Titel: Neuere wirtschaftliche Erfahrungen mit Entstaubungsanlagen.
Autor: Gerold
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 565
Download: XML
Neuere wirtschaftliche Erfahrungen mit Entstaubungsanlagen. Von Consult.-Ingenieur Gerold. GEROLD: Neuere wirtschaftliche Erfahrungen mit Entstaubungsanlagen. Inhaltsübersicht. Es werden Anlage- und Betriebskosten bei Entstaubungsanlagen mit Frischluft und Zirkulationsluft verglichen. –––––––––– Zwecks Betrachtung der praktischen Erfahrungen der letzten Zeit mit Entstaubungsanlagen sei zunächst eine Frischluftanlage in einer Spinnerei behandelt, die als vorzüglich gelungen zu bezeichnen ist. Daß die Luft bei vollem Betriebe der Anlage genügend staubfrei ist, ist bei einer gut funktionierenden Frischluftanlage selbstverständlich. Aber auch Schwierigkeiten bei der Erhaltung der Temperatur und Feuchtigkeit sind scheinbar nicht vorhanden. Allerdings wurde die Anlage Ende Oktober gesehen bei etwa 8 bis 10° Wärme. Es war hierbei eine Einrichtung getroffen, welche einen klaren Blick über die Funktion der Anlage während des ganzen Jahres gewährt, und welche wohl verdient, überall nachgeahmt zu werden. Es wird dort nämlich genau Buch geführt über die Temperaturen und die Feuchtigkeitsgehalte der Luft außen und innen. Jeden Tag dreimal, früh 7 Uhr, mittags 11 Uhr und abends 5 Uhr werden innen und außen die Thermo- und Hygrometer abgelesen und die Resultate in ein Buch eingeschrieben, so daß dieses einen klaren Ueberblick über die bezüglichen Verhältnisse während des ganzen Jahres gewährt. In das gleiche Buch wird der Kohlen- und Wasserverbrauch eingeschrieben, so daß man von ersterem ein klares Bild erhält. Die Angaben über den Wasserverbrauch scheinen mir allerdings zu niedrig zu sein, und das hat jedenfalls seinen Grund darin, daß die über die Heizkörper streichende Frischluft durch die für das bloße Auge unmerkbaren Undichtigkeiten ebenfalls Wasser aufnimmt, dessen Menge sich natürlich jeder Kontrolle entzieht. Die Notierung des Wasserverbrauches ist zudem sehr unwichtig, da man die geförderte Luftmenge kennt und aus den Hygrometerständen draußen und drinnen dann auch genau weiß, welche Wassermenge verbraucht sein muß. Wichtig dagegen ist die Notierung des Kohlenverbrauches, da solche unbedingt den wirklichen Verbrauch an Kohle angibt. Schon das Gebäude, ein Shedbau, ist insofern nachahmungswert, als das Dach durch Gipsdielen gegen äußere Temperatur isoliert ist, und die Fenster als Doppelfenster ausgeführt sind, so daß die Ausstrahlung dieses Räumes nicht größer sein dürfte, als ein Innenraum einer hochgebauten Spinnerei. Für einen Raum nun von 1972 cbm Inhalt, in welchem sich acht Karden befinden, wurde im Jahre verbraucht eine Kohlenmenge von M 756,60 an 148 Heiztagen. Da das zur Befeuchtung, nötige Wasser durch Gasflamme erhitzt wurde, über den Gasverbrauch leider keine Aufzeichnungen vorhanden waren, so sind wir hier auf Schätzung angewiesen. Wir dürfen wohl annehmen, daß hierfür durchschnittlich eine Flamme, wie sie bei Sparherden üblich ist, nötig ist. Eine solche Flamme verzehrt i. d. Std. 600 l Gas, an einem Tage von 10 Stunden also 6 cbm im Werte von etwa 60 Pf., das macht an 148 Heiztagen etwa M 90, so daß der Gesamtverbrauch für Heizung und Befeuchtung sich in einem Jahr auf etwa M 850 stellen dürfte. Nun liegt die Anlage in einem sehr milden, von der Nordsee beeinflußten Klima. Nach den Aufzeichnungen der Spinnerei gab es in diesem Jahre