Titel: Ueber den Einfluss des Pressens auf den Zustand der Metalle.
Autor: Haedicke
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 170
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Ueber den Einfluss des Pressens auf den Zustand der Metalle. Ueber den Einfluss des Pressens auf den Zustand der Metalle. In den praktischen Kreisen herrscht vielfach die Ansicht vor, dass die Metalle durch mechanische Behandlung, wie Hämmern und Walzen oder durch gewaltige Pressungen verdichtet, spezifisch schwerer gemacht würden. Dies hat bereits Professor Kick in Prag widerlegt, welcher m. W. zu Ende der siebziger Jahre Versuche mit Blei anstellte und trotz grosser Pressung auf hydraulischem Wege kein höheres spezifisches Gewicht feststellen konnte. Vor wenigen Jahren ist diese Frage von einer anderen her erledigt worden.Prof. Dr. Hof: Ueber Diffusion und Metallpressungen. Verhdl. d. natw. Vereins d. preussischen Rheinlande, 1903. Es gelang, aus Spänen von einem Weissmetall, wie es zu Lagern verwendet wird, durch starke Pressung ein vollkommen festes Material herzustellen, welches keine Struktur erkennen liess und das spezifische Gewicht des verwendeten Metalles zeigte. Es ist eben die Adhäsion, die Zusammenhangskraft verschiedener Körper, übergegangen in die Kohäsion, die Zusammenhangskraft der Teile desselben Körpers. Der innige Zusammenhalt, welcher sonst nur durch Zusammenschmelzen oder durch Löten, nach vorheriger vollständiger Reinigung bezw. Herstellung der metallischen Oberfläche, erzielt wurde, ist herbeigeführt worden durch innige Zusammenpressung der metallischen Späne. Neuerdings hat Professor Spring in LüttichSur la deminution de densité qu'éprouvent certain corps à la suite d'une forte compression et sur la raison probable de ce phénomène, par M. W. Spring. Recueil des travaux chimiques des Pays-Bas et de la Belgique 1904, No. 1. Siehe auch: Engineering, Dezember 1904, S. 829: The flow and Density of Metalls. weitere Untersuchungen angestellt und zunächst gefunden, dass die meisten Metalle elastisch sind, unter dem Einflüsse hoher Pressungen nachgeben, aber nach dem Aufhören der Pressung sich wieder in den früheren Zustand zurückbegeben, also keine bleibende Verdichtung erfahren. Einige Körper nehmen sogar einen grösseren Raum als vorher ein, wobei natürlich von der Wirkung etwaiger Hohlräume oder Gaseinschlüsse vollständig abgesehen ist. – Zu diesen Körpern gehören Blei, Zink, schwefelsaures Ammoniak und Ammoniak-Alaun. So fiel beim Blei die Dichtigkeit nach dem Pressen von 11,501 auf 11,492, beim schwefelsauren Ammoniak von 1,773 auf 1,750. – Aehnliches hatte schon Professor Kahlbaum in BaselPhysik. Zeitschrift, 15. Oktober 1901, S. 32. einige Jahre vorher gefunden, welcher die Metalle im luftleeren Raum überdestillierte, um sie völlig rein zu erhalten, und sie dann unter Rizinusöl einem Drucke von 150000 atm unterwarf. Er stellte dabei fest, dass die Dichtigkeit der Metalle bei der Druckzunahme bis zu 10000 atm zunahm, sich von da ab aber verminderte. Auch hatte Henry Rose,Abhandlung der nat. Gase, Basel, XV, S. 21. wie Professor Kahlbaum auf einer Zusammenkunft in Freiburg (Schweiz) im Jahre 1901 mitteilte, gefunden, dass das Silber eine Volumenvermehrung bei der Pressung zeige. Spring spricht infolge dessen von einer „Pseudoflüssigkeit“, einem Zustande, in welchem sich die eigentlich flüssig sein wollenden festen Körper befänden und infolge dessen das Bestreben hätten, unter Pressung Kugelform anzunehmen; er verknüpft damit das Gesetz: alle Körper, welche in flüssigem Zustande schwerer sind als in festem, welche also ungeschmolzen auf dem geschmolzenen Metall schwimmen, werden beim Pressen schwerer, während diejenigen Metalle, welche in geschmolzenem Zustande leichter sind als in festem, welche sich beim Schmelzen ausdehnen, nach dem Aufhören der Pressung ein grösseres Volumen einnehmen, wie also nach obigem Blei und schwefelsaures Ammoniak, ferner Zinn, Kadmium und Silber. Dagegen schwimmt das feste Wismut auf dem geschmolzenen, wie das Eis auf dem Wasser – wird nach MarksBerzelius, Jahresbericht, XI, S. 134. beim Erstarren um 1,53 leichter – und zeigt gleichzeitig die Eigenschaft nach dem Aufhören der Pressung ein grösseres Volumen einzunehmen, als es | vor der Pressung besessen hat. Spring hat nun ganz eigentümliche Beziehungen zwischen diesen und gewissen elektrischen Eigenschaften gefunden. Er stellte auf ähnlichem Wege, wie die Bleiröhren oder die zur Herstellung der Geschosse dienenden Bleidrähte entstehen, durch Pressung verschiedener Metalle. Fäden, Drähte her, wobei er allerdings nur festes Metall in kaltem Zustande verwendete. Er nennt dies: kaltes Fliessen. Der Vorgang wird dabei absichtlich so langsam geführt, dass von einer Wärmeentwicklung oder einer Wärmewirkung vollständig abgesehen werden konnte.Siehe den Schlussvermerk. Die so gewonnenen Stangen zeigten