Titel: ZUSTANDSGLEICHUNG DER DÄMPFE.
Autor: Jar. Hybl
Fundstelle: Band 327, Jahrgang 1912, S. 136
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ZUSTANDSGLEICHUNG DER DÄMPFE. Von Dozent Dr. techn. Jar. Hybl, Prag. HYBL: Zustandsgleichung der Dämpfe. Inhaltsübersicht. Die Callendarsche und die van der Waalssche Form der Zustandsgleichung geben beinahe mittlere Werte von allen vorgeschlagenen Zustandsgleichungen. Die Genauigkeit dieser beiden Gleichungen wurde durch neuere Versuche nachgewiesen, so daß sie in dem normal benutzten, von dem kritischen Punkt weit entfernten Bereiche ziemlich verläßliche Resultate bieten. Für die praktische Benutzung ist die Callendarsche Form wegen ihrer Einfachheit besser geeignet als die Form von van der Waals. –––––––––– Der Zustand eines jeden Stoffes wird in wärme-technischer Beziehung durch drei Größen, durch den spezifischen Druck, den spezifischen Rauminhalt und die Temperatur, bestimmt. Der Zusammenhang unter diesen Bestimmungsgrößen kann allgemein durch den Ausdruck f(p, v, t) = 0 . . . . . . 1) welche als Zustandsgleichung des Stoffes bezeichnet wird, dargestellt werden. Diese Gleichung ist von den Eigenschaften des Stoffes abhängig, so daß sie für jeden Stoff eine andere ist. Für vollkommene Gase, denen Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Luft und Kohlenoxyd durch ihre Eigenschaften am meisten sich nähern, stellt die Zustandsgleichung das vereinigte Boyle-Gay-Lussacsche Gesetz Pv = RT . . . . . 2) vor, worin R die sogen. Gaskonstante bedeutet. Je mehr der Zustand des Gases von dem kritischen Punkt entfernt ist, desto genauer gilt diese Zustandsgleichung. Für Gase mit niedrigen kritischen Temperaturen gilt bei den normal benutzten Temperaturen diese Zustandsgleichung also vollkommener als bei den Gasen mit höheren kritischen Temperaturen. Als „Dämpfe“ werden solche Gasarten bezeichnet, welche bei einer kleineren Temperaturerniedrigung leicht in den flüssigen Zustand übergehen. Da aber ein jedes Gas durch starke Abkühlung oder starken Druck verflüssigt werden kann, wird heute kein Unterschied zwischen Gasen und Dämpfen gemacht. Befindet sich eine Gasart nahe ihrem Kondensationspunkte, so wird sie als „Dampf“ bezeichnet; wenn sie aber von dem Kondensationsbereiche sehr weit entfernt, d.h. stark überhitzt ist, wird sie als „Gas“ benannt. Je mehr das Gas überhitzt wird, desto mehr nähert es sich einem vollkommenen Gase, für welches die oben angeführte Zustandsgleichung gilt. Als „Dampf“ wird also bloß ein gewisser Zustand des Gases bezeichnet; eine bestimmte Grenze zwischen dem Gas und dem Dampf existiert aber nicht. Die Nähe der oberen Grenzkurve verursacht, daß für wenig überhitzte Dämpfe die einfache Zustandsgleichung des Gases keine Gültigkeit hat. Das abweichende Verhalten der Dämpfe gegenüber den Gasen muß durch Einführung von gewissen Korrektionsgliedern in die Form der Zustandsgleichung der Gase berücksichtigt werden, die so gewählt werden müssen, daß diese Zustandsgleichung mit den wirklich gemessenen Werten im guten Einklang steht. Die Form dieser Korrektionsglieder kann verschieden sein; es ist deshalb eine ganze Reihe von verschiedenen Zustandsgleichungen, die das Verhalten des überhitzten Dampfes ausdrücken, möglich. Im folgenden sollen die wichtigsten vorgeschlagenen Zustandsgleichungen angeführt und ihre