Titel: Die Bedeutung der Rädergetriebe für den Antrieb von Handelsschiffen.
Autor: Kraft
Fundstelle: Band 328, Jahrgang 1913, S. 802
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Die Bedeutung der Rädergetriebe für den Antrieb von Handelsschiffen. Von Dipl.-Ing. Kraft in Berlin. (Schluß von S. 790 d. Bd.) KFRAFT: Die Bedeutung der Rädergetriebe für den Antrieb von Handelsschiffen Zu den vorerwähnten Vorzügen der Turbinenanlage mit Uebersetzungsgetriebe, hohe Betriebsökonomie, geringes Gewicht, geringer Platzbedarf mäßige Anlagekosten, gesellen sich noch einige andere. Die rotierenden Maschinen sind einfacher zu warten als Kolbenmaschinenanlagen; sie brauchen also weniger Bedienungspersonal. Sie ergeben eine sehr übersichtliche Anlage, wie die angefügten Dispositionspläne der Zweiwellenanlage des Fährdampfers „Curzon“ (Abb. 6 bis 8) erkennen lassen. Frachtdampfer mit Rädergetriebe gehen, wie die Erfahrung erwiesen hat, auch leicht geladen sehr ruhig, da die Maschine bei austretender Schraube nicht durchgeht. Diesen Vorzügen stehen einige wenige Nachteile gegenüber. Der wesentlichste ist die bei den Rädergetrieben auftretende Geräuschfrage. Diese Geräusche werden hervorgerufen durch kleine Ungleichheiten der mechanischen Bearbeitung. Die bisherigen ungünstigen Erfahrungen, die zumeist auf den leichten Kanaldampfern gemacht sind, berechtigen jedoch zu der Erwartung, daß sich bei kräftiger gebauten Schiffen das Geräusch der Getriebe wesentlich vermindern läßt. Uebrigens ist das pfeifende Geräusch, das die Getriebe verursachen, wohl mehr ungewohnt als störend. Jedenfalls ist es nicht so groß, daß es eine Verständigung im Maschinenraum in einiger Entfernung vom Getriebe unmöglich macht. Die ganze Geräuschfrage ist daher für Schiffe, die nicht dem Passagierverkehr dienen wie Frachtdampfer, ohne wesentliche Bedeutung. Textabbildung Bd. 328, S. 801 Abb. 6 bis 8. Anordnung der Maschinen- und Kesselanlage eines kleinen Revierdampfers (Typ „Curzon“) Wichtiger ist bei diesen, die fast durchgängig nur Einschraubenschiffe sind, die Havariegefahr bei unklar werdendem Getriebe. Eine Zweiwellenanlage bietet insofern mehr Garantien gegenüber einer derartigen Gefahr, als bei mangelnder Arbeitsfähigkeit einer Welle, das Schiff immer noch leichter und mit weniger Kosten in den Hafen zu bringen ist. Schließlich muß auch noch die Frage der Abnutzung der Getriebe erwähnt werden. Sie ist trotz der hohen Umfangsgeschwindigkeiten wesentlich geringer, als ursprünglich angenommen wurde. Die Umfangsgeschwindigkeiten, mit denen nach den bisherigen Ausführungen etwa zu rechnen ist, liegen: bei Frachtdampfern zwischen 10 und 15 m/Sek. bei Kanaldampfern zwischen 25 und 35 m/Sek. Daß noch wesentlich höhere Geschwindigkeiten mit Sicherheit praktisch durchführbar sind, unterliegt keinem Zweifel. Sorgfältiger Schnitt der Zähne und korrekte Lagerung der Getriebe sind die natürlichen Voraussetzungen für einwandfreien Gang. Sind sie, was mit zunehmender praktischer Erfahrung zu erwarten ist, gesichert, so ist bei guter Schmierung die Abnutzung in mäßigen Grenzen zu halten. Bei dem Getriebe des Frachtdampfers „Vespasian“ konnte nach Ausführung von 26 Reisen, bei denen das Schiff rund 20000 Seemeilen zurückgelegt hatte, nur eine kaum meßbare Abnutzung der Ritzel festgestellt werden. Aehnliche Erfahrungen hat man bei den Kanaldampfern gemacht. Als die Getriebe des Kanaldampfers „Normannia“ nach Zurücklegung von 26000 Seemeilen vor einiger Zeit zu Revisionszwecken aufgenommen wurden, zeigten die Getriebe nicht die geringste Abnutzung. Natürlich wird die Notwendigkeit eines Ersatzes der Ritzel bei ihren hohen Drehzahlen eher eintreten als beim Rade. Sie bietet jedoch praktisch keine Schwierigkeiten, da sich der Einbau neuer Ritzel leicht und ohne große Kosten durchführen läßt. Daß der Kostenpunkt keine große Rolle bei der Neubeschaffung spielen