Titel: Die Entwicklung der ortsfesten Riesenkrane in den letzten 25 Jahren.
Autor: L. Klein
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 276
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Die Entwicklung der ortsfesten Riesenkrane in den letzten 25 Jahren. Von Professor L. Klein in Hannover. (Schluß von S. 262 d. Bd.) KLEIN: Die Entwicklung der ortsfesten Riesenkrane in den letzten 25 Jahren. Einen weiteren erheblichen Fortschritt im Bau der Riesenkrane machte die Benrather Maschinenfabrik mit dem 1907 in Betrieb genommenen Kran der Tecklenborgwerft in GeestemündeMitteilungen des Unterweser Bezirksvereines deutscher Ingenieure, Mai 1906.Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure 1907, S. 67; 1909, S. 1180.Michenfelder, Jahrbuch der Schiffbautechn. Gesellschaft 1910, S. 266 und 325. (Abb. 13). Zunächst übertrifft er die bis dahin ausgeführten Krane an nutzbarer Ausladung und Arbeitsfläche über Wasser, ist aber trotzdem infolge besonderer Konstruktion leichter und billiger geworden als der ihm am nächstenkommende Howaldts-Kran. Textabbildung Bd. 328, S. 275 Abb. 15.150 t-Glocken-Hammerkran der Tecklenborg-Werft in Geestemünde gebaut von der Benrather Maschinenfabrik. Er besteht im wesentlichen aus einem feststehenden inneren Stützgerüst, über welches das drehbare Krangerüst mit dem Ausleger glockenförmig gestülpt ist, im Gegensatz zu den bisherigen Kranen, bei denen die drehbare Säule innen und das feste Gerüst außen war. Das innere, vierseitige Stützgerüst, das in seinem unteren Teile mit dem Fundament ein festes Ganzes bildet, nimmt am Kopf den gesamten senkrechten Druck und unten durch einen Druckrollenkranz das Kippmoment auf. Die Beanspruchung des Fundaments ist eine einheitlichere und dadurch günstigere, denn es werden nicht mehr Vertikaldruck innen und getrennt davon das Kippmoment außen übertragen. Diese günstigere Beanspruchung und der durch das Innenliegen ermöglichte kleinere Querschnitt des Stützgerüstes ergeben kleinere Fundamente, gestatten, die Kranmitte näher an das Ufer heranzurücken, die Auslegerlänge besser auszunutzen und bei gleicher Leistungsfähigkeit Kran und Fundament billiger herzustellen. Die überhängende Glocke ermöglicht, das Führerhaus tiefer und dadurch der Lastanhängestelle noch näher zu bringen. Als weiterer Fortschritt bei diesem Kran ist das Verlegen der Laufbahn für die Schwerlastkatze, deren Tragfähigkeit noch auf 150000 kg bemessen bleibt, und des zugehörigen Windwerkes in das Innere des Auslegers hinein zubezeichnen, wodurch dessen Obergurt auf seiner ganzen Länge frei wird für ein Hilfshubwerk. Anstatt einer Hilfskatze wurde auf diese Bahn ein Drehlaufkran für 20000 kg Nutzlast, der auch noch mit einem weiteren Windwerk für 5000 kg ausgerüstet ist, gesetzt. Dieser hoch oben laufende Hilfskran überragt den 7 m breiten Auslegerarm seitlich um 3 m und beherrscht dadurch über dessen ganze Länge ein großes Arbeitsfeld. Mit seiner Hilfe sind die höchsten Masten bequem einzuziehen. Beim Arbeiten mit der Schwerlastlaufkatze dient der ans äußerste Gegenende verfahrene Hilfskran und das große Windwerk als Gegengewicht. Bei Benutzung des Hilfskrans wird die Schwerlastkatze als Gegengewicht ausgenutzt. Die Hub- und Fahrgeschwindigkeiten sind entsprechend den modernen Anforderungen hoch gewählt. Acht Gleichstrommotoren von zusammen 260 PS treiben die Windwerke an (Abb. 15). Die augenscheinlichen Vorzüge dieses Kranes haben schon 1908 die Anschaffung einer fast gleichen Ausführung für den Hafen von St. Nazaire in Südfrankreich zur Folge gehabt, die gleichfalls aus der Benrather Maschinenfabrik hervorgegangen ist. Gegenüber dem Tecklenborg-Kran weist dieser noch eine Verbesserung auf, indem die antreibenden Elektromotoren in Leonard-Schaltung angeordnet wurden. Durch Hinzufügung eines Elektromotors und einer Dynamomaschine bedingt diese Schaltung zwar eine Vermehrung der elektrischen Maschinen und damit der Kosten, bietet aber die