Titel: Ueber einige eisenbahnsignal-technische Neuigkeiten.
Autor: L. Kohlfürst
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 267
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Ueber einige eisenbahnsignal-technische Neuigkeiten. Von L. Kohlfürst. (Schluss von S. 236 d. Bd.) Ueber einige eisenbahnsignal-technische Neuigkeiten. III. Neuerungen an Kraft-Stellwerken. Bei jenen Signal- oder Weichenstellwerken, welche nicht lediglich im Wege von Drahtzügen oder Rohrgestängen, also mit rein mechanischen Uebertragungsanordnungen, sondern mit Presswasser, Pressluft oder Elektrizität betrieben werden, findet man sehr häufig, wenn nicht in der Regel die Betriebsweise sozusagen zweiteilig durchgeführt, insofern die eigentliche Stellarbeit von ihrer Auslösung und Steuerung getrennt wird. Dann tritt also an Stelle der unmittelbaren Bedienung eine mittelbare, was vielfach nicht nur gerechtfertigt erscheint, sondern auch als vorteilhaft gelten darf, weil doch zumeist die beiden genannten Verrichtungen bezw. Leistungen hinsichtlich ihrer Ausführungsmittel sehr ungleiche Anforderungen stellen. Eine Ausnahme bildeten in dieser Richtung die mit Starkstrom betriebenen Weichen- und Signalstellwerke, bei denen bisher nur die unmittelbare Betätigung vorgesehen war, weshalb die betreffenden Betriebsströme durch die Schalteinrichtungen des Stellortes (Stellerei) geleitet und an den einzelnen Treibmaschinen behufs Steuerung der Bewegungsrichtung verschiedene besondere Nebenanordnungen, seien es z.B. doppelte, einander entgegengesetzte Wicklungen des Magnetfeldes, seien es abwechselnd anliegende Bürstenpaare oder dergleichen, vorhanden sein mussten. Die Fabrik für Eisenbahn-Sicherungs-Anlagen, A. E. m. H. in Dresden hat nun die letzten Jahre elektrisch betriebene Stellwerke konstruiert, an welchen die Ingangsetzung und Drehrichtung der Treibmaschinen mit Hilfe einer eigenen, mit niedrig gespannten Strömen betriebenen Fernsteuerung bewirkt wird. Für diese letztere ist nämlich die Verwendung eines von einer Speicherbatterie zu liefernden Gleichstromes von 12 bis 20 Volt und höchstens 0,3 Ampere in Aussicht genommen, während für die Treibmaschinen Betriebsströme von grösserer Stärke und höherer Spannung, seien es Gleich- oder Wechselströme, erforderlich sind, welche nach Massgabe der etwa an Ort und Stelle zur Verfügung stehenden Ströme gewählt werden können oder durch einen eigenen beliebigen Generator zu beschaffen sein werden. Wie einfach sich das Grundsätzliche an dieser interessanten Neuerung herausstellt, lässt Fig. 13 erkennen, wo, die allgemeine Anordnung und die Verbindung zwischen einer Umsteuerungsvorrichtung und einem mit Gleichstrom betriebenen Weichenstellwerk schematisch dargestellt ist. Die am Stellorte unterzubringende Umsteuerungsvorrichtung U1 besteht lediglich aus einem Doppelschalter, mit welchem in die Leitung l1l2 durch Gebrauchsnahme eines der beiden Stellbebel ein Strom der Speicherbatterie B entsandt werden kann. Hierbei gelangt dieser Strom vom positiven Pol aus, je nachdem man in U1 mit T1 oder mit T2 den Stromkreis schliesst, ersichtlichermassen ersterenfalls über 4, letzterenfalls über U in die Spulen des bei der Stellvorrichtung vorhandenen Relais-Elektromagnetes M. Sein polarisierter Anker bildet einen Umschalter U2, indem er über einen der Kontakte 3 oder 4 die Ortslinie des eigentlichen Betriebsstromes