Titel: | Neue Spezialausführungen von Werkzeugmaschinen für Eisen- und Strassenbahnbau. |
Autor: | Heinr. Rupprecht |
Fundstelle: | Band 320, Jahrgang 1905, S. 601 |
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Neue Spezialausführungen von Werkzeugmaschinen
für Eisen- und Strassenbahnbau.
Von Dipl.-Ing. Heinr.
Rupprecht-Charlottenburg.
Neue Spezialausführungen von Werkzeugmaschinen für Eisen- und
Strassenbahnbau.
Für wirtschaftliches und schnelles Arbeiten im Eisen- und Strassenbahnbau ist
die Verwendung von Spezialwerkzeugmaschinen ein wesentliches Erfordernis. Die
häufige Wiederkehr typischer Arbeiten wie z.B. Zylinderausbohren, Motorgehäuse
bearbeiten, Schienenbohren usw. macht die in der Anschaffung allerdings etwas
kostspieligere Aufstellung von Spezialmaschinen bei richtiger Auswahl immer bezahlt.
Insbesondere ist uns auf dem Gebiete der Spezialmaschinen Amerika, woselbst der
mächtige Aufschwung des Verkehrswesens die Ingenieure mit eisernem Zwang zur
Schaffung rationeller Arbeitsmethoden trieb, in bezug auf weitgehendste selbsttätig,
sicher und genau arbeitende Konstruktionen voraus. Da die Amerikaner jedoch infolge
der günstigen Geschäftslage im eigenen Land verhältnismässig wenig auf den Export
bedacht sind und unsere Importeure sich insbesondere mit der Einführung sogenannter
Standardmaschinen, d. i. normaler Modelle für allgemeine Arbeiten, die naturgemäss
ihnen ein weiteres Absatzgebiet sichern, befassen, dürften manche zweckmässige
amerikanische Spezialkonstruktionen bei uns noch wenig bekannt sein. Wir wollen
daher hier kurz einige der neuesten Ausführungen vorführen, deren Verwendung gewiss
für viele Betriebe ein rationelleres Arbeiten ergeben wird.
Textabbildung Bd. 320, S. 600
Fig. 1.
Eine interessante Maschine zum gleichzeitigen Ausbohren von Strassenbahnmotorgehäusen
wird von der Newton Machine Tool Company in
Philadelphia gebaut. Die Maschine (Fig. 1) besteht
aus einem in der Mitte der Längsrichtung gekröpften Bett, woselbst der Tisch zum
Aufspannen der Arbeitsstücke angeordnet ist, während sich auf den rechts- und
linksseitigen Betteilen die Schlitten mit je zwei Bohrspindeln bewegen. Beide
Seitenteile sind gleichartig ausgerüstet. Die beiden Spindeln werden durch den an
den Stirnseiten des Bettes sitzenden Elektromotor betätigt.
Der Elektromotor treibt zunächst unter Vermittlung den Vorschub ein- und
ausschaltender Kupplungen eine im Inneren des Bettes liegende, starke
Schraubenspindel, welche die Hin- und Herbewegung der Schlitten mit den
Bohrstangenköpfen und somit den Vorschub bewirkt. Durch an der hinteren Bettseite
liegende Rädergetriebe wird eine nach der Stirnseite zu auf dem Bett gelagerte sehr
kräftige Schnecke angetrieben, die mit je einem lose auf der Bohrspindel sitzenden
Schneckenrad in Eingriff steht. Letzteres kann durch Kupplungen mit der beireffenden
Bohrspindel verbunden werden und so deren Drehbewegung einleiten. Um die Ein- und
Ausschaltung dieser Kupplungen vom Arbeiterstandort, in der Mitte der Maschine, aus
bedienen zu können, liegen daselbst die Handräder, die durch konische Räder und
längs über den Bohrspindeln entlang laufende dünne Wellen ein einfaches
Stirnrädergetriebe am Ende der Kupplungen und damit letztere selbst betätigen. Um
die seitliche Entfernung der Bohrstangenmitten nach Bedarf verschieden einstellen zu
können, sind die vorderen Bohrspindellager auf einem Querschlitten in bekannter
Weise durch Schraubenspindeln verschiebbar und zwar entweder durch die nahe dem
Arbeiterstandort befindlichen grossen Stirnräder von Hand oder durch die längs der
Vorderseite laufende Welle maschinell, indem letztere durch Stufenscheiben, die auf
der querliegenden schweren Schnecke sitzen, angetrieben wird. Die Bohrspindeln haben
eine geringste seitliche Entfernung von 325 mm und
eine grösste von 510 mm; die Entfernung zwischen Bohrspindelachse und
Arbeitstisch beträgt 710 mm, letzterer hat 1,37 m × 1,22 m Arbeitsfläche. Zu
bemerken ist noch, dass die Bohrspindeln sowohl in Antrieb als in Vorschub
vollständig unabhängig voneinander arbeiten können.