Möglichkeit, die Lastgeschwindigkeiten unter bester Ausnutzung des elektrischen Stromes in den weitesten Grenzen sicher zu regeln. Textabbildung Bd. 328, S. 276 Abb. 16. Der Bau des zurzeit größten Schiffes der Welt, des Hamburger „Imperator“, zwang das Hamburger Werk des Stettiner Vulkans 1911 einen Kran errichten zu lassen, der alle bisherigen an Ausladung, Höhe und Tragfähigkeit übertrifft.Zeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure 1911 S. 1089, 1912 S. 1095. Schiffbau, XIII. Jahrgang, Nr. 7, S. 257. Eisenbau, Juni 1911, S. 1089. (Abb. 16.) Als ausführende Firma kam fast nur die Deutsche Maschinenfabrik A.-G. in Duisburg in Frage, zu welcher sich – dem Zuge der Zeit folgend – um gegenseitige Konkurrenz zu vermeiden und bessere Preise zu erzielen, die drei großen deutschen Kranbaufirmen: Stuckenholz, Benrath und Bechem & Keetmann zusammengeschlossen hatten. Leider fällt dadurch auch der gegenseitige Anreiz zu Verbesserungen weg. Da die großen Dampfturbinengehäuse heute schon mehr als 150000 kg wiegen, wurde eine Höchsttragkraft von 200000 kg verlangt, das ist mehr, als elf mit je 200 Zentner vollbeladene Eisenbahnwagen zusammengenommen wiegen. Die Aufstellung wurde noch dadurch erschwert, daß das Aufstellungsgelände mit großen Werkstattgebäuden besetzt war und direkt am Ufer schon zwei große Turmdrehkrane liefen, die nicht entbehrt werden konnten. Die Füße der Stützkonstruktion mußten daher mindestens 12 m von der Kaikante zurückbleiben und den Werkstattgebäuden auswelchen. Das dreibeinige Stützgerüst ist in 31 m Höhe zu einer pyramidenförmigen Säule vereingt, über welche die drehbare Kransäule wieder glockenartig gestülpt ist, die den 55 m langen und 55 m hohen Ausleger trägt. Auch bei diesem Kran ist der ganze Obergurt des Auslegers für einen Drehlaufkran von 20 und 5 t Tragfähigkeit freigehalten, der bei 61,4 m Ausladung auf 63 m Höhe und damit mehrere Meter über den Knopf der Fahnenstange des großen Hochschulturmes hinaufgreifen kann. Schwerlastkatze, Windwerk und das schwere Gegengewicht aus Eisenbeton sind wieder in den Ausleger hineingebaut. Auch wird der Hilfskran wieder als Gegengewicht benutzt. Geprüft wurde der Kran mit 5/4 der Betriebslast, also mit 250000 kg. Der Antrieb ist elektrisch, Hub- und Fahrgeschwindigkeiten sind weiter gesteigert. In der Ausführung in Abb. 17 macht der hoch über Menschen, Häuser und seine ganze Umgebung ragende Ausleger einen gewaltigen Eindruck. Die Tatsache, daß wir in diesem Bilde den augenblicklich größten Kran der Welt vor uns haben, kann ich aber wirklich nicht besonders hervorheben, denn, so groß er ist, in wenigen Wochen wird auch er schon wieder übertroffen sein. Textabbildung Bd. 328, S. 277 Abb. 17.200 t-Glocken-Hammerkran im Hamburger Werk des Stettiner Vulkan, gebaut von der Deutsch. Maschinenfabrik A.-G. Seit dem Frühjahr 1912 ist in den Werkstätten der Deutschen Maschinenfabrik in Duisburg für die Werft von Blohm & Voß in Hamburg ein Kran im Bau, der wiederum alles bisher Dagewesene weit übertreffen wirdZeitschrift des Vereines deutscher Ingenieure 1912, S. 807. (Abb. 18). Der Konstrukteur hatte den Mut, den 60 m langen Lastausleger nicht mehr starr, sondern durch einen Stahlzapfen drehbar mit der Kransäule zu verbinden. Zwei kräftige Schraubenspindeln von 450 mm ⌀, 18 m Länge und je 20000 kg Eigengewicht fassen mittels zweier Lenker den Ausleger und wippen ihn mit der 250000 kg schweren, also noch weiter gesteigerten Höchstlast auf und ab. Der Kran vereinigt die Vorteile der Hammerkrane mit denen der Wippkrane. Bei wagerecht liegendem Ausleger kann die Schwerlastkatze so wie bei den vorher besprochenen Kranen in dem Ausleger verfahren werden, und der Hilfsdrehkran, der selbst als fahrbarer Drehwippkran ausgebildet ist, den Last- und Gegengewichtsausleger in ihrer ganzen Länge befahren. Soll der Ausleger gewippt Werden, um den höchsten Deckaufbauten, Masten usw. auswelchen zu können, so wird die Schwerlastkatze in ihrer