Titel: Die Kraftmaschinen und Dampfkessel auf der Weltausstellung in Lüttich 1905.
Autor: Fr. Freytag
Fundstelle: Band 320, Jahrgang 1905, S. 613
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Die Kraftmaschinen und Dampfkessel auf der Weltausstellung in Lüttich 1905. Von Fr. Freytag, Chemnitz. (Fortsetzung von S. 600 d. Bd.) Die Kraftmaschinen und Dampfkessel auf der Weltausstellung in Lüttich 1905. 1. Société anonyme des ateliers Carels frères in Gand. Wie schon eingangs bemerkt, ist der von der obigen, im Bau von Dampfmaschinen hinlänglich bekannten Firma ausgestellte dreizylindrige Dieselmotor von 500 PS Nennleistung vom technischen Standpunkt aus als interessantester Gegenstand der Maschinenhalle zu bezeichnen. Die äussere Ansicht des Motors zeigt Fig. 1; er hat Zylinder von je 560 mm Durchmesser für 750 mm Hub und läuft normal mit 150 minutlichen Umdrehungen. Die drei Kurbeln sind um 120° gegeneinander versetzt auf der Schwungradwelle befestigt. Jeder Zylinder kann eine Höchstleistung von 175 PSe im Dauerbetriebe entwickeln. Fig. 2 zeigt einen senkrechten Schnitt des Motors, Fig. 3 die Brennstoffpumpe, Fig. 4 und 5 lassen das Brennstoffventil, Fig. 6 und 7 das Einlassventil für die Verbrennungsluft sowie die Kolbenschmierung, Fig. 8 das Auspuffventil und Fig. 9 das Anlassventil des Motors erkennen. Textabbildung Bd. 320, S. 614 Fig. 1. 500 PS. Diesel-Motor von Carels frères. Die Arbeitsweise des Diesel-Motors darf aus früheren Veröffentlichungen als bekannt vorausgesetzt werden (D. p. J. 1903, 318, S. 760 u. ff.); seine heutige Bauart – in konstruktiver Hinsicht – ist das Ergebnis zahlreicher, seit einer Reihe von Jahren unter Aufwendung bedeutender Mittel durchgeführter Versuche. Die mit eingesetzten Laufbüchsen für die Arbeitskolben versehenen drei Zylindergestelle stützen sich auf einen mit den vier Traglagern der Kurbelwelle von je 280 mm Durchmesser und 650 mm Länge aus einem Stück gegossenen Rahmen. Auf der Schwungradseite ruht die Kurbelwelle noch in einem Aussenlager von 260 mm Durchmesser und 650 mm Länge. Die mit je drei Schmierringen ausgerüsteten Lager haben gusseiserne mit Weissmetall ausgefütterte Schalen. Besondere Sorgfalt ist auf eine übersichtliche und beständige Schmierung sämtlicher Einzelteile des Motors sowie auf Rückgewinnung des benutzten Schmieröles verwendet. Die drei Kurbelzapfen werden durch Zentrifugal-Schmierringe mit Oel versorgt. Die Schubstangen sind aus geschmiedetem Stahl hergestellt und mit zweiteiligen Köpfen aus Messing am Kolben- bezw. Kurbelende verschraubt. Die ebenfalls zweiteiligen Schalen des Kolbenzapfens von 200 mm Durchmesser und 320 mm Länge sind aus Phosphorbronze, diejenigen des Kurbelzapfens von 300 mm Durchmesser und 320 mm Länge aus Gusseisen mit Weissmetall-Futter gefertigt. Die Länge der Schubstangen lässt sich in bekannter Weise durch Einlegen eines Zwischenstückes zwischen Stange und Köpfen verändern. Die Kolben tragen je acht gusseiserne Dichtungsringe und werden einen Hub um den anderen; durch Mollerup-Pumpen geschmiert, die das Oel zwischen dem ersten und zweiten Dichtungsring in den Zylinder drücken. Textabbildung Bd. 320, S. 614 Fig. 2. 