Titel: Ledertreibriemen und Riementriebe.
Autor: P. Stephan
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 403
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Ledertreibriemen und Riementriebe. Von Regierungsbaumeister P. Stephan in Dortmund. (Schluß von S. 390 d. Bd.) STEPHAN: Ledertreibriemen und Riementriebe. Mit den nach Gleichung 14 berechneten Riemenspannkräften St und S1 könnte man aus den von Kammerer gemessenen Achsdrücken die Größe des Luftdruckes p ermitteln, wenn noch die des Gleitwinkels ω' bekannt wäre, und damit die Konstanten c5 und c6. Der Gleitwinkel ist leider bei den Versuchen Kammerers nicht bestimmt worden, und auch die gemessenen Achsdrücke sind mit sehr bedeutenden Unsicherheiten behaftet: Die nach zwei verschiedenen Methoden in 1¾ Jahren Zeitabstand gefundenen Eichungskurven der benutzten hydraulischen Meßdosen unterscheiden sich in dem Intervall des vorstehenden Beispiels im Verhältnis 3,2 : 5,5. Es haben mithin in der Zwischenzeit so erhebliche Veränderungen stattgefunden, über die nichts näheres bekannt ist, daß die ermittelten Zahlen aus dem Grunde nicht verwendbar sind. Es bleibt demnach nur ein durch die Veröffentlichung von Fieber veranlaßter Versuch Kamerers übrig, der längere Zeit nach der zweiten Eichung der Meßdosen angestellt worden ist und dessen Zahlen-Werte deshalb wohl als zuverlässiger angesehen werden können. In der VeröffentlichungZ. d. V. d. I. 1909, S. 1642. ist die Stärke und die Dehnungsziffer des benutzten Riemens nicht angegeben worden, doch dürften die im obigen Beispiel geschätzten Werte von der Wirklichkeit nicht sehr abweichen. Die dort gemachten Angaben über den elastischen Schlupf des Riemens auf den Scheiben ergeben bei Einsetzung von ξ = 0,75 in Gleichung 4 die Stärke des Doppelriemens zu s = 4 mm; anscheinend sind also die Zahlen bei der Berechnung durch ein Versehen verdoppelt worden. Textabbildung Bd. 328, S. 403 Abb. 31. Die Aufzeichnung der beiden Schlupfkurven (Abb. 31) liefert dann für die treibende Scheibe ω'1 ~ 0,7 π, und für die getriebene ω'2 ~ 0,95 π. Auf der getriebenen Scheibe besteht Gleitschlupf in Höhe von 3 v. H., d.h. der Ruhewinkel ω02 ist hier gerade verschwunden und es hat schon eine ganz geringe Ueberdeckung des Gleit- und Auspreßwinkels stattgefunden. Für den vorliegenden Fall berechnet sich nun ζ1 = 0,285, ζ2 = 0,000189, so daß sich ergibt \frac{\zeta_1}{\zeta_2}=1510,1. Hiermit folgt aus Gleichung 11 : ζ3ω' = 5,259. Für die treibende Scheibe gilt nun \zeta_3=1+c_6\,\frac{\alpha\,R}{b\,s}=\frac{5,259}{0,7\,\pi}=2,394, woraus man erhält c6 = 136,5. Für die getriebene Scheibe gilt \zeta_3=\frac{1-c_6\,\frac{\alpha\,R}{b\,s}}{1-c_5}=\frac{5,259}{0,95\,\pi}=1,762 woraus folgt c5 = 1,224. Mit dem obigen Wert von ω''2 = 0,05 π kann auch die Konstante c4 der Gleichung 8 angegeben werden: c_4=\frac{2,58}{10^5}. Der größte hier vorkommende Luftüberdruck an der Ablaufstelle der getriebenen Scheibe ermittelt sich jetzt zu D_{\mbox{max}}=\frac{S_t}{b\,R}\,.\,\frac{c_5-c_6\,\frac{\alpha\,R}{b\,s}}{1-c_5}=0,166\mbox{ at.} Werden mit den vorliegenden Konstanten einige Zwischenwerte zwischen S1 und St berechnet, so ergibt die Auftragung den oben angegebenen Betrag von ξ ~ 0,75. Da die errechneten Zahlenwerte auf den höchst unsicheren der Reibungsziffer und denjenigen eines einzelnen, auch nicht völlig zuverlässigen Versuches beruhen, so ist ihr praktischer Wert allerdings ein recht geringer. Im vorliegenden Fall ist gerade der größte Betrag der überhaupt unter den gegebenen Umständen übertragbaren Leistung Snv erreicht bzw. schon ein wenig überschritten