Titel: Silit und seine Verwendung in Industrie und Wissenschaft.
Autor: A. Benetsch
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 151
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Silit und seine Verwendung in Industrie und Wissenschaft. Von A. Benetsch, Berlin. BENETSCH: Silit und seine Verwendung in Industrie und Wissenschaft. Die Versuche über elektrothermische Erscheinungen im stromdurchflossenen Leiter reichen zurück bis auf die Anfänge der Elektrizität. Bereits im XVIII. Jahrhundert beschäftigten sich Forscher wie Kimersley, von Marum und Franklin damit, alle möglichen metallischen Leiter durch statische Entladungen zum Glühen und sogar zum Schmelzen zu bringen. Diese Versuche litten aber alle samt und sonders daran, daß den Experimentatoren keine einigermaßen konstante Elektrizitätsquelle zur Verfügung stand. Als dann durch die Volta-Säule diese Schwierigkeit wenigstens in den Grundzügen behoben war, nahmen die Wissenschaftler diese interessanten Versuche wieder auf, so gelang es, wie in Gilberts Annalen vom Jahre 1816 berichtet wird, dem Engländer Childern einen 8½' langen dünnen Platindraht zum Glühen zu bringen. Fünf Jahre später (1821) veröffentlichte dann Davy in den Philosophical. Transactions pg. 7 ff. seine Versuche über die elektrische Erwärmung von verschiedenen Drähten gleicher Abmessungen. Von nun an reihen sich Versuche an Versuche. Ohm (1829), de la Rive, Peltier, Vorsselmann de Heer (1830) u. v. a. beschäftigten sich nun mit dem hochinteressanten Gebiete. Die grundlegenden Gesetze aber wurden zuerst 1841 von Joule in den Phil. Mag. pg. 260 ff. festgelegt. In den nächsten Dezennien konnten nennenswerte Erfolge nicht gezeitigt werden, was darin seinen Grund hatte, daß die galvanische Elektrizität einer ausgedehnten praktischen Verwendung der elektrothermischen Wirkungen aus ökonomischen Gründen ein kategorisches Halt gebot. Erst durch die Erfindung der Dynamomaschine durch Werner Siemens im Jahre 1867 und durch die beispiellose Entwicklung der Starkstromtechnik sind dann die elektrothermischen Erscheinungen wieder in den Vordergrund des Interesses gerückt worden, ganz besonders nachdem C. William Siemens am 3. Juni 1880 vor der Society of Telegraph Enginees den hochinteressanten Vortrag über „Die Anwendung des dynamo-elektrischen Stromes zur Schmelzung schwerflüssiger Stoffe in beträchtlichen Mengen“ gehalten hatte. Das Jahr 1880 kann daher als der Wendepunkt in der Entwicklung der elektrothermischen Produktionsverfahren betrachtet werden; erst jetzt erkannte man die hohe Ueberlegenheit dieser Verfahren gegenüber den rein thermischen. Gestattet doch keine andere Erhitzungsmethode eine derartig scharfe Konzentration fast beliebig großer Wärmemengen auf einen beliebig kleinen Raum, eine so präzise Konstanz in dem Halten bestimmter Wärmegrade und schließlich ist keine Erhitzungsmethode so unabhängig von den Einflüssen des Ofenbaumaterials, der Feuergase und anderer Schwächen der eigentlichen Feuerungstechnik wie gerade die elektrothermische. Um dieselbe Zeit (1880) konstruierte der bekannte französische Chemiker Moissan seinen ersten elektrischen Schmelzofen, in dem direkt die hohe Temperatur des Lichtbogens zur Erzielung chemischer und physikalischer Prozesse dienstbar gemacht wurde. Mit Hilfe des Moissan-Ofens gelang nunmehr die fabrikmäßige Darstellung einer Reihe von Elementen und chemischen Verbindungen, die für die Produktionstechnik von großer wirtschaftlicher Bedeutung geworden sind. Chrom, Mangan, Molybdän, Titan, Uran, Vanadin, Wolfram und Zirkon sowie zahlreiche Verbindungen dieser Elemente, ferner die Karbide von Aluminium, Baryum, Bor, Calcium, Cer, Lanthan, Lithium, Mangan, Silizium, Strontium, Thorium und Yttrium usw. dar. Von