Titel: Schutz gegen Maschinenschäden und Betriebsverlust.
Autor: Fr. Schnizer
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 49
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Schutz gegen Maschinenschäden und Betriebsverlust. Von Fr. Schnizer in Eßlingen a. N. SCHNIZER: Schutz gegen Maschinenschäden und Betriebsverlust. Wer mit Maschinen arbeitet, muß darauf sehen, daß diese Maschinen dauernd im Betrieb sind, sonst erleidet er Verluste. Der Industrielle setzt daher alles daran, um stets vollauf beschäftigt zu sein: Tag für Tag müssen die Drehbänke, die Pressen, Walzen, Sägen, Hobel- und Bohrmaschinen und wie sie alle heißen, diese Gehilfen des arbeitenden Menschen sich tummeln von früh bis spät, dann gedeiht das Geschäft und hebt sich der Verdienst. Eine Maschine, die still liegt, ist totes Kapital; sie bringt nichts ein. Der Industrielle scheut daher keine Mühe und keine Kosten, um Aufträge zu erhalten, er macht Reisen und Besuche, erläßt Anzeigen und macht Reklame. Allein es kommt vor, – und häufig gerade dann, wenn der Betrieb vollauf beschäftigt ist – daß eine Maschine plötzlich beschädigt wird und stillgelegt werden muß. Für den Industriellen ist dies doppeltes Pech. Denn erstens verursacht die Reparatur eines Maschinenschadens in der Regel bedeutende Kosten, und zweitens entsteht durch den Stillstand einer Maschine bis zur Beendigung der Reparatur ein Betriebsverlust. Der Betriebsverlust erreicht besonders dann eine beträchtliche Höhe, wenn eine Kraftmaschine beschädigt ist und infolgedessen der ganze Betrieb stilliegen muß. Der Industrielle ist natürlich bestrebt, Beschädigungen seiner Maschinenanlage hintanzuhalten. Er läßt von Zeit zu Zeit Untersuchungen der Maschinen vornehmen und die reparaturbedürftigen Teile erneuern. Er erreicht dadurch, daß keine minderwertigen, abgenutzten Teile in den Maschinen sich finden; er kann aber nicht hindern, daß der Zufall sein Spiel treibt und die Maschinen beschädigt. Eine kleine Ursache kann leicht einen großen Schaden herbeiführen. Es kann z.B. einem ganz tüchtigen und zuverlässigen Arbeiter ein Versehen vorkommen; er läßt ein Werkzeug, ein Werkstück oder einen Putzlappen auf der Maschine liegen und setzt sie in Gang. Das Stück klemmt sich zwischen zwei sich bewegende Teile, und der Schaden ist da. Oder eine Schraube, eine Mutter, ein Bolzen lockert sich und fällt, ohne daß es jemand bemerkt, in den Gang der Maschine hinein: ein Krach und das Unglück ist geschehen. Die Schmierung wird versäumt, oder ein Schmierkanal verstopft sich: Kolben, Ventile, Wellen brennen fest oder ein Weißmetalllager schmilzt aus. Dampfmaschinen werden häufig durch Wasserschlag (Eindringen von Wasser in den Zylinderraum) beschädigt; an Dampfkesseln kommen häufig Einbeulungen an den Flammrohren oder Verbiegungen der Wasserrohre vor, die durch Wassermangel verursacht sind und meistens recht bedeutende Reparaturkosten erfordern. Trotz aller Fortschritte der Technik werden elektrische Maschinen, Apparate und Leitungen häufig durch Kurzschluß beschädigt. Solche Schäden machen dann Neuwicklungen von Ankern oder Spulen und Neuisolationen nötig. Die Arbeitsweise der Maschinen ist hierin der menschlichen Tätigkeit ähnlich: auch der arbeitende Mensch ist bestrebt, seine Arbeitskraft dauernd ungeschwächt zu erhalten. Er sorgt deshalb für vernünftige Lebens- und Ernährungsweise, er geht zum Arzt, wenn er sich unwohl fühlt, ehe sich eine Krankheit zu einem dauernden Schaden ausgewachsen hat, und er unternimmt, wenn irgend möglich, alljährlich eine Erholungsreise. Aber damit allein ist's noch nicht getan. Der Mensch kann auf der Straße ausgleiten und sich verletzen oder von der Straßenbahn falsch abspringen und stürzen. Der Unfall hat seine Berechnungen durchkreuzt. Gegen die nachteiligen Folgen, die der Zufall für die menschlische Arbeitskraft hat, kann nur die Versicherung Schutz bieten und jeder vorsichtige Mensch, der auf seine Arbeitskraft angewiesen ist, wird daher rechtzeitig eine Unfallversicherung nehmen. Auch bei