Titel: Die Steuerungen der Ventildampfmaschinen.
Autor: Straube
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 166
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Die Steuerungen der Ventildampfmaschinen. Von Prof. Straube in Karlsruhe. (Fortsetzung von S. 136 d. Bd.) Die Steuerungen der Ventildampfmaschinen. Zwangläufige Steuerungen mit veränderlicher Ableitungsrichtung. Die Grundlage für die Füllungsänderung bildet hier folgende aus Fig. 8 (S. 135) ersichtliche Einrichtung des Exzenterantriebs. Der Exzentermittelpunkt befindet sich in VE, d.h. in der Stellung, welche er im Augenblick des Voreintritts einnimmt. Soll der letztere unveränderlich bleiben, so muss das Getriebe der Steuerung in diesem Augenblick gestatten, die Exzenterstange l zu drehen, ohne dass dadurch die Lage des Ventilhebels geändert wird. Der in der jeweiligen Ableitungsrichtung geführte Ableitungspunkt A muss sich dann also bei Voreintritt stets in irgend einem Punkte des um VE mit l als Radius beschriebenen Kreisbogens Amax. – Ao befinden. Der Punkt Amax. entspricht der Maximalfüllung, im Punkt Ao findet überhaupt keine Ventilhebung mehr statt. Die Grösse des Bogens Amax.Ao bezw. des demselben entsprechenden Winkels φ bedingt den vom Regulator zu leistenden Verstellungsweg. Um letzteren klein, gleichzeitig aber grössere Ventilerhebungen und also kleinere Exzenter zu erhalten, muss die Exzenterstange l möglichst kurz gemacht und während der Ventilhebung auf Druck beansprucht werden. In Fig. 8 ergibt sich dabei der zur Ventilerhebung nutzbare Hub des Ableitungspunktes A bei normaler Füllung etwa h_{\mbox{norm.}}=\frac{1}{8} des Exzenterhubs und der Ueberhub \frac{h_{\mbox{max.}}}{h_{\mbox{norm.}}} etwa = 3, was mit der Praxis ziemlich übereinstimmt. Textabbildung Bd. 320, S. 167 Fig. 10. o-Exzenter bei Kurbellage. Widnmann-Steuerung (Stellung bei Voreintritt). An Stelle der Exzenterstange tritt indessen bei diesen Steuerungen in der Regel eine besondere Ableitungsstange, welche an einer beliebigen, möglichst weit jedoch vom Führungspunkt entfernten Stelle der Exzenterstange, z.B. am Exzenterring angelenkt ist und deren Ableitungsrichtung in der oben beschriebenen Weise geändert wird, während die der Exzenterstange selber unverändert bleibt und letztere dann das Auslassventil antreibt. Die Bahn dieses Anlenkungspunktes übernimmt nunmehr die Funktion des Exzenterkreises und weicht meist von jenem so wenig ab, dass man letzteren an ihre Stelle setzen kann. In einzelnen Fällen ist jedoch die Abweichung auch grösser und es ist dann notwendig darauf zu achten, dass diese Abweichung nicht einer Verschlechterung, sondern einer Verbesserung der Ventilerhebungsverhältnisse gegenüber Fig. 8 diene. Der sich so ergebende Ueberhub \frac{h_{\mbox{max.}}}{h_{\mbox{norm.}}} gestattet in allen Fällen die Anwendung von Wälzhebeln und arbeiten daher auch die Steuerungen mit veränderlicher Ableitungsrichtung ausnahmslos mit solchen. Die erwähnte Anordnung einer besonderen Ableitungsstange zeigen die Steuerungen von Pröll, Höffner, Recke, Widnmann. Dieselben unterscheiden sich voneinander in der Hauptsache nur durch die verschiedene Art des zwischen Ableitungsstange l und Wälzhebel zwischengeschalteten Gestänges, welches unentbehrlich ist, um die Verlegung der Ableitungsstange zu ermöglichen, ohne die Bahn des Auges am Wälzhebel zu ändern. Bei Widnmann ist dies Zwischengestänge besonders einfach, wie aus Fig. 9 und 10 ersichtlich.Diese Figuren sind entnommen aus Leist, Steuerungen der Dampfmaschinen“, I. Auflage, 1900, S. 596 u. 597, Fig. 314 u. 315. Textabbildung Bd. 320, S. 167 Fig. 11. Stellung im Augenblick des Ventilschlusses bei Füllung F = 0,25. d. Stange zum Regulator; s. Stange zum Einlassventil. Pröll lenkt mittels eines Winkelhebels die Auslasssteuerung im Führungspunkt der Einlassexzenterstange an; Recke und Widnmann treiben mittels der Exzenterstange das Auslassventil und lenken in der oben erwähnten Weise die Einlassteuerung