Ergebnisse untereinander verglichen werden. Dies ist eine wichtige Frage, da bei einer großen Anzahl der vorgeschlagenen Zustandsgleichungen ziemlich schwierig ist, sich zu entscheiden, welche Zustandsgleichung man bei der Berechnung wählen soll, welche von allen sich am meisten der Wirklichkeit nähert und welche zugleich für praktische und häufige Benutzung besonders geeignet ist. Eine komplizierte Gleichung, sollte sie auch genaue Ergebnisse liefern, eignet sich für die praktische Benutzung nicht, da die Berechnung der nötigen Werte in diesem Falle sehr langsam vor sich geht. Es sollen zunächst die am häufigsten benutzten Zustandsgleichungen des überhitzten Wasserdampfes, welcher am wichtigsten ist, angeführt werden. In den letzten Jahren wurden eine ganze Reihe ausführlicher Versuche, um den Zustand des Wasserdampfes möglichst genau zu bestimmen, durchgeführt, auf Grund deren die alten Daten korrigiert wurden. Eine der ältesten und meist benutzten Zustandsgleichungen des überhitzten Wasserdampfes ist die von ZeunerZeuner, Technische Thermodynamik 1901, Bd. II, S. 221. Pv = RT – CPμ . . . . . 3') oder, nach dem Einsetzen der zugehörigen Konstanten, P ∙ v = 50,933 T – 192,5 ∜P . . . 3) Die Konstanten R, C und μ hatte Zeuner auf Grund der konstanten Regnaultschen spez. Wärme cp = 0,48 berechnet. Das Glied C Pμ drückt das abweichende Verhalten des Dampfes gegenüber dem vollkommenen Gase aus. Durch spätere Versuche wurde nachgewiesen, daß die spez. Wärme des Dampfes von dem Druck und der Temperatur abhängig ist, und es wurden deshalb andere Zustandsgleichungen vorgeschlagen, in denen diese Veränderlichkeit berücksichtigt werden sollte. Textabbildung Bd. 327, S. 136 Fig. 1. Die wichtigste dieser weiteren Zustandsgleichungen des überhitzten Dampfes, welche sehr genaue, mit gemessenen Werten fast identische Resultate ergibt, ist die von Callendar v''-v'=\frac{R\,T}{P}-C\,\left(\frac{273}{T}\right)^n . . . 4') worin v'' das spez. Volumen des gesättigten Dampfes, v' das spez. Volumen der Flüssigkeit bei derselben Temperatur, R, C und n Konstanten bedeuten, die Callendar auf Grund seiner Drosselversuche bestimmt hatte. Nach dem Einsetzen dieser Konstanten lautet die Callendarsche Zustandsgleichung v''-v'=\frac{47\,T}{P}-0,075\,\left(\frac{273}{T}\right)^{\frac{10}{3}} . . . 4) Eine andere oft benutzte und sehr einfache Zustandsgleichung des Dampfes ist die von Tumlirz: P (v + α) = RT, . . . . . 5') worin bloß durch eine Konstante α das abweichende Verhalten des Dampfes gegenüber dem vollkommenen Gase ausgedrückt wird. Nach Linde ist α = 0,016, so daß P(v + 0,016) = 47,1 T . . . . 5) Oft angeführt wird die Lindesche Zustandsgleichung v=\frac{R\,T}{P}-(1+\alpha\,P)\,\left[C\,\left(\frac{273}{T}\right)^n-D\right] . . 6')R. Linde, Ueber die thermischen Eigenschaften des gesättigten und überhitzten Wasserdampfes zwischen 100° und 180° C, Berlin 1904. oder, nach dem Einsetzen der zugehörigen Konstanten, v=\frac{47,1\,T}{P}-(1+0,000002\,P)\,\left[0,031\,\left(\frac{273}{T}\right)^3-0,0052\right], 6) welche Zustandsgleichung für Drücke bis 11 at und Temperaturen bis 200° C gelten soll. Eine allgemeine Zustandsgleichung, welche für einen beliebigen Zustand des Stoffes gelten soll, ist die von van der Waals P=\frac{R\,T}{v-b}-\frac{a}{v^2} . . . 