Maschinen kann Schutz gegen Schäden, die durch Zufall entstehen, nur durch eine Versicherung der Maschinen gegen Unfälle und durch Versicherung gegen Betriebsverlust aus Maschinenunfällen erreicht werden. Die Maschinen- und Betriebsverlustversicherung ist eine der jüngsten Versicherungsarten; sie hat sich aber in den wenigen Jahren ihres Bestehens bereits große Zuneigung bei den Industriellen erworben. Sie eignet sich für große Betriebe, die Maschinen im Wert von Millionen von Mark in großen Maschinenhallen stehen haben, wie für kleine Betriebe, wo in enger Werkstatt nur einige wenige Arbeitsmaschinen von einem Elektromotor angetrieben werden. Denn ob der Betrieb groß ist oder klein, das Feiern der Maschinen kann keiner ertragen. Der Vorteil, den eine Maschinen- und Betriebsverlustversicherung bietet, ist der, daß der Maschinenbesitzer gegen Zahlung einer bestimmten, mäßigen Prämie sichergestellt ist vor plötzlichen, vielleicht recht bedeutenden Belastungen seines Unkostenkontos. Er kann, wenn er versichert ist, mit einem bestimmten nicht übermäßig hohen Betrag in seiner Bilanz rechnen, während der Maschinenbesitzer, der eine solche Versicherung nicht eingegangen hat, stets befürchten muß, durch einen Unfall seiner Maschinen einen Verlust zu erleiden, der u. U. den ganzen Gewinn des Jahres oder jedenfalls einen großen Teil desselben verzehrt. Die Maschinen- und Betriebsverlustversicherung wird bis jetzt nur von einigen wenigen Versicherungs-Gesellschaften, u.a. von der Stuttgarter Mit- und Rückversicherungs-Aktien-Gesellschaft in Stuttgart geboten. Es werden ersetzt in der Maschinenversicherung bei einem reparierbaren Schaden die Kosten für Ersatzteile, Fracht und Montage unter Zugrundelegung der einfachen Werktaglöhnung, d.h. also diejenigen Kosten, die zur Wiederherstellung der beschädigten Sachen in den früheren Zustand nötig sind. Kosten für Veränderungen und Verbesserungen über diesen Zustand hinaus, die anläßlich der Reparatur etwa vorgenommen werden, werden natürlich nicht ersetzt. Bei völliger Zerstörung einer versicherten Sache wird der Wert ersetzt, den die versicherte Sache unmittelbar vor dem Schadenereignis gehabt hat. Die Betriebsverlustversicherung umfaßt denjenigen Betriebsverlust, der durch Stillstand der Maschinen infolge eines unter den Versicherungsschutz fallenden Maschinenschadens entsteht. Hier kommen hauptsächlich folgende Schädigungen in Betracht: Verminderung der Produktion durch den Betriebsstillstand, Beschädigung oder Entwertung der Rohmaterialien, die infolge des Stillstands nicht verarbeitet werden können, Lohnzahlungen an Arbeiter, die während der Dauer des Betriebsstillstands nicht angemessen beschäftigt werden können, aber trotzdem entlohnt werden müssen. Die Betriebsverlustversicherung umfaßt also den entgangenen Verdienst wie auch die wirklich bezahlten Unkosten. Wenn durch besondere Maßnahmen des Versicherten der Betriebsverlust vermindert wird, so fallen die Kosten, die diese Maßnahmen verursacht haben, der Versicherungsgesellschaft zur Last. Eine solche Maßnahme ist z.B. das Aufstellen einer Aushilfsmaschine, in der Regel eine Lokomobile, für eine beschädigte Kraftmaschine. Denn die Reparatur eines Schadens an einer Kraftmaschine – etwa das Einsetzen eines neuen Zylinders – nimmt oft Wochen in Anspruch und ein so langer Stillstand verursacht einen beträchtlichen Verlust. Die Ersatzleistung der Versicherungsgesellschaft für Betriebsverlust ist in der Regel auf 100, mitunter auch mehr Prozent der Entschädigung für Maschinenunfall festgesetzt. Es ist allerdings möglich, daß der Betriebsverlust auch einmal höher wird als der Maschinenschaden. Im Allgemeinen hat jedoch ein geringer Maschinenschaden nur einen kurzen Betriebsstillstand und damit einen geringeren Betriebsverlust zur Folge und umgekehrt verursacht ein höherer Maschinenschaden auch einen höheren Betriebsverlust. Höhe des Maschinenschadens und Betriebsverlust stehen also stets in einem gewissen Verhältnis zueinander, und es dürfte der Fall nur ausnahmsweise