Titel: Ueber einige eisenbahnsignal-technische Neuigkeiten.
Autor: L. Kohlfürst
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 233
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Ueber einige eisenbahnsignal-technische Neuigkeiten. Von L. Kohlfürst. (Fortsetzung von S. 224 d. Bd.) Ueber einige eisenbahnsignal-technische Neuigkeiten. II. Streckenstromschalter. Seit der nennenswerten Zunahme jener elektrischen Eisenbahnsignal- und Sicherungsanlagen, deren Tätigkeit unmittelbar von den verkehrenden Zügen abhängig gemacht sein soll, war man bekanntlich ebenso eifrig als unablässig bestrebt, gleichzeitig auch hinsichtlich derjenigen Hilfsmittel, neue den jeweiligen Bedürfnissen eigens angepasste Anordnungen zu schaffen, welche bei den gedachten Anlagen die in Frage kommende Wechselwirkung zwischen den fahrenden Zügen und den von ihnen zu steuernden standfesten Einrichtungen zu bewerkstelligen haben. In die ausnehmend grosse Reihe der einschlägigen Konstruktionen gehört auch ein Streckenstromschalter von Prokov-Richter, der seit letztem Sommer mit Erfolg auf den Anschlussgleisen der Berlin-Anhalter Maschinenbau-Aktien-Gesellschaft in Dessau im praktischen Betriebe ausprobiert wird. Dieser Schalter (Fig. 68) ist ein sogenannter Schienen-Durchbiege-Kontakt, demgemäss also bestimmt, unter einer der beiden Schienen des Fahrgleises derart Platz zu erhalten, dass er von der Einbiegung der Schiene unter der Belastung durch die Eisenbahnfahrzeuge wirksam gemacht wird. Textabbildung Bd. 320, S. 233 Fig. 6. Textabbildung Bd. 320, S. 233 Fig. 7. Textabbildung Bd. 320, S. 233 Fig. 8. Der mechanische Teil der Vorrichtung befindet sich in einem mit seitlich angebrachten, stützenartigen Ausladern C versehenen Gehäuse A, das vermittels Klauen und Bolzenschrauben B am Fusse der Eisenbahnschiene D festgeklemmt wird. Das Gehäuse ist seitwärts durch den Deckel E, oben durch die mit dem Druckbolzen a und der Deckenwand des Gehäuses fest verbundene Membrane F und Gummiring G, sowie vorn durch den abgedichteten Kabelanschluss H vollkommen gegen Staub, Rauch und Feuchtigkeit gesichert. Zur Befestigung der eigentlichen Stromschlussvorrichtung, welche an dem besonderen Gestelle J allein für sich angebracht ist und deshalb leicht und bequem in das Gehäuse eingeschoben werden kann, dienen zwei durch den Gehäuseboden und die Fussplatte des Gestelles J geführte Bolzenschrauben K. Beim Befahren der Schiene D wird der Druckbolzen a der Durchbiegung der Schiene entsprechend nach abwärts gepresst, wobei sich seine Bewegung, ähnlich wie die Belastung auf manchen Brückenwagen, durch das mit dem Arm b unter dem Druckbolzen a eingespannte Gestänge bcd auf den an den Arm d angelenkten stehenden Stab e fortpflanzt, dessen oberes keilförmig in eine Schneide auslaufendes Ende sich zwischen zwei Rollen h und i einklemmt. Der Stab e bildet auf diese Weise mit der Rolle h, die exzentrisch zur Achse f des gezahnten Radsegmentes g auf diesem angebracht ist, eine kraftschlüssige Verbindung. Die Rolle i, welche auf einem am Gestelle J fest angebrachten Achsenzapfen sitzt, kann ihren Platz nicht ändern, während die Rolle h zum Ausweichen gezwungen oder zum Rückgang veranlasst wird, sobald sich das keilförmige Ende des Stabes e hebt oder senkt. Das ganze Gestänge bcd und e liegt genau senkrecht unter der Mittellinie des Schienenfusses, weshalb die vom Bolzen a ausgehenden und sich auf die beweglichen Teile der Vorrichtung übertragenden Kräfte immer nur innerhalb jener Ebene zur Wirksamkeit gelangen, welche mit der Schienenlängsachse zusammenfällt, wodurch das Auftreten störender seitlicher Kraftwirkung hintangehalten wird. Das erwähnte um die feste Achse f drehbare und die Antriebsrolle h tragende Radsegment g steht mit dem Trieb u in Eingriff und hierdurch mit dem regulierbaren Pendelhemmwerk klm unter Zwischenschaltung der einseitigen Kupplung t dergestalt in Verbindung, dass das durch das Gewicht n stetig