schliesst. Der letztere, welcher aus den Stromzuführungen L1L2 kommt, ist es also, der den zum Umstellen einer Weiche, wie Fig. 13 es zeigt, oder eines Signals bestimmten Elektromotor EA speist. Der Antrieb der Weiche oder des Signals erfolgt durch Zahnradübertragung mit der Ziehstange Z, welche in bekannter Weise bei ihrer hin- und hergehenden Bewegung, kurz vor dem ng. 18. Abschluss ihres Weges, mit Hilfe der Rollenstifte r1 oder r2 den Kontaktarm des Schalters U3, der zugleich als Unterbrecher und Stromwegwechsel wirkt, vom Kontakt 1 abhebt und auf 2 legt, oder von 2 abhebt und auf 2 bringt, derart, dass in der Zeit, wo die Weiche nach dem in Fig. 13 dargestellten Beispiel die Lage II (für die Gerade) einnimmt, der Umschalterhebel in U3 den Stromweg bei 1 herstellt und bei 2 unterbrochen hält, wogegen während der Weichenlage II (für die Ausweiche) in U3 bei 2 der geschlossene Stromweg und bei 1 Unterbrechung besteht. Textabbildung Bd. 320, S. 268 Fig. 13. So lange die Weiche die Lage I einnimmt und sich sonach die Gesamtanordnung in der durch Fig. 13 veranschaulichten Ruhelage befindet, wird das Relais M stromlos sein, da am Stellort sowohl in T1 als in T2 kein Anschluss an den positiven Pol der Batterie B besteht; ebensowenig kann in den Motor Betriebsstrom eintreten, weil der leitende Weg nach L2 sowohl in U3 beim Kontakt 2, als in U2 bei 4, unterbrochen ist. Wird aber der Schalthebel T1 niedergedrückt, so bewirkt der infolgedessen über l1l2 gelangende Strom den Polwechsel im Relais, weshalb in U2 durch das Umkippen des Ankers der Ortskontakt 3 gelöst und jener bei 4 hergestellt wird. Nunmehr findet der Betriebsstrom seinen geschlossenen Weg von L1 über den Motoranker A, ferner über 1, U3, E, U2, 4 nach L2, weshalb derselbe die Feldwicklungen des Motors im Sinne des rechts eingezeichneten Pfeiles durchfliesst. Demgemäss wird die Zahnstange Z in der Richtung; angetrieben, d.h. die Weiche aus der Lage I in die Lage II umgestellt; knapp vor der erreichten Endlage der Stange Z besorgt dann der Stift r1 die Umschaltung des Hebels in U3 von 1 auf 2, weshalb der Strom weg zu L1, also der Betriebsstrom überhaupt aufhört, weil ja auch der zweite Anschluss bei 3 zufolge der vorhin geänderten Lage des Relaisankers unterbrochen ist. Bei der neuerdings eingetretenen Ruhelage, welche mit der Weichenlage II zusammenfällt, besteht also für den Betriebsstrom von L1 her kein Anschluss. Macht man jedoch nunmehr am Stellort durch Niederdrücken des Schalthebels T2 wieder die Batterie B tätig, so gelangt diesmal ihr Strom über l2 ins Relais, um über 4 zurückzukehren; es erfolgt sonach ein neuerlicher Polwechsel in Af, so dass der Relaisanker den Kontakt 4 wieder löst und dafür jenen bei 3 erneuert. Hierdurch entsteht von L1 über A, 3, U2, E, U3, 2 nach L2 ein geschlossener Weg für den Betriebsstrom, der aber jetzt die Feldwicklungen in der Richtung des links eingezeichneten Pfeiles durchläuft und daher die rückläufige Bewegung des Motors bewirkt, wobei nun der Stift r2 die Umstellung des Schalthebels in U3 und vermöge der hierdurch entstehenden Stromunterbrechung zugleich die Abstellung des Motors bewirkt. Die Weiche hat auf diese Weise ihre ursprüngliche Lage I zurückerhalten und ebenso haben alle übrigen Teile der Stellvorrichtung die in Fig. 13 dargestellte Ruhelage zurückgewonnen, weitere Weichenumstellungen folgen sich natürlich bei wechselweiser