kann, läßt sich aus dem Umstände entnehmen, daß die Lebensdauer der Ritzel von Melville – Getrieben auf etwa fünf bis sechs Jahre geschätzt wird. Textabbildung Bd. 328, S. 802 Abb. 9 und 10. Parsons-Getriebe des Frachtdampfers „Cairnroß“ (Die Wellenstange a von Ritzel- und Turbinenwelle sind durch eine ähnliche Kupplung miteinander verbunden wie bei Abb. 4 und 5 S. 7721 Die wenigen vorerwähnten Nachteile können natürlich die wesentlichen Vorzüge der Turbinenanlagen mit Rädergetriebe nicht aufwiegen. Es ist daher kein Wunder, daß wir derartige Anlagen heute mehr und mehr Boden gewinnen sehen. Im großen und ganzen sind die vorerwähnten Vorzüge auch dem Föttinger-Transformator zu eigen, von dem sich das Rädergetriebe maßgebend durch die Höhe des Uebersetzungsverhältnisses und des Wirkungsgrades unterscheidet. Der hiermit dem Föttinger-Transformator gezogenen Beschränkung seines Arbeitsgebietes nach unten hin steht seine größere Leistungsaufnahme gegenüber, die ihm bei großen Maschinenanlagen Erfolge sichert. Das Uebersetzungsverhältnis und der Wirkungsgrad spielt hier keine so große Rolle, weil infolge der großen Dampfvolumina der Turbinenwirkungsgrad an sich ein guter wird. So ist bei den beiden Getriebearten die Abgrenzung ihrer Arbeitssphären gegeneinander im wesentlichen abhängig von der Höchstleistung, die das Parsons – Getriebe aufzunehmen vermag. Wie die Tabelle der ausgeführten Anlagen mit Parsons-Getrieben zeigt, beträgt die größte bisher von einem Ritzel übertragene Leistung (Kanaldampfer „Paris“) rund 3000 PS. Das Parsons-Getriebe würde darnach in erster Linie in Frage kommen für die normalen Typen von Frachtdampfern und Fracht- und Passagierdampfern, deren Maschinenleistung sich in den Grenzen zwischen 1000 PS und 6000 PS pro Welle bewegt; daneben auch für die leichten Zweiwellenanlagen der Kanaldampfer und ähnlicher Schiffe. Hier kommen wir der niedrigen Uebersetzungsverhältnisse wegen aber schon in das Grenzgebiet des Föttinger-Transformators. Die Zahl von 3000 PS pro Ritzel gibt für das Parsons- Getriebe allerdings nicht die Höchstgrenze. Wie erwähnt, sind bereits Anlagen bis zu einer Leistung von 6000 PS pro Ritzel und mehr in der Ausführung begriffen. Es wird sich fragen, ob derartig große Leistungen bei den Rädergetrieben nicht schon die Gewähr für die nötige Betriebssicherheit vermissen lassen. Natürlich zieht die Rücksicht auf mechanische Festigkeit, guten Zahneingriff, Größe der Räder ihrer Verwendung nach oben hin eine gewisse Grenze. Man wird diese Grenze zwar schrittweise höher legen können, aber nur unter sich steigernden konstruktiven Schwierigkeiten. Schon die Durchführung großer Uebersetzungsverhältnisse bei kleinen Leistungen läßt die Art dieser Schwierigkeiten erkennen. Bei einer Anlage wie die von „Cairnroß“ beträgt bei einem Uebersetzungsverhältnis von 26,2: 1 der Raddurchmesser schon nahezu 3,5 m (Abb. 9 u. 10). Abgesehen davon, daß so große Räder nicht mehr bequem unterzubringen sind, fordern sie auch eine besonders kräftige Ausbildung des Radkranzes, der bei den erforderlichen großen Zahnbreiten an sich schon reichlich schwer wird. Trotz sorgfältiger konstruktiver Ausbildung liegt bei derartigen schweren Bauteilen die Gefahr auftretender Material- und Temperaturspannungen, die den guten Eingriff der Zähne in Frage stellen, recht nahe. Kann man nun auch bei größeren Anlagen von der Verwendung sehr hoher Uebersetzungsverhältnisse fraglos absehen, so muß doch mit wachsender Leistung die Radbreite wachsen und das bedingt ebenso wie der wachsende Durchmesser für die Sicherung eines tadellosen Zahneingriffs ernste Schwierigkeiten. Ob es gelingt, dieser vielleicht durch lamellenartige Ausbildung der Räder Herr zu werden, wird Sache der praktischen Erfahrung sein. Das Melville-Getriebe soll durch die bewegliche Lagerung der Ritzelwellen mit Bezug auf die Belastungsfähigkeit