nach abwärts gezogene Zahnradsegment sich nach Ueberwindung der Wirkung dieses Gegengewichtes ohne weiteres, d.h. ohne sonstigen Widerstand nach aufwärts drehen lässt. Der Rücklauf in die Ruhelage kann nur langsam erfolgen, indem bei dieser Bewegungsrichtung das Pendelwerk in Wirksamkeit tritt und den Gang des Radsegmentes nicht nur gleichmässig macht, sondern auch wesentlich verzögert. Wenn das Zahnradsegment g hochgehoben wird, (was ersichtlichermassen durch die Stange e geschieht, sobald dieselbe beim Aufsteigen die Rolle h zur drückt), so macht auch der auf der Achse f sitzende, zur Erde anschliessende Kontaktarm r diese Drehung mit, ebenso wie den Rückgang, wenn die Wirkung des Stabes e wieder aufhört; man hat es nun in der Hand, den Gleitkontakt s so anzubringen, dass mit demselben der Arm r entweder beim Aufwärtsgehen oder erst während des Rückganges in Berührung gelangt und hierdurch den erwünschten Stromschluss herstellt. Das keilförmige Ende des Stabes e lässt sich natürlich steiler oder stumpfer anordnen, d.h. genau nach Massgabe des örtlichen Erfordernisses ausführen, wodurch jederzeit eine möglichst stossfreie Arbeitsübertragung gewährleistet werden kann. Die Uebersetzung ist derart gewählt, dass einerseits ein zwischen den Befestigungsstellen B und dem Druckbolzen a entstehender Höhenunterschied von 0,2 mm bereits hinreicht, das Keilende des Stabes e so weit zwischen h und i emporzudrücken, als es notwendig erscheint, um das Zahnradsegment D vollständig hochzudrehen, während anderseits das Gewicht des Stabes e zusammen mit dem Gewicht des Armes d und die Hebelwirkung des letzteren genügt, um den Bolzen a beständig und angemessen kräftig gegen den Fuss der Fahrschiene zu pressen. Auf diese Weise bleiben zur Aufrechthaltung des erforderlichen Gegendruckes elastische Hilfsmittel entbehrlich. Da erfahrungsmässig eine Schieneneinbiegung von 0,2 mm zwischen den beiden Befestigungsstellen B schon bei der Belastung der Schiene durch einen leeren Güterwagen eintritt und bei jeder grösseren Durchbiegung das Keilende des Stabes e über die Rollen h und i hinausgelangt, dass der Stab weiterhin lediglich mit seinen parallelen Seitenflächen zwischen h und i emporgedrängt, so wird vermöge dieses Umstandes bei jedem Raddruck, welcher in der Praxis vorkommen kann, der Weg des Zahnradsegmentes g derselbe bleiben, weshalb auch die davon abhängig gemachten Stromschliessungen oder – was sich natürlich erforderlichenfalls ebensogut durchführen liesse – Stromunterbrechungen in stets gleichbleibender Zeitdauer erfolgen, unabhängig von der Länge, Schwere und Geschwindigkeit der Züge. Ergeben sich Gründe, die es für wünschenswert erscheinen lassen, das bestehende Uebersetzungsverhältnis zu ändern, so ist dies sehr leicht durch Auswechslung des Keilstabes e möglich, indem man dafür je nach Erfordernis einen Stab mit schärferem oder stumpferem Keilende einsetzt. Damit die von der ersten Achse jedes vorüberkommenden Zuges auf den Bolzen a ausgeübten Stösse sich in keiner nachteiligen Heftigkeit auf das Zahnradsegment g und auf das Trieb u übertragen, ist das Segment g nur lose auf die Achse f gesteckt und lediglich durch eine der bekannten, auf der Zeichnung nicht näher dargestellten federnden Kupplungen mit der Rolle h verbunden. Wie die Kontaktgebung erfolgt, welche die wesentlichste Besonderheit des in Rede stehenden Stromschliessers bildet, lässt sich aus den schematischen Fig. 9 und 10 entnehmen, wo die Bewegungsrichtung des Kontaktarmes r (vergl. Fig. 6) durch die mit den Pfeilen versehenen Linien gekennzeichnet erscheinen. Soll der Stromschluss gleich bei der Betätigung durch die erste Achse jedes Zuges erfolgen, so erhält die Kontaktvorrichtung die in Fig. 9 gekennzeichnete Anordnung, bei welcher der nach rechts und links federnde und durch das Gestell mit der Erde in leitender Verbindung stehende Arm r (Fig. 6 und 9 a) gleich beim ersten Hochgehen des Stabes e (Fig. 6) auf