Titel: Submarine Kraftübertragungen elektrischer Energie in der Ostsee.
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 226
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Submarine Kraftübertragungen elektrischer Energie in der Ostsee. Submarine Kraftübertragungen elektrischer Energie in der Ostsee. Kürzlich ging durch die Fach- und Tagespresse die Notiz, daß eine große schwedische Elektrizitätsgesellschaft, die Sydsvenska Kraftaktiebolaget mit der größten dänischen Elektrizitäts- und Straßenbahngesellschaft einen Vertrag dahingehend abgeschlossen hat, daß die schwedische Gesellschaft von ihren Kraftanlagen im Binnenlande ein Hochspannungskabel bis zu einem Küstenplatz nördlich von Helsingborg verlegen sollte, von wo aus dann ein Unterseekabel nach Helsingör hinüberführen würde. Dieses technisch hochinteressante Projekt der Ueberführung elektrischer Kraft mittels Hochspannungsseekabeln hat kürzlich drei Vorläufer gefunden, indem seit einigen Monaten die Stromversorgung der Insel Rügen sowie der Halbinsel Wittow von der Ueberlandzentrale Stralsund aus erfolgte. A. Seekabelverlegung Stralsund – Rügen. Zum Zwecke der Versorgung der Insel Rügen mit Elektrizität wurden von den Siemens-Schuckertwerken im Sommer 1912 zwei Hochspannungskabel von der Ueberlandzentrale Stralsund durch den Stralsunder Bodden nach Rügen verlegt. Man wählte den Weg über die kleine Insel Dänholm, um auch hier eventuell Strom abgeben zu können (s. Abb. 1). Textabbildung Bd. 328, S. 225 Abb. 1.Lageplan der submarinen Kraftübertragungen. Die Seekabellängen betrugen 335 m auf der Strecke Stralsund – Dänholm und 1350 m zwischen Dänholm und Rügen. In der letzteren Strecke mußte in jedem Kabel eine Verbindungsmuffe eingebaut werden, da die Herstellung von 1350 m Kabel in einer Länge die Kosten für die Fabrikation und den Transport bedeutend erhöht haben würde. Die beiden durch eine Muffe verbundenen Kabel waren 750 m und 600 m lang. Das Gewicht einer Kabeltrommel mit 750 m Kabel betrug etwa 19000 kg. Den Einbau von Hochspannungsmuffen im Meere führte man überhaupt zum ersten Male aus. Von den Sammelschienen in der Ueberlandzentrale aus führten die beiden Kabel zunächst in eine kleine Zwischenstation auf Dänholm, bevor sie in das große Ueberführungshaus auf Rügen mündeten, von wo aus sich das Freileitungsnetz über die Insel Rügen erstreckte. Die für die Verlegung bestimmten Seekabel waren auf sechs Kabeltrommeln angeliefert worden, von denen die zwei größten einen Durchmesser von 3 m und eine Breite von 1,8 m hatten (Abb. 2). Der Transport der Kabel erfolgte durch die Bahn nach Stralsund. Hier mußten die Trommeln mit dem Trajektschiffe der Königl. Eisenbahnverwaltung zwecks Entladung nach dem Drehkran der staatl. Werft geschafft werden. Für die Verlegung waren auf zwei durch Eisenträger Seite an Seite eng aneinander gekuppelten Prahmen die Holzböcke montiert, in deren Lager die Kabeltrommeln eingesetzt wurden. Die Disposition für die Verlegung war so getroffen worden, daß zuerst die beiden Trommeln mit 750 m Kabel, darauf die 600 m Längen, in die zwei Böcke der Prahmen eingesetzt und verlegt werden konnten. Die Enden der vier Kabel wurden nach deren Verlegung auf einem im Wasser verankerten dritten Prahm befestigt, auf welchem später das Einbauen der Verbindungsmuffen (s. Abb. 3) vor sich ging. Für die Verlegungsarbeiten war ein Dampfer aus Stralsund gechartert worden, welcher die Kabelprahme nach der Verlegungsstelle brachte und der auch später durch Schleppen der Prahme das Abwickeln der Trommeln bewirken sollte. Die Verlegung begann an der Küste Rügens und endete auf Dänholm. Sowohl auf Rügener wie auf der