des Getriebes allerdings günstiger dastehen, als das Parsons-Getriebe. Es wird wenigstens behauptet, daß es Leistungen bis zu 10000 PS f. d. Ritzel gut aufnehmen kann. Man wird sich jedoch der Bedenken schwer erwehren können, ob unter allen Umständen auch unter schnell wechselnden Betriebsverhältnissen gute Eingriffsverhältnisse stets gewährleistet sind, d.h. ob die Regelung des Zahndruckes mittels der Ausgleichkolben absolut zuverlässig ist. Hier bleiben eben künftige Erfahrungen abzuwarten. Im Gegensatz zu den Rädergetrieben hat das Föttinger-Getriebe bereits bei einem größeren Maschinensatz von 10000 PS, der für die Zweiwellenanlage eines Postdampfers der Hamburg-Amerika-Linie bestimmt ist, durch eine ununterbrochene 14 tägige Dauererprobung den Nachweis seiner Zuverlässigkeit und Betriebssicherheit erbracht. Es scheint danach festzustehen, daß innerhalb der heute bei Bordanlagen vorkommenden Höchstleistungen der Transformator im Gegensatz zum Rädergetriebe seinen Konstruktionsbedingungen nach an keine obere Grenze gebunden ist. Einen wesentlichen generellen Vorzug hat der Transformator dem Rädergetriebe gegenüber voraus, einen Vorzug, der allerdings bei Kriegsschiffsanlagen mehr ins Gewicht fällt als bei Handelsschiffsanlagen. Der Transformator gestattet, da die Umsteuerung in das Getriebe gelegt ist, die von der Turbine abgegebene Leistung fast in voller Höhe für die Rückwärtsfahrt nutzbar zu machen. Wie festgestellt ist, läßt sich bei Rückwärtsgang ein Wirkungsgrad von nicht weniger als 80 v. H. erzielen. Die Rückwärtsleistung beträgt hiermit nahezu 90 v. H. der Vorwärtsleistung. Die bei Anlagen mit Rädergetrieben verwirklichten Höchstleistungen bei Rückwärtsfahrt betragen demgegenüber im Höchstfalle (bei Kanaldampfern) bis zu 60 v. H. der Vorwärtsleistung. Natürlich ist dann der Ventilationsverlust der Rückwärtsturbine entsprechend groß. Dieser Vorzug des Föttinger-Transformators ist für die Manövrierfähigkeit von recht großer Bedeutung. Bei Betrachtung der Grundlagen, die bei Schiffsantriebsmaschinen zur Erhöhung der Wirtschaftlichkeit fuhren, ist bisher ein wichtiger Faktor außer Ansatz geblieben, weniger deshalb, weil über seine wirtschaftliche Bedeutung Zweifel herrschen, als aus betriebstechnischen Gründen. Bisher ist nur die Erhöhung des thermo-dynamischen Wirkungsgrades der Turbine durch Erhöhung der Umfangsgeschwindigkeit in Betracht gezogen worden. Wo die Grenze für die zulässige Erhöhung der Drehzahl zu ziehen ist, die nicht allein von Festigkeitsfragen, sondern auch von der Größe des Austrittsverlustes und anderen Punkten abhängig ist, bleibt abzuwarten. Der Bau der ortfesten Generatorturbinen wird vielleicht bald die nötigen Erfahrungen zu sammeln gestatten, weil man hier scheinbar dem betreffenden Grenzgebiet schon sehr nahe gerückt ist. Wichtiger und zunächst wesentlich erfolgversprechender als die Erhöhung des Wirkungsgrades der Schiffsturbinen scheint die Erhöhung des nutzbaren Wärmegefälles durch Verwendung hoher Ueberhitzung. Bei Schiffskolbenmaschinenanlagen hat man mit mäßiger Ueberhitzung bekanntlich gute Erfolge erzielt. Die entsprechenden Ueberhitzer-Konstruktionen haben sich seit einer längeren Reihe von Jahren bewährt und bisher auch kaum Anlaß zu Beanstandungen gegeben; anders allerdings bei Verwendung höherer Ueberhitzung. Hier hat man viele Schwierigkeiten gehabt, nicht nur bei Kolbenmaschinenanlagen, sondern auch bei Turbinen. Es ist hierbei jedoch zu berücksichtigen, daß die schlechten Erfahrungen, die in erster Linie bei Turbinenanlagen gemacht wurden – es handelte sich hierbei zumeist um Kriegsschiffsanlagen – überaus schnell zu einer allgemeinen Verurteilung der Ueberhitzung führten. Im wesentlichen war das entsprechende Urteil wohl von der Ansicht diktiert, daß die Betriebssicherheit der Anlage höher steht, als die Wirtschaftlichkeit. An dieser Ansicht konnte auch