500 PS. Diesel-Motor von Carels frères. Die senkrecht in die Zylinderdeckel eingebauten Auspuffventile sind, wie auch die Auspuffkanäle und die Zylinder nebst Deckel, von Kühlmänteln umgeben; das abfliessende Kühlwasser gelangt in einen Trichter, so dass sich seine Temperatur jeden Augenblick messen lässt. Die Steuerung sämtlicher Ventile erfolgt zwangläufig mittels unrunder Scheiben einer in sechs an den Zylindergestellen angegossenen Konsollagern geführten gemeinsamen Steuerwelle, die mittels Schraubenräder von der Kurbelwelle derart bewegt wird, dass sie nur halb soviel Umdrehungen wie die letztere ausführt. Der zum Brennstoffventil gehörige Steuerhebel ist zweiteilig (Fig. 4 und 5), so dass die Auswechslung eines solchen Ventils ohne Entfernung der Steuerwelle möglich ist. Das Anlassen des Motors erfolgt durch Druckluft von 50 atm Spannung, die mittels einer besonderen, in Nähe des Motors aufgestellten Luftpumpe (s. Fig. 1) in zwei Behältern von 400 l Inhalt aufgespeichert wird. Zur Herbeiführung eines möglichst gleichförmigen Ganges wird der Motor durch einen Achsenregler beeinflusst, dessen Geschwindigkeit sich von 145 bis auf 155 Umläufe in der Minute ändern lässt. Die grösste Geschwindigkeitsänderung, die beim plötzlichen Ausschalten sämtlicher Widerstände des vollbelasteten Motors eintritt, beträgt 2 v. H. Es lässt sich dieser Betrag für jede mögliche Geschwindigkeit des Motors durch Verlegung des Angriffspunktes von Gegengewichtsfedern bezw. durch Spannungsänderung derselben mittels Handrades erreichen, so dass selbst in solchen Fällen, wo der Motor zum Betreiben von Dynamos für Licht- und Kraftzwecke dient, ein genügender Grad von Gleichförmigkeit in der Bewegung erzielt wird. Der Regulator wirkt auf das Säugventil der Brennstoffpumpe in der Weise ein, dass dasselbe je nach der Geschwindigkeit des Motors während des Druckhubes längere oder kürzere Zeit offen gehalten wird. Durch eine selbsttätige Ausrückvorrichtung wird der Motor bei Ueberschreitung einer gewissen Geschwindigkeit – im vorliegenden Falle 160 Umläufe in der Minute – zum Stillstand gebracht. Es erfolgt dies, wie Fig. 3 erkennen lässt, durch eine mit steilem Gewinde versehene Stange, die beim Vorspringen einer am Regler angebrachten Nase derart gedreht wird, dass das Saugventil dauernd offen bleibt. Durch Handhebel kann die Maschine wieder eingerückt werden. Die in Bewegung befindlichen Teile des Regulators und der Pumpe sind von einem mit Oel angefüllten Gehäuse umgeben. Behufs bequemer Zugänglichkeit der Steuerungsteile ist am Motor eine mittels Treppe erreichbare Bühne angebracht. Die bereits genannte Luftpumpe besteht aus zwei dreistufigen Kompressoren mit Differentialkolben; sie kann entweder, wie in Fig. 1 ersichtlich, unmittelbar mit der Motorwelle gekuppelt oder aber auch von einem besonderen Elektromotor angetrieben werden. Die in dem Niederdruck- und Mitteldruckzylinder verdichtete Luft gelangt zunächst jedesmal erst in einen Zwischenbehälter, um hier durch Wasserkühlung auf niedere Temperaturen gebracht zu werden, bevor sie, behufs weiterer Verdichtung, in den nächsten Zylinder eintritt. An dem vorstehend beschriebenen Dieselmotor hat Michael Longridge Leistungsversuche usw. angestellt und hierbei den Petroleumverbrauch bei voller Belastung zu 206 g, bei halber Belastung zu 209,8 g für 1 PSe/Std., den thermischen Wirkungsgrad der Maschine zu 39,6 bezw. 44,9 v. H. ermittelt. Letztgenannte Werte erscheinen ganz aussergewöhnlich hoch! Auf der Ausstellung ist der Motor mit einer Dynamo der Société Belge d'Electricité, auciennement W. Lahmeyer in Brüssel unmittelbar gekuppelt. Textabbildung Bd. 320, S. 615 Fig. 3. Brennstoffpumpe zum Diesel-Motor von Carels frères. Die von Carels frères ausgestellte, mit einer Dynamo der Société anonyme des ateliers de constructions Electriques in Charleroi unmittelbar gekuppelte, liegende Tandem-Verbundmaschine mit Kondensation von 600 PSe zeigen Fig. 10 bis 12; sie hat Zylinder von 575 bezw. 900 mm