Titel: Ueber Meßfehler von jetzt noch in Gebrauch befindlichen militärischen Entfernungsmessern.
Autor: Chr. von Hofe
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 562
Download: XML
Ueber Meßfehler von jetzt noch in Gebrauch befindlichen militärischen Entfernungsmessern. Von Chr. von Hofe, Dr. phil., Wissenschaftl. Mitarbeiter der Optischen Anstalt C. P. Goerz. v. HOFE: Ueber Meßfehler von jetzt noch in Gebrauch befindlichen militärischen Entfernungsmessern Alle jetzt noch in Gebrauch befindlichen militärischen Entfernungsmesser gehören der Klasse der trigonometrischen Entfernungsmesser anUeber Einteilung der Entfernungsmesser vergl. von Hofe „Fernoptik“, S. 106 u. f.. Ihre Wirkungsweise beruht also auf der Bestimmung einer Seite eines Dreiecks, von dem eine andere Seite und zwei Winkel bekannt sind (vergl. Abb. 1). In den meisten Fällen ist das Dreieck entweder gleichschenklig oder rechtwinklig; die kürzere Seite A B = b ist die bekannte und dient als Basis für die Messung. Die beiden bekannten Winkel sind die Winkel an der Basis a und ß; gesucht ist eine der beiden andern Seiten, also z.B. B Z = e; ihre Länge wird durch den Entfernungsmesser ohne Zuhilfenahme einer Rechnung bestimmt. Der dritte Winkel ζ ist natürlich ohne weiteres mit Hilfe der beiden andern bekannten Winkel zu finden, ζ = 180° – a – β. Dieser Winkel ζ ist fast immer sehr klein im Verhältnis zu den beiden andern, so daß man in der Regel den Sinus gleich dem Winkel setzen kann. Textabbildung Bd. 328, S. 561 Abb. 1. Wenn beispielsweise das Dreieck ein gleichschenkliges ist, so daß A Z = B Z = e und a = β ist, so ist die gesuchte Entfernung e=\frac{b}{2\,\mbox{sin}\,\frac{\zeta}{2}} bzw. è=\frac{b}{\zeta}. Ist das Dreieck ein rechtwinkliges, also beispielsweise α = 90° (Abb. 5 siehe später), so folgt e=\frac{b}{\mbox{sin}\,\zeta} bzw. e=\frac{b}{\zeta}. Bei der vereinfachten Rechnung ergibt sich demnach in beiden Fällen für e dasselbe Resultat. Die Genauigkeit der Messung ist also abhängig von der Bestimmung der beiden Größen b und ζ Die Messung des Winkels ζ wird häufig dadurch erleichtert, daß der Entfernungsmesser in irgend einer Weise mit einem Fernrohr ausgestattet ist. In diesem Fall ist der beobachtete Winkel ζ' proportional der Fernrohrvergrößerung γ größer als der Winkel ζ, so daß die Gleichung für e lautet: e=\frac{b}{\zeta}=\frac{\gamma\,b}{\zeta'}. . . . . . . . (1) Um zu untersuchen, wie die Fehler des endgültigen Resultates von den Ungenauigkeiten, die bei der Bestimmung dieser Größen b und ζ' vorkommen, abhängen, soll die obige Gleichung (1) partiell nach diesen beiden Variablen differentiiert werden. Also d\,e=\frac{\delta\,e}{\delta\,\zeta'}\,d\,\zeta'+\frac{\delta\,e}{\delta\,b}\,d\,b.. Bei der Differentation nach ζ ergibt sich d\,e_1=\frac{\delta\,e}{\delta\,\zeta'}\,.\,d\,\zeta'=\left[-\frac{\gamma\,b}{\zeta'^2}\,d\,\zeta'\right]=-\frac{e^2}{b\,\gamma}\,d\,\zeta'. Außerdem kann der Beobachtungsfehler sowohl zu groß als auch zu klein sein, dζ' also das positive und das negative Vorzeichen haben. Die Gleichung lautet dann d\,e_1=\mp\,\frac{e^2}{b\,\gamma}\,d\,\zeta'. . . . . . . (2) Der Fehler ist also umgekehrt proportional der Basis und der Fernrohrvergrößerung des Instrumentes, dagegen direkt proportional dem Quadrat der Entfernung und dem Fehler in der Bestimmung des Winkels ζ'. Dieser Fehler hängt ab von der Sehschärfe des Beobachters, der Art der beim Instrument benutzten Einstellung und den Verhältnissen, unter denen die Beobachtung stattfindet; er ist daher unter Umständen recht erheblichen Schwankungen unterworfen. Abgesehen davon, daß unter sonst gleichen Verhältnissen natürlich die Sehschärfe verschiedener