Dänholmer Seite waren des seichten Wassers wegen vom Ufer bis in die See auf etwa 200 m Länge ein 6 m breiter und 1 m tiefer Graben gebaggert worden. Am 20. Juni 1912, morgens 6 Uhr, nahm der Dampfer die beiden Kabelprahme längsseit und dampfte nach der Rügener Küste, die See war ruhig und das Wetter für die Verlegung günstig. Vor Rügen konnten die Prahme nur bis auf 150 m Entfernung an das Ufer gebracht werden, da die Wassertiefe nicht mehr als 2 m betrug. Es mußten also zuerst diese 150 m Kabel sowie noch 40 m für die Verlegung an Land auf das steile etwa 20 m hohe Ufer hinaufgezogen werden. Textabbildung Bd. 328, S. 226 Abb. 2.Seekabel für Stralsund-Rügen. Zu diesem Zwecke legte sich der Dampfer mit dem Bug hinter die beiden Prahme. Mittels des auf dem Dampfer befindlichen Dampfspills und einer etwa 20 mm starken Stahltrosse, die am Ufer über eine Rolle geführt war, wurden die Kabel ans Land gezogen. Das Heranziehen der Kabel war gegen Mittag beendet. Am Nachmittag kam eine Gewitterbö auf, die See wurde so unruhig, daß von der weiteren Verlegung für diesen Tag Abstand genommen werden mußte. Man verankerte die Kabelprahme und da infolge des Sturmes ein Losbrechen der Lagerböcke befürchtet werden konnte, wurden zwischen den Trommelscheiben kräftige Steifen angebracht und die Trommeln zur Entlastung der seitlichen Stützen mit Trossen an den Prahmen verankert. Ein seitliches Kippen der Prahme trotz der großen Oberlast war nicht zu befürchten, da die Prahme durch einen Träger fest miteinander verbunden waren. Außerdem waren bereits bei den Vorarbeiten vorn und achtern Ketten quer unter die Prahme gebracht und an den seitlichen Pollern auf Deck seefest belegt. Für die weitere Verlegung konnten trotz des schweren Wetters Vorbereitungen getroffen werden, indem voraus und seitlich Anker ausgebracht wurden. Der Anker in Richtung nach Dänholm hatte den Zweck, den Dampfer mit den dahintergespannten Prahmen später mittels Dampfspills vorauszubringen und so das Ablaufen der Kabel von den Trommeln zu bewirken. Ein Fortbewegen des Dampfers und der Prahme mittels der Schiffsmaschine war im allgemeinen nicht ratsam, da ein langsames, gleichmäßiges Verlegen der Kabel nötig war und die Verlegung beim Unklarwerden irgend einer Vorrichtung sofort abgestoppt werden konnte. Textabbildung Bd. 328, S. 226 Abb. 3.Der Schleppdampfer mit den Kabelprahmen vor Rügen. Die Bordanker, d.h. die Anker, die seitlich ausgebracht waren, hatten den Zweck, ein seitliches Abtreiben der Prahme zu verhindern. An beiden Ufern waren je zwei Baken (Merkzeichen) von etwa 4 m Höhe aufgestellt, die sich bei Einhalten der Flucht während der Fahrt genau decken müßten. (Die Baken auf Rügen sind in Abb. 3 in Richtung der linken Kabeltrommel sichtbar.) Zur Regulierung der Richtung waren die seitlich verankerten Trossen so angeordnet, daß sie nach Bedarf eingeholt oder nachgelassen werden konnten. Das Einholen und Ausbringen der Anker wurde durch ein beigegebenes Fischermotorboot sowie durch ein großes Ruderboot (Barkasse) bewirkt. Das Motorboot vermittelte gleichfalls während der Verlegung den Verkehr mit dem Festlande. Am nächsten Tage wurde morgens 6 Uhr die Verlegung fortgesetzt, da das Wetter sich wieder aufgeklärt hatte. Es zeigte sich jedoch, daß das Wasser durch den umspringenden (ablandigen) Wind so seicht geworden war, daß die Prahme auf Grund saßen. Der Dampfer konnte die Prahme erst nach etwa dreistündiger Arbeit abschleppen. Hiernach wurden die Bremsbänder auf die Trommelscheiben gelegt und die Kabel langsam ins Wasser gelassen. Nachdem etwa 300 m Kabel verlegt waren, trat eine Pause ein, da die Anker weiter vorausgeholt werden