Textabbildung Bd. 320, S. 601
Fig. 2.
Textabbildung Bd. 320, S. 601
Fig. 3.
Fig. 2 zeigt eine besonders für die Bearbeitung von
Lokomotivpleuelstangen, Kuppelstangen und Führungsleisten der Kreuzkopfführungen von
Wm. Sellers & Co.
in Philadelphia gebaute Hobelmaschine. Auf dem langen Bett läuft der das
Arbeitsstück tragende Hobelschlitten unter zwei Doppelständern hindurch, von denen
jeder zwei Quersupports auf dem Querschlitten verschiebbar trägt, die bis auf 150 mm
geringste Entfernung zwischen den Hobelstählen zusammengeschoben werden können. Der
durch einen Spiraltrieb betätigte Tisch bewegt sich nach beiden Richtungen mit der
gleichen Schnittgeschwindigkeit, da er auf beiden Wegen schneidet. Der rechtsseitige
Ständer ist fest am Bett und trägt die Hin- und Rücklaufscheiben für den
Tischantrieb und die Organe zur Vorschubbewegung, die durch eine Welle auf die
Antriebsteile des linksseitigen Trägers übertragen wird. Letzterer ist in den längs
der Bettseiten liegenden Führungsleisten auf etwa dreiviertel Bettlänge verschiebbar
und in jeder beliebigen Stellung festschraubbar, um bei kurzen Pleuelstangen den
Tischweg nicht weiter als der Stangenlänge entsprechend ausdehnen zu müssen. Die
Ständer lassen sich bis auf eine Entfernung von 900 mm zwischen den Werkzeughaltern
zusammenschieben. Auf diese Weise lassen sich nun beide Enden von zwei Pleuelstangen
gleichzeitig bearbeiten bezw. in demselben Arbeitsgang zu gleicher Zeit die vier
Führungsleisten oder die Kuppelstangen.
Textabbildung Bd. 320, S. 602
Fig. 4.
Auch auf dem Gebiete der Lokomotivachsenbearbeitung sind einige interessante
Neukonstruktionen anzuführen, zunächst in Fig. 3
eine von dem gewöhnlichen Typ abweichende Kaltsäge zum Beschneiden der Achsen auf
genaue Länge, bei der, gegenüber dem sonst üblichen Vorschub der Sägeblätter, das
Arbeitsstück gegen die beiden feststehenden Sägeblätter bewegt wird. Die zu
beschneidende Achse ist in zwei als Schlitten ausgebildeten Klemmlagern
festgespannt. Der Antrieb der Maschine wird durch die vom Deckenvorgelege aus
betätigte, an der hinteren links sichtbaren Riemscheibe aus eingeleitet und durch
ein Vorgelege auf die Sägeblattspindeln übertragen, und zwar auf die rechts gelegene
Säge durch die hinten unter der Achse sichtbare Welle. Letztere trägt an ihrem
rechten Ende zwei Riemscheiben, die auf die längs der Vorderseite liegende Welle
arbeiten. Diese geht durch die Untergestelle der Aufspannschlitten und dient für
raschen Rückgang des Schlittens, nachdem die am linken Ende sitzenden Zahnräder
ausgekuppelt sind. Letztere bewirken nämlich den normalen Vorschub, indem sie durch
die linksseitigen vierstufigen Riemscheiben von der Vorgelegewelle aus angetrieben
werden. Es sind also vier Vorschubgeschwindigkeiten erhältlich.