seinem Wege bei m (Fig. 9) den metallenen Teil des mit der Stromleitung verbundenen Kontaktstückes s (vergl. Fig. 6) trifft und an der leitenden Fläche c entlang gleitend den gewünschten Stromschluss herstellt. Der Arm r bleibt dann, solange der Streckenstromschliesser vom Zuge befahren wird, in der Lage, welche Fig. 9b andeutet, um erst dann, nachdem die letzte Zugachse vorübergekommen ist, langsam wieder in seine Ruhelage (Fig. 9a) zurückzukehren. Auf diesem Rückweg trifft der Arm r das Stück s bei n an der aus Elfenbein oder dergl. hergestellten Hälfte und gleitet sonach diesmal an der isolierten Fläche i entlang, wodurch ein Stromschluss unmöglich gemacht wird. Soll umgekehrt die Wirksamkeit des Kontaktes erst eintreten, nachdem der ganze Zug die Gleisstelle hinter sich hat, so braucht ersichtlichermassen entweder nur die schräge Lage des Stückes s symmetrisch abgeändert zu werden, oder es können ebensogut einfach die Seitenflächen dieses Stückes gewechselt werden, wie es Fig. 10 darstellt. Letzterenfalls trifft beim ersten Auftrieb der Stange e (Fig. 6) der Kontaktarm r auf seinem Wege das Stück s bei m nunmehr auf der isolierten Seitenfläche i (Fig. 10 a) und erst auf dem Rückgang, d.h. nach erfolgter Vorbeifahrt des Zuges, bei n die leitende Hälfte c (Fig. 10 b), wo er solange Stromschluss erzeugt, als er über c hinweggleitet. Da nun die Geschwindigkeit des Rückganges des Segmentes g (Fig. 6) vermittelst des Ankerhemmwerkes k, l, m (Fig. 6) innerhalb gewisser Grenzen beschleunigt oder verringert werden kann, so lässt sich auf diese Weise bei der zuletzt betrachteten Anordnung natürlich auch die Dauer der Stromschliessung nach Bedarf regulieren und demgemäss reiht sich die Vorrichtung in diesem Falle den sogen. Zeitkontakten an. Dass diese im Sinne der Fig. 10 ausgebildete Form besonderen Wert für jene Ausführungen besitzt, bei denen der Zug durch das Befahren des Stromschliessers die Entriegelung bezw. Freigabe einer ihn sichernden Vorrichtung bewerkstelligen soll, liegt auf der Hand. Textabbildung Bd. 320, S. 234 Fig. 9. Textabbildung Bd. 320, S. 234 Fig. 10. Eine andere, namentlich durch ihre Einfachheit vertrauenerweckende Vorrichtung verwandter Gattung ist der neuere Streckenstromschalter der Lokomotivfabrik Krause & Co., Akt.-Ges. in München. Er hat ebenfalls die Bestimmung, in Sicherungsanlagen Verwendung zu finden, jedoch vorwiegend nur in solchen, bei welchen, wie z.B. bei den Einrichtungen zur Verhütung der vorzeitigen Entblockung von Signalen, Weichen oder Fahrstrassen, ein bestimmter elektrische; Stromkreis lediglich innerhalb des Zeitabschnittes, wo die Fahrterlaubnis erteilt wird, bis zu dem Augenblick, wo der betreffende Zug den Gefahrpunkt überfahren hat, geschlossen oder unterbrochen bleiben muss. Dieser durch Fig. 11 und 12 erläuterte Stromschalter besteht aus der beiläufig 355 mm langen, u-förmigen stählernen Anlauf- bezw. Druckschiene A, die durch das Gelenk B von der Stange C getragen wird, die in dem an den Fuss der Fahrschiene S mittels Backen und Bolzenschrauben festgeklemmten, ins Gleis eingebauten Schutzkasten P angeschraubt ist. Die Druckschiene ist so gekrümmt, dass sie in ihrer höchsten Lage am freien Ende, welches, wie der in Fig. 11 eingezeichnete Pfeil erkennen lässt, in der normalen Fahrtrichtung der Züge verläuft, etwa 80 mm unter Schienenoberkante liegt und also auch aus entgegengesetzter Richtung gefahrlos befahren werden kann, während sie in der Mitte bis auf 13 mm zur Schienenoberkante emporragt. Hierbei erscheint es im allgemeinen gleichgiltig, ob man A auf der Aussenseite des einen oder des anderen Schienenstranges anbringt. Die vorgedachte höchste Lage von A wird durch die in einer Rollenführung laufende, an A angelenkte Hebeschiene D (Fig. 11) bestimmt, welche von der kräftigen Stahlspirale E hochgezogen wird, soweit es der Führungsschlitz eben gestattet. Die Gesamthöhe des Hubes der Stange D bezw. der Druckschiene A beträgt 