Beobachter sehr verschieden groß ist, können auch bei demselben Beobachter die Resultate ganz erheblichen Schwankungen unterliegen, die davon abhängen, welchen Einfluß die Witterungsverhältnisse, die Beleuchtung und die mehr oder weniger bequeme Lage, in der sich der Beobachter befindet, haben. Eine ebenso große Rolle spielt die der Entfernungsmesserkonstruktion zugrunde gelegte Art der Einstellung. Sind zur Bestimmung der Entfernung zwei Einstellungen nötig, nämlich eine zur Messung des Winkels α und eine andere zur Messung des Winkels ß, so wird dieser Fehler auch zweimal gemacht. Bei der Differentiation nach b ergibt sich d\,e_2=\frac{\delta\,e}{\delta\,b}\,d\,b=\frac{\gamma\,d\,b}{\zeta'}=\pm\,\frac{e}{b}\,d\,b. . . . . . . . (3) In diesem Fall ist also die Größe des Fehlers wiederum umgekehrt proportional b9 dagegen direkt proportional der ersten Potenz der Entfernung und dem Fehler bei der Bestimmung der Länge der Basis. Wie groß dieser Fehler ist, hängt in erster Linie von der Konstruktion des Instrumentes ab; ist die Basis in das Instrument eingebaut und konstant, so kann sie natürlich bei der Herstellung des Instrumentes mit einem großen Grad von Genauigkeit gemessen werden. Wenn dagegen die Basis im Felde direkt vor oder während der Benutzung des Instrumentes gemessen werden muß, können natürlich erheblich größere Fehler vorkommen. Das Gesamtresultat ist also mit beiden oder drei Fehlern behaftet, je nachdem der in Gleichung 2 angeführte Fehler ein- oder zweimal gemacht werden kann. Hiernach ist zu entscheiden, ob in der folgenden Gleichung (4) d e'1 gleich Null zu setzen oder mitzurechnen ist. Diese Fehler können sich unter Umständen addieren, in anderen Fällen auch subtrahieren; im allgemeinen ist nach der Wahrscheinlichkeitsrechnung der mittlere Gesamtfehler d\,e=\sqrt{d\,{e_1}^2+d\,{e_1}'^2+d\,{e_2}^2}=\sqrt{2\,\left(\frac{e^2}{b\,\gamma}\,d\,\zeta'\right)^2+\left(\frac{e}{b}\,d\,b\right)^2}. . . . . . . (4) Im folgenden soll für jeden der verschiedenen Typen von Entfernungsmessern festgestellt werden, welchen Einfluß diese Fehler im einzelnen auf das Gesamtresultat der Messung haben. Natürlich ist es nur möglich, für die beiden Größen d ζ' und d b irgend einen Mittelwert anzunehmen, der in manchen Fällen nur gemutmaßt werden kann, da mit den meisten Instrumenten leider keine Versuche angestellt worden sind, aus denen sich diese Größen ermitteln lassen. 1. Reiterfernrohr von Hofmann. Diese Instrumente haben die Basis am Ziel, und zwar wird meistens eine senkrechte Basis gebraucht. Die Messung der Entfernung wird zurückgeführt auf eine Messung der Bildgröße. Diese ist, wenn die Größe des Zieles unverändert bleibt, umgekehrt proportional der Entfernung. Zum ersten Mal war eine derartige Einrichtung in den ersten Prismenfeldstecher von Porro 1865 eingebaut, der von dem Pariser Optiker Hofmann ausgeführt und Napoleon III. überreicht worden ist. In neuerer Zeit sind solche Entfernungsmesser von der Firma Huet in Paris häufiger hergestellt. In der Bildebene des Feldstechers befindet sich eine Mikrometerplatte mit fester Teilung, an der die Größe des Zieles (ein aufrechtstehender Mann oder ein Reiter) gemessen wird. Die Teilstriche sind direkt nach Entfernungen beziffert. Genauer läßt sich die Messung ausführen, wenn der eine Faden der Teilung mit Hilfe einer Mikrometerschraube einstellbar gemacht und mit der Mikrometerschraube eine Skalentrommel verbunden ist. Derartige Fernrohre sind vor mehreren Jahren für die rumänische Armee nach Vorschlag des Oberstleutnants Jonescu von der Firma Goerz-Friedenau in größeren Mengen ausgeführt (vergl. Abb. 2). Textabbildung Bd. 328, S. 562 Abb. 2. Die Vorteile