Der Bock des linken Aufspannschlittens ist fest mit der Bettplatte verbunden, während
der rechte mitsamt dem Sägeblatt durch die unten in dem Bock laufende
Schraubenspindel auf dem Bett verschiebbar ist entsprechend 900 mm geringster und
2440 mm grösster Entfernung der zwei Sägeblätter voneinander. Die Maschine wird für
diese Längen normal in zwei Grössen ausgeführt für Achsen bis zu 175 mm Durchmesser
mit 610 mm Sägeblattdurchmesser und für Achsen bis zu 230 mm Durchmesser mit 760 mm
Sägeblattdurchmesser.
Da es bei Lokomotivachsen zum richtigen Aufsetzen der Gegengewichtsräder wesentlich
ist, dass beide Nuten in der betreffenden Achse genau um 90° versetzt zueinander
liegen, hat die Newton Machine Tool Comp. in
Philadelphia, von der auch vorgenannte Säge gebaut ist, eine besondere doppelte
Achsennutmaschine konstruiert, bei der beide Nuten zu gleicher Zeit und genau unter
90° versetzt in die Achsen eingearbeitet werden. Die Maschine ist in Fig. 4 in Schrägansicht und in Fig. 5 in Seitenprojektion dargestellt. Das
Herstellen der Nuten, das sonst vielfach auf Nutenbohrmaschinen erfolgt, wird
hierbei rascher durch geeignete Fräser bewirkt. Die Maschine hat auf dem kräftig
gehaltenen Bett zwei um 90° zueinander geneigte Führungswangen, auf denen je ein
Schlitten mit Reitstockspindel und ein Schlitten mit dem Fräser sich bewegt derart,
dass die Spitzen der Reitstockspindeln, welche die zu nutende Lokomotivachse
zwischen sich aufnehmen, genau in eine wagerechte Achse fallen. Die Fräsemesser
stehen genau unter einem rechten Winkel zueinander und können, wie besonders aus
Fig. 4 ersichtlich ist, durch Handrad und
Schraubenspindel in Höhenrichtung je nach dem zu nutenden Achsendurchmesser
verstellt und zur gewünschten Nutentiefe vorgeschoben werden. Die Umdrehung der
Fräser wird von der in Fig. 4 sichtbaren,
dreistufigen Riemscheibe eingeleitet, die durch Stirnräder auf die längs des Bettes
laufende Welle arbeitet, von der die Umdrehung durch Kegelräder und ein
Schneckengetriebe auf die Frässpindeln übertragen wird. Der Vorschub der die
Frässpindeln tragenden Schlitten erfolgt durch im Bett gelagerte Schraubenspindeln
und Zahnräder gleichfalls von der Stufenscheibe aus, während das in Fig. 4 vorn sichtbare kuppelbare Handrad der
Einstellung von Hand dient.
Textabbildung Bd. 320, S. 602
Fig. 5.
Ebenso wesentlich wie hier die genau rechtwinklig versetzte Nutung ist bei
Lokomotivrädern die genaue Bohrung der Kurbelzapfenlöcher. Um bei einem Radsatz
beide Bohrungen gleichzeitig und durchaus genau zu bewirken, haben die Amerikaner
Spezialmaschinen hierfür auf den Markt gebracht, die sie mit dem einfachen Ausdruck
„Quartering Machine“ bezeichnen. Eine sehr zweckmässige Konstruktion
dieser Art zeigt die in Fig. 6 dargestellte Maschine
von Wm. Sellers & Co. in Philadelphia. Auf dem Bett
verschiebbar sind die beiden Spindelstöcke angeordnet derart, dass die Entfernung
der beiden Reitstockspitzen zwischen 450 mm und 1525 mm eingestellt werden kann.