eintreten, daß der Betriebsverlust wesentlich höher wird als der Betrag des Maschinenschadens. Im Schadenfall ist natürlich sofortige Mitteilung an die Versicherungsgesellschaft nötig, damit festgestellt werden kann, welcher Art der Schaden ist, und welchen Umfang er erreicht. Um die Höhe des Schadens in einwandfreier Weise feststellen zu können, ist ein Abschätzungsverfahren durch Sachverständige vorgesehen, derart, daß der Versicherte sowohl als die Versicherungsgesellschaft einen Sachverständigen ernennen, die dann beide gemeinsam einen Obmann wählen, der über etwa streitig gebliebene Punkte entscheidet. Durch dieses Verfahren soll eine objektive Feststellung der Schadenhöhe ermöglicht werden. Auf Schäden, die auf den normalen Gebrauch der Maschinen zurückzuführen sind, erstreckt sich der Versicherungsschutz nicht; also Schäden, die durch natürliche Abnutzung entstehen, sind nicht ersatzpflichtig. Die Maschinenversicherung ist keine Lebens-, sondern eine Unfallversicherung und der Versicherungsnehmer hat es in der Hand, größere Schäden infolge natürlicher Abnutzung zu vermeiden, indem er seine Maschinen regelmäßig nachsehen und die abgenutzten Teile rechtzeitig durch neue ersetzen läßt. Ebenso können Bagatellschäden nicht Gegenstand des Versicherungsvertrags sein. Die Maschinenversicherung will Schutz bieten gegen pekuniär schwer schädigende Unfälle; gegen kleine und kleinste Schäden ist eine Versicherung unnötig. Das Versicherte übernimmt daher einen gewissen niedrigen Betrages Selbstversicherung. Die Möglichkeit des Eintritts von Schäden ist natürlich bei den verschiedenen Maschinenarten verschieden. Am meisten sind Kraftmaschinen Beschädigungen ausgesetzt. Die in diesen Maschinen bewirkte Erzeugung der Energie bedingt eine besonders starke Beanspruchung der Maschine als Ganzes und die in einzelnen Teilen aufgespeicherte Energie kann einen geringen Defekt leicht zur Katastrophe vergrößern. Hierfür einige Beispiele aus der Praxis, die zeigen, wie eine geringe Ursache einen bedeutenden Schaden herbeiführen kann. In einer Dampfziegelei in Schlesien explodierte das Schwungrad infolge gesteigerter Tourenzahl, da der Regulatorriemen riß, und der Regulator nicht mehr funktionierte. Die fortgeschleuderten Bruchstücke des Schwungrads beschädigten eine Dynamomaschine und das Maschinenhaus, töteten den Maschinisten und verletzten den Betriebsleiter schwer. Die Beiden waren herbeigeeilt, um die rasend laufende Maschine abzustellen. Der Schaden ereignete sich in der Hauptsaison des Ziegeleibetriebs, der durch den Stillstand des Betriebs verursachte Betriebsverlust erreichte eine gewaltige Höhe. In einer rheinischen Elektrizitätszentrale sollten die 8 vorhandenen Wasserturbinen zwecks Reinigung geöffnet werden. Die Turbinendeckel waren infolge jahrelanger Benutzung festgerostet. Beim Herunterpressen derselben mit Schrauben und Keilen zerbrachen zwei Deckel und mußten mit bedeutenden Kosten erneuert werden. An der Dampfmaschine eines Dampfmühlenwerks in Sachsen riß aus unbekannter Ursache eine der beiden Schrauben am Kopf der Pleuelstange ab. Die andere Kopfschraube riß nun natürlich gleichfalls ab. Der freigewordene Kolben schlug gegen den hinteren Zylinderdeckel, zertrümmerte diesen und ging selbst in Stücke. Kolbenstange, Pleuelstange, Stopfbüchsen usw. erlitten Beschädigungen. Bei diesem Unfall erhielt der Kreuzkopf einen Haarriß, der von den Monteuren nicht bemerkt wurde. Der Riß vergrößerte sich durch die Beanspruchung des Betriebs, so daß die Maschine nach einigen Monaten wiederum in ähnlicher Weise beschädigt wurde. Durch den zweimaligen Stillstand entstand ein hoher Betriebsverlust. Nächst den Kraftmaschinen sind die Leiter der Energie, die Transmissionsanlagen, häufigen und schweren Unfällen ausgesetzt. An einer großen Transmission brach die Sohlplatte eines Stehlagers infolge einer vorhandenen Lunkerstelle. Die Transmission senkte sich an dieser Stelle, und die Welle lief nicht mehr zentrisch. Dadurch entstanden in der Hillkupplung