zunächst besondere mechanische Eigenschaften. Der Faden des spröden Wismutes, 30 cm lang, liess sich ohne Schwierigkeit zu einem Knoten schürzen, verlor aber diese Biegsamkeit durch mehrfaches Biegen. Aehnlich, wenn auch nicht so stark, wurden die anderen Metalle verändert. Dass Zinn verlor seine bekannte Eigenschaft, beim Biegen zu knarren, zu schreien. Die Stangen wurden ferner als Elektroden verwendet mit Hilfe eines geeigneten Elektrolyten. Es stellte sich heraus, dass, wie vorauszusehen, ein Strom nicht beobachtet werden konnte. Wenn aber die eine Elektrode durch Anbeizen von ihrer Haut befreit wurde, so dass man die Aetzung – Damaszierung – erkennen konnte, oder wenn das Metall durch Erwärmen „regeneriert“ wurde, so erhielt er einen Strom. Spring folgert daraus, dass durch den Vorgang des kalten Flusses – sagen wir durch die Aufwendung von Arbeit – eine gewisse Energie in dem Metall aufgespeichert wurde, welche sich durch Erzeugung eines elektrischen Stromes geltend machte. Wurden die angebeizten Elektroden wieder mechanisch geglättet, so nahmen sie ihre frühere Eigenschaft wieder an und gaben keinen Strom, der aber wieder entstand, wenn die eine oder die andere Elektrode der genannten Behandlung unterworfen worden war. Beim Kadmium genügte sogar das Abreiben mit Sandpapier, um die Erscheinung zu zeigen. Untersuchte man nun die Stromrichtung, so fand sich, dass die kalt geflossenen Elektroden des Zinn, Blei, Kadmium und Silber, also bei allen den Metallen, welche geschmolzen leichter sind, sich in dem Elektrolyt lösten, die Anode bildeten. Dagegen zeigte das Wismut die umgekehrte Erscheinung, es wurde durch den kalten Fluss zur Kathode und zeigte die Löslichkeit im Elektrolyt an dem regenerierten Metall. Die folgende Tabelle gibt über diese Vorgänge nähere Auskunft: Zinn in SnCl2 ergab 0,00011 Volts Blei    Pb(NO 3 ) 2 0,00012 Kadmium    CdCl 2 0,00020 Silber   AgNO 3 0,00098 Wismut Bi\,(NO_3)_3+\frac{1}{n}\,H\,NO_4 0,00385 Spring stellte dann ferner fest, dass der kalte Fluss ersetzt werden konnte durch Walzen. Er stellte das Metall in Bandform her und fand dieselben Erscheinungen. Dass der Vorgang des Regenerierens auch mechanische Wirkungen auszuüben vermag, hat z.B. StasDe l'argent. – Mem. de l'Acad. Roy de Belgique, XLIX, S. 164. durch Versuche mit Silber bewiesen, deren Genauigkeit jeden Irrtum ausschliesst. Er fand die Dichtigkeit bei zwei Versuchen bei 0° C gewalzt zu 10,48752 und 10,49272, regeneriert zu 10,49454 und 10,54613. Die Dichtigkeit hat also durch das Regenerieren – Erwärmen – um 0,00702 bezw. 0,05341 zugenommen. Ganz ähnliche Beobachtungen hat M. L. Grunmach mit Siemens-Martinstahl gemacht. Zwei Stangen, welche einem Zerreissversuch unterworfen worden waren, zeigten an den nicht gereckten Stellen ihre frühere Dichtigkeit von 7,835 und 7,833, während die deformierten Teile die Werte 7,795 und 7,784 aufwiesen. Durch den Vorgang des Zerreissens wurde also das spezifische Gewicht erhöht, während man nach dem praktischen Gefühl eine Verringerung desselben hätte erwarten können.Eisen gehört bekanntlich zu den Körpern, welche auf den geschmolzenen Massen schwimmen. Die elektrolytischen Versuche von Professor Spring erinnern an bekannte elektrothermische Vorgänge, wonach dasselbe Metall zu einem Thermo-Element verwendet werden kann, wenn es irgendwie verändert worden ist. Es ist aber noch nicht klar, ob die von Spring beobachteten Erscheinungen mit der Anhäufung von Energie zusammenhängen, so wahrscheinlich dasselbe auch ist. Zwei Umstände scheinen dagegen zu sprechen: Erstens ist die zur Herstellung des kalten Flusses aufzuwendende Energie verhältnismässig sehr gross – das kalte Metall von 8 mm Dicke zu einem Faden von 2 mm herauszupressen – und man sollte, wenn diese Energie in Elektrizität umgewandelt werden würde, doch ganz andere Resultate erwarten, als so ausserordentlich geringe Spannungen, also Leistungen, welche mit der erforderlichen Energie in keinem wahrscheinlichen Verhältnis stehen dürften. Ferner muss es auffallen, dass die elektrische Erscheinung durch einfaches Verändern der Oberfläche abgestellt werden kann. Man würde also folgern müssen, dass die gesamte zum Pressen aufgewendete Energie, die doch der ganzen Masse, dieselbe durchdringend, zugewendet worden ist, sich trotzdem nur auf der Oberfläche angesammelt habe, so also, dass sie durch einfaches Beizen zum Verschwinden, sogar durch noch unwesentlicheres Polieren wieder zum Vorschein gebracht werden kann. Diese Vorgänge erscheinen also noch nicht ganz geklärt. Dass die zum Pressen aufgewendete Energie irgendwo geblieben sein muss, ist sicher. Sollte sie sich nicht einfach in die sehr vorsichtig abgeleitete Wärme verwandelt haben? Dann aber würde der elektrolytische Vorgang einfach mit dem thermoelektrischen auf eine Stufe zu bringen und lediglich der Veränderung der Oberfläche zuzuschreiben sein. Haedicke.