worden. Selbstverständlich kann Sn noch weiter gesteigert werden, dann tritt aber auf der getriebenen Scheibe Gleiten ein derart, daß immer S'nv' = Snv bleibt, wenn v' die geringere Umfangsgeschwindigkeit der getriebenen Scheibe bedeutet. Ein größerer Gleitschlupf ist natürlich unwirtschaftlich und schädigt den Riemen mit der Zeit, so daß er nur in besonderen Fällen, wenn einmalige kuzzeitige Ueberlastungen vorkommen, zugelassen werden sollte. Mit einem Gleitschlupf von etwa 6 v.H. hat z.B. Skutsch bei den in der Atmosphäre vorgenommenen Vergleichsversuchen gearbeitet, während im luftverdünnten Raum von 0,11 at nur 1 v.H. Gleitschlupf vorhanden war, da der Auspreßwinkel dort auf den neunten Teil heruntergebracht worden war. Leider sind diese Versuche mit den obigen von Kammerer nicht vergleichbar. Die Betrachtung der einzelnen „Konstanten“ der Formel 11 lehrt, daß die Uebertragung in ziemlich verwickelter Weise von der Riemenstärke und dem Scheibendurchmesser abhängig ist; sie wird jedenfalls um so günstiger, je größer das Verhältnis \frac{D}{s} und die Dehnungsziffer α ist. Mit einer hohen Dehnungsziffer ist allerdings der Nachteil verbunden, daß dann leichter größere bleibende Dehnungen auftreten (vergl. Abschnitt II). Die Uebertragung steigt schließlich, solange kein Gleitschlupf auftritt, auch etwas mit dem Quadrat der Riemengeschwindigkeit, doch ist gerade dieser Betrag verhältnismäßig klein, so daß die Ansicht von Gehrckens, die Uebertragung steigt stark mit der Geschwindigkeit an, dadurch nicht gestützt wird. Eine eingehendere Diskussion erübrigt sich, bis weitere Messungsergebnisse mit Berücksichtigung der verschiedenen Winkel vorliegen. Vielleicht wird sich dann auch herausstellen, daß die vorläufig der Einfachheit halber angenommenen linearen Zusammenhänge durch andere ersetzt werden müssen, worauf verschiedene Anzeichen hinweisen. Um die übertragene Kraft zu vergrößern, ist es notwendig, den Auspreßwinkel so klein wie möglich zu halten. Man hat zu dem Zweck den Riemen häufig durchlocht und dadurch mindestens einen sehr ruhigen geräuschlosen Gang erzielt. Ein Nachteil der Lochung ist aber, daß der Riemen dadurch stark geschwächt wird und zwar, wie die Versuche von Preuß an eisernen Laschen ergeben, erheblich mehr, als die Querschnittsverringerung beträgt, weshalb man von der Durchlochung mehr und mehr zurückkommt. Dasselbe Endergebnis läßt sich auch dadurch erreichen, daß in die breite Scheibe schmale Rillen von etwa 3 mm Breite und ebenso großer Tiefe in etwa 10 bis 15 cm Abstand eingedreht werden. Die in der Mitte des Riemens befindliche Luft wird so besser und leichter abgeleitet, außerdem ist damit der Vorteil verbunden, daß auch auf dem weiteren Scheibenumfang ein gutes seitliches Auspressen der Luft unter den mittleren Riementeilen und damit ein festeres Anliegen und eine bessere Uebertragung erzielt wird. Der geringe Breitenverlust ist gegenüber dem großen der Durchlochung ganz nebensächlich. Ein weiteres Mittel zur Verringerung dieses schädlichen Winkels ist eine hohe Anspannung Sv des Riemens, so daß S1 verhältnismäßig groß ausfällt. Davon wird in der Praxis auch ausgiebiger Gebrauch gemacht, und die in einem Riemen tatsächlich auftretenden Spannungen sind fast immer ganz bedeutend höher als die in den meisten Kalendern als normal angegebene Höchstbeanspruchung von 25 kg/qcm. Verfasser stellte z.B. an einem schon mehrere Jahre in Betrieb befindlichen Riemen von 9,5 cm Breite und 5 mm Stärke, der zum Antrieb einer Dynamomaschine dient, eine Vorspannung σv = 46 kg/qcm fest. Benutzt wurde dazu nach dem Vorgang von Skutsch die für die