all diesen Karbiden haben zurzeit besonders das Calciumcarbid Ca C2 (auch kurz Karbid genannt) und das Siliziumkarbid eine hervorragend praktische Bedeutung erlangt. Das Siliziumkarbid, das, wie die Comptes Rendus vom Jahre 1849 (Bd. II S. 720) berichten, zuerst von Despretz dargestellt wurde, hat einen praktischen Wert erst erhalten, als es dem Amerikaner Acheson im Jahre 1893 gelang, aus Quarzsand, gepulvertem Koks, Sägemehl und Kochsalz im elektrischen Ofen die chemische Verbindung Si C, das sogen. Karborundum herzustellen, das ein bei gewöhnlichem Druck unschmelzbares, hexagonales Kristallgefüge von hohem Härtegrad zeigt, so daß mit Karborundkristallen sich Rubin, Korund und manche Arten Diamanten ritzen lassen. Die fabrikmäßige Darstellung bietet nur dort die sichere Aussicht auf Rentabilität, wo elektrische Energie in genügender Menge zu billigem Preise zur Verfügung steht, d.h. in der Nähe großer Wasserkräfte; infolgedessen siedelte sich auch das erste Karborundwerk an den Niagarafällen an und wurde nach den Patenten Achesons, der als Begründer der Karborundumindustrie zu betrachten ist, betrieben. Praktische Verwendung findet das Karborund infolge der erwähnten physikalischen Eigenschaften als Polier- und Schleifmittel, als Material der Schmirgelleinwand und als Schmirgelscheiben in der Metallindustrie, als Ersatz des Diamantpulvers in der Edelsteinindustrie, ferner als feuerfestes Material usw. Man hat auch vielfach versucht, Karborundum für die verschiedensten Zwecke nutzbar zu machen und insbesondere auch zu elektrischen Heizkörpern (Stäben, Röhren und dergl.) und für viele andere Zwecke zu benutzen, für welche das Siliziumkarbid in die Gestalt geformter fester Körper gebracht werden muß. Die Einführung des Siliziumkarbids für solche Zwecke scheiterte aber bisher fast durchweg daran, daß es nicht möglich war, aus Siliziumkarbid überhaupt Formkörper herzustellen, welche alle für den praktischen Gebrauch erforderlichen Eigenschaften besaßen. Für manche Zwecke (z.B. Schleifsteine usw.) hat man sich geholfen, indem man erhebliche Mengen von Bindemitteln, wie Ton, zur Bindung des Siliziumkarbidpulvers verwendete. Aber alle solche Körper haben nur verhältnismäßig geringe Festigkeit und besitzen meist eine sehr große Porosität, ferner durchweg sehr geringe oder gar keine elektrische Leitfähigkeit. Die Aufgabe, Formkörper aus Siliziumkarbid herzustellen, welche nicht nur gute elektrische Leitfähigkeit, sondern gleichzeitig große Dichte, Festigkeit, mechanische Widerstandsfähigkeit gegen chemische Agentien und gegen hohe Temperaturen besitzen, diese für die Technik so überaus wichtige Aufgabe wurde zuerst im Jahre 1904 durch ein von Dr. Egly ausgearbeitetes und der Firma Gebrüder Siemens & Co. in Berlin-Lichtenberg patentiertes Verfahren (vergl. D. R.-P. Nr. 177252) dadurch gelöst, daß man dem Siliziumkarbid freies Silizium zusetzt. Die beiden Stoffe werden möglichst innig gemengt und in die gewünschte Form gebracht. Hierfür kann ein flüchtiges oder auch ein verkohlbares Bindemittel verwendet werden; bei letzterem verbindet sich bei dem späteren Erhitzen die ausgeschiedene Kohle mit dem in der Masse enthaltenen Silizium. Schließlich können auch solche Bindemittel verwendet werden, die als solche bei dem späteren Erhitzen ganz oder teilweise in dem fertigen Körper verbleiben. Im allgemeinen aber sind derartige Fremdkörper unerwünscht, da sie leicht die sonstigen guten Eigenschaften der nur aus Silizium und Karbid bestehenden Körper beeinträchtigen können. Nachdem die als Ausgangsmaterial dienende Masse geformt ist, wird sie zweckmäßig stark erhitzt im elektrischen Ofen, und zwar bis zu einem Grade, daß die Masse zu einem möglichst einheitlichen, nicht porösen Körper