mußten. Die beiden Kabel von 750 m Länge waren gegen 3 Uhr fertig verlegt. Die beiden Kabelenden wurden nunmehr auf dem anfangs erwähnten dritten Prahm mittels Stoppern befestigt. Der Prahm war vorher bereits auf 700 m vom Rügener Ufer entfernt vor Anker gelegt worden. Textabbildung Bd. 328, S. 227 Abb. 4.Montagezelt auf dem Prahm. Nachdem der Montageprahm nach allen Seiten verankert war, konnte gegen 5 Uhr abends die Fahrt mit den leeren Kabeltrommeln nach der Werft angetreten werden. Währenddessen wurde auf dem Montageprahm ein wasserdichtes sturmfestes Zelt für die Arbeiten an den beiden Seekabelmuffen aufgebaut (Abb. 4). Um 8 Uhr abends waren die beiden anderen Trommeln mit 600 m Kabel in die Prahme eingesetzt und der Dampfer brachte die neuen Trommeln in halbstündiger Fahrt zum Montageprahm. Nachdem die beiden neuen Kabelenden ebenfalls unter das Zelt gezogen und befestigt waren, konnte mit der Montagearbeit begonnen werden. Der Dampfer lag während der Montage längsseit des Montageprahms und gab die elektrische Lichtleitung herüber. In dem Montagezelt waren zwei Lampen mit je drei 25-kerzigen Glühlampen installiert, so daß genügend Beleuchtung vorhanden war. Die See' war gegen Abend ganz ruhig geworden. An jeder Verbindungsstelle arbeiteten zwei Monteure mit entsprechender Ablösung (Abb. 4). Am anderen Abend gegen 9 Uhr konnten die Kabelverbindungen verlötet und mit Isoliermasse vergossen werden. Da das Abkühlen der Masse mehrere Stunden erforderte, setzte nun eine Ruhepause ein, während der Wachen ausgestellt wurden. Erst am anderen Morgen erfolgte die Fortsetzung der Montagearbeiten. Die Eisenmuffen wurden geschlossen und ebenfalls mit Isoliermasse ausgegossen. Um 2 Uhr nachmittags erfolgte nacheinander das Versenken der Muffen ins Wasser (Abb. 5). Das Herablassen geschah derart, daß Seile um die Muffe und das Kabel geschlungen wurden; das eine Ende jedes Seiles war an Bord befestigt, während die freien Seilenden langsam nachgelassen wurden, bis die Muffen bei etwa 8 bis 10 m Tiefe auf Grund lagen. Hierauf nahm der Dampfer die beiden Prahme längsseits und fuhr, während die Kabel weiter abliefen und ins Wasser gelassen wurden, langsam nach dem Dänholmer Ufer, wo er um 6 Uhr abends vor Anker ging. Die Entfernung der Kabelprahme vom Ufer betrug immerhin noch 200 m. Ein näheres Heranfahren war der geringen Wassertiefe wegen nicht möglich. Textabbildung Bd. 328, S. 227 Abb. 5.Versenken der Kabelmuffen. Auf den zwei Kabeltrommeln befanden sich noch je 300 m Kabel. Textabbildung Bd. 328, S. 227 Abb. 6.Legen einer 8-förmigen Schleife, um das Kabelende zu erhalten. Um diese an Land zu schaffen, mußten zunächst die 300 m Kabel jeder Trommel nacheinander abgewickelt und in 8-förmigen Schleifen auf Deck gelagert werden, damit die Kabelenden frei wurden (Abb. 6). Um an Deck den nötigen Platz für die Unterbringung der Kabelschleifen zu bekommen, mußte der dritte Prahm zu Hilfe genommen werden. Er wurde neben die beiden anderen Prahme gelegt. Mit Abwickeln und mit dem „Achtenlegen“ der Kabel waren etwa 20 Mann beschäftigt. Nachdem ein Kabel in Schleifen gelegt war, wurde das Kabelende mittels Stahltrosse, Rolle und Dampfspill an Land gezogen. Zur Verankerung der Rolle an Land waren zwei Eisenbahnschienen von 10 m Länge quer zur Zugrichtung hinter einer Anhöhe eingegraben worden. Um die Reibung der Kabel in dem schlammigen Boden beim Herüberziehen möglichst zu verringern, mußte eine Anzahl Ruderboote unter die Kabel gebracht werden. Die Verlegungsarbeiten nahmen sechs Tage in Anspruch. Die sofort nach beendeter Arbeit vorgenommene Isolationsmessung ergab ein sehr gutes Resultat. (Schluß folgt.)