sekundliche Anzahl der Transversalschwingungen eines angespannten Bandes geltende Gleichung z=\frac{1}{2\,l}\,\sqrt{\frac{g\,\sigma}{q}}, aus der folgt \sigma=\frac{q}{g}\,(2\,l\,z)^2=b\,s\,\frac{\gamma}{g}\,(2\,l\,z)^2 . . . (15) Die Schwingungszahl z läßt sich bequem auszählen, wenn man in einem Zeitraum von 8 oder 10 Sekunden jede Schwingung durch einen Bleistiftstrich auf einem Papierblatt notiert; und das Verfahren ist ein gutes Mittel, die Anspannung eines aufgelegten Riemens zu kontrollieren. Allerdings wird das Ergebnis durch Ungleichmäßigkeiten der Gewichtsverteilung in dem schwingenden Riemenstück und die durch das Abheben von der Scheibe beim Auswärtsschwingen etwas größer werdende Länge getrübt, so daß die erhaltenen Werte nicht ganz genau sind. Als Gesamtbeanspruchung im Auspreß- und Ruhewinkel der treibenden Scheibe ergibt sich \sigma_{\mbox{max}}=\sigma_t+\sigma_f+\frac{1}{\alpha}\,.\,\frac{s}{D} . . . (16) Wird ein völlig unbelasteter Riemen angenommen, so ist klar, daß wenn σf = σv wird, der von dem Riemen auf die Achse ausgeübte Druck verschwindet. Eine weitere Steigerung von σf durch Erhöhen der Geschwindigkeit würde den Druck negativ machen, d.h. der Riemen würde beginnen sich von der Scheibe abzuheben. Beim belasteten Riementrieb tritt nun σ1 an die Stelle von σv. Um aber den Auspreßwinkel klein zu halten, wird man zweckmäßig ziemlich weit von diesem äußersten Grenzfall entfernt bleiben und mindestens σ1 = σf + 20 kg/qcm wählen. Damit ergibt sich bei voller Belastung als größte auftretende Spannung \sigma_{\mbox{max}}=\sigma_1+\sigma_n+\sigma_f+\frac{1}{\alpha}\,\frac{s}{D} oder \sigma_{max}=(20+25)+2\,\sigma_f+\sigma_n+\frac{1}{\alpha}\,\frac{s}{D} (17) Kammerer hat nun für einen Doppelriemen von 6 mm Stärke aus komprimierten Rückenbahnen, für den also nach Abschnitt II die Streckgrenze σs = 0,73, 0,80, 340 = 198 kg/qcm beträgt, als Belastung, die er gut aushielt, 116 kg/qcm ~ 0,59 σs gefundenZ. d. V. d. I. 1912, S. 206 und Mitteilungen des Hamburger Bezirksvereins deutscher Ingenieure 1912, Nr. 7.. Dagegen riß er nach etwa 2½-stündigem Betrieb bei der Beanspruchung von 150 kg/qcm = 0,76 σs. Den Verlauf der Streckung des Riemens während der beiden Versuche gibt Abb. 32 wieder. Als äußerster Grenzwert, der nicht überschritten werden darf, kann wohl demnach \frac{2}{3}\,\sigma_s angesetzt werden. Es bewahrheitet sich also auch hier das Poissonsche Gesetz, daß bei regelmäßig schwellender Beanspruchung zwischen einem der Null nahe liegenden und einem Höchstwert die größte zulässige Beanspruchung nur \frac{2}{3} der bei ruhender Belastung zulässigen beträgt. Um völlig sicher zu gehen, bleibt man natürlich noch etwas unter dem Grenzwert, so daß für die Zwecke der Praxis σmax = 0,6 σs zu setzen wäre. Vereinzelte kurzzeitige Ueberlastungen haben glücklicherweise bei Leder nicht die verderbliche Wirkung wie etwa bei Eisen. Selbstverständlich muß auch, wenn die größte Nutzbeanspruchung σn aus Gleichung 17 berechnet wird, die Sicherheit bestehen, daß die Vorspannung nicht beliebig hoch genommen wird. Textabbildung Bd. 328, S. 405 Abb. 32. Zu beachten ist noch, daß die obigen Darlegungen sich nur auf einen Riementrieb beziehen, dessen loses Trum sich nicht zu sehr aus der wagerechten Lage entfernt. Bei ganz steilen Trieben geht der Unterschied der wahren Trumlänge L gegen die gerade Verbindungsstrecke l nicht mehr in den Durchhang, sondern macht sich als Abheben von der unteren Scheibe bemerkbar, so daß in solchen Fällen die Vorspannung erheblich größer gewählt werden muß, also die verbleibende Nutzspannung entsprechend kleiner ausfällt.