zusammenfrittet. Die auf solche Weise nach dem Eglyschen Verfahren von Gebrüder Siemens & Co. hergestellten Körper zeichnen sich durch große Dichte, Widerstandsfähigkeit gegen hohe Temperaturen, gute elektrische Leitfähigkeit und große Härte aus. Die Möglichkeit, auf diesem Wege ohne ein in der fertigen Masse verbleibendes besonderes Bindemittel, solche homogenen, nicht porösen festen Körper herzustellen, beruht vermutlich darauf, daß das Siliziumkarbid mit dem Silizium ein Karbid niederer Ordnung bildet. Hierauf weist vor allen Dingen die physikalische Beschaffenheit der so erhaltenen Körper hin, die auf einen vollkommenen homogenen Körper schließen läßt, der sich durch eine von dem Ausgangsmaterial durchaus verschiedene kristallinische Struktur auszeichnet. Ein weiterer Fortschritt auf diesem Gebiete war im folgenden Jahre (1905) zu verzeichnen. Durch Erhitzung der aus Silizium und Siliziumkarbid geformten und gepreßten Körper in einer Stickstoffatmosphäre (vergl. D. R.-P. Nr. 176001, sowie das Zusatzpatent Nr. 178456), wobei von dem metallischen Silizium Stickstoff aufgenommen wird unter Bildung von Siliziumstickstoff, bindet das Siliziumkarbid zu außerordentlich dichten, festen Körpern ein. Die so hergestellten elektrischen Leitkörper haben aber noch den Nachteil, daß sie bei andauernden Glühtemperaturen an freier Luft ihren elektrischen Widerstand allmählich verändern. Diesen Uebelstand zu beseitigen, gelang Gebr. Siemens nach unausgesetzten Bemühungen in dem D. R.-P. Nr. 257468 vom Februar d. Js. Nach diesem Verfahren werden Körper erhalten, die nur aus Siliziumkarbid bestehen. Sie besitzen hervorragende elektrische Leitfähigkeit und eignen sich deshalb wegen ihrer sonstigen mechanischen, thermischen und chemischen Widerstandsfähigkeit in besonderem Maße für die Zwecke der elektrischen Heizung. Wie Verfasser durch zahlreiche Versuche festgestellt hat, vertragen sie sehr gut plötzliche Temperaturänderungen, ohne den geringsten Schaden zu nehmen; beispielsweise können solche nach dem beschriebenen Verfahren hergestellte Körper, die sich in heller Rotglut befinden, mit Wasser begossen werden, ohne daß sie Risse oder Sprünge bekommen oder in anderer Weise beschädigt werden. Nach den vorstehend beschriebenen D.R.-P. Nr. 176001, 177252, 178456 und 257468 werden nun von den Gebr. Siemens & Co., Berlin-Lichtenberg, in den verschiedensten Formen feste Körper aus Siliziumkarbid fabrikmäßig hergestellt und unter der geschützten Bezeichnung „Silit“ in den Handel gebracht. Das Silit ist eine Masse, die zwei für die Technik hervorragende Eigenschaften in sich vereinigt, nämlich eine gute elektrische Leitfähigkeit unter gleichzeitig hoher Feuerbeständigkeit. Diese glückliche Kombination macht das Silit zu einem äußerst wertvollen Produkt und sichert den daraus angefertigten Gegenständen eine ausgedehnte Verwendung für alle möglichen Zwecke der Technik sowie des täglichen Lebens, wie wir noch weiter auszuführen im nachstehenden Gelegenheit haben werden. Je nach der Anwendung des einen oder anderen der obigen Verfahren erhält man drei Gruppen von Silitkörpern, die sich für folgende Zwecke eignen: Gruppe I: Silit als elektrisches Widerstandsmaterial fürDauerbelastungen unter Glühtemperatur, ins-besondere für hohe Momentanbelastungen; Gruppe II: Silit als Heizwiderstände für dauernde Glüh-temperaturen; Gruppe III: Silit als feuerfestes Material, das jeden schroffenTemperaturwechsel ohne weiteres verträgt. Das Verwendungsgebiet der Silitkörper der Gruppe I hat sich in den letzten Jahren infolge der allseitig anerkannten Brauchbarkeit ganz ungewöhnlich vergrößert, so daß man fast von einer Umwälzung auf dem Gebiete des elektrischen Widerstandsmaterials sprechen möchte. (Schluß folgt.)