7') wobei a eine gewisse Konstante, b eine von Volumen und Temperatur abhängige Funktion b = f (v, T) darstelltVergl. Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure 1909, S. 892 u. f.. Die Bestimmung dieser Funktion, welche mit jedem Stoff sich ändert, ist die wichtigste und schwierigste Frage, welche bisher bloß für einige Stoffe befriedigend gelöst wurde. Die Form dieser Funktion ist aber ziemlich kompliziert und deshalb für praktische Benutzung nicht geeignet. Aus diesem Grunde nimmt selbst van der Waals diese Funktion als konstant an: b = f (v, T) = konstant. Diese Zustandsgleichung gibt in gewissen Grenzen ganz zuverläßliche Resultate. Auf Grund der Mollierschen Dampftabellen des gesättigten Wasserdampfes habe ich berechnet, daß Riesen Dampftabellen folgende Konstanten am besten entsprechen R = 47,1, a = 841, b = 0,024, so daß die van der Waalssche Zustandsgleichung des Wasserdampfes lauten würde: P=\frac{47,1\,T}{v-0,024}-\frac{841}{v^2} . . . . 7) Vergleichen wir nun die Resultate, welche die angeführten Zustandsgleichungen des Wasserdampfes ergeben, und zwar so, daß für die in den Mollierschen Dampftabellen enthaltenen Temperaturen und spez. Drücke die zugehörigen Rauminhalte des gesättigten Wasserdampfes (auf der oberen Grenzkurve) berechnet werden. Die Ergebnisse sind in Tab. 1 und die prozentualen Abweichungen gegenüber den spez. Rauminhalten von Mollier graphisch in Fig. 1 dargestellt. Aus diesen Werten geht hervor, daß die van der Waalssche Zustandsgleichung genau dieselben, die von Callendar unbedeutend kleinere spez. Volumen als die Mollierschen Werte ergeben. Die Lindesche Zustandsgleichung gibt die größten Werte von allen angeführten Gleichungen, da das zweite Glied auf der rechten Seite, welches subtrahiert wird, sehr klein ist. Für eine Tabelle 1. Mollier Zeuner Tumlirz Linde Callen-dar van derWaals pat t°C vcbm/kg vcbm/kg vcbm/kg vcbm/kg vcbm/kg vcbm/kg 0,1   45,6 14,920 15,145 14,990 14,992 14,929 14,920 1   99,1 1,722 1,703 1,737 1,745 1,722 1,722 2 119,6 0,901 0,885 0,909 0,919 0,900 0,901 3 132,8 0,616 0,604 0,621 0,633 0,616 0,616 4 142,8 0,471 0,461 0,474 0,486 0,470 0,471 5 151,0 0,382 0,374 0,384 0,396 0,381 0,382 6 157,9 0,322 0,316 0,322 0,335 0,321 0,322 7 164,0 0,279 0,273 0,278 0,291 0,278 0,279 8 169,5 0,246 0,241 0,244 0,258 0,245 0,246 9 174,4 0,220 0,217 0,218 0,232 0,219 0,220 10 178,9 0,199 0,196 0,197 0,211 0,198 0,199 11 183,1 0,182 0,179 0,179 0,194 0,181 0,182 12 186,9 0,168 0,165 0,165 0,179 0,167 0,168 13 190,6 0,156 0,154 0,152 0,167 0,155 0,156 14 194,0 0,145 0,143 0,132 0,156 0,144 0,145 15 197,2 0,136 0,134 0,132 0,147 0,135 0,136 gewisse Temperatur fällt dieses Glied fort, bei höheren Temperaturen ist es dagegen negativ, so daß dem Werte \frac{R\,T}{P} eine gewisse positive Größe zugerechnet wird. Die Temperatur, bei welcher dieses zweite Glied Null ist, wird aus der Gleichung C\,\left(\frac{273}{T}\right)^n=D berechnet, d.h. 0,031\,\left(\frac{273}{T}\right)^3=0,0052, T = 495, t = 495 – 273 = 222°C. Bei dieser Temperatur geht also die Lindesche Zustandsgleichung in die Form derjenigen des vollkommenen Gases Pv = RT über. Bei höheren Temperaturen als 222°C wird dem Gliede \frac{R\,T}{P} ein positiver Wert zugerechnet. Daraus geht aber hervor, daß die Lindesche Zustandsgleichung sehr große spez. Rauminhalte ergeben muß. Die Zeunersche Zustandsgleichung liefert bis um 2 