vordersten Stellung im Ausleger verriegelt, die Schraubenspindeln werden angezogen und dadurch der Ausleger und die Last hochgewippt. In der höchsten Stellung ragt die Auslegerspitze 95 m hoch über Werftflur hinauf. Zum Vergleich genügt unser Hochschulgebäude nicht mehr, ich habe die höchsten Bauwerke Hannovers herangezogen (Abb. 16). Hieraus ist zu ersehen, daß man mit dem Kran bequem auf das Dach des Marktkirchenturmes und sogar das der vergoldeten Bekrönung der Kuppel des neuesten hannoverschen Rathauses steigen könnte. Die feststehende, vierseitige Stützpyramide nimmt wieder oben den gesamten Vertikaldruck und unten durch einen Rollenkranz das Kippmoment auf. Das glockenförmig ausgebildete, übergestülpte Krangerüst bleibt so hoch vom Fußboden ab, daß darunter Eisenbahnfahrzeuge vorbeifahren können. Das Führerhaus für die Schwerlastkatze hängt vorne an der Glocke, das für den Hilfskran sitzt auf diesem. Angetrieben wird er wieder durch Elektromotoren in Leonard-Schaltung, die gegenseitig elektrisch so verriegelt sind, daß nur dann gewippt, nur dann das Wind- und Fahrwerk der Schwerlastkatze in Gang gebracht werden kann, wenn der Hilfskran hinten auf dem Gegengewichtsarm steht, und daß der Hilfskran selbst nur dann arbeiten kann, wenn die Schwerlastkatze ganz eingezogen ist. Fassen wir die Entwicklung kurz zusammen: Textabbildung Bd. 328, S. 277 Abb. 18.250 t-Hammer-Wippkran auf der Werft von Blohm & Voß, Hamburg, gebaut von der Deutschen Maschinenfabrik A.-G. Die Drehscheiben, Derrick- und Drehscheiben-Wippkrane werden 1898 durch den Hammerkran verdrängt, der zuerst mit einer, Hub- und Fahrwerk tragenden, dadurch sehr schweren Laufkatze ausgerüstet wurde. Zur besseren Ausnutzung des Kranes wird ein Hilfswindwerk für kleinere Lasten eingeführt und allmählich zum selbständigen Hüfsdrehkran ausgebildet. Das Windwerk für die großen Lasten wird von der Katze zum Gegengewicht hin, die Laufkatze für die Schwerlastkatze von der oberen Seite des Auslegers in dessen Mitte hinein verlegt, so daß die obere Seite frei wird für den Hilfskran. Der säulenförmige Stiel des Hammers wird in einen glockenförmigen, der das Stützgerüst umschließt, verwandelt, und endlich der Lastausleger als Wipparm ausgebildet. Der Antrieb, der anfangs durch Dampfmaschinen erfolgte, wird von Elektromotoren übernommen, die schließlich in Leonard-Schaltung angeordnet werden. Die Lasten steigen von 100000 auf 250000 kg, die Höhen von 31 auf 95 m, die Ausladung von 17 m auf 60 m. Der gewaltige Fortschritt im Bau dieser Riesenkrane in den letzten 25 Jahren tritt uns besonders deutlich entgegen, wenn wir neben den neuesten Vertreter den zuerst besprochenen Hamburger Kran stellen (Abb. 16). Von 1887 bis 97 der größte Kran der Welt, nimmt er sich gegen seinen jüngsten Bruder wie ein Zwerglein aus. Der Eiffelturm wird als Weltwunder bestaunt, weil seine unbelastete Spitze 300 m in den Himmel ragt, der neueste deutsche Riesenkran schwenkt in 90 m Höhe 250000 kg schwere Lasten in einem Kreise von 49 m ⌀ herum. Wahrlich eine stolze Leistung deutscher Ingenieure. Mit Freuden darf ich noch hervorheben, daß die besprochenen Hammer-, Pyramiden-, Glockenkrane durchweg deutsche Schöpfungen sind. Hervorgegangen aus den wohlverstandenen Bedürfnissen des Schiffbaues sind sie Meisterwerke eines glücklichen Zusammenwirkens von Maschinenbau, Statik und Elektrotechnik. Eine hohe Anerkennung geht aus der Tatsache hervor, daß von den etwa 130 Riesenkranen, die es zurzeit auf der ganzen Welt gibt, fast 80 Stück, und gerade die neuesten, deutschen Ursprungs sind, darunter viele in England und Frankreich. Millionen sind dafür nach Deutschland zurückgeflossen, so daß wir auch auf diesem kleinen Sondergebiet im friedlichen Wettstreit der Völker gegen Stahl und Eisen das Ausland zinspflichtig gemacht haben. Die Aufgabe des deutschen Ingenieurs wird es sein, zum Heil und Segen unseres deutschen Vaterlandes auch weiterhin siegreich in diesem Kampfe zu bestehen.