Spannungen, die die Kupplung schließlich zersprengten. Auch hier richteten die fortgeschleuderten Stücke allerlei Schaden an. Dampfkesselschäden sind keine Seltenheit, und sie sind, da sie leicht einen bedeutenden Umfang annehmen, sehr gefürchtet. Das richtige Funktionieren eines Dampfkesselbetriebs hängt von so vielen Kleinigkeiten ab, daß es nur eines geringfügigen Zufalls oder einer kleinen Unachtsamkeit des Heizers bedarf, um den Kessel zu beschädigen. Dies zeigt folgender Vorfall: Das Wasserstandsglas eines Zweiflammrohrkessels hatte sich verstopft; der Wasserstand im Kessel sank, ohne das es der Heizer bemerkte. Beim Auflockern des Feuers sah der Heizer, daß Einbeulungen an den Flammrohren vorhanden waren. Trotzdem er sofort das Feuer herausriß, mußten die ersten Schüsse der Flammrohre (Wellrohre) erneuert werden. Arbeitsmaschinen verhalten sich natürlich ganz verschieden, was die Häufigkeit und die Schwere von Schäden anbetrifft. So werden Buchdruckereimaschinen meistens durch Einfallen irgend eines Gegenstandes oder durch Lockern und Zwischenfallen einer Schraube oder Mutter, einer Rolle oder sonst eines kleinen Maschinenteiles beschädigt. Die verschiedensten Gegenstände bleiben auf der Maschine liegen und fallen zwischen die sich bewegenden Teile: Schraubenschlüssel, Papierfetzen, Putzlappen, Kartonstücke, kleine Bleistifte usw. Da Buchdruckereimaschinen sehr empfindlich sind und sehr sorgfältig repariert werden müssen, so stellt eine Buchdruckereimaschinenanlage ein bedeutendes Risiko dar. In Bierbrauereien kommt es häufig vor, daß am Kompressor der Kühlanlage ein Ventilkegel abbricht, in den Zylinderraum fällt und sich zwischen Kolben und Zylinderdeckel klemmt. Dadurch wird entweder der Kolben oder der Zylinderdeckel oder beide beschädigt, außerdem wird in der Regel noch die Kolben- und Pleuelstange verbogen. Die großen Papiermaschinen in Papierfabriken erleiden häufig Unfälle, indem durch die Papiermasse irgend ein Fremdkörper zwischen die wertvollen Walzen gelangt, die dann erneuert werden müssen. In Betrieben der Eisen- und Metallbearbeitungsindustrie sind Pressen und Walzen besonders gefährdete Objekte. Die gußeisernen Ständer dieser Maschinen brechen häufig, ohne daß eine bestimmte Ursache für diese Schäden angegeben werden kann. Große Gußstücke erleiden überhaupt häufig Risse, ohne eigentlichen Grund, und es ist bis jetzt noch nicht in einwandfreier Weise festgestellt, worauf solche Schäden zurückzuführen sind. Häufig dürften Materialspannungen, die beim Gießen entstanden sind, eine Rolle dabei spielen oder Wärmedehnungen bei Stücken, die wechselnder Temperatur ausgesetzt sind, z.B. bei Dampf Zylindern. Es ist jedoch eine offene Frage, ob nicht ganz normale Gußstücke (oder auch komplizierte Stücke aus Stahl, z.B. Kurbelwellen), die ungünstig beansprucht werden, im Laufe der Zeit infolge der dauernden Anstrengung durch den Betrieb an Festigkeit so stark verlieren, daß sie schließlich an dem stärkstbeanspruchten Querschnitt brechen. Es scheint, daß selbst bei ganz normalen und genügend starken Stücken unter gewissen ungünstigen Beanspruchungs-Verhältnissen mit der Zeit eine Lockerung des Gefüges eintritt, die schließlich zum Bruch führt. Es würde zu weit führen, wollte man alle Spezialmaschinen und alle verschiedenen Schadenmöglichkeiten aufführen. Es sei nur noch darauf hingewiesen, daß es kaum eine Maschinenart gibt, die nicht den verschiedensten Unfällen ausgesetzt wäre. Die deutsche Volkswirtschaft industrialisiert sich mit jedem Jahre mehr. Viele neue gewerbliche Betriebe entstehen. Bedingung aber für das Gedeihen des Gewerbebetriebes ist, daß der Betrieb stets ohne Störung arbeitet bzw. daß der Unternehmer bei Eintreten einer Störung infolge eines Maschinenunfalls gegen die zwiefachen Nachteile des Unfalls (Reparaturkosten und Betriebsverlust) geschützt ist. Zweifellos kommt der Maschinen- und Betriebsverlust-Versicherung deshalb eine hohe Bedeutung zu und diese junge Versicherungssparte dürfte eine große Zukunft noch vor sich haben.