nur 41 Tage unter 0°, davon nur 11 Tage unter – 5 ° und nur 6 Tage unter – 10°. Die Durchschnittstemperatur früh 7 Uhr war + 2,77°, also annähernd + 3°, und die Durchschnittstagestemperatur war + 4,9°, also annähernd + 5°, während im Innern der Karderie eine Durchschnittstemperatur von + 14° gehalten wurde. Es war mithin an 148 Tagen für drei Karden die Temperatur von + 5° auf + 14°, also um 9° zu erhöhen und die Ausgabe dafür und für die dabei nötige Befeuchtung betrug M 850. Wenn wir nun diese Zahl 850 durch die Zahl 8 (der Karden) dividieren, so erhalten wir M 106,25 für die Karde, und wenn wir diese Zahl durch 148 dividieren, so erhalten wir 72 Pf. für die Karde und Tag, und wenn wir diese Zahl wieder durch die Zahl 9 (der Karde, um welche die Luft erwärmt wird) dividieren, so erhalten wir 8 Pf. für die Karde, Grad und Tag als den Geldwert für den Kohlenverbrauch, für Heizung und Befeuchtung in einer gut ausgeführten Anlage mit vollem Frischluftersatz. Zuverlässige Angaben über die verschiedenen Klimate in Deutschland und einiger Auslandplätze, an welchen sich eine Textilindustrie für Flachs und Hanf befindet, hat Röder als einwandfreiestes Material von der Erdbebenwarte in Breslau erhalten. Aus den Aufzeichnungen der einzelnen Tage für jeden Ort ergibt sich folgende Zusammenstellung: Wenn wir als Heiztage für Entstaubungsanlagen mit vollem Frischluftersatz alle diejenigen Tage bezeichnen, an denen früh um 7 Uhr bis 8 Uhr eine Außentemperatur bis + 5 ° herrscht, und als Heiztage für Entstaubungsanlagen mit Zirkulationsluft alle diejenigen Tage, an denen in den Morgenstunden eine Außentemperatur bis – 5° herrscht (wir werden später sehen, daß das genügt), so erhalten wir folgende Tabelle. Die Durchschnittstemperaturen gelten für die Heiztage früh 7 bis 8 Uhr. Die durchschnittlichen Tagestemperaturen dürften etwa 1,5° höher liegen. Ort Werktagebis+ 5° Durch-schnitts-temperatur Werktageunter– 5° Durch-schnitts-temperatur Hannover 130 14 –   9° Grünberg 146 – 1,84° 23 –   9,53° Breslau 147 – 1,44° 23 –   9,7° München 144 – 1,75° 26 – 10,2° Beuthen O./S 152 – 1,34° 26 – 10,1° Zillertal i. Schl. 148    – 2,3° 39 – 10,5° Friedland i. Schl. 158    – 2,3° 40 –   9,85° Außerhalb Deutschlands: Vlissingen 105    + 1,1°   4 –   8,7° Wien 127    – 1° 19 –   8,7° Warschau 130    – 1,5° 22 – 10,7° Karlstadt 153 – 1,76° 33 – 10,2° Wilna 157 – 3,72° 46 – 11,52° Riga 170 – 2,84° 46 – 10,65° Diese Temperaturen sind, wie gesagt, früh um 7 Uhr bis 8 Uhr abgelesen. Für Breslau konnte auch die Durchschnittstemperatur der letzten 100 Jahre für die einzelnen Monate erhalten werden, und zwar abgelesen früh 7 Uhr, nachmittags 2 Uhr und abends 9 Uhr, und da zeigt sich, daß diese hundertjährigen Durchschnitts-Tagestemperaturen etwa 1,5° höher liegen als die Durchschnitts-Morgentemperaturen der letzten beiden Jahre. Wir hatten angenommen, daß bei Entstaubungsanlagen mit vollem Frischluftersatz nur bis zu der Außentemperatur von + 5° (früh um 7 Uhr) geheizt zu werden braucht. Hannover hat ungefähr das gleiche Klima wie der Ort der Entstaubungsanlage. Hannover hatte 47 Tage unter 0°, während dieser Ort im gleichen Zeitraum 41 solche Tage hatte. Hannover hatte also eher noch ein etwas strengeres Klima. Wenn nun Hannover bei unserer Annahme von + 5° als Heizgrenze nur 130 Heiztage hatte, während die vorgenannte Spinnerei tatsächlich an 148 Heiztagen geheizt hatte, so muß die Heizgrenze noch etwas höher als + 5° liegen. Und