v. H. kleinere (die kleinsten Drücke ausgenommen) spez. Rauminhalte gegenüber den Mollierschen. Textabbildung Bd. 327, S. 137 Fig. 2. Die Zustandsgleichung von Tumlirz ergibt bis zum Drucke von etwa 6 at größere, über 6 at kleinere spez. Rauminhalte als nach Mollier, was dadurch erklärlich ist, daß bei kleinen Drücken mit Rücksicht auf große spez. Rauminhalte die Konstante 0,016 verhältnismäßig klein, bei hohem Druck mit Rücksicht auf kleine spez. Rauminhalte sehr groß wird. Die Differenzen gegenüber den Mollierschen Dampftabellen sind desto größer, je mehr der Druck von dem Drucke 6 at entfernt ist. Aus den angeführten Resultaten folgt also, daß die van der Waalssche und Callendarsche Zustandsgleichungen für gesättigten Wasserdampf (auf der oberen Grenzkurve) fast identische Werte mit denen von Mollier ergeben, so daß sie als die genauesten betrachtet werden müssen. Eine weitere Frage betrifft das Verhalten der angeführten Gleichungen bei dem überhitzten Wasserdampf. Wird eine Temperatur von 300° C zugrunde gelegt, so erhält man folgende Werte (Tab. 2): Tabelle 2. pat Zeunervcbm/kg Tumlirzvcbm/kg Lindevcbm/kg Callendarvcbm/kg van der Waalsvcbm/kg 0,1 28,102 26,972 26,990 26,926 26,936 1 2,726 2,683 2,700   2,688   2,686 2 1,345 1,333 1,351   1,341   1,340 3 0,888 0,884 0,901   0,892   0,891 4 0,662 0,659 0,675   0,668   0,667 5 0,526 0,524 0,541   0,533   0,533 6 0,436 0,434 0,451   0,443   0,443 7 0,372 0,370 0,387   0,379   0,379 8 0,324 0,321 0,339   0,331   0,331 9 0,288 0,284 0,301   0,294   0,294 10 0,258 0,254 0,272   0,264   0,264 12 0,213 0,209 0,227   0,219   0,220 14 0,182 0,177 0,195   0,187   0,188 Die prozentualen Abweichungen gegenüber den aus der van der Waalsschen Gleichung berechneten Rauminhalten sind graphisch in Fig. 2 dargestellt. Aus diesen Ergebnissen erkennt man wieder, daß die Callendar- und van der Waalssche Zustandsgleichungen fast gleiche Werte liefern. Die Gleichung von Linde gibt wieder sehr hohe spez. Rauminhalte, wie schon bei dem gesättigten Dampf angeführt wurde, die Zeunersche und Tumlirzsche Gleichung (die kleinen Drücke ausgenommen) sehr kleine Werte. Je höher der Druck ist, desto größer sind die prozentualen Abweichungen. Bei hoher Ueberhitzung soll sich die Zustandsgleichung des überhitzten Dampfes jener des vollkommenen Gases nähern. Für eine Temperatur T = 1000° und einen Druck p = 1 kg/qcm geben die angeführten Zustandsgleichungen folgende spez. Rauminhalte (Tab. 3): Tabelle 3. pkg/qcm T273 + 1°C Zeunervcbm/kg Tumlirzvcbm/kg Lindevcbm/kg Callendarvcbm/kg van der Waalsvcbm/kg 1 1000 4,901 4,694 4,715 4,700 4,706 Die Zustandsgleichung eines vollkommenen Gases mit einer Gaskonstante R = 47,06, welcher Form diejenige des hoch überhitzten Wasserdampfes sich nähern soll, gibt für T = 1000° und p = 1 at v=\frac{R\,T}{P}=\frac{47,06\,.\,1000}{10000}=4,706. Diese Werte zeigen, daß sehr hohen Ueberhitzungen am besten die Zustandsgleichungen von van der Waals und Callendar entsprechen. Die Gleichung von Tumlirz gibt wieder kleinere, die von Linde höhere, diejenige von Zeuner aber die größten Rauminhalte von allen. Auf Grund dieser Resultate kann man folgenden Satz aussprechen: Die genauesten Zustandsgleichungen des überhitzten Dampfes, welche mit den neuesten Versuchen im guten Einklang stehen, sind jene von van der Waals und Callendar. (Schluß folgt.)