derartiger Instrumente beruhen auf ihren geringen Dimensionen und ihrer Handlichkeit. Als Nachteil ist anzuführen, daß zwei Einstellungen zu machen sind (auf den unteren und den oberen Faden), die einerseits zu größeren Meßfehlern Veranlassung geben, und andererseits nie gleichzeitig ausgeführt werden können, so daß sich die erste Einstellung verändern kann, bevor die zweite gemacht ist. Der untere Basispunkt ist häufig nicht gut erkennbar; z.B. kann der Mann im Gestrüpp oder dergleichen stehen. Außerdem kann als Basis nur ein mittleres Maß angenommen werden, z.B. ist bei den rumänischen Entfernungsmessern für den stehenden Mann eine Höhe von 1,70 m und für den Reiter eine Höhe von 2,90 m zu Grunde gelegt. Natürlich können diese Größen recht erheblichen Schwankungen unterworfen sein. Das Instrument ist nur für die Zwecke der Infanterie bestimmt. Der Messung liegt entsprechend Abb. 1 ein gleichschenkliges Dreieck zu Grunde. Die Basis b ist die Größe des Mannes bzw. Reiters, dessen Entfernung gemessen werden soll; der Winkel ζ wird durch die Objektivbrennweite f des Fernrohrs und die Länge l des mit dem Mikrometer gemessenen Bildes des Mannes (Reiters) bestimmt \zeta=2\,\mbox{arctg}\,\frac{1}{2\,f}=\frac{1}{f}. Hieraus geht hervor, daß der bei der Bestimmung des Winkels ζ = γ ζ begangene Fehler sowohl bei der Einstellung auf den Fußpunkt der Basis, als auch bei der Einstellung auf die obere Spitze der Basis (Kopfbedeckung des stehenden Mannes oder des Reiters) gemacht werden kann, also bei der Fehlerbestimmung zweimal angeführt werden muß. Ebenfalls kann die Länge der Basis erheblich anders sein, als bei der Berechnung der Skala des Instrumentes angenommen worden ist. Dementsprechend ist der wahrscheinliche Meßfehler zu berechnen nach der Formel (4) d\,e=\sqrt{d\,{e_1}^2+d\,{e_1}'^2+d\,{e_2}^2}=\sqrt{2\,\left(\frac{e^2}{b\,\gamma}\,d\,\zeta'\right)^2+\left(\frac{e}{b}\,d\,b\right)^2}. Nimmt man an, daß bei dem mit der Vorrichtung von Huet ausgerüsteten Feldstecher die Vergrößerung eine achtfache ist, daß die Messung nach einem Reiter ausgeführt wird, und daß bei der Bestimmung des Winkels ζ' ein Fehler von 2 Minuten begangen ist, während die Basis von dem angenommenen Wert um 0,1 m abweicht (in Wirklichkeit kann aber sehr leicht eine Abweichung von 0,2 m vorkommen), so sind bei der Fehlerberechnung in die obige Gleichung folgende Größen einzusetzen: d ζ' = 2' = 0,005818, b = 2,90 m, d b = 0,10 m, γ = 8. e d e1 Der Fehler d e1 wird zweimal gemacht, in Gleichung (4) muß also 2 d e12 eingesetzt werden. d e2 d e   500     6,3 17,2   19,4 1000   25,1 34,5   49,5 1500   56,4 51,7   95,1 2000 100,3 69,0 157,7 Bei dem mit der Einrichtung von Jonescu versehenen Feldstecher kann die Einstellung mit der Mikrometerschraube etwas genauer gemacht werden als bei dem vorhergenannten Instrument, so daß für d ζ' ein kleinerer Wert eingeführt werden kann; angenommen sei beispielsweise d ζ' = 1' = 0,00029089, alle andern Größen bleiben dieselben wie vorher. Die Fehler nehmen infolgedessen folgende Werte an: d ζ' = 1' = 0,0002909, b = 2,90 m, d b = 0,10 m, γ = 8. e d e1 Der Fehler d e1 wird zweimal gemacht, in Gleichung (4) muß also 2 d e12 eingesetzt werden. d e2 d e   500   3,1 17,2 17,8 1000 12,5 34,5 38,8 1500 28,2 51,7 53,2 2000 50,2 69,0 98,9 In Wirklichkeit werden die Fehler wahrscheinlich noch größer sein, da besonders bei freihändigem Messen die für d ζ'  angenommenen Werte noch größer sein werden, und, wie bereits angeführt, der für d b angenommene Wert auch sicher in manchen Fällen einen erheblich größeren Betrag annehmen kann. Letzterer wird wahrscheinlich häufig so groß sein, daß diese hier vorgenommene Berechnung mit Hilfe der Differentiale den tatsächlichen Verhältnissen nicht mehr genügend entspricht. 