das ist auch natürlich, da die Innentemperatur durch die Befeuchtung herabgedrückt wird. Daß die Spinnerei an noch viel wärmeren Tagen geheizt hat, geht auch schon daraus hervor, daß die Durchschnittstemperatur ihrer Heiztage frühmorgens + 3° betrug, während die Durchschnittstemperatur der Heiztage bis zu der Grenze von + 5 ° früh morgens in Hannover 0° betrug. Die Notwendigkeit zu heizen, hängt ja auch nicht allein von der Temperatur ab, sondern auch von der Windstärke und Windrichtung und von dem Feuchtigkeitsgehalt der Außenluft. Das kälteste Klima hat in Schlesien Zillertal, und da München noch eine etwas geringere Durchschnittstemperatur hat als Breslau, so werden die Spinnereien in den Bayrischen Bergen wohl auch ein noch etwas strengeres Klima haben als die Spinnereien in den schlesischen Bergen. Zillertal hat eine durchschnittliche Heizperiode (immer bei der Heizgrenze von + 5°) von 148 Werktagen bei einer Durchschnittstagestemperatur von etwa – 1°. Legen wir da wieder den Preis für die Karde, Tag und Grad von 8 Pf. zugrunde, so kostet die Heizung und Befeuchtung dort für die Karde und Jahr bei Erhaltung einer Innentemperatur von + 15° und einem Feuchtigkeitsgehalt von etwa 60 v. H. 148 × 16° × 8 Pf. = M 89,44, rund M 190. Bei der früheren Anlage hatte die Heizung und Befeuchtung für die Karde und Jahr M 106 betragen, und wir ersehen hieraus schon, welchen Einfluß das Klima auf die Betriebskosten und damit auf die Frage hat, ob Frischluft oder Zirkulationsluft. Es kommt noch ein anderes dazu: Der Preis von 8 Pf. für die Karde, Tag und Grad gilt für eine Flachsspinnerei. In einer Hanfspinnerei müssen infolge der größeren Staubentwicklung noch ganz andere Luftmengen bewegt werden. Und wenn diese größeren Staubluftmengen durch Frischluft ersetzt werden sollen, so wird für diesen Ersatz auch eine größere Kohlenmenge zur Erwärmung nötig werden, so daß wir für Hanfspinnereien den Kohlenbedarf für Heizung und Befeuchtung wohl auf mindestens 12 Pf. für die Karde, Tag und Grad veranschlagen dürfen. Wenn also in einer Spinnerei, welche in unserer nordwestdeutschen Tiefebene zwischen Hannover und Köln liegt, bei Entscheidung der Frage, ob Frischluft oder Zirkulationsluft, die Betriebskosten keine ausschlaggebende Rolle spielen, so gilt das noch lange nicht für eine Spinnerei in den bayrischen oder schlesischen Bergen. Einer solchen Spinnerei wenden wir uns jetzt zu. Diese Spinnerei arbeitet in ihrer Karderie und Vorspinnerei mit Zirkulationsluft System Beth und in ihrer Hechelei mit Frischluft. In der Karderie dieser Spinnerei hat Roeder, Breslau, gefunden, daß bis zu einer Außentemperatur von – 5° die Wärmeentwicklung der Maschinen und Menschen ausreicht, um den Wärmeverlust durch Ausstrahlung des Gebäudes zu decken, und das mithin bis zu dieser Temperatur die Heizung überhaupt nicht in Anspruch genommen wird, sondern nur die Befeuchtung, welche durch Dampf geschieht. Der Feuchtigkeitsgehalt der Luft beträgt dort stets 75 bis 80 v. H. Es hat sich ferner gezeigt, daß bis zu einer Außentemperatur von etwa – 10° eine Heizung von ein bis zwei Stunden frühmorgens für den ganzen Tag ausreichte, und daß auch an den kältesten Tagen des letzten strengen Winters bei heftigsten Ostwind die Heizung nur früh und nachmittags je ein bis zwei Stunden, insgesamt vielleicht drei bis vier Stunden am Tage in Anspruch genommen zu werden brauchte. Was kostet nun dort die Heizung und Befeuchtung? (Schluß folgt.)