Jeder Spindelstock trägt eine Bohrspindel mit eigener, durch eine zweistufige
Riemscheibe eingeleiteter Dreh- und Vorschubbewegung. Letztere wird durch
Reibungsgetriebe übertragen, so dass eine grosse Anzahl Vorschubgeschwindigkeiten
zwischen der kleinsten für Schruppen und der grössten für Schlichten erzielt wird.
Der Gesamtvorschub der Bohrspindeln, die 75 mm Durchmesser haben, beträgt 230 mm.
Die Bohrspindeln sind gegen die Reitstockspindeln auf den in Fig. 6 sichtbaren, unter 45° geneigten
Schlittenflächen verschiebbar, so dass die Maschine für Räder mit Kurbelradien von 125 mm bis
380 mm (also 250 mm bis 760 mm Kolbenhub) benutzt werden kann. Die Reitstockspindeln
dienen lediglich zum Zentrieren der Räder, nicht aber zur Aufnahme des Gewichts,
welches durch die am Fusse der Spindelstöcke sichtbare Festspannvorrichtung
aufgenommen wird, in welche die Räder festgeklemmt werden, und die je nach den
Abmessungen des Radsatzes verstellbar ist.
Textabbildung Bd. 320, S. 603
Fig. 6.
Textabbildung Bd. 320, S. 603
Fig. 7.
Schliesslich sei noch die von Fairbairn Macpherson in
Leeds gebaute Spezial-Räder- und Bandagen-Drehbank genannt, die in Fig. 7 dargestellt ist. Sie hat zwei Spindelstöcke,
von denen der linke fest und der rechte durch Zahnrad und Zahnstange auf dem Bett
verschiebbar ist. Die in starken Lagern ruhenden Spindeln tragen je eine
Universalplanscheibe von 1980 mm Durchmesser, in denen Räder bis zu 1975 mm
Durchmesser satzweise gedreht oder Bandagen bis zu 1850 mm Durchmesser satzweise
ausgebohrt werden können. Der Antrieb erfolgt durch den auf dem festen Spindelstock
sitzenden Drehstrommotor, der durch Vorgelege eine unten im Bett liegende 175 mm
starke Welle antreibt, auf welcher die in den Zahnkranz der Planscheiben eingreifenden
Trieblinge sitzen. Auf der Bettplatte sitzen vorn und hinten je zwei Supportständer,
die durch Zahnrad und Zahnstange an Handhebeln unabhängig voneinander auf der
Bettlänge beliebig einstellbar sind und auf Grundplatten mit Querschlittenführung
auch von Hand dem Raddurchmesser entsprechend in der Querrichtung eingestellt werden
können. Die zwei vorderen Supportständer tragen auf ihrer oberen Schlittenführung je
einen Kreuzsupport, die hinteren dagegen je zwei Kreuzsupports, so dass gleichzeitig
sechs Werkzeuge zusammen abhängig oder unabhängig voneinander arbeiten können.
Der Vorschub des Werkzeugsupports erfolgt von dem Spindelvorgelege aus durch
Kurbelgetriebe, welche auf die von der vorderen und hinteren Bettseite angeordneten
Wellen arbeiten, diesen Schaltbewegungen erteilend, die durch Ketten mit
Gegengewichten auf die an jedem Kreuzsupport sitzende Sperrschaltvorrichtung
übermittelt wird. Die Bettplatte hat eine Höhe von 450 mm; die grösste Entfernung
der beiden Planscheiben beträgt 2,6 m.