an; Höffner betreibt die Auslassventile gesondert durch unrunde Scheiben.Näheres über diese Steuerungen findet sich in Leist, Steuerungen der Dampfmaschinen“, I. Auflage, 1900, Fig. 314–322. Bei allen vier Steuerungen ist der Voreintritt unveränderlich. Im Gegensatz hierzu ist bei der von der Maschinenfabrik Gritzner in Durlach ausgeführten Hungersteuerung, bei welcher die Exzenterstange selber als Ableitungsstange dient, der Voreintritt etwas veränderlich. Zum Vergleich sind die Verhältnisse dieser Steuerung ebenfalls in Fig. 8 eingezeichnet. Textabbildung Bd. 320, S. 168 Fig. 12. Stange zum Regulator; Stange zum Einlassventil; Stange zum Auslassventil; Lagerbock der Steuerwelle; Zwischenlenker vom Regulatorhebel Um die Drehung der Exzenterstange zu ermöglichen, ist hier ein mit derselben gleich langer Lenker l' angeordnet, von welchem aus dann die Bewegung weiter fortgeleitet wird. Im Moment des Voreintritts befindet sich das Ende von l' stets im Punkte V ausserhalb des Exzenterkreises. Textabbildung Bd. 320, S. 168 Fig. 13. Stange zum Regulator. Demnach erfolgt nunmehr, da l' = l ist, der Voreintritt bei den Exzenterstellungen VEo' bis VE'max, nimmt also vom Werte 0 bei Nullfüllung bis zu einem grössten Werte bei Maximalfüllung zu. Der Ableitungspunkt A' muss sich jetzt bei Voreintritt stets auf dem Kreise A'max – A'o, dessen Mittelpunkt in V liegt, befinden. Bei dieser Einrichtung ist unter sonst gleichen Verhältnissen der Winkel φ' wesentlich kleiner als früher der Winkel φ und also auch der vom Regulator zu leistende Verstellungsweg entsprechend kürzer. Ferner vergrössert sich der zur Ventilerhebung nutzbare Anhub des Ableitungspunktes A' auf etwa h'_{\mbox{norm.}}=\frac{1}{7} des Exzenterhubs und der Ueberhub \frac{h'_{\mbox{max.}}}{h'_{\mbox{norm.}}} verringert sich auf etwa 2,6, was als sehr günstig zu bezeichnen ist und die Anwendung der Hungersteuerung auch für grössere Maschinen einwandfrei erscheinen lässt. Trotz des veränderlichen Voreintritts lässt sich bei dieser Steuerung durch geeignete Anordnung des Triebwerks der Rückdruck auf den Regulator sehr beschränken. Fig. 11 und 12 zeigen dieselbe mit Ableitung nach oben, Fig. 13 und 14 mit Ableitung nach unten in zwei verschiedenen Ausführungen, von denen besonders die letztere sich durch geringen Rückdruck auszeichnet, weil hier die im Triebwerk auftretenden Kräfte sich innerhalb desselben fast vollständig aufheben. Textabbildung Bd. 320, S. 168 Fig. 14. Stange zum Regulator; Stange zum Einlassventil Zu dieser Gattung von Steuerungen kann endlich auch die Steuerung von Eisner gezählt werden, welche die Maschinenfabrik von Richard Raupach in Görlitz ausführt. Bei ihr ist wie bei Hunger die Exzenterstange zugleich Ableitungsstange, hier aber unendlich lang und hat daher die Gestalt einer um den Voreintrittspunkt VE drehbaren Kurbelschleife (Schlitzscheibe) angenommen (s. Fig. 8), während das Exzenter durch eine Kröpfung der Steuerwelle ersetzt ist. Die zum Wälzhebel führende Ventilstange geht durch VE und ist senkrecht zur mittleren Schlitzlage geführt, geht demnach in der Entfernung e am Mittelpunkt o der Steuerwelle vorbei. Die zur Ventilerhebung nutzbaren Hübe der Ventilstange sind parallel der Ventilstangenrichtung zu messen, und zwar ergibt sich für die normale Füllung ein Hub der Ventilstange von etwa 1/11 des Exzenterhubes und der Ueberhub \frac{h_{\mbox{max.}}}{h_{\mbox{norm.}}} etwa = 3,5, also etwas ungünstiger als sonst bei den Steuerungen mit veränderlicher Ableitungsrichtung. (Die Einzelheiten der Durchbildung der Elsnersteuerung s. „Z. d. V. d. I.“ 1898, S. 29). Der Voreintritt ist unveränderlich und die Steuerung hat den Vorzug grosser Einfachheit, erfordert aber gleich der Hungersteuerung gesonderten Antrieb für die Auslassventile. Die Elsnersteuerung bildet den Uebergang zu den Steuerungen mit veränderlichem Exzenter, zu welchen sie ebenfalls gezählt werden kann, wie später noch genauer dargelegt werden wird. (Fortsetzung folgt.)