Gebrauchsnahme der Schalterhebel T1 und T2 immer wieder ganz gleichmässig im oben betrachteten Verlauf. Diese so ausserordentlich ansprechende Einfachheit kann nun allerdings in der Praxis leider nie gewahrt bleiben, weil es da geboten erscheint, dass eine beliebige Aenderung der Bewegungsrichtung des Motors auch dann möglich sei, wenn die vorausgegangene Umstellung sich etwa nicht ganz vollzogen hätte, wie dies bei gewaltsamen Durchschneidungen der Weichen der Fall ist, und dass sich behufs Ueberwachung des Stellwerkbetriebes sowohl jede regelrecht stattgefundene Umstellung als jedes etwaiges Aufschneiden der Weichen am Stellort mit Hilfe einer besonderen Signalvorrichtung ersichtlich macht. Zur Erzielung dieses Zweckes stellt sich zuvörderst neben l1 und l2 (Fig. 13) noch der Bedarf einer dritten vom Stellort zur Stellvorrichtung geführten Leitung heraus, in welche die Kontrollsignalvorrichtung eingeschaltet wird. Ferner muss die Schaltvorrichtung Ul am Stellorte eine Weiterung erhalten, vermöge welcher sie den Strom der Batterie B Fall für Fall nicht nur in die Spulen des Steuerungselektromagnetes (Relais) Af, sondern auch in den Elektromagnet der Kontrollsignalvorrichtung Eintritt gewährt. Endlich muss auch der Umschalter U2 vierarmig und der Umschalter U3 dreiarmig angeordnet werden. Für letzteren reichen überdem die zwei verschiedenen Lagen wie sie U3 in Fig. 13 einnehmen kann, nicht aus, sondern er muss drei Stellungen erhalten können, wovon die zwei äussersten je einer der richtigen Weichenlagen I und II, die mittlere aber der aufgeschnittenen Weichenlage entspricht. Hierzu sind natürlich die beiden Rollenstifte r1 und r2 nicht mehr verwendbar, vielmehr muss das Umlegen des Schalters U3 durch ein treppenförmiges, drei Absätze aufweisendes Schleifstück geschehen, das mit der Stange Z fest verbunden den vollen Weg nach vorwärts oder rückwärts geschoben wird, wenn die Weichstellung sich richtig vollzieht, dagegen beiläufig nur den halben Weg macht, d.h. mit der Mittelstufe des Schleifstückes auf U3 einwirkt, wenn eine Durchschneidung der Weiche erfolgt. Dass diese vielen Weiterungen und namentlich die erforderlichen zahlreichen Stromwegwechsel – es werden im ganzen für jede Weiche oder jedes Signal mindestens achtzehn Kontakte nötig – den Anlagen keineswegs zum Vorteil gereichen, lässt sich kaum leugnen, dafür aber besitzen die Einrichtungen mit zwischengeschalteter Fernsteuerung gegenüber den elektrischen Stellwerken mit unmittelbarer Signal- und Weichenstellung immerhin den unter Umständen wertvollen Vorzug, dass die Ausführung des zwischen dem Stellorte (der Stellerei) und den einzelnen einbezogenen Weichen- und Signalstellvorrichtungen erforderlichen Leitungsnetzes sich wesentlich einfacher gestaltet, weil es einerseits hinreicht, die Isolation und den Querschnitt nur für den schwachen Strom der Steuerung zu berechnen und anzupassen, während für die Zuführung des Betriebsstromes zwei angemessen stärkere durchlaufende Leitungen genügen, welche in die Stellerei gar nicht eingeführt zu werden brauchen. Dank diesem Umstände bleibt denn auch daselbst die Bedienungsmannschaft allen Gefährdungen, die durch Starkströme herbeigeführt werden können, von vornherein entrückt. Auf Grundlage dieser eben geschilderten Durchführung des mittelbar elektrischen Stellens von Weichen und Signalen hat die Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft in Berlin die besondere Anordnung einer Einrichtung zum Bedienen mehrflügeliger Signale (D. R. P. No. 153478) aufgebaut, bei welcher – den einfachsten Fall für Einfahrtsignale nach deutscher Signalordnung, d. i. zwei Arme auf einem Mast, vorausgesetzt – der Treibstange Z, Fig. 13, vier verschiedene Bewegungen erteilt werden können. Dass sich bei solchen zweiflügeligen Signalen die Umstellungen überhaupt mit Hilfe nur einer Treibstange Z durchführen lassen, beruht auf die bekannte Zwischenordnung einer mit der Treibstange Z durch eine die in Fig. 13 bei o an Z angelenkte Schubstange z vertretende Ketten- oder Seilübertragung verbundene Kurvenscheibe, welche nach links oder nach rechts aus ihrer Ruhelage gedreht, im Wege zweier verschiedener Steuerungsnuten und der darin zwangläufig bewegten Uebertragungsgelenke ersterenfalls lediglich den oberen Flügel des Mastsignals aus der Lage Malt, in die „Frei“ lagt, zweitenfalls aber beide Signalflügel in die schräg nach aufwärts gerichtete Lage einstellt, während später der jedesmalige Rücklauf der Kurvenscheibe in ihre Nullstellung wieder die gewöhnliche regelrechte Flügelstellung (für „Halt“) herbeiführt. Da es nun die Stange Z ist, welche das Drehen der die Signalflügel bewegenden Kurvenscheibe nach der einen wie nach der andern Richtung und ebenso jedesmal wieder die Rückführung derselben in die Ruhelage zu bewirken hat, so muss denn auch der Elektromotor EA (Fig. 13) von seiner Ruhestellung aus sowohl für die Rechts- als für die Linksdrehung und dann beidenfalls zur Rückkehr in die Ruhestellung bewegt werden können. Bei Signalen mit mehr als einem Flügel müssen also, mit anderen Worten gesagt, der Motor und die Treibstange Z imstande sein, den Weg, welchen sie im Sinne der Fig. 13 nehmen können, bezw. die Arbeit, welche sie verrichten, zweimal, und zwar in entgegengesetzten Richtungen zu leisten. Beim einflügeligen Signal braucht die Stange Z lediglich aus einer Endlage a, die zugleich ihre normale Ruhestellung ist, in die zweite Endlage b und beim Einziehen des Signals wieder von b nach a zurückgebracht zu werden, beim zweiflügeligen Signal hört hingegen die Ruhestellung a („Halt“) auf, zugleich Endlage zu sein, sondern sie wird, wie die nachstehenden Pfeile andeuten, zur Mittelstellung zwischen den beiden Endlagen b1 (ein Arm auf „Freie Fahrt“) und b2 (zwei Arme auf „Freie Fahrt“). Textabbildung Bd. 320, S. 269 Textabbildung Bd. 320, S. 269 Seitens der Allgemeinen Elektrizitäts-Gesellschaft wurde nun diese Aufgabe sehr sinnreich und verhältnismässig einfach dadurch gelöst, dass für jede der beiden Hin- und Rückbewegungen je ein besonderes Steuerungsrelais (M in Fig. 13) mit doppelten Ortskontakten verwendet wird, und dass auch die Umschalter U1 und U3 eine entsprechende Weiterung erhalten. Die Steuerung des letzteren geschieht bei der praktischen Anordnung mit Kontrolleinrichtungen auch wieder, wie im weiter oben besprochenen Falle, durch die Stange Z, mit Hilfe eines in Stellvertretung der Stifte r1 und r2 an Z angebrachten treppenförmigen Gleitkeiles, der auf eine federnde Drucktaste verschiebend einwirkt, durch welche die Kontakthebel des Schalters U3 umgelegt werden. Auch die zweistufige Form des Gleitkeiles bleibt dieselbe, nur ist sie zweimal vorhanden und die beiden zweistufigen Keile sind, symmetrisch gelagert, zu einem einzigen Stück vereinigt.