die konstruktive Wandlung der Ueberdruckturbine zur kombinierten Turbine, die zur Verwendung des überhitzten Dampfes zwanglos die Möglichkeit bot, nichts ändern. Erst neuerdings sind schüchterne Versuche zur Wiedereinführung der Ueberhitzung bei Schiffsturbinenanlagen zu verzeichnen. Die kurze und gedrungene Bauart der Turbine mit Zwischengetriebe bietet konstruktiv dem Arbeiten mit überhitztem Dampf die besten Verwendungsaussichten. Welche wirtschaftlichen Erfolge damit zu erwarten sind, kann man aus den Dampfverbrauchsdaten schnellaufender ortfester Turbinen entnehmen. Beispielsweise soll in England kürzlich für eine 5000 KW-Turbine besonderer Bauart – die Turbine arbeitet mit Zwischenüberhitzung – bei einer Zudampfspannung von 21 kg/qcm und einer Dampftemperatur von 370° C bei 93 v. H. Vakuum ein Dampfverbrauch von 4,75 kg/KW-Std. garantiert worden sein. Bei einem kürzlich fertiggestellten Turboaggregat von 25000 KW, das die Firma Parsons für die Commonwealth Edison Co. in Chicago gebaut hat, wird übrigens ein ähnlicher Dampfverbrauch erwartet. Garantiert wurde bei dieser Anlage bei einer Eintrittspannung von 14 kg/qcm, 110° C Ueberhitzung und einem Vakuum von 97 v. H. ein Dampfverbrauch von 5,1 kg/KW. Bei Handelsschiffsanlagen dürfte jedenfalls bei Turbinen mit Zwischengetriebe die Verwendung hoch überhitzten Dampfes auf die Dauer kaum Bedenken begegnen. Die Betriebsverhältnisse sind hier so gleichmäßig, daß Schwierigkeiten kaum zu befürchten sind. Anderseits ist der wirtschaftliche Gewinn groß genug, um unter Umständen auch ein gewisses Risiko zu rechtfertigen. Nach den vorstehenden Daten zu urteilen, erscheint es jedenfalls nicht ausgeschlossen, daß man auch bei größeren Bordanlagen Dampfverbräuche von 4,5 kg/WPS mit einem Wirkungsgrad des Uebersetzungsgetriebes von 90 v. H. mit einiger Sicherheit erreichen kann. Ein anderer Weg, der dem gleichen Ziele der Vergrößerung des nutzbaren Wärmegefälles zustrebt wie die Verwendung hoher Ueberhitzung, ist die Erhöhung des Vakuums. Praktischen Schwierigkeiten begegnet diese unter Bordverhältnissen kaum, am allerwenigsten bei Handelsschiffsanlagen. Die nötigen Kühlwassermengen sind leicht zu beschaffen, und die Unterbringung der entsprechenden vergrößerten Pumpen macht keine Schwierigkeiten. Natürlich wäre praktisch eine Verwirklichung sehr hoher Luftleere nur da gut durchführbar, wo die Wassertemperatur entsprechend niedrig ist. Für Schiffe, die im Nord-Atlantic fahren, könnte sich jedoch eine Erhöhung des Vakuums bis auf 96 bis 97 v. H. wohl lohnen. Die Bereitstellung der nötigen Abdampfquerschnitte bietet bei den schnellaufenden Turbinen mit Uebersetzungsgetriebe keine Schwierigkeiten, so daß eine Drosselung des Abdampfes nicht zu befürchten ist. Die in den vorstehenden Ausführungen angedeuteten Punkte zeigen, soweit sie die Erhöhung der Wärmewirtschaftlichkeit angehen, klar, daß wir mit Einführung der schnellaufenden Turbine in den Bordbetrieb denjenigen Zielen nicht mehr allzufern sind, die uns das Erscheinen der Schiffsölmaschine so verlockend nahe gerückt hat. Ob diese ihren keineswegs übergroßen wirtschaftlichen Vorsprung dauernd und auf vielen Gebieten wird behaupten können, erscheint heute schon fraglich. Daß der Oelmotor trotz seines geringeren Wärmeverbrauchs bei den heutigen Oelpreisen als Handelsschiffsmaschine, für welche die Brennstoffkosten die erste Rolle spielen, um sein künftiges Arbeitsgebiet schwer zu kämpfen haben wird, das unterliegt nach der neueren Entwicklung der Schiffsturbine keinem Zweifel. Die Schiffsölmaschine wird sich ihrer ganzen konstruktiven Entwicklung wie der Gestaltung der wirtschaftlichen Verhältnisse nach jedenfalls zunächst auf Anlagen kleinerer Leistung und auf diejenigen Fahrzeuge beschränken müssen, die entweder selbst in Oelfracht gehen oder deren Fahrtroute ihnen den Bezug von Oel relativ billig ermöglicht.