntel zum Teil aus Blechen hergestellt, während es sonst auch drüben die Regel ist, den Wassermantel mit dem Zylinder aus einem Stück zu giessen (Fig. 19). Obwohl diese Motoren gegenwärtig eine grosse Verbreitung in Amerika haben und viele Freunde besitzen, so werden sie doch mit der Zeit wahrscheinlich auch verschwinden. Für sehr grosse Leistungen ist die ganze Anordnung nicht zu gebrauchen, schon bei kleinen Maschinen ist das grosse Schwungrad sehr lästig, es lässt sich überhaupt nur unterbringen, wenn man (Fig. 17) den ganzen viereckigen Kasten hinter den Sitzen für die Maschine verwendet. Auch nur dann besitzt der Motor die notwendige Zugänglichkeit, die vollständig verschwinden würde, wenn man hinten noch weitere Sitze anbringen wollte. Die Bauart wird ebenso wie in Europa der stehenden Platz machen müssen. Der normale stehende Fahrzeugmotor ist bereits Gegenstand einer sehr sorgfältigen Durcharbeitung hinsichtlich der Konstruktion geworden, nicht so sehr hinsichtlich der inneren Vorgänge, also der wärmetechnischen Seite. In den weitaus meisten Fällen ist der Viertakt angewendet, vereinzelt (amerikanische Bootsmotoren) der Zweitakt, und zwar nach sehr verschiedenen Arbeitsweisen. Der Viertaktmotor ist zu finden in 1–8 zylindriger Ausführung, von einer Leistung bis über 100 PS, und natürlich in mannigfaltigen Variationen hinsichtlich des Baues der Einzelheiten. Es ist nicht möglich eine bestimmte Einteilung oder Uebersicht derart zu geben, dass man sagen könnte, Motoren von bestimmter Leistung werden so und so ausgeführt.Die Verhältnisse der Zylinderzahlen, Tourenzahlen usw. sind keineswegs bestimmt, sie greifen vielmehr bei den Motoren mehrfach übereinander. Eine annähernde Uebersicht über die jetzt üblichen Abmessungen usw. würde sich etwa folgendermassen gestalten: Fahrradmotoren Leistung in PS.: 1–4 Zylinderzahlen: 1, 2 Umdr. i. d. Min: 2000–1600 Zyl-Dm. mm.: 50–90 Hub mm:   60–120 Bauart: Stehend, geneigt Kühlung: Luftkühlung Wagenmotoren Leistung in PS: 5–30 Zylinderzahlen: 1, 2, 3, 4 Umdr. i. d. Min.: 1000–600 Zyl-Dm. mm.: 90–140 Hub mm: 120–160 Bauart: Stehend (liegend) Kühlung: Wasserkühlung Rennmotoren Leistung in PS: 30–100 u. m. Zylinderzahlen: 4, 6, 8 Umdr. i. d. Min.: 1000–1600 Zyl-Dm. mm: 100–180 Hub mm: 120–170 Bauart: Stehend Kühlung: Wasserkühlung Textabbildung Bd. 319, S. 761 Fig. 18. Liegender Motor amerikanischer Bauart (Stearns Touring Car). Textabbildung Bd. 319, S. 761 Fig. 19. Liegender Motor amerikanischer Bauart (Brew & Hatscher). Die Leistungsbestimmung ist bei allen Motoren fast nur möglich auf dem Wege der Bremsung. Mit Hilfe einer Bandbremse, des Pronyschen Zaumes, neuerdings auch elektrisch mit angekuppelter Dynamomaschine oder auch Wirbelstrombremse wird die Nutzleistung des Motors bestimmt, eine oft unangenehme und schwierige Arbeit, da ein Gleichgewichtszustand nur auf sehr kurze Zeit zu erzielen ist, wenigstens bei den gewöhnlichen Reibungsbremsen. Bei den elektrischen Methoden hat man es allerdings völlig in der Hand, durch Aenderung der Erregung die gewünschte Umdrehungszahl scharf einzustellen. Leidersind nur derartige Bremseinrichtungen sehr teuer. Die erhaltenen Resultate sind jedoch zuverlässig, da man alle Verluste in der Dynamo usw. genau bestimmen kann. Man prüft bei den Bremsversuchen, die am Schluss der Einlaufszeit der Motoren in der Fabrik vorgenommen werden, höchstens noch den Brennstoffverbrauch, der bei guten Motoren etwa 0,33 kg Benzin oder 0,48 kg Spiritus f. d. PS Stunde zu erreichen pflegt. (Fortsetzung folgt.)