13 mm. Textabbildung Bd. 320, S. 235 Die letztbetrachteten Teile sind ebenfalls zu ihrem Schütze in dem vorerwähnten Blechgehäuse P untergebracht, wo sich auch der um x drehbare Winkelhebel F1F2 befindet, der ebenfalls von der Spiralfeder E beeinflusst wird und einen zweiten Hebel J mitbewegt, der einen Quecksilberkontakt H trägt, mit dem er je nach seiner Lage den Strom weg zwischen zwei in den Kasten P eingeführte Stromleitungen verbindet oder unterbricht. Allenfalls kann es natürlich auch vorkommen, dass bloss eine Stromleitung in den Kasten bezw. in den Quecksilberkontakt zugeführt ist, in welchem Falle der zweite Polanschluss des letzteren gleich durch Vermittlung des Gehäuses oder auch mit Hilfe einer besonderen Erdleitung an Erde gelegt wird. Solange die Druckschiene ihre höchste Lage einnimmt, steht die Hebeschiene D mit ihrer vollen Breite vor dem hakenförmig gebildeten Ende F2 des Winkelhebels F1F2und die Feder E kann sonach lediglich D nebst A hochziehen; die Kotaktvorrichtung H besitzt in diesem Falle jene Lage, bei welcher der Stromschluss besteht. Kommt während dieser in Fig. 11 dargestellten Druckschienen- und Kontaktlage ein Zug über den Stromschalter, so drückt das erste Rad A nebst D soweit nach abwärts, dass der Haken F2 in eine Falle G einfällt, welche an angemessener Stelle in D ausgespart ist. Demzufolge bleibt von nun an die Druckschiene A, durch F2 in der niedergedrückten Lage festgehalten, während gleichzeitig F1 den Hebel J gedreht und hierdurch den Quecksilberkontakt in seine zweite Lage umgekippt hat, bei welcher in demselben die bisher bestandene Leitungsverbindung aufhört. Durch den Zug selbst erfolgte also die Unterbrechung des Stromweges, sowie die Festlegung der Druckschiene A in der niedergedrückten Lage. Um die letztere in die hochgehobene Lage versetzen zu können, ist die Streckenschaltervorrichtung mit der Stellvorrichtung des zugehörigen Signals in irgend einer geeigneten Weise in mechanische Verbindung gebracht, derart, dass beim Ziehen des Signals auf „Freie Fahrt“ zugleich auch die Ausrückung des Hakens F1 bewirkt wird, indem die Drahtzugvorrichtung des Signals die senkrecht auf das Gleis durch das Gehäuse P geführte Schubstange K im Sinne des Pfeiles (Fig. 12) bewegt. Diese Stange trägt den im Gelenk beweglichen Daumen L, welcher die bekannte Anordnung besitzt, auf dem Wege nach rechts einem Hindernis nicht ausweichen zu können, weil sich M gegen den auf K festgenieteten Backen N stemmt, während er in entgegengesetzter Richtung zur gedrückt und sobald er an dem Hindernis vorübergekommen ist, durch sein Eigengewicht wieder aufgerichtet wird. Dieser Daumen L trifft mit seiner Keilfläche i bei der besagten Signalumstellung den längeren Arm F1 (Fig. 11) des Winkels F1F2 und zwingt denselben mit F1 nach aufwärts auszuweichen,wobei F1 aus G ausspringt und D von E angetrieben die Druckschiene A hochhebt. Bei der Rückstellung des Signals von Freie Fahrt in die Normallage „Halt“ wird wohl auch die vorhin nach rechts gezogene Schubstange denselben Weg wieder nach links zurücklegen, ohne jedoch diesmal auf F2 einen Einfluss mehr nehmen zu können, weil beim Vorüberkommen des Daumens L derselbe diesmal seitlich ausweicht. Der Streckenstromschalter verbleibt sonach in der vom Zuge erhaltenen niedergedrückten Lage, bis er anlässlich der nächsten Zugfahrt beim Freistellen des Signals wieder eine neuerliche Auslösung durch den rechtsgehenden Daumen L erfährt. Die zwischen der Stelleitung des Signals und der Stange K erforderliche Verbindung kann allenfalls sehr einfach dadurch erzielt werden, dass eine in den Drahtzug eingeschaltete Rollenscheibe ihre Drehbewegungen durch Vermittlung eines Krummzapfens und einer angelenkten Pleuelstange in eine hin- und hergehende gradlinige Bewegung umwandelt. Uebrigens kann selbstverständlich diese Bewegungsübertragung ebensogut in irgendeiner beliebigen anderen Weise durchgeführt werden. (Schluss folgt.)