2. Doppelbildmikrometer. Der Nachteil der unter 1 genannten Instrumente, daß zwei Einstellungen nötig sind, ist auf sehr einfache Weise durch Dollond 1753 beseitigt, indem er von dem Ziel zwei Bilder entstehen läßt, die aufeinander eingestellt werden, so daß das eine Bild als Einstellmarke für das andere dient. Diese Einrichtung kann durch verschiedene optische und mechanische Methoden ausgeführt werden. Dollond zerschnitt das Objektiv parallel zur Basis, d.h. also in senkrechter Richtung in zwei Hälften; dann entwirft jede Hälfte des Objektivs ein Bild vom Ziel. Diese beiden Bilder fallen zusammen, wenn die beiden Objektivhälften so zusammenliegen wie im unzerschnittenen Objektiv. Wird die eine Hälfte in senkrechter Richtung verschoben, so bewegt sich das zugehörige Bild ebenfalls in diesem Sinne. Stellt man die beiden Bilder so ein, daß der unterste Punkt des einen Bildes den obersten des anderen gerade berührt, so hat man damit die Bildgröße des Zieles bzw. den Winkel ζ' gemessen. Bewegen sich das Ziel und der Standort des Instrumentes relativ zueinander, so bewegen sich beide Bilder gleichzeitig in entsprechender Weise mit, so daß die Messung dadurch nicht beeinflußt wird, wenn nicht direkt die Entfernung verändert wird. Diese Instrumente sind hauptsächlich für Messungen nach Schiffen benutzt. Sie haben den Nachteil, daß ihre absoluten Angaben ebensowenig zuverlässig wie bei den unter 1 genannten Entfernungsmessern sind, da auch hier die Zielgröße, also die Basis nicht immer genau bekannt ist. Wird eventl. die Größe der Basis geändert (zerschossen), so ist die Grundlage der Entfernungsmessung zerstört und das Instrument wenigstens für dieses Ziel unbrauchbar geworden. Solange diese Uebelstände nicht eintreten, sind diese Doppelbildmikrometer sehr brauchbar zur Bestimmung der Entfernungsänderung, da sie, abgesehen von dem eventl. falsch angenommenen Basiswert, wegen der Größe der zur Verfügung stehenden Basis recht genaue Messungen liefern und infolgedessen Aenderungen der Entfernungen sehr gut anzeigen. Da hier nur eine Einstellung gemacht wird, so ist bei der Fehlerbestimmung d e1 nur einmal zu rechnen. Die Einstellung des einen Zielbildes auf das andere kann mit verhältnismäßig großer Genauigkeit gemacht werden, da, wie bereits ausgeführt wurde, bei Schwankungen des Instruments beide Bilder dieselben Bewegungen ausführen, also sich wohl im Gesichtsfeld hin- und herbewegen, aber relativ zueinander dieselbe Lage beibehalten. Daher kann d ζ' = 30'' = 0,00014544 gesetzt werden. Als Basis dient beispielsweise bei der Messung nach einem Schiff die Höhe der oberen Schornsteinkante über dem Wasserspiegel; diese sei zu 20 m angenommen. Im allgemeinen ist dieses Maß auch für fremde Kriegsschiffe ziemlich genau bekannt; es kann jedoch Schwankungen unterliegen infolge der wechselnden Belastung des Schiffes. Es sei daher d b = 0,2 angenommen. Die Fernrohrvergrößerung würde = 15 gesetzt werden, alsdann ergibt sich folgende Fehlertabelle d ζ' = 30'' = 0,000145, b = 20 m, d b = 0,20, γ = 15. e d e1 d e2 d e 1000   0,48 10,0 10,0 1500   1,1 15,0 15,0 2000   1,9 20,0 20,1 5000   12,1 50,0 51,4 10000 48,5 100,0 111,1 Aus dem Umstände, daß der Wert von d e1 verhältnismäßig klein ist, geht hervor, daß, besonders bei kleineren Entfernungen, der Fehler nur abhängig ist von der genauen Kenntnis der Basis, d.h. der Masse des feindlichen Schiffes. Abgesehen davon ist die Einstellgenauigkeit des Instrumentes eine ausgezeichnete, so daß es, wie bereits erwähnt, sehr gute Dienste als Annäherungsmesser leisten kann. (Fortsetzung folgt.)