Durchmesser für 950 mm Hub und läuft normal mit 110 minutlichen Umdrehungen. Zur Steuerung des Hochdruckzylinders der Maschine dient ein der bekannten auslösenden Sulzer-Steuerung nachgebildeter Mechanismus. Der aktive Mitnehmer a (Fig. 12) schwingt um einen Zapfen m am äussersten Ende der Exzenterstange und gleichzeitig mittels Gegenlenkers um den Drehpunkt n des Ventilhebels b, auf dessen äusseres, mit einer Stahlplatte vernietetes Ende er bei seiner Abwärtsbewegung mit geringer Geschwindigkeit auftrifft; indem er dasselbe bei seiner Weiterbewegung mitnimmt, wird das Einlassventil geöffnet. Dies dauert so lange, bis der andere, wagerechte Schenkel des winkelförmigen Mitnehmers a mit der von einem Porter-Regulator eingestellten Rolle c zusammentrifft, worauf das Ventil unter Mitwirkung eines Luftpuffers auf seinen Sitz zurückfällt. Zufolge der Lage der Rolle c wird ihre Berührung mit dem wagerechten Schenkel des aktiven Mitnehmers früher oder später erfolgen, womit veränderliche Füllungen – von 0 bis 75 v. H. des Kolbenhubes – erreicht werden. Textabbildung Bd. 320, S. 616 Ventile des Diesel-Motors von Carels frères. Das Auspuffventil wird durch zwei Stützhebel von Textabbildung Bd. 320, S. 617 Fig. 10. Tandem-Verbundmaschine von Carels frères. demselben Exzenter aus mittels Schwinghebel o (Fig. 12), sowie mittels einer – behufs Aenderung der Vorausströmung und Kompression innerhalb gewisser Grenzen – in der Längsachse stellbaren Stange s derart bewegt, dass es sich langsam von seinem Sitz erhebt, danach schnell öffnet und in analoger Weise auf seinen Sitz zurückkehrt. Zur Aenderung der normalen Umlaufzahl der Maschine ist der Regulator mit einem auch während des Ganges derselben mittels Handrad und Spindel verschiebbaren Gegengewicht ausgerüstet. Beim Niederdruckzylinder lassen sich die Füllungen, gleichwie auch die Voreinströmung, Vorausströmung und Kompression des Dampfes von Hand regeln – auch hier dient ein einziges Exzenter zur Steuerung des Einlass- und Auslassventils an jedem Zylinderende. Das in seiner ganzen Länge auf dem Fundament aufruhende Maschinenbett ist mit dem Niederdruckzylinder verschraubt und dieser – behufs leichter Entfernung der inneren Deckel und Arbeitskolben der Zylinder – durch ein aus zwei miteinander verschraubten Hälften hergestelltes Zwischenstück mit dem hinterliegenden Hochdruckzylinder verbunden. Die an den Enden mit kräftigen Füssen versehenen Zylinder haben eingesetzte Laufbüchsen aus Hartguss, dessen Zug- und Druckfestigkeit an Probestücken im Mittel zu 2600 bezw. 11500 kg/qcm festgestellt wurde. Der Dampf durchströmt die Heizmäntel der Zylinder, bevor er auf die Kolben zur Wirkung kommt; letztere, aus Hohlguss gefertigt, tragen je zwei federnde Dichtungsringe aus Gusseisen. Textabbildung Bd. 320, S. 617 Steuerung der Tandem-Verbundmaschine von Carels frères. Die Lager der Kurbelwelle werden durch selbsttätig und beständig wirkende Schmierapparate mit Oel versorgt. Die Schmierung der Zylinder erfolgt durch eine von der Maschine aus bewegte doppeltwirkende Druckpumpe. Allen übrigen bewegten Teilen der Maschine wird das nötige Schmiermaterial durch leicht zugängliche einstellbare Oelvasen mit sichtbarer Tropfenbildung zugeführt. Schwungradlager und Kreuzkopfführung der Maschine sind mit Mänteln für Wasserkühlung zusammengegossen. Der Kondensator mitsamt der zugehörigen doppeltwirkenden Luftpumpe von 420 mm Durchmesser und 350 mm Hub befinden sich unter Maschinenflur. Die Pumpe wird von dem Kurbelzapfen aus mittels Schubstange und Schwinghebel betrieben. (Fortsetzung folgt.)